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Social-politische Blätter. 2. Jahrgang, 7. Lieferung, Nr. 2. Berlin, 10. Juli 1874.

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Zur Unterhaltung und Belehrung. 159
[Beginn Spaltensatz]

Als er mit großer Anstrengung soweit sich erholt hatte, um
zusammenhängende Worte hervorstoßen zu können, da erfuhr
P. N.... y von ihm, was ihm eigentlich passirt sei.

Jn den frühesten Morgenstunden hatte den Banquier ein
alter Bekannter besucht, mit dem er stets in Geschäftsverbindung
stand; der Advokat des reichen Banater Grundbesitzers Cs--cs.
Er war in einer wichtigen und dringenden Angelegenheit zu ihm
gekommen.

Der Banquier hieß ihn in dem vor ihm stehenden Fauteuil
Platz nehmen, so daß der Schreibtisch zwischen ihm und dem
Gaste blieb.

Diese Vorsicht pflegte er seit der Zeit anzuwenden, seit ein
Baron H. n. k. r. ihm einen auf zwanzigtausend Gulden lau-
tenden Wechsel aus der Hand gerissen und -- verschluckt hatte.

Er bat den Advokaten, die dringende und wichtige Angele-
genheit vorzubringen.

Der Advokat sprach kurz gefaßt:

-- Mein Herr. Mein Vorgesetzter vertraute mir gestern
zwanzigtausend Gulden an, und die habe ich heute Nacht im
Kartenspiele verloren. Wenn ich diese Summe nicht heute be-
schaffen kann, bin ich vernichtet.

-- Nun, das ist wirklich eine sehr wichtige und dringende
Angelegenheit für Sie, antwortete kalt und phlegmatisch der
Banquier.

-- Jch kann daher nichts Anderes beginnen, als Sie zu
bitten, schenken Sie mir sofort zwanzigtausend Gulden oder --
ich erschieße mich vor Jhren Augen.

Und bei diesen Worten ließ er aus den weiten Aermeln
seines Mantel eine Pistole mit bespanntem Hahn in seine Hand
gleiten. Auch der Banquier hatte zur Vertheidigung gegen
etwaige meuchlerische Angriffe ein Paar Pistolen auf dem Tische
lieged. Aber in diesem Falle drohte der Angreifer ja nur mit
seinem eigenen Selbstmord. Der Banquier antwortete kalten
Blutes:

-- Für mich ist diese Angelegenheit weder dringend noch
wichtig.

-- Aber sehr wichtig, sprach lächelnd mit Galgenhumor der
Advokat, Gilet und Hemd plötzlich aufreißend.

-- Denn sehen Sie her: hier habe ich auf meiner Brust
gebunden fünfzehn Pfund Schießpulver, ich schieße in
dasselbe hinein und dann klebt es uns Beide an die Wand.

Der Banquier fühlte, wie ihm das Blut in den Adern
gerann, als er hörte, wie das Schießpulver auf der Brust des
gefährlichen Besuchers aus dem oberen Papier in das nntere
rieselte.

-- Nun, mein Herr, sprach der Advokat, die Pistole auf
die Brust setzend. Geben Sie die lumpigen zwanzigtausend
Gulden her oder wollen Sie mit mir zusammen fliegen?

Auf der Stirne des Banquiers perlte der Todesschweiß der
Furcht.

Jn diesem gefährlichen Moment ergreift plötzlich eine Hand
die Pistole in der Hand des Advokaten von hinten und ent-
windet sie ihm, bevor er sie abfeuern konnte.

Es war dies der treue Buchhalter, der durch die halb offene
Thüre der Schreibstube dem geheimnißvollen Besucher nach-
spähte, und als er die niederträchtige Absicht desselben gewahrte,
hinter seinen Rücken schlich und ihn geschickt entwaffnete.

Treue und Muth machten den phantastischen blassen Jüng-
ling zum Löwen. Nach hartem Kampfe gelang es ihm, mit
Hilfe seines Prinzipals den bösen Besucher zu Boden zu drücken
und dann in die große Fußbodendecke derart einzuwickeln, daß
er sich nicht mehr rühren konnte

Da lief hernach der alte Banquier mit bloßem Haupte, im
Schlafrocke und Pantoffeln ins Comitatshaus zu P. N.... y,
um Hilfe zu verlangen.

