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St. Galler Volksblatt. Nr. 45, Uznach, 03. 06. 1896.

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[Spaltenumbruch] weist indessen jede Unterstützüng, von woher sie auch komme,
zurück. Man hat ihm in Zürich eine Wohnung offeriert, er hat
es indessen abgelehnt, von dem Anerbieten Gebrauch zu machen,
zugleich aber seine Verwunderung ausgesprochen darüber, daß ihm
nicht eine ganze Auswahl von unentgeltlichen Wohnungen zur
Verfügung gestellt werde.

Den größten Teil der Zeit nahmen die Verhandlungen über
die finanziellen Verhältnisse des Vereins in Anspruch. Es wurden
u. a. folgende Kredite bewilligt: 1800 Fr. für Samariterkurse,
800 Fr. für Krankenwärterkurse, 100 Fr. für einen Hilfslehrer-
kurs für Samariter, 700 Fr. für Unterrichtsmaterial für den
Samariterbund etc. Ueber die Subventionierung der Samariter-
kurse gab Reg.-Rat Steiger in Bern interessante Aufschlüsse. Er
wies namentlich darauf hin, wie sich oft Teilnehmer für diese
Kurse anmelden, ohne die Sache vorher gehörig überlegt zu haben;
solche krebsen dann bald wieder zurück und verursachen so dem
Zentralkomite nur unnütze Arbeit. Ferner herrsche vielfach die
Meinung, daß der Verein vom Roten Kreuz sämtliche Kosten eines
Kurses übernehme, während derselbe höchstens 2/3 der Gesamt-
kosten leiste. Der Rest muß durch die Kursteilnehmer oder die
Samaritersektionen getragen werden.

Dr. Schenker aus Aarau stellt die Motion, die Direktion
möge die Frage prüfen, ob es nicht zweckmäßig sei, daß der
Verein zum Roten Kreuz nicht nur für die Kriegs- sondern auch
für die Friedenszeit organisiert werde und daß er sich zu diesem
Zwecke mit dem Samariterbund vereinigen würde. Die Motion
wurde erheblich erklärt.

Die bisherige Direktion wurde bestätigt, mit Ausnahme des
Hrn. Kommissar von Ah, der durch Hrn. Professor Dr. Beck in
Freiburg ersetzt wurde. Als nächster Versammlungsort wurde
Biel bezeichnet.

-- Am Abend des 29. Mai brannte bei einem heftigen
Gewitter in Entlebuch die dem Landwirt Joseph Hofsteter
auf Blattegg gehörende Scheune infolge Blitzschlag gänzlich
nieder. Sämtlicher Scheunevorrat, 10 Klafter Heu und
40 Kilozenter Stroh, sowie die Scheunefahrhabe verbrannte.
Ein Pferd und fünf Ziegen gingen ebenfalls zu Grunde,
indem die Tiere durch den Blitzschlag erstickten. Die Scheune
war für Fr. 5000 versichert. Hilfe konnte nicht geleistet
werden, weder Spritzen noch Feuerwehr waren zur Stelle,
die Fahrnisgegenstände sind indessen versichert.

Glarus.

Bei den montags stattgehabten Landratswahlen
siegte die liberale Liste. Neu gewählt wurde Dr. Mercier.

Graubünden.

Der Verkehr für Fußgänger ist auf der
Versamer Straße wieder hergestellt und eine Notbrücke für Ein-
spänner in Angriff genommen.

Schaffhausen.

Der Bundesrat hat dem Kanton Schaff-
hausen an die Korrektion der Wuttach einen Beitrag von 40
Prozent, im Maximum 21 600 Franken, zugesichert.

Waadt.
Lutry.

Letzten Sonntag morgen 2 Uhr
fuhren nach einem Balle drei junge Leute mit einem Segel-
schiffchen auf den See hinaus. Einer derselben erkletterte den
Mast, das Schiff kippte um und 2 Insaßen, der Souschef am
Bahnhof und ein Schreiner, beide aus Romont, ertranken.

Wallis.

Am Morgen des 29. Mai um 5 Uhr 35 Mi-
nuten wurden in Sitten zwei Erdstöße verspürt.

Genf.
Ausstellung.

Am 30. Mai hatten die "Apostel
der Presse" von rechts und links ihren "Tag." Es waren ihrer gegen
260; Präsident: Herr Redakteur Baumberger. Derselbe verlas
den Jahresbericht. Die verschiedenen "Fragen" die dem Komite
für letztes Jahr zur "Lösung" aufgegeben worden waren, wurden
noch nicht spruchreif gefunden. Es betrafen dies: Revision des
Artikels über Preßvergehen im Entwurf eines eidgen. Strafgesetz-
buches. Im fernern wünschten die Herren für sich billigere
Fahrtaxen auf der Eisenbahn, billigere Depeschen-Taxen; Her-
stellung "guter Beziehungen zwischen den Bundesbehörden und der
Presse"; sie sollen einander nichts mehr zu leid tun, sondern sich
gegenseitig sauber herausputzen, damit sie sich vor dem gemeinen
Publikum besser vorstellen -- alles im Interesse der besseren
"Wohlfahrt des Vaterlandes"! Die Jahresrechnung ergab ein
sehr günstiges Resultat.

Hierauf wurde das Komite neu bestellt. Alle Mitglieder
wurden wieder gewählt mit Ausnahme der Herren Baumberger
und Haller, die eine Wiederwahl ablehnen. Neugewählt wurden
die HH. Brandt von St. Gallen und Augustin von Bern. Zum
Präsidenten wurde gewählt der bisherige Vizepräsident Bonjour,
Redakteur der "Revue". Nach einem Bericht von Bühler, Bern,
beschloß die Versammlung, als Delegierte an den internationalen
Kongreß der Presse in Pest zu senden die HH. Bühler, Baum-
berger, Seippel und Seeretan. Sie werden beauftragt, dem
internationalen Preßverbande den Beitritt des schweiz. Preßver-
bandes anzuzeigen und ihr Möglichstes zu tun, um zu erreichen, daß
das Bureau des internationalen Verbandes in die Schweiz kommt.

Nächste Woche wollen die eidgen. "Bundesväter", National-
und Ständerat den Bummel nach Genf unternehmen und beim
schäumenden Pokale das "Vaterland" hoch leben lassen. Das
Taschengeld liefert das geduldige Vaterland

-- Die Eintragungsfrist für die Gruppe Zuchtstiere, Klein-
vieh und Jungvieh ist bis 20. Juni verlängert worden. Einschreib-
begehren sind an das Bureau der Gruppe 39 zu richten.




Ausland.



Frankreich.

Unter den 200 Kranken des jüngst nach
Lourdes abgegangenen belgischen Pilgerzuges seien 10 wunder-
bare Heilungen vorgekommen; ebenso zwei unter den Pilgern
aus dem Jura.

-- In Jouy bei Commerey stürzte die 17 Meter lange
Mauer eines Neubaus ein und tötete 7 Personen.

Oesterreich.

Gestern ging ein heftiger
Wolkenbruch nieder zwischen Gaya und Bisenz. Die Gegend
ist überschwemmt. Der Schaden beträgt eine Million Gulden.
Infolge Dammbruches ist der Eisenbahnverkehr zwischen Gaya-
Wessely, Bisenz und Pisek eingestellt.

-- In Wien geht's mit dem Liberalismus im Sturm-
schritt bergab. Der Gemeinderat wählte wieder 7 Antiliberale
zu Stadträten, worauf 6 Liberale von selber Reißaus nahmen,
als sie die Dezimierung ihrer bisherigen Reihen mitansehen mußten.
An ihre Stelle wurden dann nochmals 6 Antiliberale gewählt.

Italien.

In diesem gelobten Lande sind die Zustände
wahrhaft traurig. Abgesehen davon, daß Tausende und Tausende
ihre Blutsteuer im afrikanischen Boden bezahlen und im unseligen
Kriege gegen Abyssinien ihr Leben lassen mußten, herrscht auf
der Insel Sardinien -- gemeiniglich jetzt nur Hungerinsel ge-
[Spaltenumbruch] nannt -- eine Not, von der man sich auswärts keinen Begriff
macht. In Loria z. B. hat die Mehrzahl der Bevölkerung kein
Brot mehr und nährt sich wie ein Ochs und Esel von wild
wachsenden Kräutern. In Apius wurde der Ertrag der Ernte
vom Steuereintreiber mit Beschlag belegt. Bis zum Skelett ab-
gemagerte Frauen bringen denselben ihre notwendigsten Kleidungs-
stücke, da sie nichts anderes zum Bezahlen der Steuern besitzen.
In Aargana erkannten die Aerzte bei vielen Verstorbenen auf
Hungertod. In Barisando, Tortania und Cabrus sehen sich so-
genannte Grundeigentümer gezwungen, auf den Bettel zu gehen.

