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[N. N.]: Neuer Lust- und Lehrreicher Schau-Platz. Nürnberg, 1685.

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geschrenckte Ründe/ und Weite/ mit unterschiedlichen Krummen Gängen/ und estrecken sich zu dem Ende immer enger und enger/ damit der Thon oder Wiederhall desto besser aufgefangen/ und gefasset/ das Gehirne aber hierdurch für der kalten Lufft befreyet werden möge. Das Ohr ist an sich selbst ein unansehnliches und schlechtes Glied. Wenn man seine Tugend ansiehet/ so befördert es die menschliche Gesellschafft/ setzet Handel und Wandel fort/ stifftet Friede und Ruhe/ und verrichtet Alles/ was sonst dem Menschen unmöglich zu thun fiele. Der Mensch hat an sienem Leibe kein ander Glied/ wormit Er den Thon der Rede/ die Stimme und den Klang vernehmen könne. Und gleichwie Er/ wenn Er schläffet/ die Augen zuhat: Also stehen Jhm hingegen diese offen/ alldieweil Er derselben auch im Schlafe benöthiget. Es dienen auch die Ohren dem Menschen darzu/ daß Er dadurch zu einer bessern Vollkommenheit des Verstandes gelanget. Denn/ so eine grosse Beschwehrung dieses ist/ wenn man taub gebohren/ oder sonst um das Gehör gekommen: Je edeler ist das Gehöre. Und/ wie die Augen Fenster des Gemüths: Also find die Ohren Thüren des Gemüths. Und/ obwol die Rede das Ohr prüfet/ so stehen doch alle äuserliche Sinne/ als Augen/ Ohren/ und andere Empfindlichkeiten/ als Knechte/ dem Herzen zu Dienste. Gleich wie aber des menschlichen Herzens Begierde/ und das Ohr zu hören unersättlich: Also ergehet es auch uns. Wir hören Böses und Gutes/ und thun/ und thun/ was wir wollen/ und haben/ was wir sollen/ so werden wir doch niemahls darbey verbleiben/ sondern fallen von Eins auf das Andere/ und ist doch endlich nichts/ als menschliche Thorheit / menschliches Gebrechen/ und menschliche Vergänglichkeit.

Das gute und böse Ohr. Natura hominis est Novitatis avida: Dem Menschen ist die Neuerung angebohren. Zum Guten; Da Er gerne höret / was nützlich und vernünfftig ist; Da Er die Ohren mit GOTTes Worte anfüllet: Gute Act. 17, 11. Künste und Wissenschafften begreifft: sich der Zucht und Erbarkeit befleissiget/ und das Innwendige durchdringet/ wie an den Berrhoensern Luc. 10, 39. und der Maria Magdalena zu sehen. Der Thebanische Fürst Epaminondas AEmilius Prob. in Epaminond. hatte an Hörung der Wissenschafften solche Begierden/ das Er dafür hielte/ wie Er daraus am besten eine Sache zu entscheiden lernete. Keyser Carl ließ Sich über der Tafel der Alten ihre Geschichte verlesen. Alexander Magnus kunte Sich an des Homeri Cranzius lib. 2. Sax. c. 8. Schrifften nicht satt hören: legte Sie des Nachts unter seine Haupt-Küssen/ und führete Sie des Tages mit Sich in einem güldenen Kästlein. Keyser Theodosius der Jüngere/ übete Sich des Nachts in den Sozomenus in Praefat. Eccles. freyen Künsten/ und wartete des Tages seinen überhäufften Geschäfften ab. Themistocles verlies des Platonis Schule/ und hörete mit was vor Beredsamkeit Callistratus seine Sachen vorbrachte. Zum bösen: Da Jhn täglich seine juckende Ohren zur Sünd und Schande/ zur Unzucht und Hurerey/ zu Zoten und Possen/ und zur Untugend / und schändlichen Unfläterey treiben. Bey deme man nichts als Schänden und Schmähen/ Verleumbden und Fuchs-Schwäntzen/ Fressen und Sauffen/ Pracht und Hoffarth/ Tantzen und Spielen/ Fluchen und Lästern/ Schinden und Schaben höret. Die Poeten dichten von dem Ulysse/ daß/ als er mit seinen Gesellen über das jenige Meer/ allwo die Sirenen Einen mit ihrem lieblichen Gesange an sich zu locken pflegten/ gefahren/ habe Er Jhnen die Ohren mit Wachse zugestopfet / damit Sie ihren Gesang nicht höreten. Die Welt ist die gröste Syrene/ die uns mit allerhand Ketzerey/ Wol-

