[N. N.]: Neuer Lust- und Lehrreicher Schau-Platz. Nürnberg, 1685.Kurze Vor-Ansprache An den Großgünstigen hochgeneigten Leser. DIe Historia/ welche/ eigentlich zu reden/ nichts anders ist/ als eine Wissenschafft geschehener und sich zu getragner Dingen/ ist nicht allein mit unglaublicher in allen Künsten und Lebens-Beschaffenheiten dienender Nutzbarkeit / sondern auch höchstanmuthiger Belustigung vereinbaret. Dann/ vermöge der Historie/ können wir den allzeit gleich-gearteten Lauff der Göttlichen Vorsehung/ den unter den Trübseeligkeiten allzeit grünenden Zustand der Kirchen / die gewissesten Belohnungen der Gottesfurcht/ die unausbleiblichen Straffen der Gottlosigkeit/ die vergeblichen Betrügereyen der Ketzer/ die eitlen Practicken der Tyrannen/ die verwunderlichen Erhaltungen/ Veränderungen und Verheerungen der Reichen und Herrschafften/ die entweder plötzlich entstehende oder zu Grunde gehende Zierde der Geschlechten/ die dapfern Thaten der Helden / und dann endlich die unzehligen Exempel unterschiedlicher Künsten gleichsam in einem Anblick durchsehen und betrachten. Es erlanget aber die Historia grosses Lob/ wann darinnen der Historien Affect ohne Affect beschrieben wird; dann wann ein Historicus oder Geschichtschreiber den Affecten oder Gemüths-Reegungen (unter denen diese zween die vornehmsten sind/ nemlich Gunst und Haß) ergeben / so geschicht gar gewiß/ daß er/ mit zu viel oder zu wenig Thun/ die Warheit auf die Seiten setzet. Muß also ein Geschicht-Schreiber/ die Gemüths-Reegungen / Wirkungen und Mängel der Menschen ohne Gemüths-Regung beschreiben/ wo er bey dem Leser eine Gunst erlangen und überkommen will: Ja er soll ihme allezeit das schöne Gemähl der Historie vor Augen schweben lassen/ welches Joh. Antonius Viperanus, in libro de scribenda historia gesehen zu haben/ bezeuget/ mit folgenden Worten: Er muß die Historia ansehen/ als eine freye und unverletzte Jungfrau/ welche keinen Begierden unterworffen/ die Warheit liebet/ in den Bewegungen ernsthafftig ist/ einen gesunden Leib/ anmuthige Farbe und vollkommne Glieder hat/ auch keinen liederlichen und leichtsinnigen Dingen ergeben ist/ sondern welche sich ernst- Kurze Vor-Ansprache An den Großgünstigen hochgeneigten Leser. DIe Historia/ welche/ eigentlich zu reden/ nichts anders ist/ als eine Wissenschafft geschehener und sich zu getragner Dingen/ ist nicht allein mit unglaublicher in allen Künsten und Lebens-Beschaffenheiten dienender Nutzbarkeit / sondern auch höchstanmuthiger Belustigung vereinbaret. Dann/ vermöge der Historie/ können wir den allzeit gleich-gearteten Lauff der Göttlichen Vorsehung/ den unter den Trübseeligkeiten allzeit grünenden Zustand der Kirchen / die gewissesten Belohnungen der Gottesfurcht/ die unausbleiblichen Straffen der Gottlosigkeit/ die vergeblichen Betrügereyen der Ketzer/ die eitlen Practicken der Tyrannen/ die verwunderlichen Erhaltungen/ Veränderungen und Verheerungen der Reichen und Herrschafften/ die entweder plötzlich entstehende oder zu Grunde gehende Zierde der Geschlechten/ die dapfern Thaten der Helden / und dann endlich die unzehligen Exempel unterschiedlicher Künsten gleichsam in einem Anblick durchsehen und betrachten. Es erlanget aber die Historia grosses Lob/ wann darinnen der Historien Affect ohne Affect beschrieben wird; dann wann ein Historicus oder Geschichtschreiber den Affecten oder Gemüths-Reegungen (unter denen diese zween die vornehmsten sind/ nemlich Gunst und Haß) ergeben / so geschicht gar gewiß/ daß er/ mit zu viel oder zu wenig Thun/ die Warheit auf die Seiten setzet. Muß also ein Geschicht-Schreiber/ die Gemüths-Reegungen / Wirkungen und Mängel der Menschen ohne Gemüths-Regung beschreiben/ wo er bey dem Leser eine Gunst erlangen und überkommen will: Ja er soll ihme allezeit das schöne Gemähl der Historie vor Augen schweben lassen/ welches Joh. Antonius Viperanus, in libro de scribendâ historiâ gesehen zu haben/ bezeuget/ mit folgenden Worten: Er muß die Historia ansehen/ als eine freye und unverletzte Jungfrau/ welche keinen Begierden unterworffen/ die Warheit liebet/ in den Bewegungen ernsthafftig ist/ einen gesunden Leib/ anmuthige Farbe und vollkom̃ne Glieder hat/ auch keinen liederlichen und leichtsinnigen Dingen ergeben ist/ sondern welche sich ernst- <TEI> <text> <front> <div> <pb facs="#f0009"/> <head>Kurze Vor-Ansprache An den Großgünstigen hochgeneigten Leser.