P. N... y begab sich mit seinen handfesten Leuten sofort
in das Bankhaus, trug ihnen die Bewachung des gefesselten
Missethäters auf, und nachdem er die Voruntersuchung vollzogen
hatte, blieb er noch zu einer kurzen Begrüßung beim Banquier.

Die ganze Familie war beisammen, Jedes dankte dem
Himmel für die glückliche Errettung und pries das muthige und
entschieden heldenhafte Auftreten des Buchhalters im Augenblick
der Gefahr.

Der alte Banquier war ebenfalls gerührt. Jn seinen Augen
glänzten Thränen.

Die Hoffnungen unseres Max entfalteten sich jetzt zu üppiger
Blüthe. Jetzt ist der Augenblick da, um Alles zu wagen. Jetzt
[Spaltenumbruch] ist er dem Unerreichbaren nahe gekommen; die schönen schwarzen
Augen strahlen ihm so aufmunternd entgegen. Er ist der Held
des Tages!

-- Mein Sohn, sagt der Banquier mit zitternder Stimme
zu dem Jüngling, Du warst heute ein wackerer Mann, Du hast
mir Leben und Vermögen gerettet, ich will Dich dafür belohnen,
komm' her zu mir.

Mit wankenden Schritten trat der junge Mann auf ihn zu,
seine Knie zitterten; der Banquier streckte ihm die Hand ent-
gegen, er ließ sich auf die Knie nieder und küßte diese Hand,
in welcher für ihn eine -- Fünfgulden=Note lag.

Das war die Belohnung.

Max Z. wanderte bald nach Amerika aus, daselbst "machte
er in Tabak" zehn Jahre lang, dann kehrte er mit einer halben
Million zurück. Noch immer liebte er die schöne Sulamith und
beeilte sich, sie aufzusuchen.

Diese aber war schon längst verheirathet, hatte fünf Kinder
und wog einen Centner und vierundachtzig Pfund -- ohne
Schmuck.     N. F. Pr.



Vom amerikanischen Humor

giebt folgende "Klage", die der Redacteur einer Zeitung in
Missouri seinem dahingegangenen Eheweibe in den Spalten
seines Blattes widmet, ein recht charakteristisches Beispiel:" So
starb sie denn, mein Weib! Nicht länger werden ihre liebenden
Hände mir die Stiefel ausziehen und das Haar auf meinem
Hinterhaupte scheiteln, wie dies eben nur eine Gattin versteht.
Noch werden jene willigen Füße hin und her trippeln, um
meinen Kohlenbehälter oder mein Waschbecken zu füllen. Nicht
länger wird sie sich unter den wildesten Stürmen des Winters
erheben, und leise sich fortschleichend, das Feuer anzünden, ohne
den Schlummer des Gatten zu stören, der ihr so innig zugethan
war. Jhre Erinnerung ist in dem Herzen meines Herzens ein-
gegraben. Jch wollte ihren Körper einbalsamiren, fand aber,
daß ich es billiger haben könne, indem ich ihr Gedächtniß ein-
balsamire. Jch verschaffte mir von Eli Mudget, einem meiner
Nachbaren, einen recht artigen Grabstein. Sein Weib war
schwindsüchtig und er hatte sich denselben in Erwartung
ihres Dahinscheidens vor Jahren angeschafft. Jhr Zustand
verbesserte sich jedoch im letzten Frühling und seine Erwartungen
wurden getäuscht. Den Kummer des armen Menschen, als ich
ihn bat, mir den Grabstein zu überlassen, werde ich nie vergessen.
Nehmt ihn, Skinner, rief er unter Schluchzen, und möget Jhr
nie erfahren, was es heißt, solche bittere Enttäuschungen erleben
zu müssen; und dabei brach er in einen Strom von Thränen
aus. Sein Geist war gebrochen -- gänzlich gebrochen. Jch
ließ folgendes Epitaph auf den Grabstein setzen: Zum Gedächt-
niß an Tabitha, Weib von Moses Skinder Esq., dem Gentle-
mann Redakteur der " Trombone " ( Posaune ) . Abonnement
3 Dollars pr. Jahr, -- versteht sich Vorausbezahlung. Eine
gütige Mutter und ein exemplarisches Weib. Geschäftslokal über
Coleuan's Specereiwaarenhandlung 2 Treppen. Man bittet,
laut zu klopfen. Wir werden Dich vermissen, Mutter, wir wer-
den Dich vermissen! Drucksachen werden besorgt; man bittet
um Kundschaft. Wie Rahel weinte über ihre Kinder, so schreit
mein zerschundener Geist in der Agonie des Schmerzes. Ein
Lichtstrahl drang jedoch in die verzweifelte Seele; der Sarg-
händler und Leichenbesorger gingen auf Gegenrechnung ein und
der Leichengräber schuldete mir längst eine Kleinigkeit, die ich auf
andere Weise sicher nicht erhalten hätte. Warum sollten wir
trauern über die geheimnißvollen Wege der Vorsehung und ihrer
Umgebung?"



