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[N. N.]: Neuer Lust- und Lehrreicher Schau-Platz. Nürnberg, 1685.

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aber reckte ihr im Finstern seines todten Brudern Hand entgegen/ und lieff eilends zum Zimmer hinaus. Der König verwunderte sich über des Diebes Kühnheit und Geschwindigkeit noch mehr als zuvor. Ließ dahero öffentlich ausruffen/ daß/ dafern sich derselbe würde angeben/ und freywillig offenbahren/ so sollte er nicht allein wegen des verschlagenen und begangenen Diebstahls begnädiget werden/ sondern auch seine Tochter zur Gemahlin haben. Welches auch geschehen/ und macht hierauf Herodotus den Schluß: daß/ ob zwar sonst die Aegyptier Andere in dergleichen übertreffen / so sey doch dieser allen Aegyptiern vorgezogen worden.

Beutelschneider. Unter diese Zunfft gehören auch die Beutelschneider/ Mörder/ und Strassen-Räuber/ deren Ersten Einer sich einsmahls zu Paris zu einem Bruchschneider begab/ und begehrte/ daß er seinen Jungen am Bruche schneiden/ und deswegen Ihm nur Anfangs/ weil er sehr schamhafftig/ freundlich zureden sollte. Gieng hierauf in einen Cram-Laden / und lies sich durch des Kauffmanns Jungen etliche Waaren hernach tragen/ das Geld dagegen in Empfang zu nehmen. Der Junge folgete dem Beutelschneider/ und nachdem er ihn in des Bruchschneiders Haus geführet/ nahm derselbe den Jungen vor sich/ und wollte den vermeinten Schaden besichtigen. Indem sich aber dieser weigert/ gehet inzwischen der Beutelschneider mit den Waaren darvon. Ein vermeinter Cavallier hatte kein Geld/ lies sich ein paar Stiefeln bringen/ und zog den einen an/ stellte sich aber/ als wenn ihm etwas nothwendiges aufgestossen/ und hies den Schuster nach der Mahlzeit wieder kommen. Unterdessen schickte er nach einem andern/ so auch dergleichen Stiefeln hatte / machte es auf gleiche Art/ ritte mit beyden Stie feln zum Thore hinaus/ und musten die zweene Schuster/ nach dem sie nach Tische zusammen kahmen/ das Nachsehen haben. Zur Zeit König Heinrich des Vierdten in Franckreich stahl ein Beutelschneider einem von Adel aus dem Schubsacke 300. Cronen/ der Edelmann merckte bald/ wo er sein Geld verlohren/ steckte einen Beutel voller Rechen-Pfennige zu sich/ ließ den Riemen darvon heraus hangen/ und gieng auf den vorigen Marckt-Platz. Der Beutelschneider gedachte abermahls mit List den Beutel darvon zu bringen/ es hatte aber der Edelmann ein Fang-Schloß mit Widerhacken in dem Schubsacke/ sobald nun jener die Hand hineinsteckte/ da fieng er sich selbst. Der Edelmann stellete sich/ als wenn ihm nichts drum wäre / gieng auf dem Platz hin und wieder spatziren. Der Dieb aber zopffete ihn bey dem Mantel/ und bat um Erledigung. Wie aber männiglich zulieff/ sprach der Edelmann zum Diebe: Höre Geselle; gestern hastu Mir 300. Cronen aus dem Sacke gestohlen/ wirst du Mir dieselben nicht alsbald wiederschaffen/ so müssen wir einen Richter suchen. Und ob wohl der Dieb anfangs leugnete/ so führete er doch letzlich den Edelmann an den Ort/ da er sein Geld wiedererlangete.

Diebes und Räuber-Griffe. Die Welt ist voll Betrug / nur daß zwischen Grossen und Kleinen ein Unterscheid. Ein listiger Räuber und Dieb/ mit Nahmen Eurybatus/ wurde ertappet/ und in das Gefängnis geworffen. Die Hüter begehrten von ihme zu wissen/ durch was Mittel und Wege er zeithero die höchsten Häuser erstiegen. Der Räuber begehrte/ man sollte ihm nur etliche Schwämme/ spitzige Stacheln und Kletter-Eisen zur Hand schaffen/ da dieses geschahe/ froch er an der Wand herum/ und ehe sichs die Hüter versahen / erreichte er die Höhe der Balcken/ kam auf das Ziegel-Dach/ und entspringet ihnen für ihren Augen. Je verwegener nun dergleichen böse Leute zu seyn pflegen / ie

