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Social-politische Blätter. 4. Lieferung. Berlin, 9. April 1873.

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Zur Unterhaltung und Belehrung. 90
[Beginn Spaltensatz]
Die freie Konkurrenz und die Association.
( Rede, gehalten von Louis Blanc am 3. April 1848 vor der General-
versammlung der Arbeiterdeputirten. )

Das Prinzip, auf welchem die Gesellschaft gegenwärtig be-
ruht, ist das der Vereinzelung, des Krieges Aller gegen Alle --
es ist das Prinzip der freien Konkurrenz. Untersuchen wir, wel-
ches die Folgen eines solchen Prinzips sein müssen.

Die freie Konkurrenz -- ich sage es gleich von vorn herein
-- ist die beständige und sortschreitende Erzeugung der Armuth.
Anstatt die Kräfte zu verbünden, damit es ihnen leichter werde,
ihr Ziel zu erreichen, setzt die Konkurrenz fortwährend dieselben
einander feindselig entgegen, sie hebt dieselben gegenseitig auf,
sie vernichtet die einen durch die andern. Worin, frage ich, be-
stehen heutigen Tags die Gewinnste, welche eine Werkstätte ab-
wirft? Werden sie nicht etwa dadurch erlangt, daß mancher
Nebenbuhler vernichtet wird? Wenn ein Gewerbetreibender
glücklich ist, so kommt das daher, daß es ihm gelungen, Andern
ihre Kunden zu entfremden. ( Bravo! Bravo! ) Wer Reichthum
erwirbt, der sammelt ihn aus den Trümmern fremden Reich-
thums! Und aus wie vielen Thränen besteht nicht oft das
Glück derer, welche man Glückliche nennt! ( Lebhafter Beifall! )
Jst das aber eine wahrhafte Gesellschaft, welche auf solche Art
begründet ist, daß dem Glücke der Einen nothwendig das Un-
glück Anderer entsprechen muß? Kann daraus Ordnung, Dauer,
Reichthum entspringen, wenn die Gesellschaft aus einer unge-
ordneten Mischung von Kräften besteht, von denen die Einen nur
triumphiren, indem sie fortwährend die entgegengesetzten Kräfte
vernichten? ( Ja, ja, Sie haben Recht! ) Jch danke Jhnen für
diese Unterbrechung, welche mir die Gleichheit unserer Ansichten
beweist; denn für alle die Angriffe, welche das Loos derer sind,
die aus Liebe zu der Sache des Volkes allen Anstrengungen und
Gefahren trotzen, für alle die Angriffe, welche von Tage zu
Tage giftiger werden, entschädigt uns Jhre Anhänglichkeit, und
es ist uns wohlthuend, eine Unterstützung in Jhren Herzen zu
finden. ( Einstimmiger Beifall! )

Die Konkurrenz ist eine Ursache allgemeiner Verarmung,
weil sie einen gewaltigen und fortwährenden Verlust an mensch-
licher Arbeit nach sich zieht; weil sie täglich, stündlich auf jedem
Punkte der Erde ihre Herrschaft durch die Vernichtung irgend
eines besiegten Gewerbes verräth, das heißt durch die Vernichtung
von Kapitalien, Rohstoffen, Arbeit und Zeit, welche auf des Ge-
werbe verwandt waren. Jch stehe nicht an, zu versichern, daß
die Menge der auf solche Weise vernichteten Reichthümer so be-
deutend ist, daß derjenige mit Schaudern seinen Blick abwenden
würde, der sie überschauen könnte. ( Bravo! )

