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Social-politische Blätter. 3. Lieferung. Berlin, 6. März 1873.

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Zur Unterhaltung und Belehrung. 64
[Beginn Spaltensatz]

-- Komm, Hilda. Dabei sah er nach seiner Frau hin und
setzte hinzu:

-- Du siehst sehr blaß aus, Ortrun; Du bist verlegen.
Warum bist Du so blaß?

Das arme Weib dachte wahrscheinlich an die Nacht, in
welcher er seine letzte Frau umgebracht und auch zu einer Bei-
schläferin gesagt hatte: Komm! -- so daß die Worte Olaf's sie
in noch größere Verlegenheit brachten. Sie konnte deshalb kaum
flüstern, fast ohne zu wissen, was sie sagte:

-- Mein Herr..

-- Was hast Du? Antworte! fiel Olaf roh ein. -- Wirst
Du etwas dagegen haben, daß ich zu der Leibeigenen da sagte:
Komm?

-- Ach nein, nein. Jst ja mein Gemahl Herr hier, und
bin ich, Ortrun, doch nur seine Dienerin.. Wenn mein Herr
und Gemahl es wünscht, setzte sie in höchster Angst hinzu, weil
sie daran dachte, daß Wisigarde ermordet worden, weil sie ihm
mit einer Beischläferin nicht hatte zu Bett leuchten wollen, --
will ich ihm sogar bis an sein Bett leuchten.

-- Ach, edle Frau, flüsterte Hilda ihr zu, das sind böse
Worte. Jhr erinnert den Ritter an die Ursache zur Ermordung
seiner Frau.

Olaf aber zuckte bei den Worten Ortrun's zusammen, trat
rasch und argwöhnisch auf sie zu, faßte sie am Arme und fragte:

-- Warum sprichst Du, Du wollest mir leuchten bis an das
Bett?

-- Ach, Gnade, mein Herr und Gemahl, tödte mich nicht.

Sie sank auf ihre Kniee und wiederholte: Tödte mich nicht,
wie Du Wisigarde getödtet hast.

Da wurde der Ritter so bleich wie seine Frau und sprach
in Entsetzen:

-- Sie weiß, daß ich Wisigarde getödtet habe. Sie sagt
mir dieselben Worte, die mich reizten, sie zu tödten. Das thut
der böse Geist. Es fällt mir ein, der Bischof Woldemar sagte
mir, da Wisigarde ohne Beistand eines Priesters gestorben sei,
könne sie in der Nacht zurückkommen, um mich als Gespenst zu
peinigen. Sie wird mir vielleicht in dieser Nacht erscheinen, da
meine Frau die Worte ausgesprochen hat, um derentwillen ich
sie erwürgte. Es ist eine Warnung des Himmels oder der Hölle.

Darauf wandte er sich an Hilda und schrie:

-- Meinen Pfaffen! Meinen Pfaffen! Lauf und hole ihn.
Er soll die ganze Nacht bei mir bleiben; er darf mich nicht ver-
lassen. Dann wird das Gespenst Wisigarde's sich nicht heran-
wagen.. Auch der Küchenknecht, der so gotteslästerlich sprach,
kann den Teufel in die Burg locken. Jch that doch nicht wohl,
daß ich den Verfluchten nicht gleich viertheilen ließ. Es ist
wahrhaftig nicht genug, daß ihm nur die Zunge ausgerissen
wurde.

Seine Angst stieg höher und höher, während Hilda forteilte,
um den Pfaffen zu holen, und Ortrun, halb todt vor Schreck,
einer Ohnmacht nahe war. Olaf fiel endlich auf die Kniee, schlug
sich an die Brust und sprach:

-- Herr Gott, habe Erbarmen mit einem armen Sünder.
Jch habe dem Bischof Woldemar viel bezahlt für den Mord
meines Bruders und meiner Frau Wisigarde. Jch will aber
noch mehr bezahlen, damit man für Wisigarde bete und sie in
[Spaltenumbruch] der Nacht nicht als Gespenst komme, mich zu peinigen. Morgen
schon will ich anfangen, die Kapelle in dem Walde bauen zu
lassen zum Andenken an das Wunder des heiligen Bischofs
Woldemar. Auch sein Schloß will ich wieder aufbauen lassen.
Guter Herr Gott, erbarme Dich eines armen Sünders! Befreie
mich diese Nacht von der Anwesenheit des Teufels und von dem
Geiste meiner Frau Wisigarde.