So haut man den Zigeuner nicht,

lautet ein ungarisches Sprüchwort. Es will damit beiläufig
Dasselbe gesagt sein, was man in gutem Deutsch mit: "Der
muß ganz anders angepackt werden!" ausdrücken würde.

Dieses namentlich in der untern Theißgegend besonders ge-
läufige Sprüchwort nun hat folgende drastische Geschichte.

Auf dem Jahrmarkte zu Szeetes stiehlt ein strammer bar-
füßiger "Pharaone" ein prächtiges Czismenpaar aus rothem
Cordovan. Roth, recht scheinendes Roth ist eben die Lieblings-
[Ende Spaltensatz]

Zur Unterhaltung und Belehrung. 159
[Beginn Spaltensatz]

Als er mit großer Anstrengung soweit sich erholt hatte, um
zusammenhängende Worte hervorstoßen zu können, da erfuhr
P. N.... y von ihm, was ihm eigentlich passirt sei.

Jn den frühesten Morgenstunden hatte den Banquier ein
alter Bekannter besucht, mit dem er stets in Geschäftsverbindung
stand; der Advokat des reichen Banater Grundbesitzers Cs—cs.
Er war in einer wichtigen und dringenden Angelegenheit zu ihm
gekommen.

Der Banquier hieß ihn in dem vor ihm stehenden Fauteuil
Platz nehmen, so daß der Schreibtisch zwischen ihm und dem
Gaste blieb.

Diese Vorsicht pflegte er seit der Zeit anzuwenden, seit ein
Baron H. n. k. r. ihm einen auf zwanzigtausend Gulden lau-
tenden Wechsel aus der Hand gerissen und — verschluckt hatte.

Er bat den Advokaten, die dringende und wichtige Angele-
genheit vorzubringen.

Der Advokat sprach kurz gefaßt:

— Mein Herr. Mein Vorgesetzter vertraute mir gestern
zwanzigtausend Gulden an, und die habe ich heute Nacht im
Kartenspiele verloren. Wenn ich diese Summe nicht heute be-
schaffen kann, bin ich vernichtet.

— Nun, das ist wirklich eine sehr wichtige und dringende
Angelegenheit für Sie, antwortete kalt und phlegmatisch der
Banquier.

— Jch kann daher nichts Anderes beginnen, als Sie zu
bitten, schenken Sie mir sofort zwanzigtausend Gulden oder —
ich erschieße mich vor Jhren Augen.

Und bei diesen Worten ließ er aus den weiten Aermeln
seines Mantel eine Pistole mit bespanntem Hahn in seine Hand
gleiten. Auch der Banquier hatte zur Vertheidigung gegen
etwaige meuchlerische Angriffe ein Paar Pistolen auf dem Tische
lieged. Aber in diesem Falle drohte der Angreifer ja nur mit
seinem eigenen Selbstmord. Der Banquier antwortete kalten
Blutes:

— Für mich ist diese Angelegenheit weder dringend noch
wichtig.

— Aber sehr wichtig, sprach lächelnd mit Galgenhumor der
Advokat, Gilet und Hemd plötzlich aufreißend.

— Denn sehen Sie her: hier habe ich auf meiner Brust
gebunden fünfzehn Pfund Schießpulver, ich schieße in
dasselbe hinein und dann klebt es uns Beide an die Wand.