aber reckte ihr im Finstern seines todten Brudern Hand entgegen/ und lieff eilends zum Zimmer hinaus. Der König verwunderte sich über des Diebes Kühnheit und Geschwindigkeit noch mehr als zuvor. Ließ dahero öffentlich ausruffen/ daß/ dafern sich derselbe würde angeben/ und freywillig offenbahren/ so sollte er nicht allein wegen des verschlagenen und begangenen Diebstahls begnädiget werden/ sondern auch seine Tochter zur Gemahlin haben. Welches auch geschehen/ und macht hierauf Herodotus den Schluß: daß/ ob zwar sonst die Aegyptier Andere in dergleichen übertreffen / so sey doch dieser allen Aegyptiern vorgezogen worden.

Beutelschneider. Unter diese Zunfft gehören auch die Beutelschneider/ Mörder/ und Strassen-Räuber/ deren Ersten Einer sich einsmahls zu Paris zu einem Bruchschneider begab/ und begehrte/ daß er seinen Jungen am Bruche schneiden/ und deswegen Ihm nur Anfangs/ weil er sehr schamhafftig/ freundlich zureden sollte. Gieng hierauf in einen Cram-Laden / und lies sich durch des Kauffmanns Jungen etliche Waaren hernach tragen/ das Geld dagegen in Empfang zu nehmen. Der Junge folgete dem Beutelschneider/ und nachdem er ihn in des Bruchschneiders Haus geführet/ nahm derselbe den Jungen vor sich/ und wollte den vermeinten Schaden besichtigen. Indem sich aber dieser weigert/ gehet inzwischen der Beutelschneider mit den Waaren darvon. Ein vermeinter Cavallier hatte kein Geld/ lies sich ein paar Stiefeln bringen/ und zog den einen an/ stellte sich aber/ als wenn ihm etwas nothwendiges aufgestossen/ und hies den Schuster nach der Mahlzeit wieder kommen. Unterdessen schickte er nach einem andern/ so auch dergleichen Stiefeln hatte / machte es auf gleiche Art/ ritte mit beyden Stie feln zum Thore hinaus/ und musten die zweene Schuster/ nach dem sie nach Tische zusammen kahmen/ das Nachsehen haben. Zur Zeit König Heinrich des Vierdten in Franckreich stahl ein Beutelschneider einem von Adel aus dem Schubsacke 300. Cronen/ der Edelmann merckte bald/ wo er sein Geld verlohren/ steckte einen Beutel voller Rechen-Pfennige zu sich/ ließ den Riemen darvon heraus hangen/ und gieng auf den vorigen Marckt-Platz. Der Beutelschneider gedachte abermahls mit List den Beutel darvon zu bringen/ es hatte aber der Edelmann ein Fang-Schloß mit Widerhacken in dem Schubsacke/ sobald nun jener die Hand hineinsteckte/ da fieng er sich selbst. Der Edelmann stellete sich/ als wenn ihm nichts drum wäre / gieng auf dem Platz hin und wieder spatziren. Der Dieb aber zopffete ihn bey dem Mantel/ und bat um Erledigung. Wie aber männiglich zulieff/ sprach der Edelmann zum Diebe: Höre Geselle; gestern hastu Mir 300. Cronen aus dem Sacke gestohlen/ wirst du Mir dieselben nicht alsbald wiederschaffen/ so müssen wir einen Richter suchen. Und ob wohl der Dieb anfangs leugnete/ so führete er doch letzlich den Edelmann an den Ort/ da er sein Geld wiedererlangete.

Diebes und Räuber-Griffe. Die Welt ist voll Betrug / nur daß zwischen Grossen und Kleinen ein Unterscheid. Ein listiger Räuber und Dieb/ mit Nahmen Eurybatus/ wurde ertappet/ und in das Gefängnis geworffen. Die Hüter begehrten von ihme zu wissen/ durch was Mittel und Wege er zeithero die höchsten Häuser erstiegen. Der Räuber begehrte/ man sollte ihm nur etliche Schwämme/ spitzige Stacheln und Kletter-Eisen zur Hand schaffen/ da dieses geschahe/ froch er an der Wand herum/ und ehe sichs die Hüter versahen / erreichte er die Höhe der Balcken/ kam auf das Ziegel-Dach/ und entspringet ihnen für ihren Augen. Je verwegener nun dergleichen böse Leute zu seyn pflegen / ie

