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Social-politische Blätter. 1. Lieferung. Berlin, 7. Februar 1874.

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Zur Unterhaltung und Belehrung. 10
[Beginn Spaltensatz] Kirche erhalte. Das Geschlecht eines Mörders ist bis auf den
letzten Nachkommen verflucht!

-- Herr, flüsterte Wlaska in einer wahren Todesangst,
Jano ist kein Mörder, aber er vergißt über die Gemeinschaft
mit einem Mörder seine Gattin! Seine Verblendung reißt ihn
zum Ritter Janetschek hin -- er fühlt sich geehrt, die Freund-
schaft des Großen schmeichelt ihm -- und der Ritter --

-- Nun, der Ritter?

-- Er hat den Mönch erschlagen!

Johannes verbarg sein Erstaunen und fragte wie ungläubig:

-- Mein Kind, Du hast eine schwere Beschuldigung ausge-
sprochen -- irrst Du auch nicht?

-- Hier, in diesem Zimmer, hat es der Ritter meinem
Manne mitgetheilt. Jch war dort in jener Kammer und hörte
Alles.

-- Das ist furchtbar! Das will der Gott der Liebe und
des Friedens nicht! Der Umgang mit solchen Gottlosen, die
ihrer Rache jedes menschliche Gefühl opfern, ist unheilbringend
und führt endlich zum Tode.

-- Ach, mein würdiger Vater, dieses Geheimniß drückte
mich fast zu Boden. Wenn ich sah, wie sich das Band der
Freundschaft immer fester um den Ritter und meinen Mann zog,
hätte ich vor Schmerz und Besorgniß vergehen mögen. Was
soll ich thun! Was soll ich thun!

-- Wlaska, hört meinen Rath: Jhr folgt der Stimme des
Gewissens und laßt Euch von den Zungen der Menschen nicht
überreden. Bleibt Eurem Glauben treu, in dem Jhr selig zu
werden hofft, und sucht Euern Mann von den Fesseln jener
bösen Freundschaft zu befreien, welche Verblendung um den
armen Jano geschlungen hat. Dann seid Jhr seine Retterin,
und die Folgen der bösen That können Euch nicht treffen. Uebri-
gens bewahrt das Geheimniß, denn es ist ein gefährliches.

Auf der Straße ward es lebhaft, es ließen sich Schritte
und Stimmen vernehmen. Die geängstigte Wlaska fuhr schau-
dernd zusammen.

-- Was ist das?

-- Die Versammlung wird auseinandergehen, mein Kind.
Jch verlasse Euch und ermahne Euch noch einmal zur Festigkeit
und Ausdauer. Geht Eurem verblendeten Manne mit gutem
Beispiele voran. Der Segen des Herrn sei mit Euch bis in
alle Ewigkeit!

Und in der nächsten Minute befand sich Wlaska allein.
Der Priester, erfreut über das wichtige Geheimniß, in dessen
Besitz er so unvermuthet gelangt war, eilte seiner Wohnung zu,
wo er einen Bettelmönch vorfand, den er noch in derselben Nacht
mit Botschaft an den kaiserlichen Heerführer absandte, der mit
zwanzigtausend fanatischen Katholiken im Anzuge war, die Stadt
Harattowitz mit Sturm zu erobern und die Hussiten durch das
Schwert zur Rückkehr in den Schooß der katholischen Kirche zu
bewegen.

Als Jano sein Haus betrat, glaubensmuthig und voll Sie-
geshoffnung, fand er Wlaska in Thränen. Sie streckte ihm mit
einem schmerzlichen Lächeln beide Hände entgegen.

-- Schon wieder in Thränen? Wlaska! rief er im Tone
schmerzlichen Vorwurfs.

-- Vergieb mir, Jano.

-- Was ist geschehen? ich war seit drei Stunden ab-
wesend --

-- Nichts!

-- War Jemand hier?

-- Nein! antwortete Wlaska erröthend und mit schwanken-
der Stimme -- sie hatte die erste Lüge gesagt.

-- So begreife ich Deine Trauer nicht.

[Spaltenumbruch]

Die junge Frau warf sich um seinen Hals. Schluchzend
rief sie aus:

-- Jano, Du warst abwesend -- ich saß allein mit meinem
Kummer zu Hause --!

-- Was macht Dir Kummer, Wlaska? Nenne mir den
Grund, und ich werde ihn verscheuchen! Wie, Du zögerst? Liebe
ich Dich nicht wie mein Leben?

-- Jano, Du warst bei dem Ritter Janetschek --

-- Ganz recht.

-- Fliehe ihn!