Die Konkurrenz ist eine Ursache allgemeiner Verarmung,
weil sie die Gesellschaft unter die plumpe Herrschaft des Zufalls
stellt. Giebt es bei diesem Stande der Dinge einen einzigen
Produzenten, einen einzigen Arbeiter, der nicht von einer fernen
Werkstätte abhinge, welche vielleicht eben geschlossen wird, von
einem Bankerott, welcher ausbricht, von einer Maschine, welche
plötzlich entdeckt und ausschließlich von einem Konkurrenten au-
gewandt wird? Giebt es einen Produzenten, einen Arbeiter, dem
sein gutes Betragen, seine Vorsicht, seine Klugheit eine sichere
Bürgschaft gegen eine industrielle Krise gewährte? Die Konkur-
renz zwingt die Produktion, sich in das Dunkel zu hüllen, dem
Zufall zu vertrauen, da die Konsumenten unsicher, die Märkte
unbekannt sind; daher die absolute Unmöglichkeit, zwischen der
Produktion und Konsumtion jenes Gleichgewicht herzustellen, aus
welchem der Reichthum entspringt. Was sehen wir daher?
Hier einen Gewerbetreibenden, dem es an Händen fehlt, und
dort einen andern, welcher deren zu viel hat. Hier einen Markt,
welcher leer bleibt, und dort einen andern, der überfüllt ist. Das
ist die Ohnmacht in der Verwirrung, das die Armuth durch das
Chaos. Und welche Sicherheit ist bei einem solchen Zustande
der Dinge möglich? Wenn ich gesagt habe, daß die Konkurrenz
die Jndustrie dahin bringt, daß sie nur eine mörderische Lotterie
ist, so wird man nicht wagen, mir mit den englischen National-
ökonomen zu antworten: "Desto schlimmer für den, welcher
eine Niete zieht." Wo Anarchie herrscht, da giebt es auch
Ruin, oder er kommt doch bald, in zwei Jahren, in einem
Jahre, an einem bestimmten Tage, wie zum Beispiel am 24. Fe-
bruar 1848. ( Langdauernder Beifall. ) Eine große Lehre, welche
uns zeigt, daß es kein Mittel giebt, dem unbesieglichen Gesetz
der menschlichen Gegenseitigkeit zu entgehen! Eine schreckliche
Lehre, welche den Menschen zuruft: Jhr habt die Gegenseitigkeit
[Spaltenumbruch] im Glück nicht gewollt, so nehmt sie denn hin im Unglück!
( Kräftiger und einstimmiger Beifall. )

Die Konkurrenz ist eine Ursache allgemeiner Verarmung,
weil sie eine Menge Schmarotzerwesen nährt, welche nur von
der Unordnung leben, die durch die Konkurrenz erzeugt wird.
Wenn die Gesellschaft auf dem Grundsatze der Brüderlichkeit
begründet wäre, welcher, wie ich laut ausrufe, die wahre Quelle
des Reichthums ist, dann bedürften wir nicht der Schmarotzer-
wesen, welche jetzt nöthig sind, um die durch die getheilten Jn-
teressen genährten Prozesse einzuleiten, fortzuführen und zu ent-
scheiden. Denkt Euch Tausende von Menschen, die fortwährend
an einer Mauer bauen, während andere Tausende fortwährend
beschäftigt sind, dieselbe wieder einzureißen, und Jhr habt ein
Bild unserer socialen Gegenwart, so wie sie durch die Konkur-
renz gebildet wird. ( Das ist wahr! )

Verfolgen wir diese Auseinandersetzung weiter. Die Kon-
kurrenz ist eine Ursache allgemeiner Verarmung, weil sie, weit
entfernt, die Anwendung der Entdeckungen des Genies zu ver-
allgemeinern, dieselbe vielmehr in den engen Kreis des Mono-
pols verschließt und oft sogar in Mittel der Zerstörung umwan-
delt. Wenn in dem Bereich der Konkurrenz eine Maschine
erfunden wird, nützt sie dann etwa Allen, Allen ohne Ausnahme?
Nein, Sie wissen es wohl, daß sie nur zu einer Keule dient, mit
welcher der patentirte Erfinder seine Konkurrenten niederschmettert
und die Arme Tausender von Arbeitern lähmt. Erlauben Sie
mir, daß ich Jhnen hier einen ergreifenden Vergleich vorführe.
Denken Sie sich einmal, das Genie des Menschen habe sich in
den Regionen der Entdeckung zu einer solchen Höhe erhoben, daß
alle menschliche Arbeit durch die Thätigkeit der Maschinen ersetzt
werden könnte, -- und vergegenwärtigen Sie sich dann zuerst
das Glück im Zustande der Association, dann aber das Unglück,
welches während des gegenwärtigen Systems der Konkurrenz
daraus entspringen würde.

