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Sonntags-Blatt. Nr. 28. Berlin, 12. Juli 1868.

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Gründlicher wurde die Südhälfte Afrika's von Livingstone erforscht,
welcher 1849 vom Cap der guten Hoffnung direkt ins Jnnere, nord-
wärts zum Ngamisee reiste, 1851 den Fluß Liambye erreichte, auf
diesem nach Norden zu fuhr, sich dann westwärts wandte und endlich
nach Loanda an der Westküste kam. Von da aus reiste er wieder
quer durch den Continent und erreichte den Zambesi, welcher an der
Ostküste in den Ocean fließt.

Das war seine erste Reise; über die anderen berichte ich später.

Ladislaus Magyar ging unterm 12. Gr. südl. Br. von Benguela
aus in das Jnnere und lebte von 1849 bis 1857 in Zonen, die bis
dahin noch kein Europäer gesehen hatte. Seine Reisebeschreibung
ist eins der wichtigsten wissenschaftlichen Werke über Süd=Afrika.
Da er, dort angesiedelt, sich mit der Tochter eines Fürsten verhei-
rathete, so konnte er vermöge seiner Stellung Alles kennen lernen,
und beschreibt demzufolge auch Land und Leute nebst sämmtlichen
Produkten mit der speziellsten wissenschaftlichen Sachkenntniß.

Von Benguela ging er ostwärts durch die Länder Kiakka, Hambo
nach Bich e, ließ sich hier häuslich nieder und besuchte von da aus
die Nachbarregionen, hauptsächlich die Kimbundaländer. Das Kim-
bundavolk ist eins der ausgezeichnetsten und mächtigsten Völker in
Süd=Afrika, nicht sowohl durch seine Zahl und durch die Aus-
dehnung seiner Länder und deren Bewohner, als vielmehr durch die gei-
stigen Fähigkeiten derselben, schreibt Magyar. Die Kimbunda's sind tapfer
und kriegerisch, in blutigen Schlachten haben sie stets über ihre Nach-
barvölker gesiegt. Sie treiben einen im Jnnern weit ausgedehnten
Handel, dringen zu den entlegensten Völkern vor und kaufen für die von
denselben eingetauschten Produkte bedeutende Quantitäten von euro-
päischen Waaren. Sie bewohnen einen innerhalb5 1 / 2 Breitegraden
und 5 Längegraden sich ausdehnenden Landstrich und bilden viele von
einander unabhängige kleinere und größere Staaten. Nach ihren
Sagen sind ihre Vorältern vor etwa 300 Jahren aus dem fernen
Nordosten, aus dem Lande der Moropu nach Westen gewandert;
sie stammen also doch wohl von der großen äthiopischen oder nilotischen
Familie ab, wie Wilson behauptet.

Gräßlich und schauderhaft lauten die Schilderungen ihrer barbarischen
Gebräuche. Menschenopfer und Menschenfresserei sind dort tägliche
Vorkommnisse. Der Fürst und die Kriegshäupter mischen das er-
haltene Menschenfleisch mit Hunde= und Rindfleisch, kochen es an
den Feuern, verzehren es und glauben, infolge dessen eine solche Kraft
zu erlangen, daß sie stets ihre Feinde mit Erfolg bekämpfen können.
Viele andere noch barbarischere Gebräuche und Abscheulichkeiten, wagt
Magyar gar nicht niederzuschreiben, berichtet aber noch genug haar-
sträubende Schandthaten. Diese Barbaren sprechen die Bunda= oder
Abundasprache, welche in verschiedenen Dialekten auf einem Raum von
20 Breite= und fast eben so viel Längegraden verbreitet ist. Sie besteht
aus einer harmonischen Mischung von Vokalen und Konsonanten,
wie die italienische und spanische; das zwar barbarische Volk hat also
dennoch eine wohlklingende Sprache.

Die Kimbundasprache ist mit der Hererosprache nahe verwandt,
sowohl durch Worte, als durch die Konstruktion. Das ganze Land
ist äußerst fruchtbar, ein schönes Land; alle herrlichen Früchte wachsen
dort wild, aber die blutdürstigen Männer lieben nur Jagd, Krieg und
überlassen die Landwirthschaft den Frauen, wie unsere alten Deutschen.
Vielweiberei gehört dort zum guten Ton. Je mehr Frauen, je mehr
Schwiegerväter ein Mann hat, desto größer ist sein Ansehn und
seine Macht.

