Social-politische Blätter. 2. Jahrgang, 8. Lieferung, Nr. 3. Berlin, 15. August 1874.Zur Unterhaltung und Belehrung. 200 [Beginn Spaltensatz]
sich für den Garten; der Rest wird auf leichte Weise weggeschafft.Solchergestalt ist von der Republik wohl nichts versäumt wor- den, den Frauen des Hauses die inneren Arbeiten zu erleichtern oder abzunehmen. Das Ausfegen, sagte die Hausfrau, ist eine kleine Mühe; das Auswaschen auch; übrigens lehrt uns die Erziehung und das Beispiel, diese Mühseligkeiten für nothwen- dige und völlig ehrenhafte Beschäftigungen eines weiblichen Mit- gliedes der Familie ansehen; wie herrlich ist es doch, mit so leichter Arbeit der widerlichen Einrichtung anderer Länder, Dienst- boten um sich zu haben, überhoben zu sein! Unsere Männer sinnen stets nur auf Wege, uns die Geschäfte leicht zu machen. Die Republik thut, was sonst die vielen kleinen Haushaltungen nicht zu thun vermochten. Nationalschlachthaus, Nationalküche, Nationalwäscherei, Nationalmagazine aller Art nehmen uns Jkarierinnen den schwersten Theil der Bürden des Hausstandes gütig ab; uns bleibt nichts als auszubessern und zweimal im Tage den Tisch zu besorgen. Glauben Sie, meine Herren Gäste, das ist noch zu ertragen, setzte sie lächelnd hinzu. -- Kommen Sie in meine Küche, die müssen Sie sehen. Wir traten in einen hellen, reinlichen, netten Raum, und -- Und doch gehört der Republik, fiel Eugen ein, der Hier unterbrach ich den Freund, ich fürchtete, er wolle wie- -- Würden unsere Männer der Republik untreu, erwiderte Wir verabschiedeten uns. Wie dies Haus, so sind sie alle. Solche Einförmigkeit Was die Möblirung betrifft, so vereinigt sie ebenfalls die So z. B. hat der Fußboden Teppiche; haben die Möbeln Mit wahrem Stolze hatte uns die Dame auf dieses Alles Jegliches Möbel ist bekanntlich gesetzlich bestimmt. Ord- Die Zimmererleuchtung geschieht durch Gas, welches keinen Als die Dame uns den Salon zeigte, machte sie uns, Zur Unterhaltung und Belehrung. 200 [Beginn Spaltensatz]
sich für den Garten; der Rest wird auf leichte Weise weggeschafft.Solchergestalt ist von der Republik wohl nichts versäumt wor- den, den Frauen des Hauses die inneren Arbeiten zu erleichtern oder abzunehmen. Das Ausfegen, sagte die Hausfrau, ist eine kleine Mühe; das Auswaschen auch; übrigens lehrt uns die Erziehung und das Beispiel, diese Mühseligkeiten für nothwen- dige und völlig ehrenhafte Beschäftigungen eines weiblichen Mit- gliedes der Familie ansehen; wie herrlich ist es doch, mit so leichter Arbeit der widerlichen Einrichtung anderer Länder, Dienst- boten um sich zu haben, überhoben zu sein! Unsere Männer sinnen stets nur auf Wege, uns die Geschäfte leicht zu machen. Die Republik thut, was sonst die vielen kleinen Haushaltungen nicht zu thun vermochten. Nationalschlachthaus, Nationalküche, Nationalwäscherei, Nationalmagazine aller Art nehmen uns Jkarierinnen den schwersten Theil der Bürden des Hausstandes gütig ab; uns bleibt nichts als auszubessern und zweimal im Tage den Tisch zu besorgen. Glauben Sie, meine Herren Gäste, das ist noch zu ertragen, setzte sie lächelnd hinzu. — Kommen Sie in meine Küche, die müssen Sie sehen. Wir traten in einen hellen, reinlichen, netten Raum, und — Und doch gehört der Republik, fiel Eugen ein, der Hier unterbrach ich den Freund, ich fürchtete, er wolle wie- — Würden