Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Social-politische Blätter. 2. Jahrgang, 8. Lieferung, Nr. 2. Berlin, 8. August 1874.

Bild:
<< vorherige Seite
letzte Seite
Zur Unterhaltung und Belehrung. 196
[Beginn Spaltensatz]
Aus der Schule.

" Kind," sprach ein Schullehrer drohend, "man soll nicht aus
der Schule schwatzen." -- "Nein," sagte der Knabe unbefangen,
"wir schwatzen blos drinnen."



" Jst Schöps auch ein Zeitwort?" fragte ein Lehrer. --
"J[a] freilich", antwortete ein Schüler, "denn man kann sagen:
ich Schöps, du Schöps, er Schöps."



Ein sehr begehrlicher Geistlicher fragte in einer Christenlehre
einen Knaben, wie man die Leute nenne, die sich Alles, mit
Recht oder Unrecht, zuzueignen pflegen? -- Als der Knabe schwieg,
wollte der Examinator einhelfen und sagte: das sind die Gei --
Gei -- Gei -- "die Geistlichen" sagte der Knabe.



Frage: Wie viel Jnseln giebt es im mittelländischen Meere
und wie heißen sie?

Antwort: Es giebt sehr viele Jnseln im mittelländischen
Meere, und ich heiße Müller.



Lehrer. Kannst du mir sagen, Meier, welches die größten
Mücken sind?

Schüler. O ja -- die Kalmücken.



Lehrer. Kleiner Benfey, im wie vielten Lebensjahre starb
Friedrich der Große? --

Kleiner Benfey. Jn gar keinem Lebensjahre, weil es ge-
wesen ist sein Todesjahr, als er gesterbt hat.



Lehrer. Die Erde ist also, wie du an diesem Globus siehst,
eine Kugel. Wer sind nun unsere Gegenfüßler?

Schüler. Das weiß ich nicht.

Lehrer. Nun, wenn wir in Leipzig ein Loch senkrecht durch
die Erde bohren, welches an der andern Seite wieder heraus
geht, wo kommen wir da heraus?

Schüler. Aus dem Loche.



Lehrer. Wenn ein Glas Wasser drei Loth wiegt, wie er-
fährst du das Gewicht eines Wolkenbruchs?

Jch dividire mit dem Glas Wasser hinein.



Lehrer. Nenne mir ein Wurzelwort!

Schüler. Meerrettig!



Lehrer. Sage mir, Knabe, woher kommen die Wellen auf
dem Wasser?

Schüler. Von den großen Fischen.