Der Banquier fühlte, wie ihm das Blut in den Adern
gerann, als er hörte, wie das Schießpulver auf der Brust des
gefährlichen Besuchers aus dem oberen Papier in das nntere
rieselte.

— Nun, mein Herr, sprach der Advokat, die Pistole auf
die Brust setzend. Geben Sie die lumpigen zwanzigtausend
Gulden her oder wollen Sie mit mir zusammen fliegen?

Auf der Stirne des Banquiers perlte der Todesschweiß der
Furcht.

Jn diesem gefährlichen Moment ergreift plötzlich eine Hand
die Pistole in der Hand des Advokaten von hinten und ent-
windet sie ihm, bevor er sie abfeuern konnte.

Es war dies der treue Buchhalter, der durch die halb offene
Thüre der Schreibstube dem geheimnißvollen Besucher nach-
spähte, und als er die niederträchtige Absicht desselben gewahrte,
hinter seinen Rücken schlich und ihn geschickt entwaffnete.

Treue und Muth machten den phantastischen blassen Jüng-
ling zum Löwen. Nach hartem Kampfe gelang es ihm, mit
Hilfe seines Prinzipals den bösen Besucher zu Boden zu drücken
und dann in die große Fußbodendecke derart einzuwickeln, daß
er sich nicht mehr rühren konnte

Da lief hernach der alte Banquier mit bloßem Haupte, im
Schlafrocke und Pantoffeln ins Comitatshaus zu P. N.... y,
um Hilfe zu verlangen.

P. N... y begab sich mit seinen handfesten Leuten sofort
in das Bankhaus, trug ihnen die Bewachung des gefesselten
Missethäters auf, und nachdem er die Voruntersuchung vollzogen
hatte, blieb er noch zu einer kurzen Begrüßung beim Banquier.

Die ganze Familie war beisammen, Jedes dankte dem
Himmel für die glückliche Errettung und pries das muthige und
entschieden heldenhafte Auftreten des Buchhalters im Augenblick
der Gefahr.

Der alte Banquier war ebenfalls gerührt. Jn seinen Augen
glänzten Thränen.

Die Hoffnungen unseres Max entfalteten sich jetzt zu üppiger
Blüthe. Jetzt ist der Augenblick da, um Alles zu wagen. Jetzt
[Spaltenumbruch] ist er dem Unerreichbaren nahe gekommen; die schönen schwarzen
Augen strahlen ihm so aufmunternd entgegen. Er ist der Held
des Tages!

— Mein Sohn, sagt der Banquier mit zitternder Stimme
zu dem Jüngling, Du warst heute ein wackerer Mann, Du hast
mir Leben und Vermögen gerettet, ich will Dich dafür belohnen,
komm' her zu mir.

Mit wankenden Schritten trat der junge Mann auf ihn zu,
seine Knie zitterten; der Banquier streckte ihm die Hand ent-
gegen, er ließ sich auf die Knie nieder und küßte diese Hand,
in welcher für ihn eine — Fünfgulden=Note lag.

Das war die Belohnung.

Max Z. wanderte bald nach Amerika aus, daselbst „machte
er in Tabak“ zehn Jahre lang, dann kehrte er mit einer halben
Million zurück. Noch immer liebte er die schöne Sulamith und
beeilte sich, sie aufzusuchen.

Diese aber war schon längst verheirathet, hatte fünf Kinder
und wog einen Centner und vierundachtzig Pfund — ohne
Schmuck.     N. F. Pr.