-- Vom verlassenen Kriegsschauplatz-Gebiet in Abessinien
kommen über das noch besetzt bleibende Massauah folgende ita-
lienische Berichte:

General Baldissera hat vom abessinischen Häuptling Man-
gascha die Erlaubnis erhalten, die Leichen unserer in der Schlacht
bei Abba Carima (am 1. März) gefallenen Leute zu begraben,
doch dürfen nicht mehr als 200 Mann dazu verwendet werden.
Es begeben sich also 2 Kompagnien auf das Schlachtfeld, lesen
zusammen, was von den Leichen noch zu finden ist und setzen
die Ueberreste in gemeinsamen Gräbern bei. Zwei Väter
Kapuziner begleiten die Trauer-Expedition, um die Gräber
einzusegnen.

Derjenige Ras (Häuptling), in dessen Gebiet die Festung
Addigrat bestand, ließ dieselbe zerstören. Etwa 100 unserer
eingebornen Soldaten haben unter Führung eines Offiziers die
Zugänge zur Festung mit Pulverminen in die Luft gesprengt.

-- Die "Augsburger Postzeitung" behauptet in ihren
"italienischen Briefen" aus Neapel: Seit 35 Jahren hat Italien
resp. das savoyische Königreich 12 Milliarden und 200 Millionen
Schulden gemacht. Italien, das fruchtbarste Land, produziert
verhältnismäßig den dritten Teil der Landfrucht, wie Deutschland.
Ein lähmendes, niederdrückendes Steuersystem saugt das Land aus.

England.

In London ist soeben eine englische Ueber-
setzung des berühmten Geschichtswerkes Janssens: "Geschichte des
deutschen Volkes" erschienen.

-- In England wollen die jungen Mädchen auf einmal
alle Krankenpflegerinnen werden. Die Matronen der großen
Spitäler werden mit Bewerbungsschriften förmlich überschüttet.
Die Nachfrage wurde, wie bei einem Staatsanleihen, um mehr
als das Zehnfache überboten. Die jungen Backfische hoffen auf
diesem neuen Wege entweder einen der jungen Aerzte oder doch
wenigstens einen annehmbaren Pflegling zu ergattern.

-- In Pittsburg soll nächstens eine religiöse Konferenz
behufs Wiedervereinigung der christlichen Konfessionen zusammen-
treten. Auf katholischer Seite sollen 15 Priester und Laien, auf
protestantischer Seite 15 Pastoren und Laien daran teilnehmen.
Die Konferenz hat zunächst den Zweck, auf freundschaftlichem
Wege die Hindernisse zu besprechen, welche der Wiedervereinigung
im Wege stehen, und Pläne zu formulieren, welche dieselben be-
seitigen.

Türkei.

Kaum hat das Blutbad in Armenien etwas
nachgelassen, flackert der Sturm der Revolution wieder auf der
Insel Kreta auf, wo Türken und Christen das blutige Schau-
spiel fortsetzen. Diesmal scheinen aber die übrigen europäischen
Mächte etwas früher mit der Spritze auf dem Platze sein zu
wollen, indem auch der Zugang zu der Insel etwas freier ist
als der nach Armenien. England, Rußland, Frankreich, Italien
und Oesterreich haben Kriegsschiffe dahin abgehen lassen, um selbst
die Herstellung der Ordnung an die Hand nehmen zu wollen,
wenn sich die Regierung in Konstantinopel dazu als ohnmächtig
erweisen sollte. Diese aber tut dergleichen, mit Unterdrückung
des Aufstandes ernst zu machen, wenigstens hat sie zu diesem
Zwecke 16 Bataillone auf den Schauplatz gestellt.

[Abbildung]
Rußland.

Das großartige Kaiserkrönungsfest in
Moskau, wie die Welt an Reichtum und Glanz noch keines ge-
sehen, ist vorüber, jedoch nicht ohne mit einem ebenso großartigen als
tragischen Geschicke abzuschließen. Auf dem Chodinski-Felde, wo die
teilnehmenden Volksältesten jeder mit einem Gedenkkruge und der
üblichen Speisung bedacht werden sollten, hatte sich schon am Freitag
abend eine in die Hunderttausende gehende Volksmenge eingefunden, um
am folgenden Tage, wo die Speisung etc. stattfinden sollte, rechtzeitig
auf dem Platze zu sein. Als dann die Verteilung begann, ent-
stand ein fürchterliches Gedränge, wobei 1138 Personen, Männer,
Frauen und Kinder teils erdrückt, teils schwer verletzt wurden.
Der Kaiser, erschüttert von dem traurigen Unfall, befahl, jeder der
verwaisten Familien 1000 Rubel auszuzahlen und die Begräbnis-
kosten auf seine Rechnung zu nehmen.

Ueber das Nähere der Katastrophe berichtet man:

Aus Moskau und den umliegenden Ortschaften strömten be-
reits am Freitag abend große Volksmassen nach dem Chodinsky-
Felde. Gegen zwölf Uhr nachts waren es ihrer schon an die
200,000. Die Menge richtete sich wie in einem Lager ein, zündete
Feuer an und verbrachte die Nacht mit Spielen und andern Lust-
barkeiten. Bei der Morgendämmerung drängten noch größere
Massen heran; um vier Uhr war die Schar vielleicht verdoppelt.
Die speziell für die Feier gebildete Polizei, welche die Wache
hatte, verlangte Verstärkung und gegen fünf Uhr trafen Kosaken
und gewöhnliche Polizei ein. Inzwischen hatte die Menge eine
bedrohliche Haltung angenommen und begonnen gegen die am
Rande des Feldes errichteten Schaubuden, in welchen die Gaben
für das Volk aufgespeichert waren, zu drängen. Daraufhin be-
schloß man mit der Austeilung zu beginnen. Die Hunderte mit
der Verteilung betrauten Personen vermochten aber bei dem An-
drange der Hunderttausende die in Bündel verpackten Gaben nicht
schnell genug zu spenden; in den engen Gassen zwischen den
Buden entstand ein fürchterliches Gedränge, das unter dem Nach-
stoß weiterer Hunderttausende von Minute zu Minute wuchs. So
geschah das Unglück. Herzzerreißende Schreie ertönten, bis es
den Kosaken gelang, einen Teil der Menge vom Platze zu drängen.
Viele Tausende kehrten schon gegen Mittag in die Stadt zurück,
vom Schrecken gejagt. In den Straßen zogen bis spät am
Nachmittag Wagen mit Leichen und Verwundeten in die Spitäler.
Die Verunglückten sind meist Frauen, dazu viele Kinder. Die
Zahl der Schwerverletzten wird auf Hunderte geschätzt.

Unter den Opfern der Katastrophe befinden sich keine zu den
Festlichkeiten hergereiste Ausländer.

-- Die Katastrophe auf dem Chodinsky-Feld wurde dadurch
befördert, daß die Buden mit Gräben umgeben waren. Die
Herandrängenden stürzten in dieselben und wurden natürlich von
den nachfolgenden Massen zertrelen. Die Bretterbuden wurden
eingedrückt, ein Gendarm samt seinem Pferde zermalmt.

-- Die Krönungsstadt Moskau, Mittelpunkt des Binnen-
handels, reich an Palästen, Klöstern, Kirchen und Wohltätigkeits-
anstalten, zählt nach der jüngsten Volkszählung 798 342 Ein-
[Spaltenumbruch] wohner. Die Krönungsfeier zog noch Hunderttausende dazu
herbei. Aus dem ganzen großen Reiche strömten die Leute her-
bei, vornehm und gering, alt und jung, Männer und Frauen;
aus den Dörfern kamen sie zu Fuß und zu Wagen, viele aus
weiter Ferne, nachdem sie wochenlang mit Kind und Kegel ge-
wandert sind. In ihren Augen umgibt ein Zauber den Akt der
"heiligen" Krönung. Da fand man neben dem schmucken blonden
Bauern aus Finnland den zerlumpten Tungusen, neben dem vier-
eckigen Gesicht des Weißrussen die orientalische Schönheit der
Tartarin aus Kasan; neben dem flotten feschen Polen den in
verschlissene Fetzen gehüllten, bettelhaften Zigeuner. Hier schreitet
ein Kirgise in der spitzen Mütze, dort ein Kalmück mit gelber
Gesichtsfarbe und stumpfsinnigen Augen; hier sehen wir eine
Baschkirenfrau im rottuchenen Chalat und auf dem Haupt den
mit einer Kette von Münzen geschmückten Kopfputz; dort wie-
derum armenische Kaufleute im einfachen, schwarzen Kaftan,
Tscherkessen mit roten Lederschuhen, in dem mit Patronenhaltern
geschmückten Kaftan und mit einem Baschlik von Kameelhaar,
und Georgier mit den langen, gestickten, vorn aufgeschnittenen
Aermeln, auf Schritt und Tritt abwechselnden, malerischen
Bildern gleich.

Amerika.

Im nächsten Juli soll ein großer Extra-
dampfer mit einem amerikanischen Pilgerzug von New-York nach
Rom abgehen.

-- New-York.

Gegen den Pastor der skandinavischen
Kirche in der Salzseestadt Francis Germans, einen Engländer,
ist ein Haftbefehl erlassen worden, weil er im Verdacht steht,
seine Braut, Fräulein Claussen, und mehrere andere Personen
ermordet zu haben. Die Leiche der Braut wurde in einem Ofen
unter der Kirche halbverbrannt aufgefunden. Der Pastor, der
wohl auch für die Leichenverbrennung ist, hat sich geflüchtet.