Album der Poesie.
Jrland.
An rost'ger Kette liegt das Boot;
Das Segel träumt, das Ruder lungert
Das macht, der Fischerbub' ist todt;
Das macht, der Fischer ist verhungert!
Denn Jrland's Fisch ist Herrenfisch;
Der Strandherr praßt vom reichen Fange,
Leer aber bleibt des Fängers Tisch --
So starb der Fischer, so sein Range.
Die Heerde blökt, die Heerde brüllt;
Welch ein Gedräng' von Küh'n und Schafen!
Der Hirt, von Lumpen schlecht verhüllt,
Treibt sie an's Meer zum nächsten Hafen.
[Spaltenumbruch] Denn Jrland's Vieh ist Herrenvieh:
Das gerne Paddy's Knochen stärkte
Und seiner Kinder brechend Knie --
Der Grundherr schickt's auf fremde Märkte,
Drum ist sein Viehstall ihm ein Born
Der Ueppigkeit und des Genusses,
Und jeglich Kuh= und Bullenhorn
Wird ihm ein Horn des Ueberflusses.
Er läßt zu London und Paris
Den Spieltisch unter'm Gold sich biegen: --
Sein Volk, das er zu Hause ließ,
Fällt unterdeß wie Winterfliegen.
Halloh, Halloh! Grün=Erins Jagd!
Paddy, lang' zu! das nenn' ich Ziemer!
Umsonst! auch das wird fortgebracht,
Meerüber mit dem ersten Steamer!
Denn Jrland's Wild ist Herrenwild:
Es füllt des Grundherrn Bauch und Taschen --
Der bleiche Knecht, des Elends Bild,
Hilf Gott! ist selbst zu matt zum Paschen!
So sorgt der Herr, der Hirsch und Ochs,
Das heißt: daß ihn sein Bauer mäste;
Statt auszutrocknen seine Bogs --
Jhr kennt sie ja: Jrland's Moräste!
Er läßt den Boden nutzlos ruhn,
Drauf Halm an Halm sich wiegen könnte;
Er läßt ihn schnöd dem Wasserhuhn,
Dem Kibitz und der wilden Ente!
Ja doch, bei Gottes Fluche: -- Sumpf
Und Wildniß vier Millionen Aecker!
Jhr aber seid blasirt und stumpf,
Faul und verfault -- euch weckt kein Wecker!
O, irisch Land ist Herrenland:
Drum stehn die Mütter an den Wegen,
Den todten Säugling im Gewand,
Und flehn euch, ihn in's Grab zu legen.
-- So schallt die Klage Tag und Nacht,
So grollt es Connaught durch und Leinster.
Der West hat mir den Schrei gebracht --
Er trug ihn schrill bis vor mein Fenster.
Matt, wie ein angeschoss'ner Weih,
Herschwebt' er über Höh'n und Sunde --
Der Schrei der Noth, der Hungerschrei,
Der Sterbeschrei aus Erins Munde!
Erin -- da liegt sie auf den Knien,
Bleich und entstellt, mit weh'ndem Haare,
Und streut des Shamrocks welkend Grün
Zitternd auf ihrer Kinder Bahre.
Sie kniet am See, sie kniet am Strom,
Sie kniet auf ihrer Berge Kronen --
Mehr noch, als Harold=Byrons Rom,
"Die Niobe der Nationen!
F. Freiligrath.


[Ende Spaltensatz]

Jnhalt der 8. Lieferung. Nr. 2. 1. Der Staatsbegriff. -- 2. Die Reise nach Jkarien. ( Roman von Cabet. ) -- 3. Die Diebeshöhlen in London.
-- 4. Jm Bagno von Toulon. ( Fortsetzung. ) -- 5. Aus der Schule. -- 6. Album der Poesie.



Druck und Verlag von C. Jhring's Nfgr. in Berlin, Dresdenerstraße 84. -- Verantwortlich für die Redaction: L. Pfeiffer in Berlin.

Zur Unterhaltung und Belehrung. 196
[Beginn Spaltensatz]
Aus der Schule.

„ Kind,“ sprach ein Schullehrer drohend, „man soll nicht aus
der Schule schwatzen.“ — „Nein,“ sagte der Knabe unbefangen,
„wir schwatzen blos drinnen.“



„ Jst Schöps auch ein Zeitwort?“ fragte ein Lehrer. —
„J[a] freilich“, antwortete ein Schüler, „denn man kann sagen:
ich Schöps, du Schöps, er Schöps.“



Ein sehr begehrlicher Geistlicher fragte in einer Christenlehre
einen Knaben, wie man die Leute nenne, die sich Alles, mit
Recht oder Unrecht, zuzueignen pflegen? — Als der Knabe schwieg,
wollte der Examinator einhelfen und sagte: das sind die Gei —
Gei — Gei — „die Geistlichen“ sagte der Knabe.



Frage: Wie viel Jnseln giebt es im mittelländischen Meere
und wie heißen sie?

Antwort: Es giebt sehr viele Jnseln im mittelländischen
Meere, und ich heiße Müller.



Lehrer. Kannst du mir sagen, Meier, welches die größten
Mücken sind?

Schüler. O ja — die Kalmücken.



Lehrer. Kleiner Benfey, im wie vielten Lebensjahre starb
Friedrich der Große? —

Kleiner Benfey. Jn gar keinem Lebensjahre, weil es ge-
wesen ist sein Todesjahr, als er gesterbt hat.



Lehrer. Die Erde ist also, wie du an diesem Globus siehst,
eine Kugel. Wer sind nun unsere Gegenfüßler?

Schüler. Das weiß ich nicht.

