[N. N.]: Neuer Lust- und Lehrreicher Schau-Platz. Nürnberg, 1685.sten schämet. Denn wenn er solches thut/ so wird er für andern nicht schamhaftig gemacht. Die Zucht und Scham fänget an den Augen an/ und wird durch die guten Sitten erhalten. Da des Aristotelis Tochter die Pythias gefragt wurde: welches die schönste Farbe wäre? antwortete sie: diejenige/ welche züchtigen Gemüthern im Angesichte ausbricht. Wo keine Zucht/ da ist auch keine Scham: und wo keine Scham/ da spielen die Laster des Meisters. König Cyrus wollte die schöne Königin Panthea nicht ansehen / und als sie Einer mit Namen Aruspus gegen Ihn rühmete/ und sie eine Augen-Lust der Könige nennete/ sprach Cyrus: desto mehr hat man sich ihres Anschauens zu enthalten. Denn/ wenn ich deinem Rath solgete/ und sie öffters anschanete/ würde ich in Liebe gegen sie entzündet/ wollte stets um sie seyn / und verwarlosete dadurch meine Reichs-Geschäffte. Nicht eher wird die böse Begierde in dem Menschen erwecket/ als durch den Uberfluß der Speisen und des Getränckes/ durch den überflüssigen Schlaff / durch den Müssiggang/ durch das Spielen/ faule Geschwätze/ Hoffarth und Pracht in allzugrosser Kleidung. Des Potiphars geiles Weib warff ihre Augen auf den keuschen Joseph/ Joseph aber hütete sich/ daß er nicht nahe bey ihr schlieff/ noch um sie war. Zu Athen hatte man zu Erhaltung der Zucht und Erbarkeit ein Gesetze/ daß/ wo man sich auf den Gassen im Gehen oder Stehen ungebührlich verhielte/ man eine gewisse Dion. Geld-Straffe erlegen muste. Als des Keysers Augusti Gemahlin die Livia eines Tages nackete und unverschämte Mannspersonen einhergehen sahe/ sagte Sie: Ehrlichen Matronen gebühret/ unverschämbte Menschen nicht anders als gemahlte und geschnitzte Bilder anzusehen. Der kluge Xenophon tadelte unter andern an der Wohllust auch dieses: daß sie sich offters nach ihrem eigenen Schatten umsähe / und die Augen hin und wieder fliegen liesse. In des Romuli Gesetze war unter andern auch dieses versehen/ daß derjenige/ welcher sich nackend von einer Weibesperson sehen ließ/ des Todes schuldig seyn sollte. Wenn die Unkeuschheit und die Entblössung des Leibes keine Schande/ so hätten Adam und Eva ihre Scham nicht mit Feigen-Blättern bedecket. Die Heyden/ absonderlich die in der Stadt Gaza/ hatten mitten auf einem Scheide-Wege der Venus Bildnis nackend im Steine ausgehauen aufgerichtet: dieses/ sagten sie/ gebe einemjeden im Schlaffe zu verstehen/ an welche Person er sich glücklich verheyrathen sollte. Es trieb aber der Teufel hierunter sein Affenspiel/ daß gemeiniglich diejenigen/ so dißfalls zusammen heyratheten/ einander Spinne-feind wurden/ und sich hinwiederum scheiden liessen. Dem Keyser Tiberio/ Heliogabalo und andern mehr / musten offters nackende Weibesbilder vor der Tafel auswarten/ und zuweilen gleich den Pferden ihre Careten ziehen. Wer seinem eigenen Leben nicht wohl vorstehet/ der Die unachtsame Verschwendung. kan auch andere nicht wohl regieren/ noch sie beym Leben erhalten. Viel Menschen sind also gesinnet/ daß sie nichts mehr ersparen/ als was sie täglich bedürffen. Ein grosser Hauffe wird durch das langwierige Zusammentragen vermehret/ in einem Augenblick aber hinwieder verschwendet. Da der weise Socrates gewar wurde/ daß Einer männiglichen mit seinem Gute willfahrete/ ward er über denselben ungehalten/ und sprach: Man soll die reiche Gaben der Natur nicht wie die Huren so gemein machen. Viel Regenten/ Grosse und Gewaltige überkommen des Jahres überschwengliche Reichthümer zu ihrem Unterhalt/ sie wissen aber nicht einmahl dieselben durch Kunst zu behalten. sten schämet. Denn wenn er solches thut/ so wird er für andern nicht schamhaftig gemacht. Die Zucht und Scham fänget an den Augen an/ und wird durch die guten Sitten erhalten. Da des Aristotelis Tochter die Pythias gefragt wurde: welches die schönste Farbe wäre? antwortete sie: diejenige/ welche