-- Warum?

-- Er ist der Mörder des Mönchs, er hat den Bannfluch
auf unsere Stadt herabgerufen! Bedenke, daß ich Dein Weib
bin, das Dein Kind unter dem Herzen trägt.

-- Was hat mein Weib, mein Kind mit dem Ritter zu
schaffen? fuhr der junge Mann auf, den eine fürchterliche Ahnung
durchbebte.

-- Jano, Gott straft den Mörder und Jeden, der mit ihm
verkehrt! Bleibe bei Deiner Frau, die Dich herzlich liebt!

-- Wlaska, auch Du? Wer hat diese böse Saat in mein
Haus gesäet?

-- Auch der wackere Puska hat seine Ansicht geändert --
Jano, kehre um! Es bricht mir das Herz, wenn ich länger
schweige -- bedenke unser Kind!

-- Jano entwand sich sanft ihrer Umarmung. Eine tiefe
Trauer sprach sich in seinen Zügen aus, als er die Worte mur-
melte: also auch hier hat das böse Beispiel gewirkt, auch die
Liebe meines Weibes ist nicht stark genug, um der religiösen
Verblendung zu widerstehen. Wlaska, ich erwarte morgen Deine
feste Erklärung!

Erschüttert ging der Meister hinaus, um den Leuten des
Ritters die fertigen Waffen zu überliefern. Thränen eines tiefen
Schmerzes rannen ihm über die gebräunten Wangen und die
kräftigen Hände erbebten leise.

-- Er liebt mich nicht mehr! schluchzte Wlaska. Ach, es
fehlt Alles, wenn der Segen der heiligen Jungfrau fehlt!

Weinend zog sie sich in ihr Kämmerlein zurück. Jano blieb
im Keller, wo er rüstig bis zum Morgen arbeitete.



Einige Wochen später rückte der kaiserliche Heerführer mit
einem Heer von zwanzigtausend fanatischen Katholiken gegen
Harattowitz vor. Die Pfaffen hatten diesen Haufen in eine an
Wahnsinn grenzende religiöse Wuth versetzt, so daß er seit dem
Ueberschreiten der Grenze dieses unglücklichen Landestheiles scho-
nungslos raubte, sengte und mordete. Die scheußlichsten Gräuel
wurden zur Ehre des Heilandes und zur Verherrlichung der
heiligen Jungfrau verübt.

Jn Harattowitz fanden die sogenannten Kreuzfahrer den hef-
tigsten Widerstand, denn bier hatte der Ritter Janetschek die
kampffähigen Hussiten gesammelt, um den Grausamkeiten der
Feinde ein Ziel zu setzen. Die Katholiken warfen den Ritter in
die Stadt zurück, welche die Hussiten so gut als möglich be-
festigt hatten. Es begann nun eine förmliche Belagerung. Jn
der an Umfang nicht bedeutenden Stadt befanden sich zwanzig-
tausend Seelen, die sich aus Furcht vor den wilden Kreuzfahrern
dahin geflüchtet hatten. Es gab nicht Häuser genug, um die
armen Flüchtlinge, Greise, Männer, Weiber und Kinder, aufzu-
nehmen. Die Stadt bot einen unbeschreiblichen Anblick dar.
Zwischen den auf den Straßen liegenden Familien, die größten-
theils schon den Verlust geliebter Angehöriger zu beklagen hat-
ten, sah man bewaffnete Männer, die ihnen Muth zusprachen.
Der Ritter selbst zog zu Roß durch die Stadt, er verkündete
[Ende Spaltensatz]

Zur Unterhaltung und Belehrung. 10
[Beginn Spaltensatz] Kirche erhalte. Das Geschlecht eines Mörders ist bis auf den
letzten Nachkommen verflucht!

— Herr, flüsterte Wlaska in einer wahren Todesangst,
Jano ist kein Mörder, aber er vergißt über die Gemeinschaft
mit einem Mörder seine Gattin! Seine Verblendung reißt ihn
zum Ritter Janetschek hin — er fühlt sich geehrt, die Freund-
schaft des Großen schmeichelt ihm — und der Ritter —

— Nun, der Ritter?

— Er hat den Mönch erschlagen!

Johannes verbarg sein Erstaunen und fragte wie ungläubig:

— Mein Kind, Du hast eine schwere Beschuldigung ausge-
sprochen — irrst Du auch nicht?

— Hier, in diesem Zimmer, hat es der Ritter meinem
Manne mitgetheilt. Jch war dort in jener Kammer und hörte
Alles.

