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Social-politische Blätter. 1. Lieferung. Berlin, 7. Februar 1874.

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Zur Unterhaltung und Belehrung. 7
[Beginn Spaltensatz] Schutze ihres Eigenthums und Lebens zu berathen, das durch
die Bulle des Oberhauptes der Christenheit für vogelfrei erklärt
worden war. Der Enthusiasmus war so groß, daß nur Greise,
Weiber und Kinder in den Häusern zurückgeblieben waren.

Jn der Straße, in der Jano wohnte, bewegte sich langsam
die schwarze Gestalt eines Priesters dicht an den Häusern fort.
Er hatte die Kapuze über den Kopf gezogen, trug den Rosen-
kranz in der Hand und nahm die feierliche Haltung eines
Kirchendieners an, der auf einem frommen, gottgefälligen Wege
begriffen ist.

Ein junges Mädchen begegnete ihm, grüßte ehrfurchtsvoll
und erhielt als Gegengruß Worte des Segens.

Vor der Thür Jano's blieb der Priester stehen. Er lauschte.
Jn der Stille des Abends ließ sich deutlich das Geräusch ver-
nehmen, das die in dem Keller arbeitenden Gesellen verur-
sachten.

-- Dasselbe seltsame Geräusch, daß ich schon seit einiger
Zeit, selbst um Mitternacht, gehört habe. Außerdem hat man
hier den Ritter Janetscheck gesehen, der gegenwärtig mit dem
Hussitenführer Ziska verhandelt, um einen Zuzug von Truppen
gegen die Kreuzfahrer zu erhalten. Jn dem Hause des Waffen-
schmieds bereitet sich jedenfalls etwas von Wichtigkeit vor --
der Meister wird diesen Abend spät von der Berathung bei dem
Ritter zurückkehren, darum will ich bei der Meisterin versuchen,
dem verdächtigen Treiben auf die Spur zu kommen. Es giebt
nur wenig getreue des heiligen Vaters, deren Muth mit der
Treue im Verhältniß steht. Noch ehren mich die Hussiten als
ihren Prediger -- also rasch das schlaue Werk begonnen!

Der Priester klopfte an die Thür, die fest verschlossen war.
Gleich darauf fragte eine weibliche Stimme in dem Jnnern des
Hauses:

-- Bist Du es, Jano? Warte einen Augenblick, und ich
öffne!

Alles ward still in dem Hause, selbst das Geräusch im
Keller schwieg.

Die junge Frau des Schmieds! murmelte der Priester.
Wie vorsichtig! Sie vermuthet den zurückkehrenden Mann, und
dennoch zögert sie mit dem Oeffnen der Thür. Ah, mein liebes
Kind, ich hoffe, Du wirst mir heute das Geheimniß Deines
Mannes enthüllen.

-- Da bin ich! rief Wlaska im Jnnern des Hauses und
indem sie die schweren Riegel zurückschob. Dann öffnete sie die
Thür. Als sie bei dem Scheine ihrer Lampe den Priester an
der Schwelle erblickte, flüsterte sie erschreckt:

-- Jhr seid's, Vater Johannes?

-- Jch selbst, meine Tochter!

-- Seid Jhr nicht in der Versammlung der Gemeinde?

-- Der Diener des Herrn hat seinen Platz nur an ge-
weihter Stätte; wo die Krieger verhandeln, taugen die Worte
des Friedens nicht, aber ich kann die Waffen segnen, mit denen
man zum heiligen Kampfe zieht. Jch komme von einem Kran-
ken zurück, dem ich die Trostesworte der heiligen Religion er-
theilt habe, damit ihm sein Schmerzenslager nicht unerträglich
werde -- auf dem Heimwege wollte ich bei dem geachteten Mei-
ster Jano vorsprechen, denn es drängt mich, zu erfahren, was
für Nachrichten von unsern Feinden eingelaufen sind.

-- Mein Mann ist noch nicht zurückgekehrt. Wollt Jhr
aber eintreten und ihn erwarten, so seid Jhr freundlich einge-
laden.

Vater Johannes trat in das Haus, und Wlaska schloß die
Thür wieder.