züchtigen Gemüthern im Angesichte ausbricht. Wo keine Zucht/ da ist auch keine Scham: und wo keine Scham/ da spielen die Laster des Meisters. König Cyrus wollte die schöne Königin Panthea nicht ansehen / und als sie Einer mit Namen Aruspus gegen Ihn rühmete/ und sie eine Augen-Lust der Könige nennete/ sprach Cyrus: desto mehr hat man sich ihres Anschauens zu enthalten. Denn/ wenn ich deinem Rath solgete/ und sie öffters anschanete/ würde ich in Liebe gegen sie entzündet/ wollte stets um sie seyn / und verwarlosete dadurch meine Reichs-Geschäffte. Nicht eher wird die böse Begierde in dem Menschen erwecket/ als durch den Uberfluß der Speisen und des Getränckes/ durch den überflüssigen Schlaff / durch den Müssiggang/ durch das Spielen/ faule Geschwätze/ Hoffarth und Pracht in allzugrosser Kleidung. Des Potiphars geiles Weib warff ihre Augen auf den keuschen Joseph/ Joseph aber hütete sich/ daß er nicht nahe bey ihr schlieff/ noch um sie war. Zu Athen hatte man zu Erhaltung der Zucht und Erbarkeit ein Gesetze/ daß/ wo man sich auf den Gassen im Gehen oder Stehen ungebührlich verhielte/ man eine gewisse Dion. Geld-Straffe erlegen muste. Als des Keysers Augusti Gemahlin die Livia eines Tages nackete und unverschämte Mannspersonen einhergehen sahe/ sagte Sie: Ehrlichen Matronen gebühret/ unverschämbte Menschen nicht anders als gemahlte und geschnitzte Bilder anzusehen. Der kluge Xenophon tadelte unter andern an der Wohllust auch dieses: daß sie sich offters nach ihrem eigenen Schatten umsähe / und die Augen hin und wieder fliegen liesse. In des Romuli Gesetze war unter andern auch dieses versehen/ daß derjenige/ welcher sich nackend von einer Weibesperson sehen ließ/ des Todes schuldig seyn sollte. Wenn die Unkeuschheit und die Entblössung des Leibes keine Schande/ so hätten Adam und Eva ihre Scham nicht mit Feigen-Blättern bedecket. Die Heyden/ absonderlich die in der Stadt Gaza/ hatten mitten auf einem Scheide-Wege der Venus Bildnis nackend im Steine ausgehauen aufgerichtet: dieses/ sagten sie/ gebe einemjeden im Schlaffe zu verstehen/ an welche Person er sich glücklich verheyrathen sollte. Es trieb aber der Teufel hierunter sein Affenspiel/ daß gemeiniglich diejenigen/ so dißfalls zusammen heyratheten/ einander Spinne-feind wurden/ und sich hinwiederum scheiden liessen. Dem Keyser Tiberio/ Heliogabalo und andern mehr / musten offters nackende Weibesbilder vor der Tafel auswarten/ und zuweilen gleich den Pferden ihre Careten ziehen. Wer seinem eigenen Leben nicht wohl vorstehet/ der Die unachtsame Verschwendung. kan auch andere nicht wohl regieren/ noch sie beym Leben erhalten. Viel Menschen sind also gesinnet/ daß sie nichts mehr ersparen/ als was sie täglich bedürffen. Ein grosser Hauffe wird durch das langwierige Zusammentragen vermehret/ in einem Augenblick aber hinwieder verschwendet. Da der weise Socrates gewar wurde/ daß Einer männiglichen mit seinem Gute willfahrete/ ward er über denselben ungehalten/ und sprach: Man soll die reiche Gaben der Natur nicht wie die Huren so gemein machen. Viel Regenten/ Grosse und Gewaltige überkommen des Jahres überschwengliche Reichthümer zu ihrem Unterhalt/ sie wissen aber nicht einmahl dieselben durch Kunst zu behalten. <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0361" n="329"/> sten schämet. Denn wenn er solches thut/ so wird er für andern nicht schamhaftig gemacht. Die Zucht und Scham fänget an den Augen an/ und wird durch die guten Sitten erhalten. Da des Aristotelis Tochter die Pythias gefragt wurde: welches die schönste Farbe wäre? antwortete sie: diejenige/ welche züchtigen Gemüthern im Angesichte ausbricht. Wo keine Zucht/ da ist auch keine Scham: und wo keine Scham/ da spielen die Laster des Meisters. König Cyrus wollte die schöne Königin Panthea nicht ansehen / und als sie Einer mit Namen Aruspus gegen Ihn rühmete/ und sie eine Augen-Lust der Könige nennete/ sprach Cyrus: desto mehr hat man sich ihres Anschauens zu enthalten. Denn/ wenn ich deinem Rath solgete/ und sie öffters anschanete/ würde ich in Liebe gegen sie entzündet/ wollte stets um sie seyn / und verwarlosete dadurch meine Reichs-Geschäffte.