Während des Systems der Association, welches seiner Na-
tur nach jedes Monopol, jedes Privilegium, jedes Patent aus-
schließt und den Reichthum unter Alle vertheilt, kann die allge-
meine Anwendung der Maschinen= an Stelle der Menschenarbeit
nur das eine Resultat haben, daß sie allen Menschen die körper-
liche Ruhe erlaubt und ihnen dadurch Zeit gewährt, den Geist
um so mehr auszubilden, sich den höhern Genüssen der Poesie,
der Künste und Wissenfchaften hinzugeben. Während des Sy-
stemes der Konkurrenz dagegen, welches einen Jeden seinen eige-
nen Kräften überläßt und dessen Fahne die Jnschrift trägt:
"Dem Reichsten, dem Schlauesten der Sieg! Wehe den Besieg-
ten!" während der Herrschaft der Konkurrenz, sage ich, welche
jede Entdeckung zu dem ausschließlichen Eigenthum eines Einzi-
gen oder einiger Wenigen macht, würde eine Ausbildung der
Maschinen in der Weise, daß alle menschliche Arbeit überflüssig
würde, Folgen hervorbringen, über die man seufzen muß, wenn
man nur an sie denkt. Drei Viertheile der Bevölkerung würden
verhungern! ( Große Bewegung. ) Begreifen Sie wohl die
Tragweite eines solcheu Vergleichs zwischen der Association und
der Konkurrenz? ( Ja, ja, ja! )

Die Entdeckungen der Wissenschaft sind drei Mal heilig!
Schon an und für sich betrachtet, ist die Erfindung einer Ma-
schine, welche bestimmt ist, des Menschen Arbeit zu ersetzen, eine
unberechenbare Wohlthat. Woher kommt es aber, daß jetzt durch
die Erfindung eines neuen Verfahrens oft Tausende von Arbeitern
dem Elende preisgegeben werden? Jst das ein Fehler der Wissen-
schaft, ist es ein Fehler des Genies, ein Fehler der Maschinen.
welche dem Menschen nützen? Nein, es ist ein Fehler unseres
abgeschmackten, verkehrten Gesellschaftszustandes, während dessen
nicht einmal das Gute hervorgebracht werden kann, ohne daß
ihm nicht endlose Leiden folgten. Würde dem also sein, wenn
eine allgemeine Association stattfände? Begreifen Sie, daß je
das Genie für einen einzigen Menschen Gegenstand der Besorg-
niß sein könnte, wenn die Gegenseitigkeit in ihrer vollen Blüthe
bestände? Das Genie! -- ha! seine Größe besteht darin, daß
es der ganzen Menschheit dient, und seine Aufgabe ist eine ver-
fehlte, sobald es nur dem Monopol, der Habsucht die Waffen
zum Kampfe liefert! ( Lebhafte Aufregung! )

Jndem ich Jhnen erklärte, warum die Konkurrenz eine Ur-
sache allgemeiner Verarmung sei, vergaß ich noch zu bemerken,
daß sie auch zwischen den Arbeitern eine Konkurrenz hervorruft,
welche diese verdammt, sich gegenseitig die Arbeit streitig zu
machen, welche sie verdammt, sich um geringen Lohn zu verkau-
fen, welche durch den verminderten Verdienst auch den Verbrauch
[Ende Spaltensatz]

Zur Unterhaltung und Belehrung. 90
[Beginn Spaltensatz]
Die freie Konkurrenz und die Association.
( Rede, gehalten von Louis Blanc am 3. April 1848 vor der General-
versammlung der Arbeiterdeputirten. )

Das Prinzip, auf welchem die Gesellschaft gegenwärtig be-
ruht, ist das der Vereinzelung, des Krieges Aller gegen Alle —
es ist das Prinzip der freien Konkurrenz. Untersuchen wir, wel-
ches die Folgen eines solchen Prinzips sein müssen.