Lehrer. Nun, wenn wir in Leipzig ein Loch senkrecht durch
die Erde bohren, welches an der andern Seite wieder heraus
geht, wo kommen wir da heraus?

Schüler. Aus dem Loche.



Lehrer. Wenn ein Glas Wasser drei Loth wiegt, wie er-
fährst du das Gewicht eines Wolkenbruchs?

Jch dividire mit dem Glas Wasser hinein.



Lehrer. Nenne mir ein Wurzelwort!

Schüler. Meerrettig!



Lehrer. Sage mir, Knabe, woher kommen die Wellen auf
dem Wasser?

Schüler. Von den großen Fischen.



Album der Poesie.
Jrland.
An rost'ger Kette liegt das Boot;
Das Segel träumt, das Ruder lungert
Das macht, der Fischerbub' ist todt;
Das macht, der Fischer ist verhungert!
Denn Jrland's Fisch ist Herrenfisch;
Der Strandherr praßt vom reichen Fange,
Leer aber bleibt des Fängers Tisch —
So starb der Fischer, so sein Range.
Die Heerde blökt, die Heerde brüllt;
Welch ein Gedräng' von Küh'n und Schafen!
Der Hirt, von Lumpen schlecht verhüllt,
Treibt sie an's Meer zum nächsten Hafen.
[Spaltenumbruch] Denn Jrland's Vieh ist Herrenvieh:
Das gerne Paddy's Knochen stärkte
Und seiner Kinder brechend Knie —
Der Grundherr schickt's auf fremde Märkte,
Drum ist sein Viehstall ihm ein Born
Der Ueppigkeit und des Genusses,
Und jeglich Kuh= und Bullenhorn
Wird ihm ein Horn des Ueberflusses.
Er läßt zu London und Paris
Den Spieltisch unter'm Gold sich biegen: —
Sein Volk, das er zu Hause ließ,
Fällt unterdeß wie Winterfliegen.
Halloh, Halloh! Grün=Erins Jagd!
Paddy, lang' zu! das nenn' ich Ziemer!
Umsonst! auch das wird fortgebracht,
Meerüber mit dem ersten Steamer!
Denn Jrland's Wild ist Herrenwild:
Es füllt des Grundherrn Bauch und Taschen —
Der bleiche Knecht, des Elends Bild,
Hilf Gott! ist selbst zu matt zum Paschen!
So sorgt der Herr, der Hirsch und Ochs,
Das heißt: daß ihn sein Bauer mäste;
Statt auszutrocknen seine Bogs —
Jhr kennt sie ja: Jrland's Moräste!
Er läßt den Boden nutzlos ruhn,
Drauf Halm an Halm sich wiegen könnte;
Er läßt ihn schnöd dem Wasserhuhn,
Dem Kibitz und der wilden Ente!
Ja doch, bei Gottes Fluche: — Sumpf
Und Wildniß vier Millionen Aecker!
Jhr aber seid blasirt und stumpf,
Faul und verfault — euch weckt kein Wecker!
O, irisch Land ist Herrenland:
Drum stehn die Mütter an den Wegen,
Den todten Säugling im Gewand,
Und flehn euch, ihn in's Grab zu legen.
— So schallt die Klage Tag und Nacht,
So grollt es Connaught durch und Leinster.
Der West hat mir den Schrei gebracht —
Er trug ihn schrill bis vor mein Fenster.
Matt, wie ein angeschoss'ner Weih,
Herschwebt' er über Höh'n und Sunde —
Der Schrei der Noth, der Hungerschrei,
Der Sterbeschrei aus Erins Munde!
Erin — da liegt sie auf den Knien,
Bleich und entstellt, mit weh'ndem Haare,
Und streut des Shamrocks welkend Grün
Zitternd auf ihrer Kinder Bahre.
Sie kniet am See, sie kniet am Strom,
Sie kniet auf ihrer Berge Kronen —
Mehr noch, als Harold=Byrons Rom,
„Die Niobe der Nationen!
F. Freiligrath.


