Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[N. N.]: Neuer Lust- und Lehrreicher Schau-Platz. Nürnberg, 1685.

Bild:
<< vorherige Seite

in dem Eingeweide das Feuer der Rache auf/ die Wohllüste verführen uns zu denen allerverderblichsten Sünden/ die Begierde zum Reichthume hält uns den Armen Gutes zu thun ab/ und unser eigen Hertz lässet dem Fleische selbst zu / daß es sich wider die heiligen Gedancken auflehne. Wenn man die unkeusche Helena/ die verliebte Cleopatra/ die wohllüstige Camilla/ und die freundliche Polyxene fragen sollte/ über wen sie sich am meisten zu beklagen/ so würden sie ihren Unfall/ oder Unglückliches Ende/ nicht so wohl ihren Buhlern/ als ihren Begierden selbsten/ denen sie zu viel gefolget/ die Schuld beymessen. Die streitbaren Helden Pyrrhus/ Hannibal/ Marius Sylla/ Marcus Antonius / Pompejus und Julius Cäsar wären viel glückseliger gewesen/ wann sie sich selbsten nicht zu viel getrauet.

Als König Demetrius den Welt-weisen Alchimium fragte/ worinne des Lebens Mühe bestünde/ sprach Er: In nichts/ als in einer Unruhe. Einjeder trägt nach einem Könige/ Fürsten/ Bischoffe/ Prälaten/ Herrn/ Edlen und Reichen ein Verlangen/ und wann es möglich/ daß er alle Stände durchgienge/ so würde er doch in keinem kein rechtschaffenes Vergnügen empfinden. Der Philosophus Plautus lieff in seiner Jugend in den Krieg/ ward ein Becker und Schneider/ trieb Kauffmanschafft/ und legte sich hernach wieder auf die Philosophi; da man ihn aber letzlich fragte/ was demselben von diesem allen am besten bedünckte? sagte Er: Es ist kein Stand/ der nicht verkehret/ keine Hoheit ohne Gefahr/ kein Reichthum ohne Mühe/ keine Ehre ohne Sorge/ kein Wohlleben ohne Bitterkeit / und da ich ja eintzige Ruhe gefunden/ so ist es geschehen/ da ich mich der weltlichen Händel/ und Geschäffte entzogen/ und zu den Büchern gewendet habe. So lange wir in der Welt sind/ so tragen wir nach allen eine Lust und Begierde / wenn wir aber alles versucht/ so ermüden wir uns darüber/ und werden desselbigen alles überdrüssig.

Wir suchen eine Sache zu erlangen/ und bemühen uns hernach/ wie wir dasselbe wieder loß werden mögen. Einem frommen Menschen ist kein Ambt böse/ und einem Bösen kein Ambt gut: Saul war böse/ und David fromm/ und hatten doch beyde einerley Königreich. Der Priester Mathatias und Alcimus; die Räthe Achitophel und Cusi; der Apostel Petrus und Judas bedienten einerley Aemter/ und befanden sich unter ihnen Böse und Gute.

Da dem frommen Job Hauß und Hof einfiel/ das Seinige verbrennte/ und er um seine Söhne kahm/ klagte er über nichts als über sich selbst. Der heilige Augustinus redet von solchem innerlichen Kriege also: O wie offt bin ich nicht mit Eisernen Ketten/ sondern mit meinen eigenen Begierden gebunden worden? Wie offt habe ich nicht über meine leibliche Feinde/ sondern über mich selbst / geschryen und geweinet/ alldieweil ich dem Teufel meinen Willen gelassen. Wo soll ich hinfliehen/ weil ich mir selbst zuwider bin? Der heilige Bernhardus redet hiervon dieses: Ich bin mir selbst eine Last/ der Hunger machet mich unkräfftig/ die Kälte verschrumpfet mich/ die Wärme erhitzet mich/ die Einöde betrübet mich/ die Gesellschafft verdreußt mich/ und welches das ärgste/ so bin ich mit mir niemahls zu frieden.

in dem Eingeweide das Feuer der Rache auf/ die Wohllüste verführen uns zu denen allerverderblichsten Sünden/ die Begierde zum Reichthume hält uns den Armen Gutes zu thun ab/ und unser eigen Hertz lässet dem Fleische selbst zu / daß es sich wider die heiligen Gedancken auflehne. Wenn man die unkeusche Helena/ die verliebte Cleopatra/ die wohllüstige Camilla/ und die freundliche Polyxene fragen sollte/ über wen sie sich am meisten zu beklagen/ so würden sie ihren Unfall/ oder Unglückliches Ende/ nicht so wohl ihren Buhlern/ als ihren Begierden selbsten/ denen sie zu viel gefolget/ die Schuld beymessen. Die streitbaren Helden Pyrrhus/ Hannibal/ Marius Sylla/ Marcus Antonius / Pompejus und Julius Cäsar wären viel glückseliger gewesen/ wann sie sich selbsten nicht zu viel getrauet.