Ein abermaliger Cyklon hat
in Seneca (Missouri) großen Schaden angerichtet. Man zählt
bis jetzt 30 Tote.

Ueber den Cyklon in St. Louis
werden grausige Einzelheiten bekannt. Der Schaden wird auf
30 Millionen Dollars geschätzt, hunderte von Leichen bleiben
unter den Trümmern begraben, die genaue Zahl der Opfer wird
nie bekannt werden. Der Cyklon wütete gerade zu der Zeit,
als die Leute sich zur Heimkehr von der Arbeit rüsteten. Tiefe
Dunkelheit trat ein, grelle Blitze durchzuckten die Luft, heulender
Wind ging dem Cyklon voraus. Mit Blitzesschnelle rückte der
Wirbelsturm an. Leute und Wagen auf der Straße wurden
an die Häuser geworfen, die Tram- und Eisenbahnwagen aus
ihren Schienen gehoben, Hausdächer weggefegt, Häuser stürzten
ein. Infolge Explosion mehrerer Petroleumlager entstanden große
Brände. Die Schiffe auf dem Mississiipi wurden erst in die
Höhe gehoben und versanken dann in die Tiefe. Die tiefe
Dunkelheit vergrößerte die Panik. Ein Gefängnis, in dem sich
300 Insaßen befanden, stürzte ein. Am Morgen sah St. Louis
aus wie eine Stadt nach einer Beschießung.




Yerschiedenes.



-- Die Aussichten der Käsefabrikation
sind nach dem Bericht des schweizerischen milchwirtschaftlichen
Vereins sehr schlecht. In Italien blüht die Milchindustrie auf;
die Käseproduktion ist groß. Unsere Sekunda- und sogenannte
frühere Italienerware wird nach Italien kaum mehr abgesetzt,
so daß der Export gegen früher unbedeutend ist. Berner Groß-
käsehändler sind italienische Milchkäufer geworden, um ihre Kunden
in Italien zu erhalten, was ihnen bei Lieferung von Schweizer-
ware mit Schweizerpreis nicht möglich ist. West- und Ostpreußen
macht gesteigerte Konkurrenz (z. B. in der Rheingegend), Allgäu
macht enorme Fortschritte. Frankreich und Oesterreich-Ungarn
sind fortgeschritten und namentlich ersteres sucht sich von der
Schweiz immer mehr zu lösen. Die Hoffnungen, der reduzierte
Käsezoll nach Frankreich werde bessern Absatz ermöglichen, sind
nicht erfüllt worden.

-- Unsere Milchpreise sind laut Bericht des schweiz.
milchwirtschaftlichen Vereins sinkende und können nur durch Natur-
ereignisse, wie Trockenheiten, Ueberschwemmungen etc. auf kurze
Zeit gehoben werden. Es ist deshalb besondere Aufmerksamkeit
der Qualitätsproduktion zuzuwenden, ebenso der verbesserten und
vermehrten Viehzucht. Die Schweinezucht, welche eine rationelle
Verwertung der Milch ermöglichen soll, muß gesichert und er-
halten werden.

-- Aargauer heraus, Schildwache ins Gewehr!
Der Jesuit P. Sykes, einer der größten Gelehrten und Prediger
des Jesuitenordens in England, ist zum General-Superior der
Zambesi-Mission (Südafrika) ernannt worden Das Missions-
gebiet umfaßt von Norden nach Süden eine Länge von 2000
engl. Meilen. Gegenwärtig wirken 60 Jesuiten (!) in derselben.
Sie besitzen ein blühendes Kollegium in Grohamstown und Mis-
sionsstationen unter anderm in Buluwayo, bei den Matabele, in
Viktoria und Salisbury, bei den Maschonas etc. Welt, fall um!

-- Madame "Zivilehe"! In Molo wollte eine Frau
ihren Mann vergiften und kam dafür auf zwei Jahre ins Zucht-
haus. Der Mann ließ sich "gerichtlich" scheiden und heiratete
eine Andere -- natürlich "zivil"! Als die erste Frau die Zucht-
hausstrafe abgebüßt, schlug sie ihre Wohnung in der Nähe ihres
geschiedenen Mannes auf. Da ließ sich dieser sofort wieder von
Nr. 2 scheiden und heiratete wieder Nr. 1. Nun wütet Nr. 2
über die Treulosigkeit ihres Mannes. Aehnliches kommt auch
anderwärts vor, wo die Zivilehe Trumpf ist; 's wird halt immer
schöner und gemütlicher auf dieser buckligen Erde.

-- Eine Vexierfrage.

Die sozialistische "Petit Repu-
blique" schrieb dieser Tage: "Am 26. Mai haben die französischen
Schüler einen Ferientag, weil ein Monarch gekrönt wird und in
wenigen Wochen, am 14. Juli, werden sie einen Ferientag haben,
weil an diesem Tage die Bastille gestürmt und ein Monarch
,entkrönt' worden ist. Wie sollen sich die Schüler das zusammen-
reimen?" -- Antwort: -- (In Frankreich muß sich auch
das Ungereimte reimen).




Butterpreis in Uzuach, den 30. Mai
Fr. 1. 10, 1. 15 und 1. 18.

[irrelevantes Material]

[Spaltenumbruch] weiſt ındeſſen jede Unterſtützüng, von woher ſie auch komme,
zurück. Man hat ihm in Zürich eine Wohnung offeriert, er hat
es indeſſen abgelehnt, von dem Anerbieten Gebrauch zu machen,
zugleich aber ſeine Verwunderung ausgeſprochen darüber, daß ihm
nicht eine ganze Auswahl von unentgeltlichen Wohnungen zur
Verfügung geſtellt werde.

Den größten Teil der Zeit nahmen die Verhandlungen über
die finanziellen Verhältniſſe des Vereins in Anſpruch. Es wurden
u. a. folgende Kredite bewilligt: 1800 Fr. für Samariterkurſe,
800 Fr. für Krankenwärterkurſe, 100 Fr. für einen Hilfslehrer-
kurs für Samariter, 700 Fr. für Unterrichtsmaterial für den
Samariterbund ꝛc. Ueber die Subventionierung der Samariter-
kurſe gab Reg.-Rat Steiger in Bern intereſſante Aufſchlüſſe. Er
wies namentlich darauf hin, wie ſich oft Teilnehmer für dieſe
Kurſe anmelden, ohne die Sache vorher gehörig überlegt zu haben;
ſolche krebſen dann bald wieder zurück und verurſachen ſo dem
Zentralkomite nur unnütze Arbeit. Ferner herrſche vielfach die
Meinung, daß der Verein vom Roten Kreuz ſämtliche Koſten eines
Kurſes übernehme, während derſelbe höchſtens ⅔ der Geſamt-
koſten leiſte. Der Reſt muß durch die Kursteilnehmer oder die
Samariterſektionen getragen werden.

Dr. Schenker aus Aarau ſtellt die Motion, die Direktion
möge die Frage prüfen, ob es nicht zweckmäßig ſei, daß der
Verein zum Roten Kreuz nicht nur für die Kriegs- ſondern auch
für die Friedenszeit organiſiert werde und daß er ſich zu dieſem
Zwecke mit dem Samariterbund vereinigen würde. Die Motion
wurde erheblich erklärt.

Die bisherige Direktion wurde beſtätigt, mit Ausnahme des
Hrn. Kommiſſar von Ah, der durch Hrn. Profeſſor Dr. Beck in
Freiburg erſetzt wurde. Als nächſter Verſammlungsort wurde
Biel bezeichnet.

— Am Abend des 29. Mai brannte bei einem heftigen
Gewitter in Entlebuch die dem Landwirt Joſeph Hofſteter
auf Blattegg gehörende Scheune infolge Blitzſchlag gänzlich
nieder. Sämtlicher Scheunevorrat, 10 Klafter Heu und
40 Kilozenter Stroh, ſowie die Scheunefahrhabe verbrannte.
Ein Pferd und fünf Ziegen gingen ebenfalls zu Grunde,
indem die Tiere durch den Blitzſchlag erſtickten. Die Scheune
war für Fr. 5000 verſichert. Hilfe konnte nicht geleiſtet
werden, weder Spritzen noch Feuerwehr waren zur Stelle,
die Fahrnisgegenſtände ſind indeſſen verſichert.

Glarus.

Bei den montags ſtattgehabten Landratswahlen
ſiegte die liberale Liſte. Neu gewählt wurde Dr. Mercier.

Graubünden.

Der Verkehr für Fußgänger iſt auf der
Verſamer Straße wieder hergeſtellt und eine Notbrücke für Ein-
ſpänner in Angriff genommen.

Schaffhauſen.

Der Bundesrat hat dem Kanton Schaff-
hauſen an die Korrektion der Wuttach einen Beitrag von 40
Prozent, im Maximum 21 600 Franken, zugeſichert.

Waadt.
Lutry.