Während der Priester durch die Werkstatt ging, sah er sich
nach allen Seiten um. An den Wänden lagen fertige Schwer-
[Spaltenumbruch] ter aufgeschichtet, in den Ecken standen Lanzen mit schweren
eisernen Spitzen, und wo sich nur irgend Platz vorfand, zeigten
sich Pickelhauben und Panzer. Der Schmied hatte alle Vorräthe
in die Werkstatt tragen lassen, weil sie in der Nacht noch zum
Ritter gebracht werden sollten.

Wlaska geleitete ihren Gast in das Wohnzimmer, wo sie
ihn aufforderte, sich niederzulassen.

-- Wer ist der Kranke, den Jhr besucht habt, frommer
Vater? fragte sie.

-- Puska, der Roßhändler.

-- Jst er gefährlich krank?

-- Sein Zustand, mein gutes Kind, ist um so bedenklicher,
da die Krankheit mehr den Geist, als den Körper ergriffen hat.

-- Wie meint Jhr das? fragte verwundert die junge
Frau.

-- Der Roßhändler glaubt, daß der Bannfluch des Papstes
auf seiner Familie laste.

-- Nicht möglich!

-- Jhr wißt, fuhr ruhig der Priester fort, daß dem Armen
vorgestern ein Kind gestorben ist.

-- So hörte ich zu meinem Bedauern.

-- Seine Frau, die sich neuerdings wieder Mutter fühlt
ist ihm gestern erkrankt.

-- O Himmel!

-- Und zugleich sein letztes Kind von sechs Jahren.

-- Das ist hart! rief Wlaska, von Mitleiden überwältigt.

-- Dazu kommt noch, daß alle seine Pferde, die er zum
Verkaufe in seinen Ställen hält, von einer Seuche befallen sind,
die man bis jetzt nicht gekannt hat. Alle diese Ereignisse haben
so stark auf den guten Mann eingewirkt, daß er in seinem Glau-
ben zu schwanken beginnt. Er sprach diesen Abend davon, Ha-
rattowitz zu verlassen und sich einer römisch=katholischen Gemeinde
anzuschließen.

Die junge Frau starrte den Priester einige Augenblicke
sprachlos an, dann flüsterte sie:

-- Puska, der sonst so starke und feste Mann schwankt?

-- Jst er nicht Euer Vetter? fragte der Priester.

-- Er ist es, und deshalb betrübt mich sein Unglück doppelt.

-- Wohl ist der arme Mann zu beklagen! seufzte der fromme
Johannes, indem er einen Seitenblick auf Wlaska warf, die still
zu weinen begann. Jch habe ihn zu trösten versucht, allein es
war vergebens.

-- Was hofft Jhr für ihn? flüsterte Wlaska.

Vater Johannes schüttelte bedächtig das Haupt, dann sagte
er in einem bedauernden Tone:

-- Dem Glauben, mein Kind, läßt sich durch überredende
Worte keine Richtung geben, er muß sich frei in der Brust des
Menschen gestalten, wenn er segenbringend für das Leben sein
soll. Dem Verirrten kann man durch Zurechtweisen helfen, aber
ihn zur Annahme von Meinungen zwingen zu wollen, die er
unter der Last seines Kummers nicht begreifen kann, wäre ein
nicht zu verantwortender Frevel. Und denkt nicht Jeder, daß
sein Glaube der beste sei? Puska lebt in diesem Augenblicke
der Ansicht, er habe einen schweren Jrrthum begangen, als er
sich vor zwei Jahren unserer Religionspartei anschloß; die ihn
betroffen habenden Unglücksfälle hält er für Strafe des Himmels,
die er nur dadurch von sich abwälzen könne, daß er durch den
Rücktritt zur katholischen Kirche seine Reue bekundet und den
Bannfluch unwirksam macht.

-- Und glaubt Jhr, fragte Wlaska, daß er in diesem Falle
wieder glücklich werden wird?

-- Sein Glück wird darin bestehen, daß er sich, nachdem
[Ende Spaltensatz]

Zur Unterhaltung und Belehrung. 7
[Beginn Spaltensatz] Schutze ihres Eigenthums und Lebens zu berathen, das durch
die Bulle des Oberhauptes der Christenheit für vogelfrei erklärt
worden war. Der Enthusiasmus war so groß, daß nur Greise,
Weiber und Kinder in den Häusern zurückgeblieben waren.