geschrenckte Ründe/ und Weite/ mit unterschiedlichen Krummen Gängen/ und estrecken sich zu dem Ende immer enger und enger/ damit der Thon oder Wiederhall desto besser aufgefangen/ und gefasset/ das Gehirne aber hierdurch für der kalten Lufft befreyet werden möge. Das Ohr ist an sich selbst ein unansehnliches und schlechtes Glied. Wenn man seine Tugend ansiehet/ so befördert es die menschliche Gesellschafft/ setzet Handel und Wandel fort/ stifftet Friede und Ruhe/ und verrichtet Alles/ was sonst dem Menschen unmöglich zu thun fiele. Der Mensch hat an sienem Leibe kein ander Glied/ wormit Er den Thon der Rede/ die Stimme und den Klang vernehmen könne. Und gleichwie Er/ wenn Er schläffet/ die Augen zuhat: Also stehen Jhm hingegen diese offen/ alldieweil Er derselben auch im Schlafe benöthiget. Es dienen auch die Ohren dem Menschen darzu/ daß Er dadurch zu einer bessern Vollkommenheit des Verstandes gelanget. Denn/ so eine grosse Beschwehrung dieses ist/ wenn man taub gebohren/ oder sonst um das Gehör gekommen: Je edeler ist das Gehöre. Und/ wie die Augen Fenster des Gemüths: Also find die Ohren Thüren des Gemüths. Und/ obwol die Rede das Ohr prüfet/ so stehen doch alle äuserliche Sinne/ als Augen/ Ohren/ und andere Empfindlichkeiten/ als Knechte/ dem Herzen zu Dienste. Gleich wie aber des menschlichen Herzens Begierde/ und das Ohr zu hören unersättlich: Also ergehet es auch uns. Wir hören Böses und Gutes/ und thun/ und thun/ was wir wollen/ und haben/ was wir sollen/ so werden wir doch niemahls darbey verbleiben/ sondern fallen von Eins auf das Andere/ und ist doch endlich nichts/ als menschliche Thorheit / menschliches Gebrechen/ und menschliche Vergänglichkeit.

Das gute und böse Ohr. Natura hominis est Novitatis avida: Dem Menschen ist die Neuerung angebohren. Zum Guten; Da Er gerne höret / was nützlich und vernünfftig ist; Da Er die Ohren mit GOTTes Worte anfüllet: Gute Act. 17, 11. Künste und Wissenschafften begreifft: sich der Zucht und Erbarkeit befleissiget/ und das Innwendige durchdringet/ wie an den Berrhoensern Luc. 10, 39. und der Maria Magdalena zu sehen. Der Thebanische Fürst Epaminondas AEmilius Prob. in Epaminond. hatte an Hörung der Wissenschafften solche Begierden/ das Er dafür hielte/ wie Er daraus am besten eine Sache zu entscheiden lernete. Keyser Carl ließ Sich über der Tafel der Alten ihre Geschichte verlesen. Alexander Magnus kunte Sich an des Homeri Cranzius lib. 2. Sax. c. 8. Schrifften nicht satt hören: legte Sie des Nachts unter seine Haupt-Küssen/ und führete Sie des Tages mit Sich in einem güldenen Kästlein. Keyser Theodosius der Jüngere/ übete Sich des Nachts in den Sozomenus in Praefat. Eccles. freyen Künsten/ und wartete des Tages seinen überhäufften Geschäfften ab. Themistocles verlies des Platonis Schule/ und hörete mit was vor Beredsamkeit Callistratus seine Sachen vorbrachte. Zum bösen: Da Jhn täglich seine juckende Ohren zur Sünd und Schande/ zur Unzucht und