— Das ist furchtbar! Das will der Gott der Liebe und
des Friedens nicht! Der Umgang mit solchen Gottlosen, die
ihrer Rache jedes menschliche Gefühl opfern, ist unheilbringend
und führt endlich zum Tode.

— Ach, mein würdiger Vater, dieses Geheimniß drückte
mich fast zu Boden. Wenn ich sah, wie sich das Band der
Freundschaft immer fester um den Ritter und meinen Mann zog,
hätte ich vor Schmerz und Besorgniß vergehen mögen. Was
soll ich thun! Was soll ich thun!

— Wlaska, hört meinen Rath: Jhr folgt der Stimme des
Gewissens und laßt Euch von den Zungen der Menschen nicht
überreden. Bleibt Eurem Glauben treu, in dem Jhr selig zu
werden hofft, und sucht Euern Mann von den Fesseln jener
bösen Freundschaft zu befreien, welche Verblendung um den
armen Jano geschlungen hat. Dann seid Jhr seine Retterin,
und die Folgen der bösen That können Euch nicht treffen. Uebri-
gens bewahrt das Geheimniß, denn es ist ein gefährliches.

Auf der Straße ward es lebhaft, es ließen sich Schritte
und Stimmen vernehmen. Die geängstigte Wlaska fuhr schau-
dernd zusammen.

— Was ist das?

— Die Versammlung wird auseinandergehen, mein Kind.
Jch verlasse Euch und ermahne Euch noch einmal zur Festigkeit
und Ausdauer. Geht Eurem verblendeten Manne mit gutem
Beispiele voran. Der Segen des Herrn sei mit Euch bis in
alle Ewigkeit!

Und in der nächsten Minute befand sich Wlaska allein.
Der Priester, erfreut über das wichtige Geheimniß, in dessen
Besitz er so unvermuthet gelangt war, eilte seiner Wohnung zu,
wo er einen Bettelmönch vorfand, den er noch in derselben Nacht
mit Botschaft an den kaiserlichen Heerführer absandte, der mit
zwanzigtausend fanatischen Katholiken im Anzuge war, die Stadt
Harattowitz mit Sturm zu erobern und die Hussiten durch das
Schwert zur Rückkehr in den Schooß der katholischen Kirche zu
bewegen.

Als Jano sein Haus betrat, glaubensmuthig und voll Sie-
geshoffnung, fand er Wlaska in Thränen. Sie streckte ihm mit
einem schmerzlichen Lächeln beide Hände entgegen.

— Schon wieder in Thränen? Wlaska! rief er im Tone
schmerzlichen Vorwurfs.

— Vergieb mir, Jano.

— Was ist geschehen? ich war seit drei Stunden ab-
wesend —

— Nichts!

— War Jemand hier?

— Nein! antwortete Wlaska erröthend und mit schwanken-
der Stimme — sie hatte die erste Lüge gesagt.

— So begreife ich Deine Trauer nicht.

[Spaltenumbruch]

Die junge Frau warf sich um seinen Hals. Schluchzend
rief sie aus:

— Jano, Du warst abwesend — ich saß allein mit meinem
Kummer zu Hause —!

— Was macht Dir Kummer, Wlaska? Nenne mir den
Grund, und ich werde ihn verscheuchen! Wie, Du zögerst? Liebe
ich Dich nicht wie mein Leben?

— Jano, Du warst bei dem Ritter Janetschek —

— Ganz recht.

— Fliehe ihn!

— Warum?

— Er ist der Mörder des Mönchs, er hat den Bannfluch
auf unsere Stadt herabgerufen! Bedenke, daß ich Dein Weib
bin, das Dein Kind unter dem Herzen trägt.

— Was hat mein Weib, mein Kind mit dem Ritter zu
schaffen? fuhr der junge Mann auf, den eine fürchterliche Ahnung
durchbebte.

— Jano, Gott straft den Mörder und Jeden, der mit ihm
verkehrt! Bleibe bei Deiner Frau, die Dich herzlich liebt!

— Wlaska, auch Du? Wer hat diese böse Saat in mein
Haus gesäet?

— Auch der wackere Puska hat seine Ansicht geändert —
Jano, kehre um! Es bricht mir das Herz, wenn ich länger
schweige — bedenke unser Kind!

— Jano entwand sich sanft ihrer Umarmung. Eine tiefe
Trauer sprach sich in seinen Zügen aus, als er die Worte mur-
melte: also auch hier hat das böse Beispiel gewirkt, auch die
Liebe meines Weibes ist nicht stark genug, um der religiösen
Verblendung zu widerstehen. Wlaska, ich erwarte morgen Deine
feste Erklärung!

