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Social-politische Blätter. 4. Lieferung. Berlin, 9. April 1873.

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Zur Unterhaltung und Belehrung. 84
[Beginn Spaltensatz]

-- Aber Dein Vater, Dein Vater?

-- Weißt Du, daß seine Getreuen ihn vor dem Kriege
gegen die Niedersachsen beinahe ermordet haben?

-- Jch habe von dem Gerücht gehört.

-- Jch habe also den Plan, meine Brüder ermorden zu
lassen, dann auszubreiten, mein Vater sei in dem Kriege gegen
die Niedersachsen gestorben, und mich an seiner Stelle zum Könige
zu machen.

-- Wenn er aber mit seinem Heere aus Sachsen bald zu-
rückkommt?

-- So ziehe ich gegen ihn und erschlage ihn, wenn ich es
vermag.

-- Jch tadele Dich darin nicht, ich denke nur, was mir da-
bei begegnen könnte.

-- Dir, Ritter?

-- Wenn Du in dem Kriege mit Deinem Vater unterliegst
und ich habe für Dich daran Theil genommen, so geht es mir
schlecht; man nimmt mir als Verräther die Ländereien.

-- Du möchtest gewinnen, ohne den Einsatz zu wagen.

-- Das zöge ich allerdings vor; aber höre, Kanut, wenn
die Herren von Jütland, Fühnen und Alsen für Dich gegen
Deinen Vater Partei nehmen, will auch ich mit meinen Leuten
Deinem Munde gehorchen, aber ich erkläre mich für Deine Sache
erst, wenn die Andern bewaffnet offen sich erklärt haben.

-- Du willst sicher gehen.

-- Ja, ich will wenig wagen, um viel zu gewinnen.

-- So laß uns gegenseitig schwören.

-- Warte noch.

-- Was willst Du thun? Warum diese Truhe öffnen? Laß
wenigstens den Deckel auf, damit ich Deine Schätze sehe.

-- Jch versichere, daß fast nichts darin ist, und das Wenige
muß vor dem Raube bewahrt werden.

-- Bei meinem königlichen Ahnherrn, in meinem Leben habe
ich kein prächtigeres Evangelienbuch gesehen als dies; es ist ja
nichts als Gold, Rubinen, Perlen und Karfunkeln! Wo hast Du
das geraubt?

-- Jn einer deutschen Stadt. Die Evangelien darin sind
ganz mit Gold geschrieben.

-- Das Aeußere blendet mich.

-- Prinz, wir wollen auf dieses Evangelium schwören, un-
sere Versprechungen zu halten.

-- Ja, auf dieses Evangelium also schwöre ich, Kanut,
Prinz von Dänemark, im Namen der untheilbaren Dreieinigkeit
und des großen St. Martin, nach der geweihten Formel, daß,
wenn Du, Ritter Olaf, mit Deinen Leuten nicht mehr nach
meinem Vater sehen, sondern Dich zu mir wenden willst, der ich
vorschlage, mich zum Könige über Euch zu machen, und wenn
mir dies gelingt, ich Dich zum Herren einer Provinz nach Dei-
ner Wahl mache und Dir die Güter, die Häuser, die Leibeigenen
und Schätze des Reichsten der Herren gebe, welche gegen mich
zu meinem Vater stehen.

-- Und ich, Ritter Olaf, schwöre auf das Evangelienbuch
hier, im Namen der untheilbaren Dreieinigkeit und des großen
St. Martin, daß, wenn die Herren von Jütland, Fühnen und
Alsen nicht zu Deinem Vater halten, sondern sich offen, in
Waffen, für Dich erklären, der Du Dich zum Könige über sie
machen willst, ich mich mit meinen Leuten ebenfalls für Dich er-
kläre, damit Du König über uns werdest. Möge ich ewigen
Strafen verfallen sein, wenn ich meinen Schwur breche!

-- Möge auch ich, Kannt, ewigen Strafen verfallen sein,
wenn ich meinen Schnur nicht halte!

-- So haben wir geschworen.

-- Laß mich nun das Evangelienbuch genauer besehen.

[Spaltenumbruch]

-- Entschuldige, es ist sehr vor Staub zu wahren.

-- Habe ich doch noch Niemanden gesehen, der eine Truhe
so schnell öffnet und wieder schließt, wie Du, Ritter.