Jn der Straße, in der Jano wohnte, bewegte sich langsam
die schwarze Gestalt eines Priesters dicht an den Häusern fort.
Er hatte die Kapuze über den Kopf gezogen, trug den Rosen-
kranz in der Hand und nahm die feierliche Haltung eines
Kirchendieners an, der auf einem frommen, gottgefälligen Wege
begriffen ist.

Ein junges Mädchen begegnete ihm, grüßte ehrfurchtsvoll
und erhielt als Gegengruß Worte des Segens.

Vor der Thür Jano's blieb der Priester stehen. Er lauschte.
Jn der Stille des Abends ließ sich deutlich das Geräusch ver-
nehmen, das die in dem Keller arbeitenden Gesellen verur-
sachten.

— Dasselbe seltsame Geräusch, daß ich schon seit einiger
Zeit, selbst um Mitternacht, gehört habe. Außerdem hat man
hier den Ritter Janetscheck gesehen, der gegenwärtig mit dem
Hussitenführer Ziska verhandelt, um einen Zuzug von Truppen
gegen die Kreuzfahrer zu erhalten. Jn dem Hause des Waffen-
schmieds bereitet sich jedenfalls etwas von Wichtigkeit vor —
der Meister wird diesen Abend spät von der Berathung bei dem
Ritter zurückkehren, darum will ich bei der Meisterin versuchen,
dem verdächtigen Treiben auf die Spur zu kommen. Es giebt
nur wenig getreue des heiligen Vaters, deren Muth mit der
Treue im Verhältniß steht. Noch ehren mich die Hussiten als
ihren Prediger — also rasch das schlaue Werk begonnen!

Der Priester klopfte an die Thür, die fest verschlossen war.
Gleich darauf fragte eine weibliche Stimme in dem Jnnern des
Hauses:

— Bist Du es, Jano? Warte einen Augenblick, und ich
öffne!

Alles ward still in dem Hause, selbst das Geräusch im
Keller schwieg.

Die junge Frau des Schmieds! murmelte der Priester.
Wie vorsichtig! Sie vermuthet den zurückkehrenden Mann, und
dennoch zögert sie mit dem Oeffnen der Thür. Ah, mein liebes
Kind, ich hoffe, Du wirst mir heute das Geheimniß Deines
Mannes enthüllen.

— Da bin ich! rief Wlaska im Jnnern des Hauses und
indem sie die schweren Riegel zurückschob. Dann öffnete sie die
Thür. Als sie bei dem Scheine ihrer Lampe den Priester an
der Schwelle erblickte, flüsterte sie erschreckt:

— Jhr seid's, Vater Johannes?

— Jch selbst, meine Tochter!

— Seid Jhr nicht in der Versammlung der Gemeinde?

— Der Diener des Herrn hat seinen Platz nur an ge-
weihter Stätte; wo die Krieger verhandeln, taugen die Worte
des Friedens nicht, aber ich kann die Waffen segnen, mit denen
man zum heiligen Kampfe zieht. Jch komme von einem Kran-
ken zurück, dem ich die Trostesworte der heiligen Religion er-
theilt habe, damit ihm sein Schmerzenslager nicht unerträglich
werde — auf dem Heimwege wollte ich bei dem geachteten Mei-
ster Jano vorsprechen, denn es drängt mich, zu erfahren, was
für Nachrichten von unsern Feinden eingelaufen sind.

— Mein Mann ist noch nicht zurückgekehrt. Wollt Jhr
aber eintreten und ihn erwarten, so seid Jhr freundlich einge-
laden.

Vater Johannes trat in das Haus, und Wlaska schloß die
Thür wieder.

Während der Priester durch die Werkstatt ging, sah er sich
nach allen Seiten um. An den Wänden lagen fertige Schwer-
[Spaltenumbruch] ter aufgeschichtet, in den Ecken standen Lanzen mit schweren
eisernen Spitzen, und wo sich nur irgend Platz vorfand, zeigten
sich Pickelhauben und Panzer. Der Schmied hatte alle Vorräthe
in die Werkstatt tragen lassen, weil sie in der Nacht noch zum
Ritter gebracht werden sollten.

Wlaska geleitete ihren Gast in das Wohnzimmer, wo sie
ihn aufforderte, sich niederzulassen.

— Wer ist der Kranke, den Jhr besucht habt, frommer
Vater? fragte sie.