Die freie Konkurrenz — ich sage es gleich von vorn herein
— ist die beständige und sortschreitende Erzeugung der Armuth.
Anstatt die Kräfte zu verbünden, damit es ihnen leichter werde,
ihr Ziel zu erreichen, setzt die Konkurrenz fortwährend dieselben
einander feindselig entgegen, sie hebt dieselben gegenseitig auf,
sie vernichtet die einen durch die andern. Worin, frage ich, be-
stehen heutigen Tags die Gewinnste, welche eine Werkstätte ab-
wirft? Werden sie nicht etwa dadurch erlangt, daß mancher
Nebenbuhler vernichtet wird? Wenn ein Gewerbetreibender
glücklich ist, so kommt das daher, daß es ihm gelungen, Andern
ihre Kunden zu entfremden. ( Bravo! Bravo! ) Wer Reichthum
erwirbt, der sammelt ihn aus den Trümmern fremden Reich-
thums! Und aus wie vielen Thränen besteht nicht oft das
Glück derer, welche man Glückliche nennt! ( Lebhafter Beifall! )
Jst das aber eine wahrhafte Gesellschaft, welche auf solche Art
begründet ist, daß dem Glücke der Einen nothwendig das Un-
glück Anderer entsprechen muß? Kann daraus Ordnung, Dauer,
Reichthum entspringen, wenn die Gesellschaft aus einer unge-
ordneten Mischung von Kräften besteht, von denen die Einen nur
triumphiren, indem sie fortwährend die entgegengesetzten Kräfte
vernichten? ( Ja, ja, Sie haben Recht! ) Jch danke Jhnen für
diese Unterbrechung, welche mir die Gleichheit unserer Ansichten
beweist; denn für alle die Angriffe, welche das Loos derer sind,
die aus Liebe zu der Sache des Volkes allen Anstrengungen und
Gefahren trotzen, für alle die Angriffe, welche von Tage zu
Tage giftiger werden, entschädigt uns Jhre Anhänglichkeit, und
es ist uns wohlthuend, eine Unterstützung in Jhren Herzen zu
finden. ( Einstimmiger Beifall! )

Die Konkurrenz ist eine Ursache allgemeiner Verarmung,
weil sie einen gewaltigen und fortwährenden Verlust an mensch-
licher Arbeit nach sich zieht; weil sie täglich, stündlich auf jedem
Punkte der Erde ihre Herrschaft durch die Vernichtung irgend
eines besiegten Gewerbes verräth, das heißt durch die Vernichtung
von Kapitalien, Rohstoffen, Arbeit und Zeit, welche auf des Ge-
werbe verwandt waren. Jch stehe nicht an, zu versichern, daß
die Menge der auf solche Weise vernichteten Reichthümer so be-
deutend ist, daß derjenige mit Schaudern seinen Blick abwenden
würde, der sie überschauen könnte. ( Bravo! )

Die Konkurrenz ist eine Ursache allgemeiner Verarmung,
weil sie die Gesellschaft unter die plumpe Herrschaft des Zufalls
stellt. Giebt es bei diesem Stande der Dinge einen einzigen
Produzenten, einen einzigen Arbeiter, der nicht von einer fernen
Werkstätte abhinge, welche vielleicht eben geschlossen wird, von
einem Bankerott, welcher ausbricht, von einer Maschine, welche
plötzlich entdeckt und ausschließlich von einem Konkurrenten au-
gewandt wird? Giebt es einen Produzenten, einen Arbeiter, dem
sein gutes Betragen, seine Vorsicht, seine Klugheit eine sichere
Bürgschaft gegen eine industrielle Krise gewährte? Die Konkur-
renz zwingt die Produktion, sich in das Dunkel zu hüllen, dem
Zufall zu vertrauen, da die Konsumenten unsicher, die Märkte
unbekannt sind; daher die absolute Unmöglichkeit, zwischen der
Produktion und Konsumtion jenes Gleichgewicht herzustellen, aus
welchem der Reichthum entspringt. Was sehen wir daher?
Hier einen Gewerbetreibenden, dem es an Händen fehlt, und
dort einen andern, welcher deren zu viel hat. Hier einen Markt,
welcher leer bleibt, und dort einen andern, der überfüllt ist. Das
ist die Ohnmacht in der Verwirrung, das die Armuth durch das
Chaos. Und welche Sicherheit ist bei einem solchen Zustande
der Dinge möglich? Wenn ich gesagt habe, daß die Konkurrenz
die Jndustrie dahin bringt, daß sie nur eine mörderische Lotterie
ist, so wird man nicht wagen, mir mit den englischen National-
ökonomen zu antworten: „Desto schlimmer für den, welcher
eine Niete zieht.“ Wo Anarchie herrscht, da giebt es auch
Ruin, oder er kommt doch bald, in zwei Jahren, in einem
Jahre, an einem bestimmten Tage, wie zum Beispiel am 24. Fe-
bruar 1848. ( Langdauernder Beifall. ) Eine große Lehre, welche
uns zeigt, daß es kein Mittel giebt, dem unbesieglichen Gesetz
der menschlichen Gegenseitigkeit zu entgehen! Eine schreckliche
Lehre, welche den Menschen zuruft: Jhr habt die Gegenseitigkeit
[Spaltenumbruch] im Glück nicht gewollt, so nehmt sie denn hin im Unglück!
( Kräftiger und einstimmiger Beifall. )