Letzten Sonntag morgen 2 Uhr
fuhren nach einem Balle drei junge Leute mit einem Segel-
ſchiffchen auf den See hinaus. Einer derſelben erkletterte den
Maſt, das Schiff kippte um und 2 Inſaßen, der Souschef am
Bahnhof und ein Schreiner, beide aus Romont, ertranken.

Wallis.

Am Morgen des 29. Mai um 5 Uhr 35 Mi-
nuten wurden in Sitten zwei Erdſtöße verſpürt.

Genf.
Ausſtellung.

Am 30. Mai hatten die „Apoſtel
der Preſſe“ von rechts und links ihren „Tag.“ Es waren ihrer gegen
260; Präſident: Herr Redakteur Baumberger. Derſelbe verlas
den Jahresbericht. Die verſchiedenen „Fragen“ die dem Komite
für letztes Jahr zur „Löſung“ aufgegeben worden waren, wurden
noch nicht ſpruchreif gefunden. Es betrafen dies: Reviſion des
Artikels über Preßvergehen im Entwurf eines eidgen. Strafgeſetz-
buches. Im fernern wünſchten die Herren für ſich billigere
Fahrtaxen auf der Eiſenbahn, billigere Depeſchen-Taxen; Her-
ſtellung „guter Beziehungen zwiſchen den Bundesbehörden und der
Preſſe“; ſie ſollen einander nichts mehr zu leid tun, ſondern ſich
gegenſeitig ſauber herausputzen, damit ſie ſich vor dem gemeinen
Publikum beſſer vorſtellen — alles im Intereſſe der beſſeren
„Wohlfahrt des Vaterlandes“! Die Jahresrechnung ergab ein
ſehr günſtiges Reſultat.

Hierauf wurde das Komite neu beſtellt. Alle Mitglieder
wurden wieder gewählt mit Ausnahme der Herren Baumberger
und Haller, die eine Wiederwahl ablehnen. Neugewählt wurden
die HH. Brandt von St. Gallen und Auguſtin von Bern. Zum
Präſidenten wurde gewählt der bisherige Vizepräſident Bonjour,
Redakteur der „Revue“. Nach einem Bericht von Bühler, Bern,
beſchloß die Verſammlung, als Delegierte an den internationalen
Kongreß der Preſſe in Peſt zu ſenden die HH. Bühler, Baum-
berger, Seippel und Seeretan. Sie werden beauftragt, dem
internationalen Preßverbande den Beitritt des ſchweiz. Preßver-
bandes anzuzeigen und ihr Möglichſtes zu tun, um zu erreichen, daß
das Bureau des internationalen Verbandes in die Schweiz kommt.

Nächſte Woche wollen die eidgen. „Bundesväter“, National-
und Ständerat den Bummel nach Genf unternehmen und beım
ſchäumenden Pokale das „Vaterland“ hoch leben laſſen. Das
Taſchengeld liefert das geduldige Vaterland

— Die Eintragungsfriſt für die Gruppe Zuchtſtiere, Klein-
vieh und Jungvieh iſt bis 20. Juni verlängert worden. Einſchreib-
begehren ſind an das Bureau der Gruppe 39 zu richten.




Ausland.



Frankreich.

Unter den 200 Kranken des jüngſt nach
Lourdes abgegangenen belgiſchen Pilgerzuges ſeien 10 wunder-
bare Heilungen vorgekommen; ebenſo zwei unter den Pilgern
aus dem Jura.

— In Jouy bei Commerey ſtürzte die 17 Meter lange
Mauer eines Neubaus ein und tötete 7 Perſonen.

Oeſterreich.

Geſtern ging ein heftiger
Wolkenbruch nieder zwiſchen Gaya und Biſenz. Die Gegend
iſt überſchwemmt. Der Schaden beträgt eine Million Gulden.
Infolge Dammbruches iſt der Eiſenbahnverkehr zwiſchen Gaya-
Weſſely, Biſenz und Piſek eingeſtellt.

— In Wien geht’s mit dem Liberalismus im Sturm-
ſchritt bergab. Der Gemeinderat wählte wieder 7 Antiliberale
zu Stadträten, worauf 6 Liberale von ſelber Reißaus nahmen,
als ſie die Dezimierung ihrer bisherigen Reihen mitanſehen mußten.
An ihre Stelle wurden dann nochmals 6 Antiliberale gewählt.

Italien.

In dieſem gelobten Lande ſind die Zuſtände
wahrhaft traurig. Abgeſehen davon, daß Tauſende und Tauſende
ihre Blutſteuer im afrikaniſchen Boden bezahlen und im unſeligen
Kriege gegen Abyſſinien ihr Leben laſſen mußten, herrſcht auf
der Inſel Sardinien — gemeiniglich jetzt nur Hungerinſel ge-
[Spaltenumbruch] nannt — eine Not, von der man ſich auswärts keinen Begriff
macht. In Loria z. B. hat die Mehrzahl der Bevölkerung kein
Brot mehr und nährt ſich wie ein Ochs und Eſel von wild
wachſenden Kräutern. In Apius wurde der Ertrag der Ernte
vom Steuereintreiber mit Beſchlag belegt. Bis zum Skelett ab-
gemagerte Frauen bringen denſelben ihre notwendigſten Kleidungs-
ſtücke, da ſie nichts anderes zum Bezahlen der Steuern beſitzen.
In Aargana erkannten die Aerzte bei vielen Verſtorbenen auf
Hungertod. In Bariſando, Tortania und Cabrus ſehen ſich ſo-
genannte Grundeigentümer gezwungen, auf den Bettel zu gehen.

— Vom verlaſſenen Kriegsſchauplatz-Gebiet in Abeſſinien
kommen über das noch beſetzt bleibende Maſſauah folgende ita-
lieniſche Berichte:

General Baldiſſera hat vom abeſſiniſchen Häuptling Man-
gaſcha die Erlaubnis erhalten, die Leichen unſerer in der Schlacht
bei Abba Carima (am 1. März) gefallenen Leute zu begraben,
doch dürfen nicht mehr als 200 Mann dazu verwendet werden.
Es begeben ſich alſo 2 Kompagnien auf das Schlachtfeld, leſen
zuſammen, was von den Leichen noch zu finden iſt und ſetzen
die Ueberreſte in gemeinſamen Gräbern bei. Zwei Väter
Kapuziner begleiten die Trauer-Expedition, um die Gräber
einzuſegnen.

Derjenige Ras (Häuptling), in deſſen Gebiet die Feſtung
Addigrat beſtand, ließ dieſelbe zerſtören. Etwa 100 unſerer
eingebornen Soldaten haben unter Führung eines Offiziers die
Zugänge zur Feſtung mit Pulverminen in die Luft geſprengt.

— Die „Augsburger Poſtzeitung“ behauptet in ihren
„italieniſchen Briefen“ aus Neapel: Seit 35 Jahren hat Italien
reſp. das ſavoyiſche Königreich 12 Milliarden und 200 Millionen
Schulden gemacht. Italien, das fruchtbarſte Land, produziert
verhältnismäßig den dritten Teil der Landfrucht, wie Deutſchland.
Ein lähmendes, niederdrückendes Steuerſyſtem ſaugt das Land aus.

England.

In London iſt ſoeben eine engliſche Ueber-
ſetzung des berühmten Geſchichtswerkes Janſſens: „Geſchichte des
deutſchen Volkes“ erſchienen.

— In England wollen die jungen Mädchen auf einmal
alle Krankenpflegerinnen werden. Die Matronen der großen
Spitäler werden mit Bewerbungsſchriften förmlich überſchüttet.
Die Nachfrage wurde, wie bei einem Staatsanleihen, um mehr
als das Zehnfache überboten. Die jungen Backfiſche hoffen auf
dieſem neuen Wege entweder einen der jungen Aerzte oder doch
wenigſtens einen annehmbaren Pflegling zu ergattern.

— In Pittsburg ſoll nächſtens eine religiöſe Konferenz
behufs Wiedervereinigung der chriſtlichen Konfeſſionen zuſammen-
treten. Auf katholiſcher Seite ſollen 15 Prieſter und Laien, auf
proteſtantiſcher Seite 15 Paſtoren und Laien daran teilnehmen.
Die Konferenz hat zunächſt den Zweck, auf freundſchaftlichem
Wege die Hinderniſſe zu beſprechen, welche der Wiedervereinigung
im Wege ſtehen, und Pläne zu formulieren, welche dieſelben be-
ſeitigen.

Türkei.

Kaum hat das Blutbad in Armenien etwas
nachgelaſſen, flackert der Sturm der Revolution wieder auf der
Inſel Kreta auf, wo Türken und Chriſten das blutige Schau-
ſpiel fortſetzen. Diesmal ſcheinen aber die übrigen europäiſchen
Mächte etwas früher mit der Spritze auf dem Platze ſein zu
wollen, indem auch der Zugang zu der Inſel etwas freier iſt
als der nach Armenien. England, Rußland, Frankreich, Italien
und Oeſterreich haben Kriegsſchiffe dahin abgehen laſſen, um ſelbſt
die Herſtellung der Ordnung an die Hand nehmen zu wollen,
wenn ſich die Regierung in Konſtantinopel dazu als ohnmächtig
erweiſen ſollte. Dieſe aber tut dergleichen, mit Unterdrückung
des Aufſtandes ernſt zu machen, wenigſtens hat ſie zu dieſem
Zwecke 16 Bataillone auf den Schauplatz geſtellt.