Der südwestliche Küstenstrich Afrika's ist vom Cap der guten
Hoffnung aus vielfach bereist worden, hauptsächlich von Andersson,
welcher das große Namaqua= und Damaraland durchzog und die
Südwestspitze ausführlich beschreibt, namentlich die Saldanah=Bai,
St. Helena=Bai, Hondeklipp=Bai, den Elephantenstrom, Orangestrom,
das Cap Croß, Cap Frio, die große Fischbai und noch zahlreiche
andere Küstenpunkte. Diese Südseite, jenseits des Aequator, ward
auch noch durchforscht von Hahn und Rath, welche 1857 das
Land der Buschmänner unterm 17. bis 20. Gr. südl. Br. bereisten.
Galton durchzog die Region vom 20. bis 25. Gr. südl. Br.; alle
Drei hielten sich aber stets der Westküste nahe genug.

Manteiro ging 1831 von der Ostküste, von Zambesi in das Jn-
nere, nahm eine nordwestliche Richtung und kam in das Land der
Balunda, nicht weit vom Tanganyika=See, ohne diesen zu erreichen,
was erst viel später dem kühnen Speke und Burton gelang.

Die Reisen von der Ostküste ins Jnnere werden in neuester Zeit
häufiger.

Roscher ging 1860 von der Suaheliküste unterm 9. Gr. südl. Br.
hinein bis zum Nyassa=See. Burton und Speke begannen die Reise
von Zanzibar, kamen durch Uniamesi an den Tanganyika=See. Von
da aus reiste Speke nördlich und entdeckte 1858 das Südende des
großen Ukerewe=See's, den er Victoria Nyanza nennt, und aus dem
die Nilquelle entspringt, oder vielmehr der See ist die Quelle selbst,
was Speke auch damals schon ahnte, jedoch erst bei seiner spätern
Reise zur Gewißheit erheben konnte.

[Spaltenumbruch]

Dieser riesige See erstreckt sich vom 3. Gr. südl. Br. nord-
wärts bis über den Aequator, breitet sich also über fünfzig Meilen
von Süd nach Nord, und wahrscheinlich eben so weit von West nach
Ost aus, liegt 3740 Fuß über dem Ocean und wird von den be-
nachbarten, 10 und 12,000 Fuß hohen Bergen gespeist. Aus dem-
selben entströmt unterm Aequator eine große Wassermasse in mehreren
Strömen, welche sich weiter nordwärts zum weißen Nil vereinigen.
Ein Strom fließt zuerst etwas westlich und tritt in einen andern
See, den Speke als kleinen "Luta Ngige" bezeichnet, der aber von
seinem Nachfolger S. Baker als ein eben so großer, wenn nicht viel
größerer See erkannt worden ist. Baker nannte ihn "Albert
Nyanza", hat ihn zum Theil befahren und erkundet, daß ein Strom
aus dem Victoria Nyanza hinein fließt, aber weiter nördlich mit
einer viel größeren Menge wieder heraustritt und sich weiter unten bei
Madi mit dem andern aus dem Victoria=See kommenden Strom zum
großen weißen Nil vereinigt.

Der Ausfluß so großer Wassermassen unterm Aequator erfolgt
deßhalb, weil das Hochland sich von da aus immer mehr nach Norden
zu abdacht und an manchen Stellen so bedeutend senkt, daß große
Wasserfälle entstehen, welche die Schifffahrt hier unmöglich machen.
Sogleich unterm Aequator befinden sich zwölf Fuß hohe Wasserfälle,
welche sich durch Felsen gebrochen haben und 4= bis 500 Fuß
breit sind.

Bevor ich Bakers wichtige Entdeckungsreise bespreche, gebe ich erst
eine Skizze der von ihm gemachten Touren.

Burton ging auf einer frühern Reise 1854 von Zeyla, Golf von
Aden, ins Jnnere nach Härar, und giebt Schilderungen über die Be-
duinen in Hedschas und Somali.