-- Nur blos, damit kein Staub hineindringe.

-- Nun etwas Anderes. Unsere Schwüre binden uns, und
ich kann ohne Rückhalt sprechen. Zuerst müssen meine vier Brü-
der sterben.

-- Andere nehmen erst und morden dann. Das ist aber
falsch, denn leichter kann man einem Todten etwas nehmen als
einem Lebendigen.

-- Ritter, Du bist weise, wie Salomo, aber ich selbst kann
meine Brüder nicht tödten.

-- Warum nicht?

-- Zwei sind sehr stark, ich aber bin schwach und kraftlos
auch würden sie mir nicht leicht eine Gelegenheit dazu geben,
denn sie trauen mir nicht.

-- Freilich, mein Bruder hatte gar kein Mißtrauen gegen
mich, und dann war er noch sehr jung.

-- Jch habe bereits drei entschlossene Männer gefunden,
welche den Mord vollbringen wollen. Jch kann auf sie rechnen.
Aber ein Vierter fehlt mir noch.

-- Wo denkst Du ihn zu finden?

-- Hier.

-- Jn meiner Burg?

-- Ja, vielleicht.

-- Erkläre Dich deutlicher.

-- Weißt Du, warum der Bischof Woldemar mich begleitet,
obschon er mich gar nicht liebt?

-- Das weiß ich nicht.

-- Weil er so schnell als möglich die Landstreicher und
deren Mitschuldige richten, verurtheilen und binrichten lassen will,
welche hier in der Burg gefangen gehalten werden; besonders
sehnt er sich, die Nonne als Hexe verbrannt zu sehen.

-- Jch verstehe Dich nicht. Diese Bösewichter und die
beiden Weiber, ihre Mitschuldigen, müssen, sobald sie geheilt sind,
und das sind sie, nach Schleswig gebracht, um dort gerichtet zu
werden.

-- Nach sehr glaubwürdigen Gerüchten, die uns zugekommen
sind, fürchtet der Bischof nicht ohne Grund, das gemeine Volk
in Schleswig werde aufstehen, um jene Räuber zu befreien, wenn
sie in der Stadt ankommen. Die Namen des Eremiten und
des Landstreichers Siegfried stehen dort in hohem Ansehen, und
es könnte wohl zum Aufstande kommen, um sie der Hinrichtung
zu entziehen, während hier in der Burg nichts der Art zu be-
fürchten ist.

-- Dieser Aufstand wäre allerdings von dem gemeinen
Volke wohl zu befürchten.

-- Jch habe demnach dem Bischof versprochen, wenn Du
Deine Einwilligung gäbest, als Vertreter meines Vaters zu be-
fehlen, jene Verbrecher hier in Deiner Burg zu richten und hin-
zurichten.

-- Wenn der Bischof damit einverstanden ist, habe ich nichts
dagegen zu sagen. Auch ich freue mich der Hinrichtung und
gäbe, glaube ich, lieber zwanzig Goldgulden, als daß ich die
Verbrecher dem Tode entgehen sähe, was wohl geschehen könnte,
wenn das schlechte Volk in Schleswig sich um ihretwillen erhöbe.
Aber was hat das mit der Ermordung Deiner Brüder zu schaffen?

-- Hast Du mir nicht gesagt, der Landstreicher Siegfried
sei von seinen Wunden geheilt?

-- Allerdings.

-- Und er sei ein entschlossener Mann?

-- Ein wahrer Teufel ist er. Der Teufel nimmt oftmals
die Gestalt dieser Landstreicher an, wie der Bischof sagt.

[Ende Spaltensatz]
Zur Unterhaltung und Belehrung. 84
[Beginn Spaltensatz]

— Aber Dein Vater, Dein Vater?

— Weißt Du, daß seine Getreuen ihn vor dem Kriege
gegen die Niedersachsen beinahe ermordet haben?

— Jch habe von dem Gerücht gehört.

— Jch habe also den Plan, meine Brüder ermorden zu
lassen, dann auszubreiten, mein Vater sei in dem Kriege gegen
die Niedersachsen gestorben, und mich an seiner Stelle zum Könige
zu machen.

— Wenn er aber mit seinem Heere aus Sachsen bald zu-
rückkommt?

— So ziehe ich gegen ihn und erschlage ihn, wenn ich es
vermag.

— Jch tadele Dich darin nicht, ich denke nur, was mir da-
bei begegnen könnte.