Die Konkurrenz ist eine Ursache allgemeiner Verarmung,
weil sie eine Menge Schmarotzerwesen nährt, welche nur von
der Unordnung leben, die durch die Konkurrenz erzeugt wird.
Wenn die Gesellschaft auf dem Grundsatze der Brüderlichkeit
begründet wäre, welcher, wie ich laut ausrufe, die wahre Quelle
des Reichthums ist, dann bedürften wir nicht der Schmarotzer-
wesen, welche jetzt nöthig sind, um die durch die getheilten Jn-
teressen genährten Prozesse einzuleiten, fortzuführen und zu ent-
scheiden. Denkt Euch Tausende von Menschen, die fortwährend
an einer Mauer bauen, während andere Tausende fortwährend
beschäftigt sind, dieselbe wieder einzureißen, und Jhr habt ein
Bild unserer socialen Gegenwart, so wie sie durch die Konkur-
renz gebildet wird. ( Das ist wahr! )

Verfolgen wir diese Auseinandersetzung weiter. Die Kon-
kurrenz ist eine Ursache allgemeiner Verarmung, weil sie, weit
entfernt, die Anwendung der Entdeckungen des Genies zu ver-
allgemeinern, dieselbe vielmehr in den engen Kreis des Mono-
pols verschließt und oft sogar in Mittel der Zerstörung umwan-
delt. Wenn in dem Bereich der Konkurrenz eine Maschine
erfunden wird, nützt sie dann etwa Allen, Allen ohne Ausnahme?
Nein, Sie wissen es wohl, daß sie nur zu einer Keule dient, mit
welcher der patentirte Erfinder seine Konkurrenten niederschmettert
und die Arme Tausender von Arbeitern lähmt. Erlauben Sie
mir, daß ich Jhnen hier einen ergreifenden Vergleich vorführe.
Denken Sie sich einmal, das Genie des Menschen habe sich in
den Regionen der Entdeckung zu einer solchen Höhe erhoben, daß
alle menschliche Arbeit durch die Thätigkeit der Maschinen ersetzt
werden könnte, — und vergegenwärtigen Sie sich dann zuerst
das Glück im Zustande der Association, dann aber das Unglück,
welches während des gegenwärtigen Systems der Konkurrenz
daraus entspringen würde.

Während des Systems der Association, welches seiner Na-
tur nach jedes Monopol, jedes Privilegium, jedes Patent aus-
schließt und den Reichthum unter Alle vertheilt, kann die allge-
meine Anwendung der Maschinen= an Stelle der Menschenarbeit
nur das eine Resultat haben, daß sie allen Menschen die körper-
liche Ruhe erlaubt und ihnen dadurch Zeit gewährt, den Geist
um so mehr auszubilden, sich den höhern Genüssen der Poesie,
der Künste und Wissenfchaften hinzugeben. Während des Sy-
stemes der Konkurrenz dagegen, welches einen Jeden seinen eige-
nen Kräften überläßt und dessen Fahne die Jnschrift trägt:
„Dem Reichsten, dem Schlauesten der Sieg! Wehe den Besieg-
ten!“ während der Herrschaft der Konkurrenz, sage ich, welche
jede Entdeckung zu dem ausschließlichen Eigenthum eines Einzi-
gen oder einiger Wenigen macht, würde eine Ausbildung der
Maschinen in der Weise, daß alle menschliche Arbeit überflüssig
würde, Folgen hervorbringen, über die man seufzen muß, wenn
man nur an sie denkt. Drei Viertheile der Bevölkerung würden
verhungern! ( Große Bewegung. ) Begreifen Sie wohl die
Tragweite eines solcheu Vergleichs zwischen der Association und
der Konkurrenz? ( Ja, ja, ja! )