Hurerey/ zu Zoten und Possen/ und zur Untugend / und schändlichen Unfläterey treiben. Bey deme man nichts als Schänden und Schmähen/ Verleumbden und Fuchs-Schwäntzen/ Fressen und Sauffen/ Pracht und Hoffarth/ Tantzen und Spielen/ Fluchen und Lästern/ Schinden und Schaben höret. Die Poeten dichten von dem Ulysse/ daß/ als er mit seinen Gesellen über das jenige Meer/ allwo die Sirenen Einen mit ihrem lieblichen Gesange an sich zu locken pflegten/ gefahren/ habe Er Jhnen die Ohren mit Wachse zugestopfet / damit Sie ihren Gesang nicht höreten. Die Welt ist die gröste Syrene/ die uns mit allerhand Ketzerey/ Wol-

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geschrenckte Ründe/ und Weite/ mit                      unterschiedlichen Krummen Gängen/ und estrecken sich zu dem Ende immer enger                      und enger/ damit der Thon oder Wiederhall desto besser aufgefangen/ und                      gefasset/ das Gehirne aber hierdurch für der kalten Lufft befreyet werden möge.                      Das Ohr ist an sich selbst ein unansehnliches und schlechtes Glied. Wenn man                      seine Tugend ansiehet/ so befördert es die menschliche Gesellschafft/ setzet                      Handel und Wandel fort/ stifftet Friede und Ruhe/ und verrichtet Alles/ was                      sonst dem Menschen unmöglich zu thun fiele. Der Mensch hat an sienem Leibe kein                      ander Glied/ wormit Er den Thon der Rede/ die Stimme und den Klang vernehmen                      könne. Und gleichwie Er/ wenn Er schläffet/ die Augen zuhat: Also stehen Jhm                      hingegen diese offen/ alldieweil Er derselben auch im Schlafe benöthiget. Es                      dienen auch die Ohren dem Menschen darzu/ daß Er dadurch zu einer bessern                      Vollkommenheit des Verstandes gelanget. Denn/ so eine grosse Beschwehrung                      dieses ist/ wenn man taub gebohren/ oder sonst um das Gehör gekommen: Je                      edeler ist das Gehöre. Und/ wie die Augen Fenster des Gemüths: Also find die                      Ohren Thüren des Gemüths. Und/ obwol die Rede das Ohr prüfet/ so stehen doch                      alle äuserliche Sinne/ als Augen/ Ohren/ und andere Empfindlichkeiten/ als                      Knechte/ dem Herzen zu Dienste. Gleich wie aber des menschlichen Herzens                      Begierde/ und das Ohr zu hören unersättlich: Also ergehet es auch uns. Wir                      hören Böses und Gutes/ und thun/ und thun/ was wir wollen/ und haben/ was                      wir sollen/ so werden wir doch niemahls darbey verbleiben/ sondern fallen von                      Eins auf das Andere/ und ist doch endlich nichts/ als menschliche Thorheit /                      menschliches Gebrechen/ und menschliche Vergänglichkeit.</p>
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[482/0506] geschrenckte Ründe/ und Weite/ mit unterschiedlichen Krummen Gängen/ und estrecken sich zu dem Ende immer enger und enger/ damit der Thon oder Wiederhall desto besser aufgefangen/ und gefasset/ das Gehirne aber hierdurch für der kalten Lufft befreyet werden möge. Das Ohr ist an sich selbst ein unansehnliches und schlechtes Glied. Wenn man seine Tugend ansiehet/ so befördert es die menschliche Gesellschafft/ setzet Handel und Wandel fort/ stifftet