Das Land der Somali umfaßt in Ost=Afrika jenes vorspringende
Horn, welches sich im Süden des Meerbusens von Aden, von der
Bab el Mandeb bis einige Grade südlich vom Vorgebirge Guar-
dafui erstreckt. Jm obern Theil wird es vom Lande der Dankali
und Jllu=Galla's begrenzt, in der südlichen Region von jenem der
Sawaheli, d. h. mohamedanischer Negervölker der Küstenregion. Die
Ostgrenze bildet das Meer, im Norden reicht es westlich bis in die
Nähe von Härar. Diese Residenz eines Emirs hatte bis dahin noch
kein Europäer betreten; denn die fanatischen Einwohner nebst ihrem
blutdürstigen Fürsten bedrohten jeden Ungläubigen mit dem furcht-
barsten Tode. Burton ward aber als Engländer freundlich empfan-
gen und durfte sogar zehn Tage in der Hauptstadt des Landes ver-
weilen. Von Härar reiste er nach Berbera, und schildert Land und
Leute nebst Handel und Wandel. Das Klima ist dort in vielen
Gegenden sehr ungesund, weil die zahlreichen Sümpfe wahre Pest-
Dünste aushauchen. So ist es überhaupt in allen Sumpfgegenden
Afrika's, und nicht nur in Afrika; niedrige Sumpfgegenden sind
überall ungesund und verursachen gefährliche Krankheiten. Das herum-
schweifende Leben vieler afrikanischer Volksstämme ist nicht bloß in
ihrer Wanderlust, sondern hauptsächlich in Gesundheitsrücksichten. be-
gründet. Jn den feuchten und glühend heißen Thälern säen und
ernten sie und ziehen dann in die höher liegenden Landschaften, um
sich von der Erschlaffung zu erholen und den Fieberkrankheiten zu
entgehen.

Von der Ostküste, dem 3. Gr. südl. Br., haben auch die Missio-
näre Kropf und Rebmann eine sehr wichtige Entdeckungsreise ge-
macht. Sie gingen von Mombas aus nach Westen und erreichten
sehr hohe Gebirge, den Kenia und Kilimandscharo, welche trotz der
heißen Zone auf ihren Gipfeln Schnee trugen.

Auch Speke begann seine letzte wichtigste Entdeckungsreise von
der Ostküste, von Zanzibar aus in das Jnnere westwärts, bog dann
nach Norden um und erreichte den schon genannten Ukerewe=See,
reiste zwischen den westlich liegenden hohen Gebirgen und dem See
nach Norden, entdeckte den Nilausfluß des See's unterm Aequator,
und ging sodann am Fluß herunter nach Gondokoro und weiter in
das Land der Aegypter. Daß er jene sehr hoch liegenden Aequator-
gegenden gesund und fruchtbar gefunden, und zwar in viel höherem
Grade als andere Regionen Afrika's, habe ich schon eben mit Speke's
eigenen Worten bemerkt. Leider sind die sozialen Verhältnisse der Be-
wohner noch im wildesten Urzustande. Sie haben zwar Staaten und
lockere Gemeinwesen, auch haben sie Gesetze; aber die Könige und
Häuptlinge herrschen mit einer wahrhaft thierischen Grausamkeit
über das Volk und berauben jeden Fremdling, der sich nicht durch
zahlreiche Geschenke loszukaufen vermag. Und hat er dies auch
wirklich gethan, die blutigen Tyrannen mit kostbaren Gaben be-
reichert, und besitzt nicht eine starke bewaffnete Begleitung, so
wird er dennoch kannibalisch hingeschlachtet, damit die raubgierigen
Fürsten das ganze Eigenthum des Reisenden an sich nehmen können.
Speke hatte über hundert Mann bei sich, und ward dennoch mehrere
Mal überfallen. Barbarische Strafen für kleine Vergehen sind dort
an der Tagesordnung. Geringe Verstöße gegen die Hof=Etikette
werden mit dem Tode bestraft; der König vollzieht sehr oft selbst mit
großem Vergnügen die Exekution. Die Rohheit dieser Herrscher,
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz]

Gründlicher wurde die Südhälfte Afrika's von Livingstone erforscht,
welcher 1849 vom Cap der guten Hoffnung direkt ins Jnnere, nord-
wärts zum Ngamisee reiste, 1851 den Fluß Liambye erreichte, auf
diesem nach Norden zu fuhr, sich dann westwärts wandte und endlich
nach Loanda an der Westküste kam. Von da aus reiste er wieder
quer durch den Continent und erreichte den Zambesi, welcher an der
Ostküste in den Ocean fließt.

Das war seine erste Reise; über die anderen berichte ich später.

Ladislaus Magyar ging unterm 12. Gr. südl. Br. von Benguela
aus in das Jnnere und lebte von 1849 bis 1857 in Zonen, die bis
dahin noch kein Europäer gesehen hatte. Seine Reisebeschreibung
ist eins der wichtigsten wissenschaftlichen Werke über Süd=Afrika.
Da er, dort angesiedelt, sich mit der Tochter eines Fürsten verhei-
rathete, so konnte er vermöge seiner Stellung Alles kennen lernen,
und beschreibt demzufolge auch Land und Leute nebst sämmtlichen
Produkten mit der speziellsten wissenschaftlichen Sachkenntniß.