Die Entdeckungen der Wissenschaft sind drei Mal heilig!
Schon an und für sich betrachtet, ist die Erfindung einer Ma-
schine, welche bestimmt ist, des Menschen Arbeit zu ersetzen, eine
unberechenbare Wohlthat. Woher kommt es aber, daß jetzt durch
die Erfindung eines neuen Verfahrens oft Tausende von Arbeitern
dem Elende preisgegeben werden? Jst das ein Fehler der Wissen-
schaft, ist es ein Fehler des Genies, ein Fehler der Maschinen.
welche dem Menschen nützen? Nein, es ist ein Fehler unseres
abgeschmackten, verkehrten Gesellschaftszustandes, während dessen
nicht einmal das Gute hervorgebracht werden kann, ohne daß
ihm nicht endlose Leiden folgten. Würde dem also sein, wenn
eine allgemeine Association stattfände? Begreifen Sie, daß je
das Genie für einen einzigen Menschen Gegenstand der Besorg-
niß sein könnte, wenn die Gegenseitigkeit in ihrer vollen Blüthe
bestände? Das Genie! — ha! seine Größe besteht darin, daß
es der ganzen Menschheit dient, und seine Aufgabe ist eine ver-
fehlte, sobald es nur dem Monopol, der Habsucht die Waffen
zum Kampfe liefert! ( Lebhafte Aufregung! )

Jndem ich Jhnen erklärte, warum die Konkurrenz eine Ur-
sache allgemeiner Verarmung sei, vergaß ich noch zu bemerken,
daß sie auch zwischen den Arbeitern eine Konkurrenz hervorruft,
welche diese verdammt, sich gegenseitig die Arbeit streitig zu
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fen, welche durch den verminderten Verdienst auch den Verbrauch
[Ende Spaltensatz]