unsere Männer der Republik untreu, erwiderte Wir verabschiedeten uns. Wie dies Haus, so sind sie alle. Solche Einförmigkeit Was die Möblirung betrifft, so vereinigt sie ebenfalls die So z. B. hat der Fußboden Teppiche; haben die Möbeln Mit wahrem Stolze hatte uns die Dame auf dieses Alles Jegliches Möbel ist bekanntlich gesetzlich bestimmt. Ord- Die Zimmererleuchtung geschieht durch Gas, welches keinen Als die Dame uns den Salon zeigte, machte sie uns, <TEI> <text> <body> <div xml:id="Reise7" type="jArticle" n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0004" n="200"/><fw type="header" place="top"><hi rendition="#g">Zur Unterhaltung und Belehrung.</hi> 200</fw><cb type="start"/> sich für den Garten; der Rest wird auf leichte Weise weggeschafft.<lb/> Solchergestalt ist von der Republik wohl nichts versäumt wor-<lb/> den, den Frauen des Hauses die inneren Arbeiten zu erleichtern<lb/> oder abzunehmen. Das Ausfegen, sagte die Hausfrau, ist eine<lb/> kleine Mühe; das Auswaschen auch; übrigens lehrt uns die<lb/> Erziehung und das Beispiel, diese Mühseligkeiten für nothwen-<lb/> dige und völlig ehrenhafte Beschäftigungen eines weiblichen Mit-<lb/> gliedes der Familie ansehen; wie herrlich ist es doch, mit so<lb/> leichter Arbeit der widerlichen Einrichtung anderer Länder, Dienst-<lb/> boten um sich zu haben, überhoben zu sein! 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Unsere Mädchen haben ein paar nied-<lb/> liche Lieder zu Ehren des jungen Baumeisters gemacht und kom-<lb/> ponirt, welcher den besten Plan zu einer Hausküche angab und<lb/> ausführte, bemerkte unsere gesprächige Führerin.</p><lb/> <p>— Und doch gehört der Republik, fiel Eugen ein, der<lb/> Ruhm, nicht aber dem Baumeister; sie ist es, die das Land vor<lb/> allen andern beglückt, während mein armes Frankreich! — — —</p><lb/> <p>Hier unterbrach ich den Freund, ich fürchtete, er wolle wie-<lb/> der seine Trauerrede anstimmen. „Sie haben ganz recht, mein<lb/> Bester,“ versicherte ich ihm.</p><lb/> <p>— Würden unsere Männer der Republik untreu, erwiderte<lb/> die Dame, wie würden auf der Stelle gegen jene die letztere<lb/> vertheidigen. Kein Weib lebt in dem weiten ikarischen Reiche,<lb/> das nicht täglich in seinem Gemüth und in offener heiterer Rede<lb/> und mit Gesang der erhabensten Republik froh und freudig ge-<lb/> denkt! 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Beim Umzug<lb/> werden natürlich keine Möbeln mitgeschleppt, wie wir Europäer<lb/> es lächerlicher Weise thun müssen; alle Möbeln sind gleich schön,<lb/> gleich brauchbar in allen Wohnungen; nur weniges, ganz per-<lb/> sönlich unentbehrliches, wird mitgenommen. Man bedenke, welche<lb/> ungeheure Mühe, Oual, Verdrießlichkeit, Zeit, Kraft, Gesund-<lb/> heit, durch dieses ikarische Umzugsystem gespart wird! Zudem<lb/> wird es sehr selten in Anwendung gebracht.</p><lb/> <p>Was die Möblirung betrifft, so vereinigt sie ebenfalls die<lb/> drei Anforderungen, deren ich schon erwähnt; das Nothwendige,<lb/> Nützliche, Angenehme sind auch hier die drei Gesichtspunkte, wo-<lb/><cb n="2"/> nach die Möbeln eingerichtet sind. Das Comfortable, wie die<lb/> Engländer es nennen, steht hier in vollster Blüthe.</p><lb/> <p>So z. B. hat der Fußboden Teppiche; haben die Möbeln<lb/> nur abgerundete Ecken; schließen die Möbeln auf's Beste gegen<lb/> allen Staub. 