Von Benguela ging er ostwärts durch die Länder Kiakka, Hambo
nach Bich é, ließ sich hier häuslich nieder und besuchte von da aus
die Nachbarregionen, hauptsächlich die Kimbundaländer. Das Kim-
bundavolk ist eins der ausgezeichnetsten und mächtigsten Völker in
Süd=Afrika, nicht sowohl durch seine Zahl und durch die Aus-
dehnung seiner Länder und deren Bewohner, als vielmehr durch die gei-
stigen Fähigkeiten derselben, schreibt Magyar. Die Kimbunda's sind tapfer
und kriegerisch, in blutigen Schlachten haben sie stets über ihre Nach-
barvölker gesiegt. Sie treiben einen im Jnnern weit ausgedehnten
Handel, dringen zu den entlegensten Völkern vor und kaufen für die von
denselben eingetauschten Produkte bedeutende Quantitäten von euro-
päischen Waaren. Sie bewohnen einen innerhalb5 1 / 2 Breitegraden
und 5 Längegraden sich ausdehnenden Landstrich und bilden viele von
einander unabhängige kleinere und größere Staaten. Nach ihren
Sagen sind ihre Vorältern vor etwa 300 Jahren aus dem fernen
Nordosten, aus dem Lande der Moropu nach Westen gewandert;
sie stammen also doch wohl von der großen äthiopischen oder nilotischen
Familie ab, wie Wilson behauptet.

Gräßlich und schauderhaft lauten die Schilderungen ihrer barbarischen
Gebräuche. Menschenopfer und Menschenfresserei sind dort tägliche
Vorkommnisse. Der Fürst und die Kriegshäupter mischen das er-
haltene Menschenfleisch mit Hunde= und Rindfleisch, kochen es an
den Feuern, verzehren es und glauben, infolge dessen eine solche Kraft
zu erlangen, daß sie stets ihre Feinde mit Erfolg bekämpfen können.
Viele andere noch barbarischere Gebräuche und Abscheulichkeiten, wagt
Magyar gar nicht niederzuschreiben, berichtet aber noch genug haar-
sträubende Schandthaten. Diese Barbaren sprechen die Bunda= oder
Abundasprache, welche in verschiedenen Dialekten auf einem Raum von
20 Breite= und fast eben so viel Längegraden verbreitet ist. Sie besteht
aus einer harmonischen Mischung von Vokalen und Konsonanten,
wie die italienische und spanische; das zwar barbarische Volk hat also
dennoch eine wohlklingende Sprache.

Die Kimbundasprache ist mit der Hererósprache nahe verwandt,
sowohl durch Worte, als durch die Konstruktion. Das ganze Land
ist äußerst fruchtbar, ein schönes Land; alle herrlichen Früchte wachsen
dort wild, aber die blutdürstigen Männer lieben nur Jagd, Krieg und
überlassen die Landwirthschaft den Frauen, wie unsere alten Deutschen.
Vielweiberei gehört dort zum guten Ton. Je mehr Frauen, je mehr
Schwiegerväter ein Mann hat, desto größer ist sein Ansehn und
seine Macht.

Der südwestliche Küstenstrich Afrika's ist vom Cap der guten
Hoffnung aus vielfach bereist worden, hauptsächlich von Andersson,
welcher das große Namaqua= und Damaraland durchzog und die
Südwestspitze ausführlich beschreibt, namentlich die Saldanah=Bai,
St. Helena=Bai, Hondeklipp=Bai, den Elephantenstrom, Orangestrom,
das Cap Croß, Cap Frio, die große Fischbai und noch zahlreiche
andere Küstenpunkte. Diese Südseite, jenseits des Aequator, ward
auch noch durchforscht von Hahn und Rath, welche 1857 das
Land der Buschmänner unterm 17. bis 20. Gr. südl. Br. bereisten.
Galton durchzog die Region vom 20. bis 25. Gr. südl. Br.; alle
Drei hielten sich aber stets der Westküste nahe genug.

Manteiro ging 1831 von der Ostküste, von Zambesi in das Jn-
nere, nahm eine nordwestliche Richtung und kam in das Land der
Balunda, nicht weit vom Tanganyika=See, ohne diesen zu erreichen,
was erst viel später dem kühnen Speke und Burton gelang.

Die Reisen von der Ostküste ins Jnnere werden in neuester Zeit
häufiger.

Roscher ging 1860 von der Suaheliküste unterm 9. Gr. südl. Br.
hinein bis zum Nyassa=See. Burton und Speke begannen die Reise
von Zanzibar, kamen durch Uniamesi an den Tanganyika=See. Von
da aus reiste Speke nördlich und entdeckte 1858 das Südende des
großen Ukerewe=See's, den er Victoria Nyanza nennt, und aus dem
die Nilquelle entspringt, oder vielmehr der See ist die Quelle selbst,
was Speke auch damals schon ahnte, jedoch erst bei seiner spätern
Reise zur Gewißheit erheben konnte.