[Abbildung]
Rußland.

Das großartige Kaiſerkrönungsfeſt in
Moskau, wie die Welt an Reichtum und Glanz noch keines ge-
ſehen, iſt vorüber, jedoch nicht ohne mit einem ebenſo großartigen als
tragiſchen Geſchicke abzuſchließen. Auf dem Chodinski-Felde, wo die
teilnehmenden Volksälteſten jeder mit einem Gedenkkruge und der
üblichen Speiſung bedacht werden ſollten, hatte ſich ſchon am Freitag
abend eine in die Hunderttauſende gehende Volksmenge eingefunden, um
am folgenden Tage, wo die Speiſung ꝛc. ſtattfinden ſollte, rechtzeitig
auf dem Platze zu ſein. Als dann die Verteilung begann, ent-
ſtand ein fürchterliches Gedränge, wobei 1138 Perſonen, Männer,
Frauen und Kinder teils erdrückt, teils ſchwer verletzt wurden.
Der Kaiſer, erſchüttert von dem traurigen Unfall, befahl, jeder der
verwaisten Familien 1000 Rubel auszuzahlen und die Begräbnis-
koſten auf ſeine Rechnung zu nehmen.

Ueber das Nähere der Kataſtrophe berichtet man:

Aus Moskau und den umliegenden Ortſchaften ſtrömten be-
reits am Freitag abend große Volksmaſſen nach dem Chodinsky-
Felde. Gegen zwölf Uhr nachts waren es ihrer ſchon an die
200,000. Die Menge richtete ſich wie in einem Lager ein, zündete
Feuer an und verbrachte die Nacht mit Spielen und andern Luſt-
barkeiten. Bei der Morgendämmerung drängten noch größere
Maſſen heran; um vier Uhr war die Schar vielleicht verdoppelt.
Die ſpeziell für die Feier gebildete Polizei, welche die Wache
hatte, verlangte Verſtärkung und gegen fünf Uhr trafen Koſaken
und gewöhnliche Polizei ein. Inzwiſchen hatte die Menge eine
bedrohliche Haltung angenommen und begonnen gegen die am
Rande des Feldes errichteten Schaubuden, in welchen die Gaben
für das Volk aufgeſpeichert waren, zu drängen. Daraufhin be-
ſchloß man mit der Austeilung zu beginnen. Die Hunderte mit
der Verteilung betrauten Perſonen vermochten aber bei dem An-
drange der Hunderttauſende die in Bündel verpackten Gaben nicht
ſchnell genug zu ſpenden; in den engen Gaſſen zwiſchen den
Buden entſtand ein fürchterliches Gedränge, das unter dem Nach-
ſtoß weiterer Hunderttauſende von Minute zu Minute wuchs. So
geſchah das Unglück. Herzzerreißende Schreie ertönten, bis es
den Koſaken gelang, einen Teil der Menge vom Platze zu drängen.
Viele Tauſende kehrten ſchon gegen Mittag in die Stadt zurück,
vom Schrecken gejagt. In den Straßen zogen bis ſpät am
Nachmittag Wagen mit Leichen und Verwundeten in die Spitäler.
Die Verunglückten ſind meiſt Frauen, dazu viele Kinder. Die
Zahl der Schwerverletzten wird auf Hunderte geſchätzt.

Unter den Opfern der Kataſtrophe befinden ſich keine zu den
Feſtlichkeiten hergereiſte Ausländer.

— Die Kataſtrophe auf dem Chodinsky-Feld wurde dadurch
befördert, daß die Buden mit Gräben umgeben waren. Die
Herandrängenden ſtürzten in dieſelben und wurden natürlich von
den nachfolgenden Maſſen zertrelen. Die Bretterbuden wurden
eingedrückt, ein Gendarm ſamt ſeinem Pferde zermalmt.

— Die Krönungsſtadt Moskau, Mittelpunkt des Binnen-
handels, reich an Paläſten, Klöſtern, Kirchen und Wohltätigkeits-
anſtalten, zählt nach der jüngſten Volkszählung 798 342 Ein-
[Spaltenumbruch] wohner. Die Krönungsfeier zog noch Hunderttauſende dazu
herbei. Aus dem ganzen großen Reiche ſtrömten die Leute her-
bei, vornehm und gering, alt und jung, Männer und Frauen;
aus den Dörfern kamen ſie zu Fuß und zu Wagen, viele aus
weiter Ferne, nachdem ſie wochenlang mit Kind und Kegel ge-
wandert ſind. In ihren Augen umgibt ein Zauber den Akt der
„heiligen“ Krönung. Da fand man neben dem ſchmucken blonden
Bauern aus Finnland den zerlumpten Tunguſen, neben dem vier-
eckigen Geſicht des Weißruſſen die orientaliſche Schönheit der
Tartarin aus Kaſan; neben dem flotten feſchen Polen den in
verſchliſſene Fetzen gehüllten, bettelhaften Zigeuner. Hier ſchreitet
ein Kirgiſe in der ſpitzen Mütze, dort ein Kalmück mit gelber
Geſichtsfarbe und ſtumpfſinnigen Augen; hier ſehen wir eine
Baſchkirenfrau im rottuchenen Chalat und auf dem Haupt den
mit einer Kette von Münzen geſchmückten Kopfputz; dort wie-
derum armeniſche Kaufleute im einfachen, ſchwarzen Kaftan,
Tſcherkeſſen mit roten Lederſchuhen, in dem mit Patronenhaltern
geſchmückten Kaftan und mit einem Baſchlik von Kameelhaar,
und Georgier mit den langen, geſtickten, vorn aufgeſchnittenen
Aermeln, auf Schritt und Tritt abwechſelnden, maleriſchen
Bildern gleich.

Amerika.

Im nächſten Juli ſoll ein großer Extra-
dampfer mit einem amerikaniſchen Pilgerzug von New-York nach
Rom abgehen.

New-York.

Gegen den Paſtor der ſkandinaviſchen
Kirche in der Salzſeeſtadt Francis Germans, einen Engländer,
iſt ein Haftbefehl erlaſſen worden, weil er im Verdacht ſteht,
ſeine Braut, Fräulein Clauſſen, und mehrere andere Perſonen
ermordet zu haben. Die Leiche der Braut wurde in einem Ofen
unter der Kirche halbverbrannt aufgefunden. Der Paſtor, der
wohl auch für die Leichenverbrennung iſt, hat ſich geflüchtet.

Ein abermaliger Cyklon hat
in Seneca (Miſſouri) großen Schaden angerichtet. Man zählt
bis jetzt 30 Tote.

Ueber den Cyklon in St. Louis
werden grauſige Einzelheiten bekannt. Der Schaden wird auf
30 Millionen Dollars geſchätzt, hunderte von Leichen bleiben
unter den Trümmern begraben, die genaue Zahl der Opfer wird
nie bekannt werden. Der Cyklon wütete gerade zu der Zeit,
als die Leute ſich zur Heimkehr von der Arbeit rüſteten. Tiefe
Dunkelheit trat ein, grelle Blitze durchzuckten die Luft, heulender
Wind ging dem Cyklon voraus. Mit Blitzesſchnelle rückte der
Wirbelſturm an. Leute und Wagen auf der Straße wurden
an die Häuſer geworfen, die Tram- und Eiſenbahnwagen aus
ihren Schienen gehoben, Hausdächer weggefegt, Häuſer ſtürzten
ein. Infolge Exploſion mehrerer Petroleumlager entſtanden große
Brände. Die Schiffe auf dem Miſſiſſiipi wurden erſt in die
Höhe gehoben und verſanken dann in die Tiefe. Die tiefe
Dunkelheit vergrößerte die Panik. Ein Gefängnis, in dem ſich
300 Inſaßen befanden, ſtürzte ein. Am Morgen ſah St. Louis
aus wie eine Stadt nach einer Beſchießung.




Yerſchiedenes.



— Die Ausſichten der Käſefabrikation
ſind nach dem Bericht des ſchweizeriſchen milchwirtſchaftlichen
Vereins ſehr ſchlecht. In Italien blüht die Milchinduſtrie auf;
die Käſeproduktion iſt groß. Unſere Sekunda- und ſogenannte
frühere Italienerware wird nach Italien kaum mehr abgeſetzt,
ſo daß der Export gegen früher unbedeutend iſt. Berner Groß-
käſehändler ſind italieniſche Milchkäufer geworden, um ihre Kunden
in Italien zu erhalten, was ihnen bei Lieferung von Schweizer-
ware mit Schweizerpreis nicht möglich iſt. Weſt- und Oſtpreußen
macht geſteigerte Konkurrenz (z. B. in der Rheingegend), Allgäu
macht enorme Fortſchritte. Frankreich und Oeſterreich-Ungarn
ſind fortgeſchritten und namentlich erſteres ſucht ſich von der
Schweiz immer mehr zu löſen. Die Hoffnungen, der reduzierte
Käſezoll nach Frankreich werde beſſern Abſatz ermöglichen, ſind
nicht erfüllt worden.