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[90/0018] Zur Unterhaltung und Belehrung. 90 Die freie Konkurrenz und die Association. ( Rede, gehalten von Louis Blanc am 3. April 1848 vor der General- versammlung der Arbeiterdeputirten. ) Das Prinzip, auf welchem die Gesellschaft gegenwärtig be- ruht, ist das der Vereinzelung, des Krieges Aller gegen Alle — es ist das Prinzip der freien Konkurrenz. Untersuchen wir, wel- ches die Folgen eines solchen Prinzips sein müssen. Die freie Konkurrenz — ich sage es gleich von vorn herein — ist die beständige und sortschreitende Erzeugung der Armuth. Anstatt die Kräfte zu verbünden, damit es ihnen leichter werde, ihr Ziel zu erreichen, setzt die Konkurrenz fortwährend dieselben einander feindselig entgegen, sie hebt dieselben gegenseitig auf, sie vernichtet die einen durch die andern. Worin, frage ich, be- stehen heutigen Tags die Gewinnste, welche eine Werkstätte ab- wirft? Werden sie nicht etwa dadurch erlangt, daß mancher Nebenbuhler vernichtet wird? Wenn ein Gewerbetreibender glücklich ist, so kommt das daher, daß es ihm gelungen, Andern ihre Kunden zu entfremden. ( Bravo! Bravo! ) Wer Reichthum erwirbt, der sammelt ihn aus den Trümmern fremden Reich- thums! Und aus wie vielen Thränen besteht nicht oft das Glück derer, welche man Glückliche nennt! ( Lebhafter Beifall! ) Jst das aber eine wahrhafte Gesellschaft, welche auf solche Art begründet ist, daß dem Glücke der Einen nothwendig das Un- glück Anderer entsprechen muß? Kann daraus Ordnung, Dauer, Reichthum entspringen, wenn die Gesellschaft aus einer unge- ordneten Mischung von Kräften besteht, von denen die Einen nur triumphiren, indem sie fortwährend die entgegengesetzten Kräfte vernichten? ( Ja, ja, Sie haben Recht! ) Jch danke Jhnen für diese Unterbrechung, welche mir die Gleichheit unserer Ansichten beweist; denn für alle die Angriffe, welche das Loos derer sind, die aus Liebe zu der Sache des Volkes allen Anstrengungen und Gefahren trotzen, für alle die Angriffe, welche von Tage zu Tage giftiger werden, entschädigt uns Jhre Anhänglichkeit, und es ist uns wohlthuend, eine Unterstützung in Jhren Herzen zu finden. ( Einstimmiger Beifall! ) Die Konkurrenz ist eine Ursache allgemeiner Verarmung, weil sie einen gewaltigen und fortwährenden Verlust an mensch- licher Arbeit nach sich zieht; weil sie täglich, stündlich auf jedem Punkte der Erde ihre Herrschaft durch die Vernichtung irgend eines besiegten Gewerbes verräth, das heißt durch die Vernichtung von Kapitalien, Rohstoffen, Arbeit und Zeit, welche auf des Ge- werbe verwandt waren. Jch stehe nicht an, zu versichern, daß die Menge der auf solche Weise vernichteten Reichthümer so be- deutend ist, daß derjenige mit Schaudern seinen Blick abwenden würde, der sie überschauen könnte. ( Bravo! ) Die Konkurrenz ist eine Ursache allgemeiner Verarmung, weil sie die Gesellschaft unter die plumpe Herrschaft des Zufalls stellt. Giebt es bei diesem Stande der Dinge einen einzigen Produzenten, einen einzigen Arbeiter, der nicht von einer fernen Werkstätte abhinge, welche vielleicht eben geschlossen wird, von einem Bankerott, welcher ausbricht, von einer Maschine, welche plötzlich entdeckt und ausschließlich von einem Konkurrenten au- gewandt wird? Giebt es einen Produzenten, einen Arbeiter, dem sein gutes Betragen, seine Vorsicht, seine Klugheit eine sichere Bürgschaft gegen eine industrielle Krise gewährte? Die Konkur- renz zwingt die Produktion, sich in das Dunkel zu hüllen, dem Zufall zu vertrauen, da die Konsumenten unsicher, die Märkte unbekannt sind; daher die absolute Unmöglichkeit, zwischen der Produktion und Konsumtion jenes Gleichgewicht herzustellen, aus welchem der Reichthum entspringt. Was sehen wir daher? Hier einen Gewerbetreibenden, dem es an Händen fehlt, und dort einen andern, welcher deren zu viel hat. Hier einen Markt, welcher leer bleibt, und dort einen andern, der überfüllt ist. Das ist die Ohnmacht in der Verwirrung, das die Armuth durch das Chaos. Und welche Sicherheit ist bei einem solchen Zustande der Dinge möglich? Wenn ich gesagt habe, daß die Konkurrenz die Jndustrie dahin bringt, daß sie nur eine mörderische Lotterie ist, so wird man nicht wagen, mir mit den englischen National- ökonomen zu antworten: „Desto schlimmer für den, welcher eine Niete zieht.