Herr Ritter, Herr Ritter Olaf, erwache! Du hast diese
Nacht nicht in den Armen Einer Deiner Dienerinnen verbracht,
sondern aus Furcht vor dem Teufel knieend neben Deinem Pfaffen
und hast fortwährend die Gebete nachgesprochen, welche der
fromme Mann schlaftrunken murmelte. Erst bei der Morgen-
dämmerung, der Zeit, in welcher die Geister verschwinden müssen,
fandest Du einige Ruhe wieder und schliefst auf Deinem Lager
von Bärenfellen ein.. Ritter Olaf erwache! Einer der Söhne
Deines guten Königs kommt. Kanut, der Bastard, kommt, Statt-
halter im Angelsachsenland für seinen Vater. Er kommt, welch'
unermeßliche Gnade, mit seinen drei Günstlingen und einer
großen Anzahl Leute. Erwache, Herr Ritter, der Prinz Kanut
will Dich besuchen. Der Reiterzug ist zahlreich und glänzend.
Die drei liebsten Freunde Kanuts begleiten ihn, -- Jngurd,
Sparre und der Löwe von Rendsburg, jener treulose Angelsachse,
der gleich vielen Andern sich den siegreichen Dänen angeschlossen
hat. Löwe von Rendsburg heißt der Ritter, weil er der erste
unter den blutgierigen Räubern ist.

Herr Ritter, Herr Ritter Olaf, erwache und wecke auch
Deine Frau Ortrun, welche die ganze Nacht gezittert und dann
von ermordeten Frauen geträumt hat. Schnell, schnell, damit
Ortrun ihren schönsten Schmuck und die reichsten Kleider Deiner
vierten Frau Wisigarde anlege, für deren Ermordung Du dem
Bischofe Woldemar so viel gezahlt hast! Schnell, schnell, Herr
Ritter, damit Ortrun in allen ihren Reizen erscheine; Kanut kann
sie ja für sich oder einen seiner Günstlinge wünschen! Ein gnä-
diger Prinz! Gefällt ein Mädchen oder eine Frau Einem seiner
Freunde, so giebt er demselben sofort ein königliches Diplom,
kraft dessen er die Schöne für sich in Anspruch nehmen kann.

Schnell, schnell, Herr Ritter, laß Deine Reisigen aufsitzen
und Dein Fußvolk bewaffnen, stelle Dich in Deiner glänzendsten
Rüstung an die Spitze, schwinge Dich auf Dein starkes Pferd
mit dem Sattel und Zaum von rothem Leder, mit Gebiß und
Steigbügeln von Silber; schnell, eile dem glorreichen Prinzen
entgegen! Schon ist Dein königlicher Gast mit seinem Gefolge
nur noch in geringer Entfernung von Deiner Burg, wohin ihn
auch Dein Gönner, der fromme Bischof Woldemar, begleitet.

-- Verflucht sei die Ankunft dieses Kanut! murrte Olaf.
Wenn er mit seinen Leuten nur einige Tage hier bleibt, saufen
sie meinen Wein aus, fressen alle meine Lebensmittel auf und
nehmen mir wohl gar etwas von meinem Silbergeschirr mit, das
ich bei dieser Gelegenheit hervorholen muß. Jch und meine
Leute lieben diese Leute vom Hofe nicht, welche uns auf dem
Lande immer verspotten, weil sie in Palästen und Städten wohnen.

So sprach der Ritter Olaf, als er mit seinen Kriegern dem
Prinzen Kanut entgegenzog, der mit seinen Begleitern kaum noch
zwei Bogenschüsse weit von dem Graben der Burg entfernt war.

[Ende Spaltensatz]

( Fortsetzung folgt. )

Zur Unterhaltung und Belehrung. 64
[Beginn Spaltensatz]

— Komm, Hilda. Dabei sah er nach seiner Frau hin und
setzte hinzu:

— Du siehst sehr blaß aus, Ortrun; Du bist verlegen.
Warum bist Du so blaß?

Das arme Weib dachte wahrscheinlich an die Nacht, in
welcher er seine letzte Frau umgebracht und auch zu einer Bei-
schläferin gesagt hatte: Komm! — so daß die Worte Olaf's sie
in noch größere Verlegenheit brachten. Sie konnte deshalb kaum
flüstern, fast ohne zu wissen, was sie sagte:

— Mein Herr..