— Unſere Milchpreiſe ſind laut Bericht des ſchweiz.
milchwirtſchaftlichen Vereins ſinkende und können nur durch Natur-
ereigniſſe, wie Trockenheiten, Ueberſchwemmungen ꝛc. auf kurze
Zeit gehoben werden. Es iſt deshalb beſondere Aufmerkſamkeit
der Qualitätsproduktion zuzuwenden, ebenſo der verbeſſerten und
vermehrten Viehzucht. Die Schweinezucht, welche eine rationelle
Verwertung der Milch ermöglichen ſoll, muß geſichert und er-
halten werden.

Aargauer heraus, Schildwache ins Gewehr!
Der Jeſuit P. Sykes, einer der größten Gelehrten und Prediger
des Jeſuitenordens in England, iſt zum General-Superior der
Zambeſi-Miſſion (Südafrika) ernannt worden Das Miſſions-
gebiet umfaßt von Norden nach Süden eine Länge von 2000
engl. Meilen. Gegenwärtig wirken 60 Jeſuiten (!) in derſelben.
Sie beſitzen ein blühendes Kollegium in Grohamstown und Miſ-
ſionsſtationen unter anderm in Buluwayo, bei den Matabele, in
Viktoria und Salisbury, bei den Maſchonas ꝛc. Welt, fall um!

Madame „Zivilehe“! In Molo wollte eine Frau
ihren Mann vergiften und kam dafür auf zwei Jahre ins Zucht-
haus. Der Mann ließ ſich „gerichtlich“ ſcheiden und heiratete
eine Andere — natürlich „zivil“! Als die erſte Frau die Zucht-
hausſtrafe abgebüßt, ſchlug ſie ihre Wohnung in der Nähe ihres
geſchiedenen Mannes auf. Da ließ ſich dieſer ſofort wieder von
Nr. 2 ſcheiden und heiratete wieder Nr. 1. Nun wütet Nr. 2
über die Treuloſigkeit ihres Mannes. Aehnliches kommt auch
anderwärts vor, wo die Zivilehe Trumpf iſt; ’s wird halt immer
ſchöner und gemütlicher auf dieſer buckligen Erde.

Eine Vexierfrage.

Die ſozialiſtiſche „Petit Repu-
blique“ ſchrieb dieſer Tage: „Am 26. Mai haben die franzöſiſchen
Schüler einen Ferientag, weil ein Monarch gekrönt wird und in
wenigen Wochen, am 14. Juli, werden ſie einen Ferientag haben,
weil an dieſem Tage die Baſtille geſtürmt und ein Monarch
‚entkrönt‘ worden iſt. Wie ſollen ſich die Schüler das zuſammen-
reimen?“ — Antwort: — (In Frankreich muß ſich auch
das Ungereimte reimen).




Butterpreis in Uzuach, den 30. Mai
Fr. 1. 10, 1. 15 und 1. 18.