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aber reckte ihr im Finstern                      seines todten Brudern Hand entgegen/ und lieff eilends zum Zimmer hinaus. Der                      König verwunderte sich über des Diebes Kühnheit und Geschwindigkeit noch mehr                      als zuvor. Ließ dahero öffentlich ausruffen/ daß/ dafern sich derselbe würde                      angeben/ und freywillig offenbahren/ so sollte er nicht allein wegen des                      verschlagenen und begangenen Diebstahls begnädiget werden/ sondern auch seine                      Tochter zur Gemahlin haben. Welches auch geschehen/ und macht hierauf Herodotus                      den Schluß: daß/ ob zwar sonst die Aegyptier Andere in dergleichen übertreffen                     / so sey doch dieser allen Aegyptiern vorgezogen worden.</p>
        <p><note place="right">Beutelschneider.</note> Unter diese Zunfft gehören auch die                      Beutelschneider/ Mörder/ und Strassen-Räuber/ deren Ersten Einer sich                      einsmahls zu Paris zu einem Bruchschneider begab/ und begehrte/ daß er seinen                      Jungen am Bruche schneiden/ und deswegen Ihm nur Anfangs/ weil er sehr                      schamhafftig/ freundlich zureden sollte. Gieng hierauf in einen Cram-Laden /                      und lies sich durch des Kauffmanns Jungen etliche Waaren hernach tragen/ das                      Geld dagegen in Empfang zu nehmen. Der Junge folgete dem Beutelschneider/ und                      nachdem er ihn in des Bruchschneiders Haus geführet/ nahm derselbe den Jungen                      vor sich/ und wollte den vermeinten Schaden besichtigen. Indem sich aber dieser                      weigert/ gehet inzwischen der Beutelschneider mit den Waaren darvon. Ein                      vermeinter Cavallier hatte kein Geld/ lies sich ein paar Stiefeln bringen/ und                      zog den einen an/ stellte sich aber/ als wenn ihm etwas nothwendiges                      aufgestossen/ und hies den Schuster nach der Mahlzeit wieder kommen.                      Unterdessen schickte er nach einem andern/ so auch dergleichen Stiefeln hatte /                      machte es auf gleiche Art/ ritte mit beyden Stie feln zum Thore hinaus/ und                      musten die zweene Schuster/ nach dem sie nach Tische zusammen kahmen/ das                      Nachsehen haben. Zur Zeit König Heinrich des Vierdten in Franckreich stahl ein                      Beutelschneider einem von Adel aus dem Schubsacke 300. Cronen/ der Edelmann                      merckte bald/ wo er sein Geld verlohren/ steckte einen Beutel voller                      Rechen-Pfennige zu sich/ ließ den Riemen darvon heraus hangen/ und gieng auf                      den vorigen Marckt-Platz. Der Beutelschneider gedachte abermahls mit List den                      Beutel darvon zu bringen/ es hatte aber der Edelmann ein Fang-Schloß mit                      Widerhacken in dem Schubsacke/ sobald nun jener die Hand hineinsteckte/ da                      fieng er sich selbst. Der Edelmann stellete sich/ als wenn ihm nichts drum wäre                     / gieng auf dem Platz hin und wieder spatziren. Der Dieb aber zopffete ihn bey                      dem Mantel/ und bat um Erledigung. Wie aber männiglich zulieff/ sprach der                      Edelmann zum Diebe: Höre Geselle; gestern hastu Mir 300. Cronen aus dem Sacke                      gestohlen/ wirst du Mir dieselben nicht alsbald wiederschaffen/ so müssen wir                      einen Richter suchen. Und ob wohl der Dieb anfangs leugnete/ so führete er doch                      letzlich den Edelmann an den Ort/ da er sein Geld wiedererlangete.</p>
        <p><note place="right">Diebes und Räuber-Griffe.</note> Die Welt ist voll Betrug /                      nur daß zwischen Grossen und Kleinen ein Unterscheid. Ein listiger Räuber und                      Dieb/ mit Nahmen Eurybatus/ wurde ertappet/ und in das Gefängnis geworffen.                      Die Hüter begehrten von ihme zu wissen/ durch was Mittel und Wege er zeithero                      die höchsten Häuser erstiegen. Der Räuber begehrte/ man sollte ihm nur etliche                      Schwämme/ spitzige Stacheln und Kletter-Eisen zur Hand schaffen/ da dieses                      geschahe/ froch er an der Wand herum/ und ehe sichs die Hüter versahen /                      erreichte er die Höhe der Balcken/ kam auf das Ziegel-Dach/ und entspringet                      ihnen für ihren Augen. Je verwegener nun dergleichen böse Leute zu seyn pflegen                     / ie