— Was hast Du? Antworte! fiel Olaf roh ein. — Wirst
Du etwas dagegen haben, daß ich zu der Leibeigenen da sagte:
Komm?

— Ach nein, nein. Jst ja mein Gemahl Herr hier, und
bin ich, Ortrun, doch nur seine Dienerin.. Wenn mein Herr
und Gemahl es wünscht, setzte sie in höchster Angst hinzu, weil
sie daran dachte, daß Wisigarde ermordet worden, weil sie ihm
mit einer Beischläferin nicht hatte zu Bett leuchten wollen, —
will ich ihm sogar bis an sein Bett leuchten.

— Ach, edle Frau, flüsterte Hilda ihr zu, das sind böse
Worte. Jhr erinnert den Ritter an die Ursache zur Ermordung
seiner Frau.

Olaf aber zuckte bei den Worten Ortrun's zusammen, trat
rasch und argwöhnisch auf sie zu, faßte sie am Arme und fragte:

— Warum sprichst Du, Du wollest mir leuchten bis an das
Bett?

— Ach, Gnade, mein Herr und Gemahl, tödte mich nicht.

Sie sank auf ihre Kniee und wiederholte: Tödte mich nicht,
wie Du Wisigarde getödtet hast.

Da wurde der Ritter so bleich wie seine Frau und sprach
in Entsetzen:

— Sie weiß, daß ich Wisigarde getödtet habe. Sie sagt
mir dieselben Worte, die mich reizten, sie zu tödten. Das thut
der böse Geist. Es fällt mir ein, der Bischof Woldemar sagte
mir, da Wisigarde ohne Beistand eines Priesters gestorben sei,
könne sie in der Nacht zurückkommen, um mich als Gespenst zu
peinigen. Sie wird mir vielleicht in dieser Nacht erscheinen, da
meine Frau die Worte ausgesprochen hat, um derentwillen ich
sie erwürgte. Es ist eine Warnung des Himmels oder der Hölle.

Darauf wandte er sich an Hilda und schrie:

— Meinen Pfaffen! Meinen Pfaffen! Lauf und hole ihn.
Er soll die ganze Nacht bei mir bleiben; er darf mich nicht ver-
lassen. Dann wird das Gespenst Wisigarde's sich nicht heran-
wagen.. Auch der Küchenknecht, der so gotteslästerlich sprach,
kann den Teufel in die Burg locken. Jch that doch nicht wohl,
daß ich den Verfluchten nicht gleich viertheilen ließ. Es ist
wahrhaftig nicht genug, daß ihm nur die Zunge ausgerissen
wurde.

Seine Angst stieg höher und höher, während Hilda forteilte,
um den Pfaffen zu holen, und Ortrun, halb todt vor Schreck,
einer Ohnmacht nahe war. Olaf fiel endlich auf die Kniee, schlug
sich an die Brust und sprach:

— Herr Gott, habe Erbarmen mit einem armen Sünder.
Jch habe dem Bischof Woldemar viel bezahlt für den Mord
meines Bruders und meiner Frau Wisigarde. Jch will aber
noch mehr bezahlen, damit man für Wisigarde bete und sie in
[Spaltenumbruch] der Nacht nicht als Gespenst komme, mich zu peinigen. Morgen
schon will ich anfangen, die Kapelle in dem Walde bauen zu
lassen zum Andenken an das Wunder des heiligen Bischofs
Woldemar. Auch sein Schloß will ich wieder aufbauen lassen.
Guter Herr Gott, erbarme Dich eines armen Sünders! Befreie
mich diese Nacht von der Anwesenheit des Teufels und von dem
Geiste meiner Frau Wisigarde.