— Puska, der Roßhändler.

— Jst er gefährlich krank?

— Sein Zustand, mein gutes Kind, ist um so bedenklicher,
da die Krankheit mehr den Geist, als den Körper ergriffen hat.

— Wie meint Jhr das? fragte verwundert die junge
Frau.

— Der Roßhändler glaubt, daß der Bannfluch des Papstes
auf seiner Familie laste.

— Nicht möglich!

— Jhr wißt, fuhr ruhig der Priester fort, daß dem Armen
vorgestern ein Kind gestorben ist.

— So hörte ich zu meinem Bedauern.

— Seine Frau, die sich neuerdings wieder Mutter fühlt
ist ihm gestern erkrankt.

— O Himmel!

— Und zugleich sein letztes Kind von sechs Jahren.

— Das ist hart! rief Wlaska, von Mitleiden überwältigt.

— Dazu kommt noch, daß alle seine Pferde, die er zum
Verkaufe in seinen Ställen hält, von einer Seuche befallen sind,
die man bis jetzt nicht gekannt hat. Alle diese Ereignisse haben
so stark auf den guten Mann eingewirkt, daß er in seinem Glau-
ben zu schwanken beginnt. Er sprach diesen Abend davon, Ha-
rattowitz zu verlassen und sich einer römisch=katholischen Gemeinde
anzuschließen.

Die junge Frau starrte den Priester einige Augenblicke
sprachlos an, dann flüsterte sie:

— Puska, der sonst so starke und feste Mann schwankt?

— Jst er nicht Euer Vetter? fragte der Priester.

— Er ist es, und deshalb betrübt mich sein Unglück doppelt.

— Wohl ist der arme Mann zu beklagen! seufzte der fromme
Johannes, indem er einen Seitenblick auf Wlaska warf, die still
zu weinen begann. Jch habe ihn zu trösten versucht, allein es
war vergebens.

— Was hofft Jhr für ihn? flüsterte Wlaska.

Vater Johannes schüttelte bedächtig das Haupt, dann sagte
er in einem bedauernden Tone:

— Dem Glauben, mein Kind, läßt sich durch überredende
Worte keine Richtung geben, er muß sich frei in der Brust des
Menschen gestalten, wenn er segenbringend für das Leben sein
soll. Dem Verirrten kann man durch Zurechtweisen helfen, aber
ihn zur Annahme von Meinungen zwingen zu wollen, die er
unter der Last seines Kummers nicht begreifen kann, wäre ein
nicht zu verantwortender Frevel. Und denkt nicht Jeder, daß
sein Glaube der beste sei? Puska lebt in diesem Augenblicke
der Ansicht, er habe einen schweren Jrrthum begangen, als er
sich vor zwei Jahren unserer Religionspartei anschloß; die ihn
betroffen habenden Unglücksfälle hält er für Strafe des Himmels,
die er nur dadurch von sich abwälzen könne, daß er durch den
Rücktritt zur katholischen Kirche seine Reue bekundet und den
Bannfluch unwirksam macht.

— Und glaubt Jhr, fragte Wlaska, daß er in diesem Falle
wieder glücklich werden wird?

— Sein Glück wird darin bestehen, daß er sich, nachdem
[Ende Spaltensatz]

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Dem Verirrten kann man durch Zurechtweisen helfen, aber ihn zur Annahme von Meinungen zwingen zu wollen, die er unter der Last seines Kummers nicht begreifen kann, wäre ein nicht zu verantwortender Frevel. Und denkt nicht Jeder, daß sein Glaube der beste sei? Puska lebt in diesem Augenblicke der Ansicht, er habe einen schweren Jrrthum begangen, als er sich vor zwei Jahren unserer Religionspartei anschloß; die ihn betroffen habenden Unglücksfälle hält er für Strafe des Himmels, die er nur dadurch von sich abwälzen könne, daß er durch den Rücktritt zur katholischen Kirche seine Reue bekundet und den Bannfluch unwirksam macht. — Und glaubt Jhr, fragte Wlaska, daß er in diesem Falle wieder glücklich werden wird? — Sein Glück wird darin bestehen, daß er sich, nachdem

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




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Zitationshilfe: Social-politische Blätter. 1. Lieferung. Berlin, 7. Februar 1874, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social01_1874/7>, abgerufen am 23.11.2024.