[Ende Spaltensatz]

Jnhalt der 8. Lieferung. Nr. 2. 1. Der Staatsbegriff. — 2. Die Reise nach Jkarien. ( Roman von Cabet. ) — 3. Die Diebeshöhlen in London.
— 4. Jm Bagno von Toulon. ( Fortsetzung. ) — 5. Aus der Schule. — 6. Album der Poesie.



Druck und Verlag von C. Jhring's Nfgr. in Berlin, Dresdenerstraße 84. — Verantwortlich für die Redaction: L. Pfeiffer in Berlin.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0008" n="196"/>
      <fw type="header" place="top"><hi rendition="#g">Zur Unterhaltung und Belehrung.</hi> 196</fw>
      <cb type="start"/>
      <div n="1">
        <head>Aus der Schule.</head><lb/>
        <div n="2">
          <p>&#x201E; Kind,&#x201C; sprach ein Schullehrer drohend, &#x201E;man soll nicht aus<lb/>
der Schule schwatzen.&#x201C; &#x2014; &#x201E;Nein,&#x201C; sagte der Knabe unbefangen,<lb/>
&#x201E;wir schwatzen blos drinnen.&#x201C;</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <p>&#x201E; Jst Schöps auch ein Zeitwort?&#x201C; fragte ein Lehrer. &#x2014;<lb/>
&#x201E;J<supplied>a</supplied> freilich&#x201C;, antwortete ein Schüler, &#x201E;denn man kann sagen:<lb/>
ich Schöps, du Schöps, er Schöps.&#x201C;</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <p>Ein sehr begehrlicher Geistlicher fragte in einer Christenlehre<lb/>
einen Knaben, wie man die Leute nenne, die sich Alles, mit<lb/>
Recht oder Unrecht, zuzueignen pflegen? &#x2014; Als der Knabe schwieg,<lb/>
wollte der Examinator einhelfen und sagte: das sind die Gei &#x2014;<lb/>
Gei &#x2014; Gei &#x2014; &#x201E;die Geistlichen&#x201C; sagte der Knabe.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <p>Frage: Wie viel Jnseln giebt es im mittelländischen Meere<lb/>
und wie heißen sie?</p><lb/>
          <p>Antwort: Es giebt sehr viele Jnseln im mittelländischen<lb/>
Meere, und ich heiße Müller.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <p>Lehrer. Kannst du mir sagen, Meier, welches die größten<lb/>
Mücken sind?</p><lb/>
          <p>Schüler. O ja &#x2014; die Kalmücken.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <p>Lehrer. Kleiner Benfey, im wie vielten Lebensjahre starb<lb/>
Friedrich der Große? &#x2014;</p><lb/>
          <p>Kleiner Benfey. Jn gar keinem Lebensjahre, weil es ge-<lb/>
wesen ist sein Todesjahr, als er gesterbt hat.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <p>Lehrer. Die Erde ist also, wie du an diesem Globus siehst,<lb/>
eine Kugel. Wer sind nun unsere Gegenfüßler?</p><lb/>
          <p>Schüler. Das weiß ich nicht.</p><lb/>
          <p>Lehrer. Nun, wenn wir in Leipzig ein Loch senkrecht durch<lb/>
die Erde bohren, welches an der andern Seite wieder heraus<lb/>
geht, wo kommen wir da heraus?</p><lb/>
          <p>Schüler. Aus dem Loche.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <p>Lehrer. Wenn ein Glas Wasser drei Loth wiegt, wie er-<lb/>
fährst du das Gewicht eines Wolkenbruchs?</p><lb/>
          <p>Jch dividire mit dem Glas Wasser hinein.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <p>Lehrer. Nenne mir ein Wurzelwort!</p><lb/>
          <p>Schüler. Meerrettig!</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <p>Lehrer. Sage mir, Knabe, woher kommen die Wellen auf<lb/>
dem Wasser?</p><lb/>
          <p>Schüler. Von den großen Fischen.</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <head>Album der Poesie.</head><lb/>