— Dir, Ritter?

— Wenn Du in dem Kriege mit Deinem Vater unterliegst
und ich habe für Dich daran Theil genommen, so geht es mir
schlecht; man nimmt mir als Verräther die Ländereien.

— Du möchtest gewinnen, ohne den Einsatz zu wagen.

— Das zöge ich allerdings vor; aber höre, Kanut, wenn
die Herren von Jütland, Fühnen und Alsen für Dich gegen
Deinen Vater Partei nehmen, will auch ich mit meinen Leuten
Deinem Munde gehorchen, aber ich erkläre mich für Deine Sache
erst, wenn die Andern bewaffnet offen sich erklärt haben.

— Du willst sicher gehen.

— Ja, ich will wenig wagen, um viel zu gewinnen.

— So laß uns gegenseitig schwören.

— Warte noch.

— Was willst Du thun? Warum diese Truhe öffnen? Laß
wenigstens den Deckel auf, damit ich Deine Schätze sehe.

— Jch versichere, daß fast nichts darin ist, und das Wenige
muß vor dem Raube bewahrt werden.

— Bei meinem königlichen Ahnherrn, in meinem Leben habe
ich kein prächtigeres Evangelienbuch gesehen als dies; es ist ja
nichts als Gold, Rubinen, Perlen und Karfunkeln! Wo hast Du
das geraubt?

— Jn einer deutschen Stadt. Die Evangelien darin sind
ganz mit Gold geschrieben.

— Das Aeußere blendet mich.

— Prinz, wir wollen auf dieses Evangelium schwören, un-
sere Versprechungen zu halten.

— Ja, auf dieses Evangelium also schwöre ich, Kanut,
Prinz von Dänemark, im Namen der untheilbaren Dreieinigkeit
und des großen St. Martin, nach der geweihten Formel, daß,
wenn Du, Ritter Olaf, mit Deinen Leuten nicht mehr nach
meinem Vater sehen, sondern Dich zu mir wenden willst, der ich
vorschlage, mich zum Könige über Euch zu machen, und wenn
mir dies gelingt, ich Dich zum Herren einer Provinz nach Dei-
ner Wahl mache und Dir die Güter, die Häuser, die Leibeigenen
und Schätze des Reichsten der Herren gebe, welche gegen mich
zu meinem Vater stehen.

— Und ich, Ritter Olaf, schwöre auf das Evangelienbuch
hier, im Namen der untheilbaren Dreieinigkeit und des großen
St. Martin, daß, wenn die Herren von Jütland, Fühnen und
Alsen nicht zu Deinem Vater halten, sondern sich offen, in
Waffen, für Dich erklären, der Du Dich zum Könige über sie
machen willst, ich mich mit meinen Leuten ebenfalls für Dich er-
kläre, damit Du König über uns werdest. Möge ich ewigen
Strafen verfallen sein, wenn ich meinen Schwur breche!

— Möge auch ich, Kannt, ewigen Strafen verfallen sein,
wenn ich meinen Schnur nicht halte!

— So haben wir geschworen.

— Laß mich nun das Evangelienbuch genauer besehen.

[Spaltenumbruch]

— Entschuldige, es ist sehr vor Staub zu wahren.

— Habe ich doch noch Niemanden gesehen, der eine Truhe
so schnell öffnet und wieder schließt, wie Du, Ritter.

— Nur blos, damit kein Staub hineindringe.

— Nun etwas Anderes. Unsere Schwüre binden uns, und
ich kann ohne Rückhalt sprechen. Zuerst müssen meine vier Brü-
der sterben.

— Andere nehmen erst und morden dann. Das ist aber
falsch, denn leichter kann man einem Todten etwas nehmen als
einem Lebendigen.

— Ritter, Du bist weise, wie Salomo, aber ich selbst kann
meine Brüder nicht tödten.

— Warum nicht?

— Zwei sind sehr stark, ich aber bin schwach und kraftlos
auch würden sie mir nicht leicht eine Gelegenheit dazu geben,
denn sie trauen mir nicht.

— Freilich, mein Bruder hatte gar kein Mißtrauen gegen
mich, und dann war er noch sehr jung.

— Jch habe bereits drei entschlossene Männer gefunden,
welche den Mord vollbringen wollen. Jch kann auf sie rechnen.
Aber ein Vierter fehlt mir noch.