[irrelevantes Material]
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[3/0003] weiſt ındeſſen jede Unterſtützüng, von woher ſie auch komme, zurück. Man hat ihm in Zürich eine Wohnung offeriert, er hat es indeſſen abgelehnt, von dem Anerbieten Gebrauch zu machen, zugleich aber ſeine Verwunderung ausgeſprochen darüber, daß ihm nicht eine ganze Auswahl von unentgeltlichen Wohnungen zur Verfügung geſtellt werde. Den größten Teil der Zeit nahmen die Verhandlungen über die finanziellen Verhältniſſe des Vereins in Anſpruch. Es wurden u. a. folgende Kredite bewilligt: 1800 Fr. für Samariterkurſe, 800 Fr. für Krankenwärterkurſe, 100 Fr. für einen Hilfslehrer- kurs für Samariter, 700 Fr. für Unterrichtsmaterial für den Samariterbund ꝛc. Ueber die Subventionierung der Samariter- kurſe gab Reg.-Rat Steiger in Bern intereſſante Aufſchlüſſe. Er wies namentlich darauf hin, wie ſich oft Teilnehmer für dieſe Kurſe anmelden, ohne die Sache vorher gehörig überlegt zu haben; ſolche krebſen dann bald wieder zurück und verurſachen ſo dem Zentralkomite nur unnütze Arbeit. Ferner herrſche vielfach die Meinung, daß der Verein vom Roten Kreuz ſämtliche Koſten eines Kurſes übernehme, während derſelbe höchſtens ⅔ der Geſamt- koſten leiſte. Der Reſt muß durch die Kursteilnehmer oder die Samariterſektionen getragen werden. Dr. Schenker aus Aarau ſtellt die Motion, die Direktion möge die Frage prüfen, ob es nicht zweckmäßig ſei, daß der Verein zum Roten Kreuz nicht nur für die Kriegs- ſondern auch für die Friedenszeit organiſiert werde und daß er ſich zu dieſem Zwecke mit dem Samariterbund vereinigen würde. Die Motion wurde erheblich erklärt. Die bisherige Direktion wurde beſtätigt, mit Ausnahme des Hrn. Kommiſſar von Ah, der durch Hrn. Profeſſor Dr. Beck in Freiburg erſetzt wurde. Als nächſter Verſammlungsort wurde Biel bezeichnet. — Am Abend des 29. Mai brannte bei einem heftigen Gewitter in Entlebuch die dem Landwirt Joſeph Hofſteter auf Blattegg gehörende Scheune infolge Blitzſchlag gänzlich nieder. Sämtlicher Scheunevorrat, 10 Klafter Heu und 40 Kilozenter Stroh, ſowie die Scheunefahrhabe verbrannte. Ein Pferd und fünf Ziegen gingen ebenfalls zu Grunde, indem die Tiere durch den Blitzſchlag erſtickten. Die Scheune war für Fr. 5000 verſichert. Hilfe konnte nicht geleiſtet werden, weder Spritzen noch Feuerwehr waren zur Stelle, die Fahrnisgegenſtände ſind indeſſen verſichert. Glarus. Bei den montags ſtattgehabten Landratswahlen ſiegte die liberale Liſte. Neu gewählt wurde Dr. Mercier. Graubünden. Der Verkehr für Fußgänger iſt auf der Verſamer Straße wieder hergeſtellt und eine Notbrücke für Ein- ſpänner in Angriff genommen. Schaffhauſen. Der Bundesrat hat dem Kanton Schaff- hauſen an die Korrektion der Wuttach einen Beitrag von 40 Prozent, im Maximum 21 600 Franken, zugeſichert. Waadt. Lutry. Letzten Sonntag morgen 2 Uhr fuhren nach einem Balle drei junge Leute mit einem Segel- ſchiffchen auf den See hinaus. Einer derſelben erkletterte den Maſt, das Schiff kippte um und 2 Inſaßen, der Souschef am Bahnhof und ein Schreiner, beide aus Romont, ertranken. Wallis. Am Morgen des 29. Mai um 5 Uhr 35 Mi- nuten wurden in Sitten zwei Erdſtöße verſpürt. Genf. Ausſtellung. Am 30. Mai hatten die „Apoſtel der Preſſe“ von rechts und links ihren „Tag.“ Es waren ihrer gegen 260; Präſident: Herr Redakteur Baumberger. Derſelbe verlas den Jahresbericht. Die verſchiedenen „Fragen“ die dem Komite für letztes Jahr zur „Löſung“ aufgegeben worden waren, wurden noch nicht ſpruchreif gefunden. Es betrafen dies: Reviſion des Artikels über Preßvergehen im Entwurf eines eidgen. Strafgeſetz- buches. Im fernern wünſchten die Herren für ſich billigere Fahrtaxen auf der Eiſenbahn, billigere Depeſchen-Taxen; Her- ſtellung „guter Beziehungen zwiſchen den Bundesbehörden und der Preſſe“; ſie ſollen einander nichts mehr zu leid tun, ſondern ſich gegenſeitig ſauber herausputzen, damit ſie ſich vor dem gemeinen Publikum beſſer vorſtellen — alles im Intereſſe der beſſeren „Wohlfahrt des Vaterlandes“! Die Jahresrechnung ergab ein ſehr günſtiges Reſultat. Hierauf wurde das Komite neu beſtellt. Alle Mitglieder wurden wieder gewählt mit Ausnahme der Herren Baumberger und Haller, die eine Wiederwahl ablehnen. Neugewählt wurden die HH. Brandt von St. Gallen und Auguſtin von Bern. Zum Präſidenten wurde gewählt der bisherige Vizepräſident Bonjour, Redakteur der „Revue“. Nach einem Bericht von Bühler, Bern, beſchloß die Verſammlung, als Delegierte an den internationalen Kongreß der Preſſe in Peſt zu ſenden die HH. Bühler, Baum- berger, Seippel und Seeretan. Sie werden beauftragt, dem internationalen Preßverbande den Beitritt des ſchweiz. Preßver- bandes anzuzeigen und ihr Möglichſtes zu tun, um zu erreichen, daß das Bureau des internationalen Verbandes in die Schweiz kommt. Nächſte Woche wollen die eidgen. „Bundesväter“, National- und Ständerat den Bummel nach Genf unternehmen und beım ſchäumenden Pokale das „Vaterland“ hoch leben laſſen. Das Taſchengeld liefert das geduldige Vaterland — Die Eintragungsfriſt für die Gruppe Zuchtſtiere, Klein- vieh und Jungvieh iſt bis 20. Juni verlängert worden. Einſchreib- begehren ſind an das Bureau der Gruppe 39 zu richten. Ausland. Frankreich. Unter den 200 Kranken des jüngſt nach Lourdes abgegangenen belgiſchen Pilgerzuges ſeien 10 wunder- bare Heilungen vorgekommen; ebenſo zwei unter den Pilgern aus dem Jura. — In Jouy bei Commerey ſtürzte die 17 Meter lange Mauer eines Neubaus ein und tötete 7 Perſonen. Oeſterreich. Brünn, 30. Mai. Geſtern ging ein heftiger Wolkenbruch nieder zwiſchen Gaya und Biſenz. Die Gegend iſt überſchwemmt. Der Schaden beträgt eine Million Gulden. Infolge Dammbruches iſt der Eiſenbahnverkehr zwiſchen Gaya- Weſſely, Biſenz und Piſek eingeſtellt. — In Wien geht’s mit dem Liberalismus im Sturm- ſchritt bergab. Der Gemeinderat wählte wieder 7 Antiliberale zu Stadträten, worauf 6 Liberale von ſelber Reißaus nahmen, als ſie die Dezimierung ihrer bisherigen Reihen mitanſehen mußten. An ihre Stelle wurden dann nochmals 6 Antiliberale gewählt. Italien. In dieſem gelobten Lande ſind die Zuſtände wahrhaft traurig. Abgeſehen davon, daß Tauſende und Tauſende ihre Blutſteuer im afrikaniſchen Boden bezahlen und im unſeligen Kriege gegen Abyſſinien ihr Leben laſſen mußten, herrſcht auf der Inſel Sardinien — gemeiniglich jetzt nur Hungerinſel ge- nannt — eine Not, von der man ſich auswärts keinen Begriff macht. In Loria z. B. hat die Mehrzahl der Bevölkerung kein Brot mehr und nährt ſich wie ein Ochs und Eſel von wild wachſenden Kräutern. In Apius wurde der Ertrag der Ernte vom Steuereintreiber mit Beſchlag belegt. Bis zum Skelett ab- gemagerte Frauen bringen denſelben ihre notwendigſten Kleidungs- ſtücke, da ſie nichts anderes zum Bezahlen der Steuern beſitzen. In Aargana erkannten die Aerzte bei vielen Verſtorbenen auf Hungertod. In Bariſando, Tortania und Cabrus ſehen ſich ſo- genannte Grundeigentümer gezwungen, auf den Bettel zu gehen. — Vom verlaſſenen Kriegsſchauplatz-Gebiet in Abeſſinien kommen über das noch beſetzt bleibende Maſſauah folgende ita- lieniſche Berichte: General Baldiſſera hat vom abeſſiniſchen Häuptling Man- gaſcha die Erlaubnis erhalten, die Leichen unſerer in der Schlacht bei Abba Carima (am 1. März) gefallenen Leute zu begraben, doch dürfen nicht mehr als 200 Mann dazu verwendet werden. Es begeben ſich alſo 2 Kompagnien auf das Schlachtfeld, leſen zuſammen, was von den Leichen noch zu finden iſt und ſetzen die Ueberreſte in gemeinſamen Gräbern bei. Zwei Väter Kapuziner begleiten die Trauer-Expedition, um die Gräber einzuſegnen. Derjenige Ras (Häuptling), in deſſen Gebiet die Feſtung Addigrat beſtand, ließ dieſelbe zerſtören. Etwa 100 unſerer eingebornen Soldaten haben unter Führung eines Offiziers die Zugänge zur Feſtung mit Pulverminen in die Luft geſprengt. — Die „Augsburger Poſtzeitung“ behauptet in ihren „italieniſchen Briefen“ aus Neapel: Seit 35 Jahren hat Italien reſp. das ſavoyiſche Königreich 12 Milliarden und 200 Millionen Schulden gemacht. Italien, das fruchtbarſte Land, produziert verhältnismäßig den dritten Teil der Landfrucht, wie Deutſchland. Ein lähmendes, niederdrückendes Steuerſyſtem ſaugt das Land aus. England. In London iſt ſoeben eine engliſche Ueber- ſetzung des berühmten Geſchichtswerkes Janſſens: „Geſchichte des deutſchen Volkes“ erſchienen. — In England wollen die jungen Mädchen auf einmal alle Krankenpflegerinnen werden. Die Matronen der großen Spitäler werden mit Bewerbungsſchriften förmlich überſchüttet. Die Nachfrage wurde, wie bei einem Staatsanleihen, um mehr als das Zehnfache überboten. Die jungen Backfiſche hoffen auf dieſem neuen Wege entweder einen der jungen Aerzte oder doch wenigſtens einen annehmbaren Pflegling zu ergattern. — In Pittsburg ſoll nächſtens eine religiöſe Konferenz behufs Wiedervereinigung der chriſtlichen Konfeſſionen zuſammen- treten. Auf katholiſcher Seite ſollen 15 Prieſter und Laien, auf proteſtantiſcher Seite 15 Paſtoren und Laien daran teilnehmen. Die Konferenz hat zunächſt den Zweck, auf freundſchaftlichem Wege die Hinderniſſe zu beſprechen, welche der Wiedervereinigung im Wege ſtehen, und Pläne zu formulieren, welche dieſelben be- ſeitigen. Türkei. Kaum hat das Blutbad in Armenien etwas nachgelaſſen, flackert der Sturm der Revolution wieder auf der Inſel Kreta auf, wo Türken und Chriſten das blutige Schau- ſpiel fortſetzen. Diesmal ſcheinen aber die übrigen europäiſchen Mächte etwas früher mit der Spritze auf dem Platze ſein zu wollen, indem auch der Zugang zu der Inſel etwas freier iſt als der nach