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <head><hi rendition="#g">Jrland</hi>.</head><lb/>
            <lg n="1">
              <l>An rost'ger Kette liegt das Boot;</l><lb/>
              <l>Das Segel träumt, das Ruder lungert</l><lb/>
              <l>Das macht, der Fischerbub' ist todt;</l><lb/>
              <l>Das macht, der Fischer ist verhungert!</l><lb/>
              <l>Denn Jrland's Fisch ist Herrenfisch;</l><lb/>
              <l>Der Strandherr praßt vom reichen Fange,</l><lb/>
              <l>Leer aber bleibt des Fängers Tisch &#x2014;</l><lb/>
              <l>So starb der Fischer, so sein Range.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Die Heerde blökt, die Heerde brüllt;</l><lb/>
              <l>Welch ein Gedräng' von Küh'n und Schafen!</l><lb/>
              <l>Der Hirt, von Lumpen schlecht verhüllt,</l><lb/>
              <l>Treibt sie an's Meer zum nächsten Hafen.</l><lb/>
              <cb n="2"/>
              <l>Denn Jrland's Vieh ist Herrenvieh:</l><lb/>
              <l>Das gerne Paddy's Knochen stärkte</l><lb/>
              <l>Und seiner Kinder brechend Knie &#x2014;</l><lb/>
              <l>Der Grundherr schickt's auf fremde Märkte,</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Drum ist sein Viehstall ihm ein Born</l><lb/>
              <l>Der Ueppigkeit und des Genusses,</l><lb/>
              <l>Und jeglich Kuh= und Bullenhorn</l><lb/>
              <l>Wird ihm ein Horn des Ueberflusses.</l><lb/>
              <l>Er läßt zu London und Paris</l><lb/>
              <l>Den Spieltisch unter'm Gold sich biegen: &#x2014;</l><lb/>
              <l>Sein Volk, das er zu Hause ließ,</l><lb/>
              <l>Fällt unterdeß wie Winterfliegen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Halloh, Halloh! Grün=Erins Jagd!</l><lb/>
              <l>Paddy, lang' zu! das nenn' ich Ziemer!</l><lb/>
              <l>Umsonst! auch das wird fortgebracht,</l><lb/>
              <l>Meerüber mit dem ersten Steamer!</l><lb/>
              <l>Denn Jrland's Wild ist Herrenwild:</l><lb/>
              <l>Es füllt des Grundherrn Bauch und Taschen &#x2014;</l><lb/>
              <l>Der bleiche Knecht, des Elends Bild,</l><lb/>
              <l>Hilf Gott! ist selbst zu matt zum Paschen!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>So sorgt der Herr, der Hirsch und Ochs,</l><lb/>
              <l>Das heißt: daß ihn sein Bauer mäste;</l><lb/>
              <l>Statt auszutrocknen seine Bogs &#x2014;</l><lb/>
              <l>Jhr kennt sie ja: Jrland's Moräste!</l><lb/>
              <l>Er läßt den Boden nutzlos ruhn,</l><lb/>
              <l>Drauf Halm an Halm sich wiegen könnte;</l><lb/>
              <l>Er läßt ihn schnöd dem Wasserhuhn,</l><lb/>
              <l>Dem Kibitz und der wilden Ente!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Ja doch, bei Gottes Fluche: &#x2014; Sumpf</l><lb/>
              <l>Und Wildniß vier Millionen Aecker!</l><lb/>
              <l>Jhr aber seid blasirt und stumpf,</l><lb/>
              <l>Faul und verfault &#x2014; euch weckt kein Wecker!</l><lb/>
              <l>O, irisch Land ist Herrenland:</l><lb/>
              <l>Drum stehn die Mütter an den Wegen,</l><lb/>
              <l>Den todten Säugling im Gewand,</l><lb/>
              <l>Und flehn euch, ihn in's Grab zu legen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="7">