[Spaltenumbruch]

Dieser riesige See erstreckt sich vom 3. Gr. südl. Br. nord-
wärts bis über den Aequator, breitet sich also über fünfzig Meilen
von Süd nach Nord, und wahrscheinlich eben so weit von West nach
Ost aus, liegt 3740 Fuß über dem Ocean und wird von den be-
nachbarten, 10 und 12,000 Fuß hohen Bergen gespeist. Aus dem-
selben entströmt unterm Aequator eine große Wassermasse in mehreren
Strömen, welche sich weiter nordwärts zum weißen Nil vereinigen.
Ein Strom fließt zuerst etwas westlich und tritt in einen andern
See, den Speke als kleinen „Luta Ngige“ bezeichnet, der aber von
seinem Nachfolger S. Baker als ein eben so großer, wenn nicht viel
größerer See erkannt worden ist. Baker nannte ihn „Albert
Nyanza“, hat ihn zum Theil befahren und erkundet, daß ein Strom
aus dem Victoria Nyanza hinein fließt, aber weiter nördlich mit
einer viel größeren Menge wieder heraustritt und sich weiter unten bei
Madi mit dem andern aus dem Victoria=See kommenden Strom zum
großen weißen Nil vereinigt.

Der Ausfluß so großer Wassermassen unterm Aequator erfolgt
deßhalb, weil das Hochland sich von da aus immer mehr nach Norden
zu abdacht und an manchen Stellen so bedeutend senkt, daß große
Wasserfälle entstehen, welche die Schifffahrt hier unmöglich machen.
Sogleich unterm Aequator befinden sich zwölf Fuß hohe Wasserfälle,
welche sich durch Felsen gebrochen haben und 4= bis 500 Fuß
breit sind.

Bevor ich Bakers wichtige Entdeckungsreise bespreche, gebe ich erst
eine Skizze der von ihm gemachten Touren.

Burton ging auf einer frühern Reise 1854 von Zeyla, Golf von
Aden, ins Jnnere nach Härar, und giebt Schilderungen über die Be-
duinen in Hedschas und Somali.

Das Land der Somali umfaßt in Ost=Afrika jenes vorspringende
Horn, welches sich im Süden des Meerbusens von Aden, von der
Bab el Mandeb bis einige Grade südlich vom Vorgebirge Guar-
dafui erstreckt. Jm obern Theil wird es vom Lande der Dankali
und Jllu=Galla's begrenzt, in der südlichen Region von jenem der
Sawaheli, d. h. mohamedanischer Negervölker der Küstenregion. Die
Ostgrenze bildet das Meer, im Norden reicht es westlich bis in die
Nähe von Härar. Diese Residenz eines Emirs hatte bis dahin noch
kein Europäer betreten; denn die fanatischen Einwohner nebst ihrem
blutdürstigen Fürsten bedrohten jeden Ungläubigen mit dem furcht-
barsten Tode. Burton ward aber als Engländer freundlich empfan-
gen und durfte sogar zehn Tage in der Hauptstadt des Landes ver-
weilen. Von Härar reiste er nach Berbera, und schildert Land und
Leute nebst Handel und Wandel. Das Klima ist dort in vielen
Gegenden sehr ungesund, weil die zahlreichen Sümpfe wahre Pest-
Dünste aushauchen. So ist es überhaupt in allen Sumpfgegenden
Afrika's, und nicht nur in Afrika; niedrige Sumpfgegenden sind
überall ungesund und verursachen gefährliche Krankheiten. Das herum-
schweifende Leben vieler afrikanischer Volksstämme ist nicht bloß in
ihrer Wanderlust, sondern hauptsächlich in Gesundheitsrücksichten. be-
gründet. Jn den feuchten und glühend heißen Thälern säen und
ernten sie und ziehen dann in die höher liegenden Landschaften, um
sich von der Erschlaffung zu erholen und den Fieberkrankheiten zu
entgehen.

Von der Ostküste, dem 3. Gr. südl. Br., haben auch die Missio-
näre Kropf und Rebmann eine sehr wichtige Entdeckungsreise ge-
macht. Sie gingen von Mombas aus nach Westen und erreichten
sehr hohe Gebirge, den Kenia und Kilimandscharo, welche trotz der
heißen Zone auf ihren Gipfeln Schnee trugen.