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Bilder<lb/> allerlei Art, Stahl=, Kupfer= und Holzstiche, Oel= und Pastell-<lb/> gemälde in goldnen oder schwarzen Ebenholzrahmen mangeln auch<lb/> nicht. Jch bemerke ausdücklich, der Gegenstand, den sie dar-<lb/> stellen, ist entweder ein belehrender oder ästhetischer. Sogenannte<lb/> „Lüsternheiten“ existiren nicht. Sehr häufig ist das Vorkommen<lb/> von Abbildungen auf denen eine Alltäglichkeit, die aber eben<lb/> deshalb nothwendig ist, nebst einer kurzen, umfassenden Erklärung<lb/> in Ziffern und bündigen Sätzen, sich findet; so z. B. hat fast<lb/> immer die Küche Bilder, die den kochenden Frauen manches<lb/> Nachschlagen im Kochbuch ersparen; so die Ammenstube; so das<lb/> Badezimmer, in welchem eine Nachricht den Hitzegrad, die Dauer<lb/> des Bades u. s. w. bestimmt. Jm Ganzen fand ich die Schlaf-<lb/> stuben äußerst einfach; stets, <hi rendition="#g">ohne alle Ausnahme,</hi> sagte man<lb/> uns, seien die Bettgestelle von Eisen.</p><lb/> <p>Jegliches Möbel ist bekanntlich gesetzlich bestimmt. Ord-<lb/> nung regiert auch in diesem Fach das ikarische Wesen. Jegliches<lb/> Möbel, nach vielen eingereichten Modellen, unter denen das beste<lb/> ausgesucht wurde, um fortan zum Muster zu dienen, bietet folg-<lb/> lich den größtmöglichen Nutzen, mit Schönheit verschmolzen, dar.<lb/> Bequemlichkeit und Geschmack herrschen. Es versteht sich, daß<lb/> bei jedem Möbel auf möglichste Ersparung von Material und<lb/> Mühe für den Anfertiger gesonnen worden ist. Die köstlichsten<lb/> Stoffe aus dem Thier=, Pflanzen= und Steinreich treten dort<lb/> auf; Gold und Silber, Krystall und Marmor, Sammet und<lb/> Seide, sind nichts Seltenes. Die freundliche Wirthin lächelte<lb/> über unser Erstaunen. „Unsere gute Republik befolgt,“ sagte<lb/> sie, „das Princip, daß Alles auf ikarischem Boden und durch<lb/> ikarischen Kunstfleiß hervorgebrachte unter <hi rendition="#g">alle</hi> Einwohner zu<lb/> vertheilen sei; ist jedoch ein Gegenstand zu selten, um <hi rendition="#g">Alle</hi> an<lb/> ihm Theil nehmen zu lassen, nun, so giebt ihn die Republik nur<lb/> für die Nationalgebäude her, oder unterdrückt ihn gänzlich.<lb/> Uebrigens sind unsere Mitbürger und Mitbürgerinnen längst der<lb/> Ansicht, die Nachahmungen der sogenannten <hi rendition="#g">edlen</hi> Metalle und<lb/><hi rendition="#g">edlen</hi> Steine seien in unserem Staate nicht unedler als die<lb/> Originale, wenn sie nur diesen an Schönheit gleich oder nahe<lb/> kommen. 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Zur Unterhaltung und Belehrung. 200
sich für den Garten; der Rest wird auf leichte Weise weggeschafft.
Solchergestalt ist von der Republik wohl nichts versäumt wor-
den, den Frauen des Hauses die inneren Arbeiten zu erleichtern
oder abzunehmen. Das Ausfegen, sagte die Hausfrau, ist eine
kleine Mühe; das Auswaschen auch; übrigens lehrt uns die
Erziehung und das Beispiel, diese Mühseligkeiten für nothwen-
dige und völlig ehrenhafte Beschäftigungen eines weiblichen Mit-
gliedes der Familie ansehen; wie herrlich ist es doch, mit so
leichter Arbeit der widerlichen Einrichtung anderer Länder, Dienst-
boten um sich zu haben, überhoben zu sein! Unsere Männer
sinnen stets nur auf Wege, uns die Geschäfte leicht zu machen.