Armenien. England, Rußland, Frankreich, Italien und Oeſterreich haben Kriegsſchiffe dahin abgehen laſſen, um ſelbſt die Herſtellung der Ordnung an die Hand nehmen zu wollen, wenn ſich die Regierung in Konſtantinopel dazu als ohnmächtig erweiſen ſollte. Dieſe aber tut dergleichen, mit Unterdrückung des Aufſtandes ernſt zu machen, wenigſtens hat ſie zu dieſem Zwecke 16 Bataillone auf den Schauplatz geſtellt. [Abbildung] Rußland. Das großartige Kaiſerkrönungsfeſt in Moskau, wie die Welt an Reichtum und Glanz noch keines ge- ſehen, iſt vorüber, jedoch nicht ohne mit einem ebenſo großartigen als tragiſchen Geſchicke abzuſchließen. Auf dem Chodinski-Felde, wo die teilnehmenden Volksälteſten jeder mit einem Gedenkkruge und der üblichen Speiſung bedacht werden ſollten, hatte ſich ſchon am Freitag abend eine in die Hunderttauſende gehende Volksmenge eingefunden, um am folgenden Tage, wo die Speiſung ꝛc. ſtattfinden ſollte, rechtzeitig auf dem Platze zu ſein. Als dann die Verteilung begann, ent- ſtand ein fürchterliches Gedränge, wobei 1138 Perſonen, Männer, Frauen und Kinder teils erdrückt, teils ſchwer verletzt wurden. Der Kaiſer, erſchüttert von dem traurigen Unfall, befahl, jeder der verwaisten Familien 1000 Rubel auszuzahlen und die Begräbnis- koſten auf ſeine Rechnung zu nehmen. Ueber das Nähere der Kataſtrophe berichtet man: Aus Moskau und den umliegenden Ortſchaften ſtrömten be- reits am Freitag abend große Volksmaſſen nach dem Chodinsky- Felde. Gegen zwölf Uhr nachts waren es ihrer ſchon an die 200,000. Die Menge richtete ſich wie in einem Lager ein, zündete Feuer an und verbrachte die Nacht mit Spielen und andern Luſt- barkeiten. Bei der Morgendämmerung drängten noch größere Maſſen heran; um vier Uhr war die Schar vielleicht verdoppelt. Die ſpeziell für die Feier gebildete Polizei, welche die Wache hatte, verlangte Verſtärkung und gegen fünf Uhr trafen Koſaken und gewöhnliche Polizei ein. Inzwiſchen hatte die Menge eine bedrohliche Haltung angenommen und begonnen gegen die am Rande des Feldes errichteten Schaubuden, in welchen die Gaben für das Volk aufgeſpeichert waren, zu drängen. Daraufhin be- ſchloß man mit der Austeilung zu beginnen. Die Hunderte mit der Verteilung betrauten Perſonen vermochten aber bei dem An- drange der Hunderttauſende die in Bündel verpackten Gaben nicht ſchnell genug zu ſpenden; in den engen Gaſſen zwiſchen den Buden entſtand ein fürchterliches Gedränge, das unter dem Nach- ſtoß weiterer Hunderttauſende von Minute zu Minute wuchs. So geſchah das Unglück. Herzzerreißende Schreie ertönten, bis es den Koſaken gelang, einen Teil der Menge vom Platze zu drängen. Viele Tauſende kehrten ſchon gegen Mittag in die Stadt zurück, vom Schrecken gejagt. In den Straßen zogen bis ſpät am Nachmittag Wagen mit Leichen und Verwundeten in die Spitäler. Die Verunglückten ſind meiſt Frauen, dazu viele Kinder. Die Zahl der Schwerverletzten wird auf Hunderte geſchätzt. Unter den Opfern der Kataſtrophe befinden ſich keine zu den Feſtlichkeiten hergereiſte Ausländer. — Die Kataſtrophe auf dem Chodinsky-Feld wurde dadurch befördert, daß die Buden mit Gräben umgeben waren. Die Herandrängenden ſtürzten in dieſelben und wurden natürlich von den nachfolgenden Maſſen zertrelen. Die Bretterbuden wurden eingedrückt, ein Gendarm ſamt ſeinem Pferde zermalmt. — Die Krönungsſtadt Moskau, Mittelpunkt des Binnen- handels, reich an Paläſten, Klöſtern, Kirchen und Wohltätigkeits- anſtalten, zählt nach der jüngſten Volkszählung 798 342 Ein- wohner. Die Krönungsfeier zog noch Hunderttauſende dazu herbei. Aus dem ganzen großen Reiche ſtrömten die Leute her- bei, vornehm und gering, alt und jung, Männer und Frauen; aus den Dörfern kamen ſie zu Fuß und zu Wagen, viele aus weiter Ferne, nachdem ſie wochenlang mit Kind und Kegel ge- wandert ſind. In ihren Augen umgibt ein Zauber den Akt der „heiligen“ Krönung. Da fand man neben dem ſchmucken blonden Bauern aus Finnland den zerlumpten Tunguſen, neben dem vier- eckigen Geſicht des Weißruſſen die orientaliſche Schönheit der Tartarin aus Kaſan; neben dem flotten feſchen Polen den in verſchliſſene Fetzen gehüllten, bettelhaften Zigeuner. Hier ſchreitet ein Kirgiſe in der ſpitzen Mütze, dort ein Kalmück mit gelber Geſichtsfarbe und ſtumpfſinnigen Augen; hier ſehen wir eine Baſchkirenfrau im rottuchenen Chalat und auf dem Haupt den mit einer Kette von Münzen geſchmückten Kopfputz; dort wie- derum armeniſche Kaufleute im einfachen, ſchwarzen Kaftan, Tſcherkeſſen mit roten Lederſchuhen, in dem mit Patronenhaltern geſchmückten Kaftan und mit einem Baſchlik von Kameelhaar, und Georgier mit den langen, geſtickten, vorn aufgeſchnittenen Aermeln, auf Schritt und Tritt abwechſelnden, maleriſchen Bildern gleich. Amerika. Im nächſten Juli ſoll ein großer Extra- dampfer mit einem amerikaniſchen Pilgerzug von New-York nach Rom abgehen. — New-York. Gegen den Paſtor der ſkandinaviſchen Kirche in der Salzſeeſtadt Francis Germans, einen Engländer, iſt ein Haftbefehl erlaſſen worden, weil er im Verdacht ſteht, ſeine Braut, Fräulein Clauſſen, und mehrere andere Perſonen ermordet zu haben. Die Leiche der Braut wurde in einem Ofen unter der Kirche halbverbrannt aufgefunden. Der Paſtor, der wohl auch für die Leichenverbrennung iſt, hat ſich geflüchtet. — New-York, 1. Juni. Ein abermaliger Cyklon hat in Seneca (Miſſouri) großen Schaden angerichtet. Man zählt bis jetzt 30 Tote. — New-York, 29. Mai. Ueber den Cyklon in St. Louis werden grauſige Einzelheiten bekannt. Der Schaden wird auf 30 Millionen Dollars geſchätzt, hunderte von Leichen bleiben unter den Trümmern begraben, die genaue Zahl der Opfer wird nie bekannt werden. Der Cyklon wütete gerade zu der Zeit, als die Leute ſich zur Heimkehr von der Arbeit rüſteten. Tiefe Dunkelheit trat ein, grelle Blitze durchzuckten die Luft, heulender Wind ging dem Cyklon voraus. Mit Blitzesſchnelle rückte der Wirbelſturm an. Leute und Wagen auf der Straße wurden an die Häuſer geworfen, die Tram- und Eiſenbahnwagen aus ihren Schienen gehoben, Hausdächer weggefegt, Häuſer ſtürzten ein. Infolge Exploſion mehrerer Petroleumlager entſtanden große Brände. Die Schiffe auf dem Miſſiſſiipi wurden erſt in die Höhe gehoben und verſanken dann in die Tiefe. Die tiefe Dunkelheit vergrößerte die Panik. Ein Gefängnis, in dem ſich 300 Inſaßen befanden, ſtürzte ein. Am Morgen ſah St. Louis aus wie eine Stadt nach einer Beſchießung. Yerſchiedenes. — Die Ausſichten der Käſefabrikation ſind nach dem Bericht des ſchweizeriſchen milchwirtſchaftlichen Vereins ſehr ſchlecht. In Italien blüht die Milchinduſtrie auf; die Käſeproduktion iſt groß. Unſere Sekunda- und ſogenannte frühere Italienerware wird nach Italien kaum mehr abgeſetzt, ſo daß der Export gegen früher unbedeutend iſt. Berner Groß- käſehändler ſind italieniſche Milchkäufer geworden, um ihre Kunden in Italien zu erhalten, was ihnen bei Lieferung von Schweizer- ware mit Schweizerpreis nicht möglich iſt. Weſt- und Oſtpreußen macht geſteigerte Konkurrenz (z. B. in der Rheingegend), Allgäu macht enorme Fortſchritte. Frankreich und Oeſterreich-Ungarn ſind fortgeſchritten und namentlich erſteres ſucht ſich von der Schweiz immer mehr zu löſen. Die Hoffnungen, der reduzierte Käſezoll nach Frankreich werde beſſern Abſatz ermöglichen, ſind nicht erfüllt worden. — Unſere Milchpreiſe ſind laut Bericht des ſchweiz. milchwirtſchaftlichen Vereins ſinkende und können nur durch Natur- ereigniſſe, wie Trockenheiten, Ueberſchwemmungen ꝛc. auf kurze Zeit gehoben werden. Es iſt deshalb beſondere Aufmerkſamkeit der Qualitätsproduktion zuzuwenden, ebenſo der verbeſſerten und vermehrten Viehzucht. Die Schweinezucht, welche eine rationelle Verwertung der Milch ermöglichen ſoll, muß geſichert und er- halten werden. — Aargauer heraus, Schildwache ins Gewehr! Der Jeſuit P. Sykes, einer der größten Gelehrten und Prediger des Jeſuitenordens in England, iſt zum General-Superior der Zambeſi-Miſſion (Südafrika) ernannt worden Das Miſſions- gebiet umfaßt von Norden nach Süden eine Länge von 2000 engl. Meilen. Gegenwärtig wirken 60 Jeſuiten (!) in derſelben. Sie beſitzen ein blühendes Kollegium in Grohamstown und Miſ- ſionsſtationen unter anderm in Buluwayo, bei den Matabele, in Viktoria und Salisbury, bei den Maſchonas ꝛc. Welt, fall um! — Madame „Zivilehe“! In Molo wollte eine Frau ihren Mann vergiften und kam dafür auf zwei Jahre ins Zucht- haus. Der Mann ließ ſich „gerichtlich“ ſcheiden und heiratete eine Andere — natürlich „zivil“! Als die erſte Frau die Zucht- hausſtrafe abgebüßt, ſchlug ſie ihre Wohnung in der Nähe ihres geſchiedenen Mannes auf. Da ließ ſich dieſer ſofort wieder von Nr. 2 ſcheiden und heiratete wieder Nr. 1. Nun wütet Nr. 2 über die Treuloſigkeit ihres Mannes. Aehnliches kommt auch anderwärts vor, wo die Zivilehe Trumpf iſt; ’s wird halt immer ſchöner und gemütlicher auf dieſer buckligen Erde. — Eine Vexierfrage. Die ſozialiſtiſche „Petit Repu- blique“ ſchrieb dieſer Tage: „Am 26. Mai haben die franzöſiſchen Schüler einen Ferientag, weil ein Monarch gekrönt wird und in wenigen Wochen, am 14. Juli, werden ſie einen Ferientag haben, weil an dieſem Tage die Baſtille geſtürmt und ein Monarch ‚entkrönt‘ worden iſt. Wie ſollen ſich die Schüler das zuſammen- reimen?“ — Antwort: — (In Frankreich muß ſich auch das Ungereimte reimen). Butterpreis in Uzuach, den 30. Mai Fr. 1. 10, 1. 15 und 1. 18. _

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Zitationshilfe: St. Galler Volksblatt. Nr. 45, Uznach, 03. 06. 1896, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_stgaller45_1896/3>, abgerufen am 24.11.2024.