Herr Ritter, Herr Ritter Olaf, erwache! Du hast diese
Nacht nicht in den Armen Einer Deiner Dienerinnen verbracht,
sondern aus Furcht vor dem Teufel knieend neben Deinem Pfaffen
und hast fortwährend die Gebete nachgesprochen, welche der
fromme Mann schlaftrunken murmelte. Erst bei der Morgen-
dämmerung, der Zeit, in welcher die Geister verschwinden müssen,
fandest Du einige Ruhe wieder und schliefst auf Deinem Lager
von Bärenfellen ein.. Ritter Olaf erwache! Einer der Söhne
Deines guten Königs kommt. Kanut, der Bastard, kommt, Statt-
halter im Angelsachsenland für seinen Vater. Er kommt, welch'
unermeßliche Gnade, mit seinen drei Günstlingen und einer
großen Anzahl Leute. Erwache, Herr Ritter, der Prinz Kanut
will Dich besuchen. Der Reiterzug ist zahlreich und glänzend.
Die drei liebsten Freunde Kanuts begleiten ihn, — Jngurd,
Sparre und der Löwe von Rendsburg, jener treulose Angelsachse,
der gleich vielen Andern sich den siegreichen Dänen angeschlossen
hat. Löwe von Rendsburg heißt der Ritter, weil er der erste
unter den blutgierigen Räubern ist.

Herr Ritter, Herr Ritter Olaf, erwache und wecke auch
Deine Frau Ortrun, welche die ganze Nacht gezittert und dann
von ermordeten Frauen geträumt hat. Schnell, schnell, damit
Ortrun ihren schönsten Schmuck und die reichsten Kleider Deiner
vierten Frau Wisigarde anlege, für deren Ermordung Du dem
Bischofe Woldemar so viel gezahlt hast! Schnell, schnell, Herr
Ritter, damit Ortrun in allen ihren Reizen erscheine; Kanut kann
sie ja für sich oder einen seiner Günstlinge wünschen! Ein gnä-
diger Prinz! Gefällt ein Mädchen oder eine Frau Einem seiner
Freunde, so giebt er demselben sofort ein königliches Diplom,
kraft dessen er die Schöne für sich in Anspruch nehmen kann.

Schnell, schnell, Herr Ritter, laß Deine Reisigen aufsitzen
und Dein Fußvolk bewaffnen, stelle Dich in Deiner glänzendsten
Rüstung an die Spitze, schwinge Dich auf Dein starkes Pferd
mit dem Sattel und Zaum von rothem Leder, mit Gebiß und
Steigbügeln von Silber; schnell, eile dem glorreichen Prinzen
entgegen! Schon ist Dein königlicher Gast mit seinem Gefolge
nur noch in geringer Entfernung von Deiner Burg, wohin ihn
auch Dein Gönner, der fromme Bischof Woldemar, begleitet.

— Verflucht sei die Ankunft dieses Kanut! murrte Olaf.
Wenn er mit seinen Leuten nur einige Tage hier bleibt, saufen
sie meinen Wein aus, fressen alle meine Lebensmittel auf und
nehmen mir wohl gar etwas von meinem Silbergeschirr mit, das
ich bei dieser Gelegenheit hervorholen muß. Jch und meine
Leute lieben diese Leute vom Hofe nicht, welche uns auf dem
Lande immer verspotten, weil sie in Palästen und Städten wohnen.

So sprach der Ritter Olaf, als er mit seinen Kriegern dem
Prinzen Kanut entgegenzog, der mit seinen Begleitern kaum noch
zwei Bogenschüsse weit von dem Graben der Burg entfernt war.

[Ende Spaltensatz]

( Fortsetzung folgt. )

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[64/0016] Zur Unterhaltung und Belehrung. 64 — Komm, Hilda. Dabei sah er nach seiner Frau hin und setzte hinzu: — Du siehst sehr blaß aus, Ortrun; Du bist verlegen. Warum bist Du so blaß? Das arme Weib dachte wahrscheinlich an die Nacht, in welcher er seine letzte Frau umgebracht und auch zu einer Bei- schläferin gesagt hatte: Komm! — so daß die Worte Olaf's sie in noch größere Verlegenheit brachten. Sie konnte deshalb kaum flüstern, fast ohne zu wissen, was sie sagte: — Mein Herr.. — Was hast Du? Antworte! fiel Olaf roh ein. — Wirst Du etwas dagegen haben, daß ich zu der Leibeigenen da sagte: Komm? — Ach nein, nein. Jst ja mein Gemahl Herr hier, und bin ich, Ortrun, doch nur seine Dienerin.. 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Zitationshilfe: Social-politische Blätter. 3. Lieferung. Berlin, 6. März 1873, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social03_1873/16>, abgerufen am 14.08.2024.