Die Republik thut, was sonst die vielen kleinen Haushaltungen
nicht zu thun vermochten. Nationalschlachthaus, Nationalküche,
Nationalwäscherei, Nationalmagazine aller Art nehmen uns
Jkarierinnen den schwersten Theil der Bürden des Hausstandes
gütig ab; uns bleibt nichts als auszubessern und zweimal im
Tage den Tisch zu besorgen. Glauben Sie, meine Herren Gäste,
das ist noch zu ertragen, setzte sie lächelnd hinzu. — Kommen
Sie in meine Küche, die müssen Sie sehen.
Wir traten in einen hellen, reinlichen, netten Raum, und
bewunderten gern die blanken Geräthe, die Wandkessel mit Kräh-
nen, für heißes und kaltes Wasser, die bequemen Tische, den
hübschen Heerd u. s. w. Unsere Mädchen haben ein paar nied-
liche Lieder zu Ehren des jungen Baumeisters gemacht und kom-
ponirt, welcher den besten Plan zu einer Hausküche angab und
ausführte, bemerkte unsere gesprächige Führerin.
— Und doch gehört der Republik, fiel Eugen ein, der
Ruhm, nicht aber dem Baumeister; sie ist es, die das Land vor
allen andern beglückt, während mein armes Frankreich! — — —
Hier unterbrach ich den Freund, ich fürchtete, er wolle wie-
der seine Trauerrede anstimmen. „Sie haben ganz recht, mein
Bester,“ versicherte ich ihm.
— Würden unsere Männer der Republik untreu, erwiderte
die Dame, wie würden auf der Stelle gegen jene die letztere
vertheidigen. Kein Weib lebt in dem weiten ikarischen Reiche,
das nicht täglich in seinem Gemüth und in offener heiterer Rede
und mit Gesang der erhabensten Republik froh und freudig ge-
denkt! Unsere Feierstunden, unsere Arbeitszeiten sind uns gleich
werth.
Wir verabschiedeten uns.
Wie dies Haus, so sind sie alle. Solche Einförmigkeit
lasse ich mir wahrlich gefallen! — Jede Familie hat ein Haus
für sich; natürlich von verschiedenen Größen. Sie haben eine
Breite von drei, von vier und fünf Fenstern, für Familien unter
zwölf Personen, und fünfundzwanzig für vierzig Personen. Jst
eine Familie noch stärker, was oft der Fall ist, so hat sie zwei
Nachbarhäuser, die durch die Jnnenthür in Verbindung stehen.
Meistens erhebt sich kein Streit über das Abtreten des anstoßen-
den Hauses, denn alle sind gleich gut gebaut. Sollte wirklich
Streit drohen, so schlichtet die Behörde, der ohne Murren ge-
horcht wird, oder auch, die zahlreichere Familie sucht sich zwei
ihr passende, andere Häuser nebeneinander, auf. Beim Umzug
werden natürlich keine Möbeln mitgeschleppt, wie wir Europäer
es lächerlicher Weise thun müssen; alle Möbeln sind gleich schön,
gleich brauchbar in allen Wohnungen; nur weniges, ganz per-
sönlich unentbehrliches, wird mitgenommen. Man bedenke, welche
ungeheure Mühe, Oual, Verdrießlichkeit, Zeit, Kraft, Gesund-
heit, durch dieses ikarische Umzugsystem gespart wird! Zudem
wird es sehr selten in Anwendung gebracht.
Was die Möblirung betrifft, so vereinigt sie ebenfalls die
drei Anforderungen, deren ich schon erwähnt; das Nothwendige,
Nützliche, Angenehme sind auch hier die drei Gesichtspunkte, wo-
nach die Möbeln eingerichtet sind. Das Comfortable, wie die
Engländer es nennen, steht hier in vollster Blüthe.
So z. B. hat der Fußboden Teppiche; haben die Möbeln
nur abgerundete Ecken; schließen die Möbeln auf's Beste gegen
allen Staub. Sinnreich ist auch, daß scharfe Vertiefungen, wie
die zwischen Mauer und Täfelung, durch Gyps und Mastix in
runde verwandelt sind, folglich dem reinigenden Jnstrument
viel eher zugänglich sein müssen.