              <l>&#x2014; So schallt die Klage Tag und Nacht,</l><lb/>
              <l>So grollt es Connaught durch und Leinster.</l><lb/>
              <l>Der West hat mir den Schrei gebracht &#x2014;</l><lb/>
              <l>Er trug ihn schrill bis vor mein Fenster.</l><lb/>
              <l>Matt, wie ein angeschoss'ner Weih,</l><lb/>
              <l>Herschwebt' er über Höh'n und Sunde &#x2014;</l><lb/>
              <l>Der Schrei der Noth, der Hungerschrei,</l><lb/>
              <l>Der Sterbeschrei aus Erins Munde!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="8">
              <l>Erin &#x2014; da liegt sie auf den Knien,</l><lb/>
              <l>Bleich und entstellt, mit weh'ndem Haare,</l><lb/>
              <l>Und streut des Shamrocks welkend Grün</l><lb/>
              <l>Zitternd auf ihrer Kinder Bahre.</l><lb/>
              <l>Sie kniet am See, sie kniet am Strom,</l><lb/>
              <l>Sie kniet auf ihrer Berge Kronen &#x2014;</l><lb/>
              <l>Mehr noch, als Harold=Byrons Rom,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Die Niobe der Nationen!</l>
            </lg>
          </lg><lb/>
          <bibl> <hi rendition="#right">F. Freiligrath.</hi> </bibl>
        </div>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <cb type="end"/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="contents" n="1">
        <p>Jnhalt der 8. Lieferung. Nr. 2. 1. Der Staatsbegriff. &#x2014; 2. Die Reise nach Jkarien. ( Roman von Cabet. ) &#x2014; 3. Die Diebeshöhlen in London.<lb/>
&#x2014; 4. Jm Bagno von Toulon. ( Fortsetzung. ) &#x2014; 5. Aus der Schule. &#x2014; 6. Album der Poesie.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
    </body>
    <back>
      <div type="imprint" n="1">
        <p> <hi rendition="#c">Druck und Verlag von C. <hi rendition="#g">Jhring's</hi> Nfgr. in Berlin, Dresdenerstraße 84. &#x2014; Verantwortlich für die Redaction: L. <hi rendition="#g">Pfeiffer</hi> in Berlin.</hi> </p>
      </div>
    </back>
  </text>
</TEI>
[196/0008] Zur Unterhaltung und Belehrung. 196 Aus der Schule. „ Kind,“ sprach ein Schullehrer drohend, „man soll nicht aus der Schule schwatzen.“ — „Nein,“ sagte der Knabe unbefangen, „wir schwatzen blos drinnen.“ „ Jst Schöps auch ein Zeitwort?“ fragte ein Lehrer. — „Ja freilich“, antwortete ein Schüler, „denn man kann sagen: ich Schöps, du Schöps, er Schöps.“ Ein sehr begehrlicher Geistlicher fragte in einer Christenlehre einen Knaben, wie man die Leute nenne, die sich Alles, mit Recht oder Unrecht, zuzueignen pflegen? — Als der Knabe schwieg, wollte der Examinator einhelfen und sagte: das sind die Gei — Gei — Gei — „die Geistlichen“ sagte der Knabe. Frage: Wie viel Jnseln giebt es im mittelländischen Meere und wie heißen sie? Antwort: Es giebt sehr viele Jnseln im mittelländischen Meere, und ich heiße Müller. Lehrer. Kannst du mir sagen, Meier, welches die größten Mücken sind? Schüler. O ja — die Kalmücken. Lehrer. Kleiner Benfey, im wie vielten Lebensjahre starb Friedrich der Große? — Kleiner Benfey. Jn gar keinem Lebensjahre, weil es ge- wesen ist sein Todesjahr, als er gesterbt hat. Lehrer. Die Erde ist also, wie du an diesem Globus siehst, eine Kugel. Wer sind nun unsere Gegenfüßler? Schüler. Das weiß ich nicht. Lehrer. Nun, wenn wir in Leipzig ein Loch senkrecht durch die Erde bohren, welches an der andern Seite wieder heraus geht, wo kommen wir da