</head> <p>DIe Historia/ welche/ eigentlich zu reden/ nichts anders ist/ als eine Wissenschafft geschehener und sich zu getragner Dingen/ ist nicht allein mit unglaublicher in allen Künsten und Lebens-Beschaffenheiten dienender Nutzbarkeit / sondern auch höchstanmuthiger Belustigung vereinbaret. Dann/ vermöge der Historie/ können wir den allzeit gleich-gearteten Lauff der Göttlichen Vorsehung/ den unter den Trübseeligkeiten allzeit grünenden Zustand der Kirchen / die gewissesten Belohnungen der Gottesfurcht/ die unausbleiblichen Straffen der Gottlosigkeit/ die vergeblichen Betrügereyen der Ketzer/ die eitlen Practicken der Tyrannen/ die verwunderlichen Erhaltungen/ Veränderungen und Verheerungen der Reichen und Herrschafften/ die entweder plötzlich entstehende oder zu Grunde gehende Zierde der Geschlechten/ die dapfern Thaten der Helden / und dann endlich die unzehligen Exempel unterschiedlicher Künsten gleichsam in einem Anblick durchsehen und betrachten. Es erlanget aber die Historia grosses Lob/ wann darinnen der Historien Affect ohne Affect beschrieben wird; dann wann ein Historicus oder Geschichtschreiber den Affecten oder Gemüths-Reegungen (unter denen diese zween die vornehmsten sind/ nemlich Gunst und Haß) ergeben / so geschicht gar gewiß/ daß er/ mit zu viel oder zu wenig Thun/ die Warheit auf die Seiten setzet. Muß also ein Geschicht-Schreiber/ die Gemüths-Reegungen / Wirkungen und Mängel der Menschen ohne Gemüths-Regung beschreiben/ wo er bey dem Leser eine Gunst erlangen und überkommen will: Ja er soll ihme allezeit das schöne Gemähl der Historie vor Augen schweben lassen/ welches Joh. Antonius Viperanus, in libro de scribendâ historiâ gesehen zu haben/ bezeuget/ mit folgenden Worten: Er muß die Historia ansehen/ als eine freye und unverletzte Jungfrau/ welche keinen Begierden unterworffen/ die Warheit liebet/ in den Bewegungen ernsthafftig ist/ einen gesunden Leib/ anmuthige Farbe und vollkom̃ne Glieder hat/ auch keinen liederlichen und leichtsinnigen Dingen ergeben ist/ sondern welche sich ernst- </p> </div> </front> </text> </TEI> [0009]
Kurze Vor-Ansprache An den Großgünstigen hochgeneigten Leser. DIe Historia/ welche/ eigentlich zu reden/ nichts anders ist/ als eine Wissenschafft geschehener und sich zu getragner Dingen/ ist nicht allein mit unglaublicher in allen Künsten und Lebens-Beschaffenheiten dienender Nutzbarkeit / sondern auch höchstanmuthiger Belustigung vereinbaret. Dann/ vermöge der Historie/ können wir den allzeit gleich-gearteten Lauff der Göttlichen Vorsehung/ den unter den Trübseeligkeiten allzeit grünenden Zustand der Kirchen / die gewissesten Belohnungen der Gottesfurcht/ die unausbleiblichen Straffen der Gottlosigkeit/ die vergeblichen Betrügereyen der Ketzer/ die eitlen Practicken der Tyrannen/ die verwunderlichen Erhaltungen/ Veränderungen und Verheerungen der Reichen und Herrschafften/ die entweder plötzlich entstehende oder zu Grunde gehende Zierde der Geschlechten/ die dapfern Thaten der Helden / und dann endlich die unzehligen Exempel unterschiedlicher Künsten gleichsam in einem Anblick durchsehen und betrachten. Es erlanget aber die Historia grosses Lob/ wann darinnen der Historien Affect ohne Affect beschrieben wird; dann wann ein Historicus oder Geschichtschreiber den Affecten oder Gemüths-Reegungen (unter denen diese zween die vornehmsten sind/ nemlich Gunst und Haß) ergeben / so geschicht gar gewiß/ daß er/ mit zu viel oder zu wenig Thun/ die Warheit auf die Seiten setzet. Muß also ein Geschicht-Schreiber/ die Gemüths-Reegungen / Wirkungen und Mängel der Menschen ohne Gemüths-Regung beschreiben/ wo er bey dem Leser eine Gunst erlangen und überkommen will: Ja er soll ihme allezeit das schöne Gemähl der Historie vor Augen schweben lassen/ welches Joh. Antonius Viperanus, in libro de scribendâ historiâ gesehen zu haben/ bezeuget/ mit folgenden Worten: Er muß die Historia ansehen/ als eine freye und unverletzte Jungfrau/ welche keinen Begierden unterworffen/ die Warheit liebet/ in den Bewegungen ernsthafftig ist/ einen gesunden Leib/ anmuthige Farbe und vollkom̃ne Glieder hat/ auch keinen liederlichen und leichtsinnigen Dingen ergeben ist/ sondern welche sich ernst-
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