Auch Speke begann seine letzte wichtigste Entdeckungsreise von
der Ostküste, von Zanzibar aus in das Jnnere westwärts, bog dann
nach Norden um und erreichte den schon genannten Ukerewe=See,
reiste zwischen den westlich liegenden hohen Gebirgen und dem See
nach Norden, entdeckte den Nilausfluß des See's unterm Aequator,
und ging sodann am Fluß herunter nach Gondokoro und weiter in
das Land der Aegypter. Daß er jene sehr hoch liegenden Aequator-
gegenden gesund und fruchtbar gefunden, und zwar in viel höherem
Grade als andere Regionen Afrika's, habe ich schon eben mit Speke's
eigenen Worten bemerkt. Leider sind die sozialen Verhältnisse der Be-
wohner noch im wildesten Urzustande. Sie haben zwar Staaten und
lockere Gemeinwesen, auch haben sie Gesetze; aber die Könige und
Häuptlinge herrschen mit einer wahrhaft thierischen Grausamkeit
über das Volk und berauben jeden Fremdling, der sich nicht durch
zahlreiche Geschenke loszukaufen vermag. Und hat er dies auch
wirklich gethan, die blutigen Tyrannen mit kostbaren Gaben be-
reichert, und besitzt nicht eine starke bewaffnete Begleitung, so
wird er dennoch kannibalisch hingeschlachtet, damit die raubgierigen
Fürsten das ganze Eigenthum des Reisenden an sich nehmen können.
Speke hatte über hundert Mann bei sich, und ward dennoch mehrere
Mal überfallen. Barbarische Strafen für kleine Vergehen sind dort
an der Tagesordnung. Geringe Verstöße gegen die Hof=Etikette
werden mit dem Tode bestraft; der König vollzieht sehr oft selbst mit
großem Vergnügen die Exekution. Die Rohheit dieser Herrscher,
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        <p>Das Land der Somali umfaßt in Ost=Afrika jenes vorspringende<lb/>
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[223/0007] 223 Gründlicher wurde die Südhälfte Afrika's von Livingstone erforscht, welcher 1849 vom Cap der guten Hoffnung direkt ins Jnnere, nord- wärts zum Ngamisee reiste, 1851 den Fluß Liambye erreichte, auf diesem nach Norden zu fuhr, sich dann westwärts wandte und endlich nach Loanda an der Westküste kam. Von da aus reiste er wieder quer durch den Continent und erreichte den Zambesi, welcher an der Ostküste in den Ocean fließt. Das war seine erste Reise; über die anderen berichte ich später. Ladislaus Magyar ging unterm 12. Gr. südl. Br. von Benguela aus in das Jnnere und lebte von 1849 bis 1857 in Zonen, die bis dahin noch kein Europäer gesehen hatte. Seine Reisebeschreibung ist eins der wichtigsten wissenschaftlichen Werke über Süd=Afrika. Da er, dort angesiedelt, sich mit der Tochter eines Fürsten verhei- rathete, so konnte er vermöge seiner Stellung Alles kennen lernen, und beschreibt demzufolge auch Land und Leute nebst sämmtlichen Produkten mit der speziellsten wissenschaftlichen Sachkenntniß. Von Benguela ging er ostwärts durch die Länder Kiakka, Hambo nach Bich é, ließ sich hier häuslich nieder und besuchte von da aus die Nachbarregionen, hauptsächlich die Kimbundaländer. Das Kim- bundavolk ist eins der ausgezeichnetsten und mächtigsten Völker in Süd=Afrika, nicht sowohl durch seine Zahl und durch die Aus- dehnung seiner Länder und deren Bewohner, als vielmehr durch die gei- stigen Fähigkeiten derselben, schreibt Magyar. Die Kimbunda's sind tapfer und kriegerisch, in blutigen Schlachten haben sie stets über ihre Nach- barvölker gesiegt. Sie treiben einen im Jnnern weit ausgedehnten Handel, dringen zu den entlegensten Völkern vor und kaufen für die von denselben eingetauschten Produkte bedeutende Quantitäten von euro- päischen Waaren. Sie bewohnen einen innerhalb5 1 / 2 Breitegraden und 5 Längegraden sich ausdehnenden Landstrich und bilden viele von einander unabhängige kleinere und größere Staaten. Nach ihren Sagen sind ihre Vorältern vor etwa 300 Jahren aus dem fernen Nordosten, aus dem Lande der Moropu nach Westen gewandert; sie stammen also doch wohl von der großen äthiopischen oder nilotischen Familie ab, wie Wilson behauptet. Gräßlich und schauderhaft lauten die Schilderungen ihrer barbarischen Gebräuche. Menschenopfer