heraus? Schüler. Aus dem Loche. Lehrer. Wenn ein Glas Wasser drei Loth wiegt, wie er- fährst du das Gewicht eines Wolkenbruchs? Jch dividire mit dem Glas Wasser hinein. Lehrer. Nenne mir ein Wurzelwort! Schüler. Meerrettig! Lehrer. Sage mir, Knabe, woher kommen die Wellen auf dem Wasser? Schüler. Von den großen Fischen. Album der Poesie. Jrland. An rost'ger Kette liegt das Boot; Das Segel träumt, das Ruder lungert Das macht, der Fischerbub' ist todt; Das macht, der Fischer ist verhungert! Denn Jrland's Fisch ist Herrenfisch; Der Strandherr praßt vom reichen Fange, Leer aber bleibt des Fängers Tisch — So starb der Fischer, so sein Range. Die Heerde blökt, die Heerde brüllt; Welch ein Gedräng' von Küh'n und Schafen! Der Hirt, von Lumpen schlecht verhüllt, Treibt sie an's Meer zum nächsten Hafen. Denn Jrland's Vieh ist Herrenvieh: Das gerne Paddy's Knochen stärkte Und seiner Kinder brechend Knie — Der Grundherr schickt's auf fremde Märkte, Drum ist sein Viehstall ihm ein Born Der Ueppigkeit und des Genusses, Und jeglich Kuh= und Bullenhorn Wird ihm ein Horn des Ueberflusses. Er läßt zu London und Paris Den Spieltisch unter'm Gold sich biegen: — Sein Volk, das er zu Hause ließ, Fällt unterdeß wie Winterfliegen. Halloh, Halloh! Grün=Erins Jagd! Paddy, lang' zu! das nenn' ich Ziemer! Umsonst! auch das wird fortgebracht, Meerüber mit dem ersten Steamer! Denn Jrland's Wild ist Herrenwild: Es füllt des Grundherrn Bauch und Taschen — Der bleiche Knecht, des Elends Bild, Hilf Gott! ist selbst zu matt zum Paschen! So sorgt der Herr, der Hirsch und Ochs, Das heißt: daß ihn sein Bauer mäste; Statt auszutrocknen seine Bogs — Jhr kennt sie ja: Jrland's Moräste! Er läßt den Boden nutzlos ruhn, Drauf Halm an Halm sich wiegen könnte; Er läßt ihn schnöd dem Wasserhuhn, Dem Kibitz und der wilden Ente! Ja doch, bei Gottes Fluche: — Sumpf Und Wildniß vier Millionen Aecker! Jhr aber seid blasirt und stumpf, Faul und verfault — euch weckt kein Wecker! O, irisch Land ist Herrenland: Drum stehn die Mütter an den Wegen, Den todten Säugling im Gewand, Und flehn euch, ihn in's Grab zu legen. — So schallt die Klage Tag und Nacht, So grollt es Connaught durch und Leinster. Der West hat mir den Schrei gebracht — Er trug ihn schrill bis vor mein Fenster. Matt, wie ein angeschoss'ner Weih, Herschwebt' er über Höh'n und Sunde — Der Schrei der Noth, der Hungerschrei, Der Sterbeschrei aus Erins Munde! Erin — da liegt sie auf den Knien, Bleich und entstellt, mit weh'ndem Haare, Und streut des Shamrocks welkend Grün Zitternd auf ihrer Kinder Bahre. Sie kniet am See, sie kniet am Strom, Sie kniet auf ihrer Berge Kronen — Mehr noch, als Harold=Byrons Rom, „Die Niobe der Nationen! F. Freiligrath. Jnhalt der 8. Lieferung. Nr. 2. 1. Der Staatsbegriff. — 2. Die Reise nach Jkarien. ( Roman von Cabet. ) — 3. Die Diebeshöhlen in London. — 4. Jm Bagno von Toulon. ( Fortsetzung. ) — 5. Aus der Schule. — 6. Album der Poesie. Druck und Verlag von C. Jhring's Nfgr. in Berlin, Dresdenerstraße 84. — Verantwortlich für die Redaction: L. Pfeiffer in Berlin.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social0802_1874
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social0802_1874/8
Zitationshilfe: Social-politische Blätter. 2. Jahrgang, 8. Lieferung, Nr. 2. Berlin, 8. August 1874, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social0802_1874/8>, abgerufen am 21.11.2024.