Vom amerikanischen Humor

giebt folgende „Klage“, die der Redacteur einer Zeitung in
Missouri seinem dahingegangenen Eheweibe in den Spalten
seines Blattes widmet, ein recht charakteristisches Beispiel:„ So
starb sie denn, mein Weib! Nicht länger werden ihre liebenden
Hände mir die Stiefel ausziehen und das Haar auf meinem
Hinterhaupte scheiteln, wie dies eben nur eine Gattin versteht.
Noch werden jene willigen Füße hin und her trippeln, um
meinen Kohlenbehälter oder mein Waschbecken zu füllen. Nicht
länger wird sie sich unter den wildesten Stürmen des Winters
erheben, und leise sich fortschleichend, das Feuer anzünden, ohne
den Schlummer des Gatten zu stören, der ihr so innig zugethan
war. Jhre Erinnerung ist in dem Herzen meines Herzens ein-
gegraben. Jch wollte ihren Körper einbalsamiren, fand aber,
daß ich es billiger haben könne, indem ich ihr Gedächtniß ein-
balsamire. Jch verschaffte mir von Eli Mudget, einem meiner
Nachbaren, einen recht artigen Grabstein. Sein Weib war
schwindsüchtig und er hatte sich denselben in Erwartung
ihres Dahinscheidens vor Jahren angeschafft. Jhr Zustand
verbesserte sich jedoch im letzten Frühling und seine Erwartungen
wurden getäuscht. Den Kummer des armen Menschen, als ich
ihn bat, mir den Grabstein zu überlassen, werde ich nie vergessen.
Nehmt ihn, Skinner, rief er unter Schluchzen, und möget Jhr
nie erfahren, was es heißt, solche bittere Enttäuschungen erleben
zu müssen; und dabei brach er in einen Strom von Thränen
aus. Sein Geist war gebrochen — gänzlich gebrochen. Jch
ließ folgendes Epitaph auf den Grabstein setzen: Zum Gedächt-
niß an Tabitha, Weib von Moses Skinder Esq., dem Gentle-
mann Redakteur der „ Trombone “ ( Posaune ) . Abonnement
3 Dollars pr. Jahr, — versteht sich Vorausbezahlung. Eine
gütige Mutter und ein exemplarisches Weib. Geschäftslokal über
Coleuan's Specereiwaarenhandlung 2 Treppen. Man bittet,
laut zu klopfen. Wir werden Dich vermissen, Mutter, wir wer-
den Dich vermissen! Drucksachen werden besorgt; man bittet
um Kundschaft. Wie Rahel weinte über ihre Kinder, so schreit
mein zerschundener Geist in der Agonie des Schmerzes. Ein
Lichtstrahl drang jedoch in die verzweifelte Seele; der Sarg-
händler und Leichenbesorger gingen auf Gegenrechnung ein und
der Leichengräber schuldete mir längst eine Kleinigkeit, die ich auf
andere Weise sicher nicht erhalten hätte. Warum sollten wir
trauern über die geheimnißvollen Wege der Vorsehung und ihrer
Umgebung?“



So haut man den Zigeuner nicht,

lautet ein ungarisches Sprüchwort. Es will damit beiläufig
Dasselbe gesagt sein, was man in gutem Deutsch mit: „Der
muß ganz anders angepackt werden!“ ausdrücken würde.

Dieses namentlich in der untern Theißgegend besonders ge-
läufige Sprüchwort nun hat folgende drastische Geschichte.

Auf dem Jahrmarkte zu Szeetes stiehlt ein strammer bar-
füßiger „Pharaone“ ein prächtiges Czismenpaar aus rothem
Cordovan. Roth, recht scheinendes Roth ist eben die Lieblings-
[Ende Spaltensatz]