und Menschenfresserei sind dort tägliche Vorkommnisse. Der Fürst und die Kriegshäupter mischen das er- haltene Menschenfleisch mit Hunde= und Rindfleisch, kochen es an den Feuern, verzehren es und glauben, infolge dessen eine solche Kraft zu erlangen, daß sie stets ihre Feinde mit Erfolg bekämpfen können. Viele andere noch barbarischere Gebräuche und Abscheulichkeiten, wagt Magyar gar nicht niederzuschreiben, berichtet aber noch genug haar- sträubende Schandthaten. Diese Barbaren sprechen die Bunda= oder Abundasprache, welche in verschiedenen Dialekten auf einem Raum von 20 Breite= und fast eben so viel Längegraden verbreitet ist. Sie besteht aus einer harmonischen Mischung von Vokalen und Konsonanten, wie die italienische und spanische; das zwar barbarische Volk hat also dennoch eine wohlklingende Sprache. Die Kimbundasprache ist mit der Hererósprache nahe verwandt, sowohl durch Worte, als durch die Konstruktion. Das ganze Land ist äußerst fruchtbar, ein schönes Land; alle herrlichen Früchte wachsen dort wild, aber die blutdürstigen Männer lieben nur Jagd, Krieg und überlassen die Landwirthschaft den Frauen, wie unsere alten Deutschen. Vielweiberei gehört dort zum guten Ton. Je mehr Frauen, je mehr Schwiegerväter ein Mann hat, desto größer ist sein Ansehn und seine Macht. Der südwestliche Küstenstrich Afrika's ist vom Cap der guten Hoffnung aus vielfach bereist worden, hauptsächlich von Andersson, welcher das große Namaqua= und Damaraland durchzog und die Südwestspitze ausführlich beschreibt, namentlich die Saldanah=Bai, St. Helena=Bai, Hondeklipp=Bai, den Elephantenstrom, Orangestrom, das Cap Croß, Cap Frio, die große Fischbai und noch zahlreiche andere Küstenpunkte. Diese Südseite, jenseits des Aequator, ward auch noch durchforscht von Hahn und Rath, welche 1857 das Land der Buschmänner unterm 17. bis 20. Gr. südl. Br. bereisten. Galton durchzog die Region vom 20. bis 25. Gr. südl. Br.; alle Drei hielten sich aber stets der Westküste nahe genug. Manteiro ging 1831 von der Ostküste, von Zambesi in das Jn- nere, nahm eine nordwestliche Richtung und kam in das Land der Balunda, nicht weit vom Tanganyika=See, ohne diesen zu erreichen, was erst viel später dem kühnen Speke und Burton gelang. Die Reisen von der Ostküste ins Jnnere werden in neuester Zeit häufiger. Roscher ging 1860 von der Suaheliküste unterm 9. Gr. südl. Br. hinein bis zum Nyassa=See. Burton und Speke begannen die Reise von Zanzibar, kamen durch Uniamesi an den Tanganyika=See. Von da aus reiste Speke nördlich und entdeckte 1858 das Südende des großen Ukerewe=See's, den er Victoria Nyanza nennt, und aus dem die Nilquelle entspringt, oder vielmehr der See ist die Quelle selbst, was Speke auch damals schon ahnte, jedoch erst bei seiner spätern Reise zur Gewißheit erheben konnte. Dieser riesige See erstreckt sich vom 3. Gr. südl. Br. nord- wärts bis über den Aequator, breitet sich also über fünfzig Meilen von Süd nach Nord, und wahrscheinlich eben so weit von West nach Ost aus, liegt 3740 Fuß über dem Ocean und wird von den be- nachbarten, 10 und 12,000 Fuß hohen Bergen gespeist. Aus dem- selben entströmt unterm Aequator eine große Wassermasse in mehreren Strömen, welche sich weiter nordwärts zum weißen Nil vereinigen. Ein Strom fließt zuerst etwas westlich und tritt in einen andern See, den Speke als kleinen „Luta Ngige“ bezeichnet, der aber von seinem Nachfolger S. Baker als ein eben so großer, wenn nicht viel größerer See erkannt worden ist. Baker nannte ihn „Albert Nyanza“, hat ihn zum Theil befahren und erkundet, daß ein Strom aus dem Victoria Nyanza hinein fließt, aber weiter nördlich mit einer viel größeren Menge wieder heraustritt und sich weiter unten bei Madi mit dem andern aus dem Victoria=See kommenden Strom zum großen weißen Nil vereinigt. Der Ausfluß so großer Wassermassen unterm Aequator erfolgt deßhalb, weil das Hochland sich von da aus immer mehr nach Norden zu abdacht und an manchen Stellen so bedeutend senkt, daß große Wasserfälle entstehen, welche die