</p> <p>Nicht eher wird die böse Begierde in dem Menschen erwecket/ als durch den Uberfluß der Speisen und des Getränckes/ durch den überflüssigen Schlaff / durch den Müssiggang/ durch das Spielen/ faule Geschwätze/ Hoffarth und Pracht in allzugrosser Kleidung. Des Potiphars geiles Weib warff ihre Augen auf den keuschen Joseph/ Joseph aber hütete sich/ daß er nicht nahe bey ihr schlieff/ noch um sie war. Zu Athen hatte man zu Erhaltung der Zucht und Erbarkeit ein Gesetze/ daß/ wo man sich auf den Gassen im Gehen oder Stehen ungebührlich verhielte/ man eine gewisse <note place="right">Dion.</note> Geld-Straffe erlegen muste. Als des Keysers Augusti Gemahlin die Livia eines Tages nackete und unverschämte Mannspersonen einhergehen sahe/ sagte Sie: Ehrlichen Matronen gebühret/ unverschämbte Menschen nicht anders als gemahlte und geschnitzte Bilder anzusehen. Der kluge Xenophon tadelte unter andern an der Wohllust auch dieses: daß sie sich offters nach ihrem eigenen Schatten umsähe / und die Augen hin und wieder fliegen liesse. In des Romuli Gesetze war unter andern auch dieses versehen/ daß derjenige/ welcher sich nackend von einer Weibesperson sehen ließ/ des Todes schuldig seyn sollte. Wenn die Unkeuschheit und die Entblössung des Leibes keine Schande/ so hätten Adam und Eva ihre Scham nicht mit Feigen-Blättern bedecket. Die Heyden/ absonderlich die in der Stadt Gaza/ hatten mitten auf einem Scheide-Wege der Venus Bildnis nackend im Steine ausgehauen aufgerichtet: dieses/ sagten sie/ gebe einemjeden im Schlaffe zu verstehen/ an welche Person er sich glücklich verheyrathen sollte. Es trieb aber der Teufel hierunter sein Affenspiel/ daß gemeiniglich diejenigen/ so dißfalls zusammen heyratheten/ einander Spinne-feind wurden/ und sich hinwiederum scheiden liessen. Dem Keyser Tiberio/ Heliogabalo und andern mehr / musten offters nackende Weibesbilder vor der Tafel auswarten/ und zuweilen gleich den Pferden ihre Careten ziehen. Wer seinem eigenen Leben nicht wohl vorstehet/ der <note place="right">Die unachtsame Verschwendung.</note> kan auch andere nicht wohl regieren/ noch sie beym Leben erhalten. Viel Menschen sind also gesinnet/ daß sie nichts mehr ersparen/ als was sie täglich bedürffen. Ein grosser Hauffe wird durch das langwierige Zusammentragen vermehret/ in einem Augenblick aber hinwieder verschwendet. Da der weise Socrates gewar wurde/ daß Einer männiglichen mit seinem Gute willfahrete/ ward er über denselben ungehalten/ und sprach: Man soll die reiche Gaben der Natur nicht wie die Huren so gemein machen. Viel Regenten/ Grosse und Gewaltige überkommen des Jahres überschwengliche Reichthümer zu ihrem Unterhalt/ sie wissen aber nicht einmahl dieselben durch Kunst zu behalten. </p> </div> </body> </text> </TEI> [329/0361]
sten schämet. Denn wenn er solches thut/ so wird er für andern nicht schamhaftig gemacht. Die Zucht und Scham fänget an den Augen an/ und wird durch die guten Sitten erhalten. Da des Aristotelis Tochter die Pythias gefragt wurde: welches die schönste Farbe wäre? antwortete sie: diejenige/ welche züchtigen Gemüthern im Angesichte ausbricht. Wo keine Zucht/ da ist auch keine Scham: und wo keine Scham/ da spielen die Laster des Meisters. König Cyrus wollte die schöne Königin Panthea nicht ansehen / und als sie Einer mit Namen Aruspus gegen Ihn rühmete/ und sie eine Augen-Lust der Könige nennete/ sprach Cyrus: desto mehr hat man sich ihres Anschauens zu enthalten. Denn/ wenn ich deinem Rath solgete/ und sie öffters anschanete/ würde ich in Liebe gegen sie entzündet/ wollte stets um sie seyn / und verwarlosete dadurch meine Reichs-Geschäffte.