Erschüttert ging der Meister hinaus, um den Leuten des
Ritters die fertigen Waffen zu überliefern. Thränen eines tiefen
Schmerzes rannen ihm über die gebräunten Wangen und die
kräftigen Hände erbebten leise.

— Er liebt mich nicht mehr! schluchzte Wlaska. Ach, es
fehlt Alles, wenn der Segen der heiligen Jungfrau fehlt!

Weinend zog sie sich in ihr Kämmerlein zurück. Jano blieb
im Keller, wo er rüstig bis zum Morgen arbeitete.



Einige Wochen später rückte der kaiserliche Heerführer mit
einem Heer von zwanzigtausend fanatischen Katholiken gegen
Harattowitz vor. Die Pfaffen hatten diesen Haufen in eine an
Wahnsinn grenzende religiöse Wuth versetzt, so daß er seit dem
Ueberschreiten der Grenze dieses unglücklichen Landestheiles scho-
nungslos raubte, sengte und mordete. Die scheußlichsten Gräuel
wurden zur Ehre des Heilandes und zur Verherrlichung der
heiligen Jungfrau verübt.

Jn Harattowitz fanden die sogenannten Kreuzfahrer den hef-
tigsten Widerstand, denn bier hatte der Ritter Janetschek die
kampffähigen Hussiten gesammelt, um den Grausamkeiten der
Feinde ein Ziel zu setzen. Die Katholiken warfen den Ritter in
die Stadt zurück, welche die Hussiten so gut als möglich be-
festigt hatten. Es begann nun eine förmliche Belagerung. Jn
der an Umfang nicht bedeutenden Stadt befanden sich zwanzig-
tausend Seelen, die sich aus Furcht vor den wilden Kreuzfahrern
dahin geflüchtet hatten. Es gab nicht Häuser genug, um die
armen Flüchtlinge, Greise, Männer, Weiber und Kinder, aufzu-
nehmen. Die Stadt bot einen unbeschreiblichen Anblick dar.
Zwischen den auf den Straßen liegenden Familien, die größten-
theils schon den Verlust geliebter Angehöriger zu beklagen hat-
ten, sah man bewaffnete Männer, die ihnen Muth zusprachen.
Der Ritter selbst zog zu Roß durch die Stadt, er verkündete
[Ende Spaltensatz]

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Thränen eines tiefen Schmerzes rannen ihm über die gebräunten Wangen und die kräftigen Hände erbebten leise. — Er liebt mich nicht mehr! schluchzte Wlaska. Ach, es fehlt Alles, wenn der Segen der heiligen Jungfrau fehlt! Weinend zog sie sich in ihr Kämmerlein zurück. Jano blieb im Keller, wo er rüstig bis zum Morgen arbeitete. Einige Wochen später rückte der kaiserliche Heerführer mit einem Heer von zwanzigtausend fanatischen Katholiken gegen Harattowitz vor. Die Pfaffen hatten diesen Haufen in eine an Wahnsinn grenzende religiöse Wuth versetzt, so daß er seit dem Ueberschreiten der Grenze dieses unglücklichen Landestheiles scho- nungslos raubte, sengte und mordete. Die scheußlichsten Gräuel wurden zur Ehre des Heilandes und zur Verherrlichung der heiligen Jungfrau verübt. Jn Harattowitz fanden die sogenannten Kreuzfahrer den hef- tigsten Widerstand, denn bier hatte der Ritter Janetschek die kampffähigen Hussiten gesammelt, um den Grausamkeiten der Feinde ein Ziel zu setzen. Die Katholiken warfen den Ritter in die Stadt zurück, welche die Hussiten so gut als möglich be- festigt hatten. Es begann nun eine förmliche Belagerung. Jn der an Umfang nicht bedeutenden Stadt befanden sich zwanzig- tausend Seelen, die sich aus Furcht vor den wilden Kreuzfahrern dahin geflüchtet hatten. Es gab nicht Häuser genug, um die armen Flüchtlinge, Greise, Männer, Weiber und Kinder, aufzu- nehmen. Die Stadt bot einen unbeschreiblichen Anblick dar. Zwischen den auf den Straßen liegenden Familien, die größten- theils schon den Verlust geliebter Angehöriger zu beklagen hat- ten, sah man bewaffnete Männer, die ihnen Muth zusprachen. Der Ritter selbst zog zu Roß durch die Stadt, er verkündete

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Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Social-politische Blätter. 1. Lieferung. Berlin, 7. Februar 1874, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social01_1874/10>, abgerufen am 23.11.2024.