Schifffahrt hier unmöglich machen. Sogleich unterm Aequator befinden sich zwölf Fuß hohe Wasserfälle, welche sich durch Felsen gebrochen haben und 4= bis 500 Fuß breit sind. Bevor ich Bakers wichtige Entdeckungsreise bespreche, gebe ich erst eine Skizze der von ihm gemachten Touren. Burton ging auf einer frühern Reise 1854 von Zeyla, Golf von Aden, ins Jnnere nach Härar, und giebt Schilderungen über die Be- duinen in Hedschas und Somali. Das Land der Somali umfaßt in Ost=Afrika jenes vorspringende Horn, welches sich im Süden des Meerbusens von Aden, von der Bab el Mandeb bis einige Grade südlich vom Vorgebirge Guar- dafui erstreckt. Jm obern Theil wird es vom Lande der Dankali und Jllu=Galla's begrenzt, in der südlichen Region von jenem der Sawaheli, d. h. mohamedanischer Negervölker der Küstenregion. Die Ostgrenze bildet das Meer, im Norden reicht es westlich bis in die Nähe von Härar. Diese Residenz eines Emirs hatte bis dahin noch kein Europäer betreten; denn die fanatischen Einwohner nebst ihrem blutdürstigen Fürsten bedrohten jeden Ungläubigen mit dem furcht- barsten Tode. Burton ward aber als Engländer freundlich empfan- gen und durfte sogar zehn Tage in der Hauptstadt des Landes ver- weilen. Von Härar reiste er nach Berbera, und schildert Land und Leute nebst Handel und Wandel. Das Klima ist dort in vielen Gegenden sehr ungesund, weil die zahlreichen Sümpfe wahre Pest- Dünste aushauchen. So ist es überhaupt in allen Sumpfgegenden Afrika's, und nicht nur in Afrika; niedrige Sumpfgegenden sind überall ungesund und verursachen gefährliche Krankheiten. Das herum- schweifende Leben vieler afrikanischer Volksstämme ist nicht bloß in ihrer Wanderlust, sondern hauptsächlich in Gesundheitsrücksichten. be- gründet. Jn den feuchten und glühend heißen Thälern säen und ernten sie und ziehen dann in die höher liegenden Landschaften, um sich von der Erschlaffung zu erholen und den Fieberkrankheiten zu entgehen. Von der Ostküste, dem 3. Gr. südl. Br., haben auch die Missio- näre Kropf und Rebmann eine sehr wichtige Entdeckungsreise ge- macht. Sie gingen von Mombas aus nach Westen und erreichten sehr hohe Gebirge, den Kenia und Kilimandscharo, welche trotz der heißen Zone auf ihren Gipfeln Schnee trugen. Auch Speke begann seine letzte wichtigste Entdeckungsreise von der Ostküste, von Zanzibar aus in das Jnnere westwärts, bog dann nach Norden um und erreichte den schon genannten Ukerewe=See, reiste zwischen den westlich liegenden hohen Gebirgen und dem See nach Norden, entdeckte den Nilausfluß des See's unterm Aequator, und ging sodann am Fluß herunter nach Gondokoro und weiter in das Land der Aegypter. Daß er jene sehr hoch liegenden Aequator- gegenden gesund und fruchtbar gefunden, und zwar in viel höherem Grade als andere Regionen Afrika's, habe ich schon eben mit Speke's eigenen Worten bemerkt. Leider sind die sozialen Verhältnisse der Be- wohner noch im wildesten Urzustande. Sie haben zwar Staaten und lockere Gemeinwesen, auch haben sie Gesetze; aber die Könige und Häuptlinge herrschen mit einer wahrhaft thierischen Grausamkeit über das Volk und berauben jeden Fremdling, der sich nicht durch zahlreiche Geschenke loszukaufen vermag. Und hat er dies auch wirklich gethan, die blutigen Tyrannen mit kostbaren Gaben be- reichert, und besitzt nicht eine starke bewaffnete Begleitung, so wird er dennoch kannibalisch hingeschlachtet, damit die raubgierigen Fürsten das ganze Eigenthum des Reisenden an sich nehmen können. Speke hatte über hundert Mann bei sich, und ward dennoch mehrere Mal überfallen. Barbarische Strafen für kleine Vergehen sind dort an der Tagesordnung. Geringe Verstöße gegen die Hof=Etikette werden mit dem Tode bestraft; der König vollzieht sehr oft selbst mit großem Vergnügen die Exekution. Die Rohheit dieser Herrscher,

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Zitationshilfe: Sonntags-Blatt. Nr. 28. Berlin, 12. Juli 1868, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_sonntagsblatt28_1868/7>, abgerufen am 16.07.2024.