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[467/0491] aber reckte ihr im Finstern seines todten Brudern Hand entgegen/ und lieff eilends zum Zimmer hinaus. Der König verwunderte sich über des Diebes Kühnheit und Geschwindigkeit noch mehr als zuvor. Ließ dahero öffentlich ausruffen/ daß/ dafern sich derselbe würde angeben/ und freywillig offenbahren/ so sollte er nicht allein wegen des verschlagenen und begangenen Diebstahls begnädiget werden/ sondern auch seine Tochter zur Gemahlin haben. Welches auch geschehen/ und macht hierauf Herodotus den Schluß: daß/ ob zwar sonst die Aegyptier Andere in dergleichen übertreffen / so sey doch dieser allen Aegyptiern vorgezogen worden. Unter diese Zunfft gehören auch die Beutelschneider/ Mörder/ und Strassen-Räuber/ deren Ersten Einer sich einsmahls zu Paris zu einem Bruchschneider begab/ und begehrte/ daß er seinen Jungen am Bruche schneiden/ und deswegen Ihm nur Anfangs/ weil er sehr schamhafftig/ freundlich zureden sollte. Gieng hierauf in einen Cram-Laden / und lies sich durch des Kauffmanns Jungen etliche Waaren hernach tragen/ das Geld dagegen in Empfang zu nehmen. Der Junge folgete dem Beutelschneider/ und nachdem er ihn in des Bruchschneiders Haus geführet/ nahm derselbe den Jungen vor sich/ und wollte den vermeinten Schaden besichtigen. Indem sich aber dieser weigert/ gehet inzwischen der Beutelschneider mit den Waaren darvon. Ein vermeinter Cavallier hatte kein Geld/ lies sich ein paar Stiefeln bringen/ und zog den einen an/ stellte sich aber/ als wenn ihm etwas nothwendiges aufgestossen/ und hies den Schuster nach der Mahlzeit wieder kommen. Unterdessen schickte er nach einem andern/ so auch dergleichen Stiefeln hatte / machte es auf gleiche Art/ ritte mit beyden Stie feln zum Thore hinaus/ und musten die zweene Schuster/ nach dem sie nach Tische zusammen kahmen/ das Nachsehen haben. Zur Zeit König Heinrich des Vierdten in Franckreich stahl ein Beutelschneider einem von Adel aus dem Schubsacke 300. Cronen/ der Edelmann merckte bald/ wo er sein Geld verlohren/ steckte einen Beutel voller Rechen-Pfennige zu sich/ ließ den Riemen darvon heraus hangen/ und gieng auf den vorigen Marckt-Platz. Der Beutelschneider gedachte abermahls mit List den Beutel darvon zu bringen/ es hatte aber der Edelmann ein Fang-Schloß mit Widerhacken in dem Schubsacke/ sobald nun jener die Hand hineinsteckte/ da fieng er sich selbst. Der Edelmann stellete sich/ als wenn ihm nichts drum wäre / gieng auf dem Platz hin und wieder spatziren. Der Dieb aber zopffete ihn bey dem Mantel/ und bat um Erledigung. Wie aber männiglich zulieff/ sprach der Edelmann zum Diebe: Höre Geselle; gestern hastu Mir 300. Cronen aus dem Sacke gestohlen/ wirst du Mir dieselben nicht alsbald wiederschaffen/ so müssen wir einen Richter suchen. Und ob wohl der Dieb anfangs leugnete/ so führete er doch letzlich den Edelmann an den Ort/ da er sein Geld wiedererlangete. Beutelschneider. Die Welt ist voll Betrug / nur daß zwischen Grossen und Kleinen ein Unterscheid. Ein listiger Räuber und Dieb/ mit Nahmen Eurybatus/ wurde ertappet/ und in das Gefängnis geworffen. Die Hüter begehrten von ihme zu wissen/ durch was Mittel und Wege er zeithero die höchsten Häuser erstiegen. Der Räuber begehrte/ man sollte ihm nur etliche Schwämme/ spitzige Stacheln und Kletter-Eisen zur Hand schaffen/ da dieses geschahe/ froch er an der Wand herum/ und ehe sichs die Hüter versahen / erreichte er die Höhe der Balcken/ kam auf das Ziegel-Dach/ und entspringet ihnen für ihren Augen. Je verwegener nun dergleichen böse Leute zu seyn pflegen / ie Diebes und Räuber-Griffe.

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Zitationshilfe: [N. N.]: Neuer Lust- und Lehrreicher Schau-Platz. Nürnberg, 1685, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_schauplatz_1685/491>, abgerufen am 26.11.2024.