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[159/0007] Zur Unterhaltung und Belehrung. 159 Als er mit großer Anstrengung soweit sich erholt hatte, um zusammenhängende Worte hervorstoßen zu können, da erfuhr P. N.... y von ihm, was ihm eigentlich passirt sei. Jn den frühesten Morgenstunden hatte den Banquier ein alter Bekannter besucht, mit dem er stets in Geschäftsverbindung stand; der Advokat des reichen Banater Grundbesitzers Cs—cs. Er war in einer wichtigen und dringenden Angelegenheit zu ihm gekommen. Der Banquier hieß ihn in dem vor ihm stehenden Fauteuil Platz nehmen, so daß der Schreibtisch zwischen ihm und dem Gaste blieb. Diese Vorsicht pflegte er seit der Zeit anzuwenden, seit ein Baron H. n. k. r. ihm einen auf zwanzigtausend Gulden lau- tenden Wechsel aus der Hand gerissen und — verschluckt hatte. Er bat den Advokaten, die dringende und wichtige Angele- genheit vorzubringen. Der Advokat sprach kurz gefaßt: — Mein Herr. Mein Vorgesetzter vertraute mir gestern zwanzigtausend Gulden an, und die habe ich heute Nacht im Kartenspiele verloren. Wenn ich diese Summe nicht heute be- schaffen kann, bin ich vernichtet. — Nun, das ist wirklich eine sehr wichtige und dringende Angelegenheit für Sie, antwortete kalt und phlegmatisch der Banquier. — Jch kann daher nichts Anderes beginnen, als Sie zu bitten, schenken Sie mir sofort zwanzigtausend Gulden oder — ich erschieße mich vor Jhren Augen. Und bei diesen Worten ließ er aus den weiten Aermeln seines Mantel eine Pistole mit bespanntem Hahn in seine Hand gleiten. Auch der Banquier hatte zur Vertheidigung gegen etwaige meuchlerische Angriffe ein Paar Pistolen auf dem Tische lieged. Aber in diesem Falle drohte der Angreifer ja nur mit seinem eigenen Selbstmord. Der Banquier antwortete kalten Blutes: — Für mich ist diese Angelegenheit weder dringend noch wichtig. — Aber sehr wichtig, sprach lächelnd mit Galgenhumor der Advokat, Gilet und Hemd plötzlich aufreißend. — Denn sehen Sie her: hier habe ich auf meiner Brust gebunden fünfzehn Pfund Schießpulver, ich schieße in dasselbe hinein und dann klebt es uns Beide an die Wand. Der Banquier fühlte, wie ihm das Blut in den Adern gerann, als er hörte, wie das Schießpulver auf der Brust des gefährlichen Besuchers aus dem oberen Papier in das nntere rieselte. — Nun, mein Herr, sprach der Advokat, die Pistole auf die Brust setzend. Geben Sie die lumpigen zwanzigtausend Gulden her oder wollen Sie mit mir zusammen fliegen? Auf der Stirne des Banquiers perlte der Todesschweiß der Furcht. Jn diesem gefährlichen Moment ergreift plötzlich eine Hand die Pistole in der Hand des Advokaten von hinten und ent- windet sie ihm, bevor er sie abfeuern konnte. Es war dies der treue Buchhalter, der durch die halb offene Thüre der Schreibstube dem geheimnißvollen Besucher nach- spähte, und als er die niederträchtige Absicht desselben gewahrte, hinter seinen Rücken schlich und ihn geschickt entwaffnete. Treue und Muth machten den phantastischen blassen Jüng- ling zum Löwen. Nach hartem Kampfe gelang es ihm, mit Hilfe seines Prinzipals den bösen Besucher zu Boden zu drücken und dann in die große Fußbodendecke derart einzuwickeln, daß er sich nicht mehr rühren konnte Da lief hernach der alte Banquier mit bloßem Haupte, im Schlafrocke und Pantoffeln ins Comitatshaus zu P. N.... y, um Hilfe zu verlangen. P. N... y begab sich mit seinen handfesten Leuten sofort in das Bankhaus, trug ihnen die Bewachung des gefesselten Missethäters auf, und nachdem er die Voruntersuchung vollzogen hatte, blieb er noch zu einer kurzen Begrüßung beim Banquier. Die ganze Familie war beisammen, Jedes dankte dem Himmel für die glückliche Errettung und pries das muthige und entschieden heldenhafte Auftreten des Buchhalters im Augenblick der Gefahr. Der alte Banquier war ebenfalls gerührt. Jn seinen Augen glänzten Thränen. Die Hoffnungen unseres Max entfalteten sich jetzt zu üppiger Blüthe. Jetzt ist der Augenblick da, um Alles zu wagen. Jetzt ist er dem Unerreichbaren nahe gekommen; die schönen schwarzen Augen strahlen ihm so aufmunternd