Mit wahrem Stolze hatte uns die Dame auf dieses Alles
aufmerksam gemacht; auch auf die vielfältigen Vorkehrungen
gegen Jnsekten wußte sie unsere Achtsamkeit zu lenken. Jedes
Zimmer ist mit Wandschränken, Gesims, Ecktischchen u. s. w.
versehen, welche an der Mauer vollkommen befestigt sind; in
einer höchst sinnigen Weise, dergestalt, daß meist die Wandseite
oder Hinterseite dieser Möbeln als ganz überflüssig weggelassen
ist. Dadurch hat man wieder ungemeine Ersparniß an Mühe
und Material gewonnen. Jede Wand wird von Papier oder
gewebtem Stoffe überzogen, oder mit Firnissen von verschiedenen
heiteren Farben, auf welchen oft Malereien, bedeckt. Bilder
allerlei Art, Stahl=, Kupfer= und Holzstiche, Oel= und Pastell-
gemälde in goldnen oder schwarzen Ebenholzrahmen mangeln auch
nicht. Jch bemerke ausdücklich, der Gegenstand, den sie dar-
stellen, ist entweder ein belehrender oder ästhetischer. Sogenannte
„Lüsternheiten“ existiren nicht. Sehr häufig ist das Vorkommen
von Abbildungen auf denen eine Alltäglichkeit, die aber eben
deshalb nothwendig ist, nebst einer kurzen, umfassenden Erklärung
in Ziffern und bündigen Sätzen, sich findet; so z. B. hat fast
immer die Küche Bilder, die den kochenden Frauen manches
Nachschlagen im Kochbuch ersparen; so die Ammenstube; so das
Badezimmer, in welchem eine Nachricht den Hitzegrad, die Dauer
des Bades u. s. w. bestimmt. Jm Ganzen fand ich die Schlaf-
stuben äußerst einfach; stets, ohne alle Ausnahme, sagte man
uns, seien die Bettgestelle von Eisen.
Jegliches Möbel ist bekanntlich gesetzlich bestimmt. Ord-
nung regiert auch in diesem Fach das ikarische Wesen. Jegliches
Möbel, nach vielen eingereichten Modellen, unter denen das beste
ausgesucht wurde, um fortan zum Muster zu dienen, bietet folg-
lich den größtmöglichen Nutzen, mit Schönheit verschmolzen, dar.
Bequemlichkeit und Geschmack herrschen. Es versteht sich, daß
bei jedem Möbel auf möglichste Ersparung von Material und
Mühe für den Anfertiger gesonnen worden ist. Die köstlichsten
Stoffe aus dem Thier=, Pflanzen= und Steinreich treten dort
auf; Gold und Silber, Krystall und Marmor, Sammet und
Seide, sind nichts Seltenes. Die freundliche Wirthin lächelte
über unser Erstaunen. „Unsere gute Republik befolgt,“ sagte
sie, „das Princip, daß Alles auf ikarischem Boden und durch
ikarischen Kunstfleiß hervorgebrachte unter alle Einwohner zu
vertheilen sei; ist jedoch ein Gegenstand zu selten, um Alle an
ihm Theil nehmen zu lassen, nun, so giebt ihn die Republik nur
für die Nationalgebäude her, oder unterdrückt ihn gänzlich.
Uebrigens sind unsere Mitbürger und Mitbürgerinnen längst der
Ansicht, die Nachahmungen der sogenannten edlen Metalle und
edlen Steine seien in unserem Staate nicht unedler als die
Originale, wenn sie nur diesen an Schönheit gleich oder nahe
kommen. Neid ist ein fabelhaftes Wesen, welches wir nicht mehr
zu finden wissen.“
Die Zimmererleuchtung geschieht durch Gas, welches keinen
Geruch verbreitet, und durch Oel und Wachslicht, dem sogar
Parfüms beigemischt sind.
Als die Dame uns den Salon zeigte, machte sie uns,
gleichsam, um den Fremdlingen die Hauptsache zuletzt einzuschär-
fen, auf die ungezwungene, natürliche Verbindung des Gleich-
heitlichen mit dem Verschiedentlichen aufmerksam, welche in Jka-
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