Nicht eher wird die böse Begierde in dem Menschen erwecket/ als durch den Uberfluß der Speisen und des Getränckes/ durch den überflüssigen Schlaff / durch den Müssiggang/ durch das Spielen/ faule Geschwätze/ Hoffarth und Pracht in allzugrosser Kleidung. Des Potiphars geiles Weib warff ihre Augen auf den keuschen Joseph/ Joseph aber hütete sich/ daß er nicht nahe bey ihr schlieff/ noch um sie war. Zu Athen hatte man zu Erhaltung der Zucht und Erbarkeit ein Gesetze/ daß/ wo man sich auf den Gassen im Gehen oder Stehen ungebührlich verhielte/ man eine gewisse Geld-Straffe erlegen muste. Als des Keysers Augusti Gemahlin die Livia eines Tages nackete und unverschämte Mannspersonen einhergehen sahe/ sagte Sie: Ehrlichen Matronen gebühret/ unverschämbte Menschen nicht anders als gemahlte und geschnitzte Bilder anzusehen. Der kluge Xenophon tadelte unter andern an der Wohllust auch dieses: daß sie sich offters nach ihrem eigenen Schatten umsähe / und die Augen hin und wieder fliegen liesse. In des Romuli Gesetze war unter andern auch dieses versehen/ daß derjenige/ welcher sich nackend von einer Weibesperson sehen ließ/ des Todes schuldig seyn sollte. Wenn die Unkeuschheit und die Entblössung des Leibes keine Schande/ so hätten Adam und Eva ihre Scham nicht mit Feigen-Blättern bedecket. Die Heyden/ absonderlich die in der Stadt Gaza/ hatten mitten auf einem Scheide-Wege der Venus Bildnis nackend im Steine ausgehauen aufgerichtet: dieses/ sagten sie/ gebe einemjeden im Schlaffe zu verstehen/ an welche Person er sich glücklich verheyrathen sollte. Es trieb aber der Teufel hierunter sein Affenspiel/ daß gemeiniglich diejenigen/ so dißfalls zusammen heyratheten/ einander Spinne-feind wurden/ und sich hinwiederum scheiden liessen. Dem Keyser Tiberio/ Heliogabalo und andern mehr / musten offters nackende Weibesbilder vor der Tafel auswarten/ und zuweilen gleich den Pferden ihre Careten ziehen. Wer seinem eigenen Leben nicht wohl vorstehet/ der kan auch andere nicht wohl regieren/ noch sie beym Leben erhalten. Viel Menschen sind also gesinnet/ daß sie nichts mehr ersparen/ als was sie täglich bedürffen. Ein grosser Hauffe wird durch das langwierige Zusammentragen vermehret/ in einem Augenblick aber hinwieder verschwendet. Da der weise Socrates gewar wurde/ daß Einer männiglichen mit seinem Gute willfahrete/ ward er über denselben ungehalten/ und sprach: Man soll die reiche Gaben der Natur nicht wie die Huren so gemein machen. Viel Regenten/ Grosse und Gewaltige überkommen des Jahres überschwengliche Reichthümer zu ihrem Unterhalt/ sie wissen aber nicht einmahl dieselben durch Kunst zu behalten.
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Zitationshilfe: | [N. N.]: Neuer Lust- und Lehrreicher Schau-Platz. Nürnberg, 1685, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_schauplatz_1685/361>, abgerufen am 23.07.2024. |