“ Wo Anarchie herrscht, da giebt es auch Ruin, oder er kommt doch bald, in zwei Jahren, in einem Jahre, an einem bestimmten Tage, wie zum Beispiel am 24. Fe- bruar 1848. ( Langdauernder Beifall. ) Eine große Lehre, welche uns zeigt, daß es kein Mittel giebt, dem unbesieglichen Gesetz der menschlichen Gegenseitigkeit zu entgehen! Eine schreckliche Lehre, welche den Menschen zuruft: Jhr habt die Gegenseitigkeit im Glück nicht gewollt, so nehmt sie denn hin im Unglück! ( Kräftiger und einstimmiger Beifall. ) Die Konkurrenz ist eine Ursache allgemeiner Verarmung, weil sie eine Menge Schmarotzerwesen nährt, welche nur von der Unordnung leben, die durch die Konkurrenz erzeugt wird. Wenn die Gesellschaft auf dem Grundsatze der Brüderlichkeit begründet wäre, welcher, wie ich laut ausrufe, die wahre Quelle des Reichthums ist, dann bedürften wir nicht der Schmarotzer- wesen, welche jetzt nöthig sind, um die durch die getheilten Jn- teressen genährten Prozesse einzuleiten, fortzuführen und zu ent- scheiden. Denkt Euch Tausende von Menschen, die fortwährend an einer Mauer bauen, während andere Tausende fortwährend beschäftigt sind, dieselbe wieder einzureißen, und Jhr habt ein Bild unserer socialen Gegenwart, so wie sie durch die Konkur- renz gebildet wird. ( Das ist wahr! ) Verfolgen wir diese Auseinandersetzung weiter. Die Kon- kurrenz ist eine Ursache allgemeiner Verarmung, weil sie, weit entfernt, die Anwendung der Entdeckungen des Genies zu ver- allgemeinern, dieselbe vielmehr in den engen Kreis des Mono- pols verschließt und oft sogar in Mittel der Zerstörung umwan- delt. Wenn in dem Bereich der Konkurrenz eine Maschine erfunden wird, nützt sie dann etwa Allen, Allen ohne Ausnahme? Nein, Sie wissen es wohl, daß sie nur zu einer Keule dient, mit welcher der patentirte Erfinder seine Konkurrenten niederschmettert und die Arme Tausender von Arbeitern lähmt. Erlauben Sie mir, daß ich Jhnen hier einen ergreifenden Vergleich vorführe. Denken Sie sich einmal, das Genie des Menschen habe sich in den Regionen der Entdeckung zu einer solchen Höhe erhoben, daß alle menschliche Arbeit durch die Thätigkeit der Maschinen ersetzt werden könnte, — und vergegenwärtigen Sie sich dann zuerst das Glück im Zustande der Association, dann aber das Unglück, welches während des gegenwärtigen Systems der Konkurrenz daraus entspringen würde. Während des Systems der Association, welches seiner Na- tur nach jedes Monopol, jedes Privilegium, jedes Patent aus- schließt und den Reichthum unter Alle vertheilt, kann die allge- meine Anwendung der Maschinen= an Stelle der Menschenarbeit nur das eine Resultat haben, daß sie allen Menschen die körper- liche Ruhe erlaubt und ihnen dadurch Zeit gewährt, den Geist um so mehr auszubilden, sich den höhern Genüssen der Poesie, der Künste und Wissenfchaften hinzugeben. Während des Sy- stemes der Konkurrenz dagegen, welches einen Jeden seinen eige- nen Kräften überläßt und dessen Fahne die Jnschrift trägt: „Dem Reichsten, dem Schlauesten der Sieg! Wehe den Besieg- ten!“ während der Herrschaft der Konkurrenz, sage ich, welche jede Entdeckung zu dem ausschließlichen Eigenthum eines Einzi- gen oder einiger Wenigen macht, würde eine Ausbildung der Maschinen in der Weise, daß alle menschliche Arbeit überflüssig würde, Folgen hervorbringen, über die man seufzen muß, wenn man nur an sie denkt. Drei Viertheile der Bevölkerung würden verhungern! ( Große Bewegung. ) Begreifen Sie wohl die Tragweite eines solcheu Vergleichs zwischen der Association und der Konkurrenz? ( Ja, ja, ja! ) Die Entdeckungen der Wissenschaft sind drei Mal heilig! Schon an und für sich betrachtet, ist die Erfindung einer Ma- schine, welche bestimmt ist, des Menschen Arbeit zu ersetzen, eine unberechenbare Wohlthat. Woher kommt es aber, daß jetzt durch die Erfindung eines neuen Verfahrens oft Tausende von Arbeitern dem Elende preisgegeben werden? Jst das ein Fehler der Wissen- schaft, ist es ein Fehler des Genies, ein Fehler der Maschinen. welche dem Menschen nützen? Nein, es ist ein Fehler unseres abgeschmackten, verkehrten Gesellschaftszustandes, während dessen nicht einmal das Gute hervorgebracht werden kann, ohne daß ihm nicht endlose Leiden folgten. Würde dem also sein, wenn eine allgemeine Association stattfände? Begreifen Sie, daß je das Genie für einen einzigen Menschen Gegenstand der Besorg- niß sein könnte, wenn die Gegenseitigkeit in ihrer vollen Blüthe bestände? Das Genie! — ha! seine Größe besteht darin, daß es der ganzen Menschheit dient, und seine Aufgabe ist eine ver- fehlte, sobald es nur dem Monopol, der Habsucht die Waffen zum Kampfe liefert! ( Lebhafte Aufregung! ) Jndem ich Jhnen erklärte, warum die Konkurrenz eine Ur- sache allgemeiner Verarmung sei, vergaß ich noch zu bemerken, daß sie auch zwischen den Arbeitern eine Konkurrenz hervorruft, welche diese verdammt, sich gegenseitig die Arbeit streitig zu machen, welche sie verdammt, sich um geringen Lohn zu verkau- fen, welche durch den verminderten Verdienst auch den Verbrauch

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Zitationshilfe: Social-politische Blätter. 4. Lieferung. Berlin, 9. April 1873, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social04_1873/18>, abgerufen am 22.11.2024.