Friede und Ruhe/ und verrichtet Alles/ was sonst dem Menschen unmöglich zu thun fiele. Der Mensch hat an sienem Leibe kein ander Glied/ wormit Er den Thon der Rede/ die Stimme und den Klang vernehmen könne. Und gleichwie Er/ wenn Er schläffet/ die Augen zuhat: Also stehen Jhm hingegen diese offen/ alldieweil Er derselben auch im Schlafe benöthiget. Es dienen auch die Ohren dem Menschen darzu/ daß Er dadurch zu einer bessern Vollkommenheit des Verstandes gelanget. Denn/ so eine grosse Beschwehrung dieses ist/ wenn man taub gebohren/ oder sonst um das Gehör gekommen: Je edeler ist das Gehöre. Und/ wie die Augen Fenster des Gemüths: Also find die Ohren Thüren des Gemüths. Und/ obwol die Rede das Ohr prüfet/ so stehen doch alle äuserliche Sinne/ als Augen/ Ohren/ und andere Empfindlichkeiten/ als Knechte/ dem Herzen zu Dienste. Gleich wie aber des menschlichen Herzens Begierde/ und das Ohr zu hören unersättlich: Also ergehet es auch uns. Wir hören Böses und Gutes/ und thun/ und thun/ was wir wollen/ und haben/ was wir sollen/ so werden wir doch niemahls darbey verbleiben/ sondern fallen von Eins auf das Andere/ und ist doch endlich nichts/ als menschliche Thorheit / menschliches Gebrechen/ und menschliche Vergänglichkeit. Natura hominis est Novitatis avida: Dem Menschen ist die Neuerung angebohren. Zum Guten; Da Er gerne höret / was nützlich und vernünfftig ist; Da Er die Ohren mit GOTTes Worte anfüllet: Gute Künste und Wissenschafften begreifft: sich der Zucht und Erbarkeit befleissiget/ und das Innwendige durchdringet/ wie an den Berrhoensern und der Maria Magdalena zu sehen. Der Thebanische Fürst Epaminondas hatte an Hörung der Wissenschafften solche Begierden/ das Er dafür hielte/ wie Er daraus am besten eine Sache zu entscheiden lernete. Keyser Carl ließ Sich über der Tafel der Alten ihre Geschichte verlesen. Alexander Magnus kunte Sich an des Homeri Schrifften nicht satt hören: legte Sie des Nachts unter seine Haupt-Küssen/ und führete Sie des Tages mit Sich in einem güldenen Kästlein. Keyser Theodosius der Jüngere/ übete Sich des Nachts in den freyen Künsten/ und wartete des Tages seinen überhäufften Geschäfften ab. Themistocles verlies des Platonis Schule/ und hörete mit was vor Beredsamkeit Callistratus seine Sachen vorbrachte. Zum bösen: Da Jhn täglich seine juckende Ohren zur Sünd und Schande/ zur Unzucht und Hurerey/ zu Zoten und Possen/ und zur Untugend / und schändlichen Unfläterey treiben. Bey deme man nichts als Schänden und Schmähen/ Verleumbden und Fuchs-Schwäntzen/ Fressen und Sauffen/ Pracht und Hoffarth/ Tantzen und Spielen/ Fluchen und Lästern/ Schinden und Schaben höret. Die Poeten dichten von dem Ulysse/ daß/ als er mit seinen Gesellen über das jenige Meer/ allwo die Sirenen Einen mit ihrem lieblichen Gesange an sich zu locken pflegten/ gefahren/ habe Er Jhnen die Ohren mit Wachse zugestopfet / damit Sie ihren Gesang nicht höreten. Die Welt ist die gröste Syrene/ die uns mit allerhand Ketzerey/ Wol- Das gute und böse Ohr. Act. 17, 11. Luc. 10, 39. AEmilius Prob. in Epaminond. Cranzius lib. 2. Sax. c. 8. Sozomenus in Praefat. Eccles.

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Zitationshilfe: [N. N.]: Neuer Lust- und Lehrreicher Schau-Platz. Nürnberg, 1685, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_schauplatz_1685/506>, abgerufen am 27.11.2024.