— Wo denkst Du ihn zu finden?

— Hier.

— Jn meiner Burg?

— Ja, vielleicht.

— Erkläre Dich deutlicher.

— Weißt Du, warum der Bischof Woldemar mich begleitet,
obschon er mich gar nicht liebt?

— Das weiß ich nicht.

— Weil er so schnell als möglich die Landstreicher und
deren Mitschuldige richten, verurtheilen und binrichten lassen will,
welche hier in der Burg gefangen gehalten werden; besonders
sehnt er sich, die Nonne als Hexe verbrannt zu sehen.

— Jch verstehe Dich nicht. Diese Bösewichter und die
beiden Weiber, ihre Mitschuldigen, müssen, sobald sie geheilt sind,
und das sind sie, nach Schleswig gebracht, um dort gerichtet zu
werden.

— Nach sehr glaubwürdigen Gerüchten, die uns zugekommen
sind, fürchtet der Bischof nicht ohne Grund, das gemeine Volk
in Schleswig werde aufstehen, um jene Räuber zu befreien, wenn
sie in der Stadt ankommen. Die Namen des Eremiten und
des Landstreichers Siegfried stehen dort in hohem Ansehen, und
es könnte wohl zum Aufstande kommen, um sie der Hinrichtung
zu entziehen, während hier in der Burg nichts der Art zu be-
fürchten ist.

— Dieser Aufstand wäre allerdings von dem gemeinen
Volke wohl zu befürchten.

— Jch habe demnach dem Bischof versprochen, wenn Du
Deine Einwilligung gäbest, als Vertreter meines Vaters zu be-
fehlen, jene Verbrecher hier in Deiner Burg zu richten und hin-
zurichten.

— Wenn der Bischof damit einverstanden ist, habe ich nichts
dagegen zu sagen. Auch ich freue mich der Hinrichtung und
gäbe, glaube ich, lieber zwanzig Goldgulden, als daß ich die
Verbrecher dem Tode entgehen sähe, was wohl geschehen könnte,
wenn das schlechte Volk in Schleswig sich um ihretwillen erhöbe.
Aber was hat das mit der Ermordung Deiner Brüder zu schaffen?

— Hast Du mir nicht gesagt, der Landstreicher Siegfried
sei von seinen Wunden geheilt?

— Allerdings.

— Und er sei ein entschlossener Mann?

— Ein wahrer Teufel ist er. Der Teufel nimmt oftmals
die Gestalt dieser Landstreicher an, wie der Bischof sagt.

[Ende Spaltensatz]
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[84/0012] Zur Unterhaltung und Belehrung. 84 — Aber Dein Vater, Dein Vater? — Weißt Du, daß seine Getreuen ihn vor dem Kriege gegen die Niedersachsen beinahe ermordet haben? — Jch habe von dem Gerücht gehört. — Jch habe also den Plan, meine Brüder ermorden zu lassen, dann auszubreiten, mein Vater sei in dem Kriege gegen die Niedersachsen gestorben, und mich an seiner Stelle zum Könige zu machen. — Wenn er aber mit seinem Heere aus Sachsen bald zu- rückkommt? — So ziehe ich gegen ihn und erschlage ihn, wenn ich es vermag. — Jch tadele Dich darin nicht, ich denke nur, was mir da- bei begegnen könnte. — Dir, Ritter? — Wenn Du in dem Kriege mit Deinem Vater unterliegst und ich habe für Dich daran Theil genommen, so geht es mir schlecht; man nimmt mir als Verräther die Ländereien. — Du möchtest gewinnen, ohne den Einsatz zu wagen. — Das zöge ich allerdings vor; aber höre, Kanut, wenn die Herren von Jütland, Fühnen und Alsen für Dich gegen Deinen Vater Partei nehmen, will auch ich mit meinen Leuten Deinem Munde gehorchen, aber ich erkläre mich für Deine Sache erst, wenn die Andern bewaffnet offen sich erklärt haben. — Du willst sicher gehen. — Ja, ich will wenig wagen, um viel zu gewinnen. — So laß uns gegenseitig schwören. — Warte noch. — Was willst Du thun? 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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




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URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social04_1873
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Zitationshilfe: Social-politische Blätter. 4. Lieferung. Berlin, 9. April 1873, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social04_1873/12>, abgerufen am 28.11.2024.