entgegen. Er ist der Held des Tages! — Mein Sohn, sagt der Banquier mit zitternder Stimme zu dem Jüngling, Du warst heute ein wackerer Mann, Du hast mir Leben und Vermögen gerettet, ich will Dich dafür belohnen, komm' her zu mir. Mit wankenden Schritten trat der junge Mann auf ihn zu, seine Knie zitterten; der Banquier streckte ihm die Hand ent- gegen, er ließ sich auf die Knie nieder und küßte diese Hand, in welcher für ihn eine — Fünfgulden=Note lag. Das war die Belohnung. Max Z. wanderte bald nach Amerika aus, daselbst „machte er in Tabak“ zehn Jahre lang, dann kehrte er mit einer halben Million zurück. Noch immer liebte er die schöne Sulamith und beeilte sich, sie aufzusuchen. Diese aber war schon längst verheirathet, hatte fünf Kinder und wog einen Centner und vierundachtzig Pfund — ohne Schmuck. N. F. Pr. Vom amerikanischen Humor giebt folgende „Klage“, die der Redacteur einer Zeitung in Missouri seinem dahingegangenen Eheweibe in den Spalten seines Blattes widmet, ein recht charakteristisches Beispiel:„ So starb sie denn, mein Weib! Nicht länger werden ihre liebenden Hände mir die Stiefel ausziehen und das Haar auf meinem Hinterhaupte scheiteln, wie dies eben nur eine Gattin versteht. Noch werden jene willigen Füße hin und her trippeln, um meinen Kohlenbehälter oder mein Waschbecken zu füllen. Nicht länger wird sie sich unter den wildesten Stürmen des Winters erheben, und leise sich fortschleichend, das Feuer anzünden, ohne den Schlummer des Gatten zu stören, der ihr so innig zugethan war. Jhre Erinnerung ist in dem Herzen meines Herzens ein- gegraben. Jch wollte ihren Körper einbalsamiren, fand aber, daß ich es billiger haben könne, indem ich ihr Gedächtniß ein- balsamire. Jch verschaffte mir von Eli Mudget, einem meiner Nachbaren, einen recht artigen Grabstein. Sein Weib war schwindsüchtig und er hatte sich denselben in Erwartung ihres Dahinscheidens vor Jahren angeschafft. Jhr Zustand verbesserte sich jedoch im letzten Frühling und seine Erwartungen wurden getäuscht. Den Kummer des armen Menschen, als ich ihn bat, mir den Grabstein zu überlassen, werde ich nie vergessen. Nehmt ihn, Skinner, rief er unter Schluchzen, und möget Jhr nie erfahren, was es heißt, solche bittere Enttäuschungen erleben zu müssen; und dabei brach er in einen Strom von Thränen aus. Sein Geist war gebrochen — gänzlich gebrochen. Jch ließ folgendes Epitaph auf den Grabstein setzen: Zum Gedächt- niß an Tabitha, Weib von Moses Skinder Esq., dem Gentle- mann Redakteur der „ Trombone “ ( Posaune ) . Abonnement 3 Dollars pr. Jahr, — versteht sich Vorausbezahlung. Eine gütige Mutter und ein exemplarisches Weib. Geschäftslokal über Coleuan's Specereiwaarenhandlung 2 Treppen. Man bittet, laut zu klopfen. Wir werden Dich vermissen, Mutter, wir wer- den Dich vermissen! Drucksachen werden besorgt; man bittet um Kundschaft. Wie Rahel weinte über ihre Kinder, so schreit mein zerschundener Geist in der Agonie des Schmerzes. Ein Lichtstrahl drang jedoch in die verzweifelte Seele; der Sarg- händler und Leichenbesorger gingen auf Gegenrechnung ein und der Leichengräber schuldete mir längst eine Kleinigkeit, die ich auf andere Weise sicher nicht erhalten hätte. Warum sollten wir trauern über die geheimnißvollen Wege der Vorsehung und ihrer Umgebung?“ So haut man den Zigeuner nicht, lautet ein ungarisches Sprüchwort. Es will damit beiläufig Dasselbe gesagt sein, was man in gutem Deutsch mit: „Der muß ganz anders angepackt werden!“ ausdrücken würde. Dieses namentlich in der untern Theißgegend besonders ge- läufige Sprüchwort nun hat folgende drastische Geschichte. Auf dem Jahrmarkte zu Szeetes stiehlt ein strammer bar- füßiger „Pharaone“ ein prächtiges Czismenpaar aus rothem Cordovan. Roth, recht scheinendes Roth ist eben die Lieblings-

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Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Social-politische Blätter. 2. Jahrgang, 7. Lieferung, Nr. 2. Berlin, 10. Juli 1874, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social0702_1874/7>, abgerufen am 25.11.2024.