Als König Demetrius den Welt-weisen Alchimium fragte/ worinne des Lebens Mühe bestünde/ sprach Er: In nichts/ als in einer Unruhe. Einjeder trägt nach einem Könige/ Fürsten/ Bischoffe/ Prälaten/ Herrn/ Edlen und Reichen ein Verlangen/ und wann es möglich/ daß er alle Stände durchgienge/ so würde er doch in keinem kein rechtschaffenes Vergnügen empfinden. Der Philosophus Plautus lieff in seiner Jugend in den Krieg/ ward ein Becker und Schneider/ trieb Kauffmanschafft/ und legte sich hernach wieder auf die Philosophi; da man ihn aber letzlich fragte/ was demselben von diesem allen am besten bedünckte? sagte Er: Es ist kein Stand/ der nicht verkehret/ keine Hoheit ohne Gefahr/ kein Reichthum ohne Mühe/ keine Ehre ohne Sorge/ kein Wohlleben ohne Bitterkeit / und da ich ja eintzige Ruhe gefunden/ so ist es geschehen/ da ich mich der weltlichen Händel/ und Geschäffte entzogen/ und zu den Büchern gewendet habe. So lange wir in der Welt sind/ so tragen wir nach allen eine Lust und Begierde / wenn wir aber alles versucht/ so ermüden wir uns darüber/ und werden desselbigen alles überdrüssig.

Wir suchen eine Sache zu erlangen/ und bemühen uns hernach/ wie wir dasselbe wieder loß werden mögen. Einem frommen Menschen ist kein Ambt böse/ und einem Bösen kein Ambt gut: Saul war böse/ und David fromm/ und hatten doch beyde einerley Königreich. Der Priester Mathatias und Alcimus; die Räthe Achitophel und Cusi; der Apostel Petrus und Judas bedienten einerley Aemter/ und befanden sich unter ihnen Böse und Gute.

Da dem frommen Job Hauß und Hof einfiel/ das Seinige verbrennte/ und er um seine Söhne kahm/ klagte er über nichts als über sich selbst. Der heilige Augustinus redet von solchem innerlichen Kriege also: O wie offt bin ich nicht mit Eisernen Ketten/ sondern mit meinen eigenen Begierden gebunden worden? Wie offt habe ich nicht über meine leibliche Feinde/ sondern über mich selbst / geschryen und geweinet/ alldieweil ich dem Teufel meinen Willen gelassen. Wo soll ich hinfliehen/ weil ich mir selbst zuwider bin? Der heilige Bernhardus redet hiervon dieses: Ich bin mir selbst eine Last/ der Hunger machet mich unkräfftig/ die Kälte verschrumpfet mich/ die Wärme erhitzet mich/ die Einöde betrübet mich/ die Gesellschafft verdreußt mich/ und welches das ärgste/ so bin ich mit mir niemahls zu frieden.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0289" n="259"/>
in dem Eingeweide das Feuer der Rache auf/ die Wohllüste verführen                      uns zu denen allerverderblichsten Sünden/ die Begierde zum Reichthume hält uns                      den Armen Gutes zu thun ab/ und unser eigen Hertz lässet dem Fleische selbst zu                     / daß es sich wider die heiligen Gedancken auflehne. Wenn man die unkeusche                      Helena/ die verliebte Cleopatra/ die wohllüstige Camilla/ und die freundliche                      Polyxene fragen sollte/ über wen sie sich am meisten zu beklagen/ so würden                      sie ihren Unfall/ oder Unglückliches Ende/ nicht so wohl ihren Buhlern/ als                      ihren Begierden selbsten/ denen sie zu viel gefolget/ die Schuld beymessen.                      Die streitbaren Helden Pyrrhus/ Hannibal/ Marius Sylla/ Marcus Antonius /                      Pompejus und Julius Cäsar wären viel glückseliger gewesen/ wann sie sich                      selbsten nicht zu viel getrauet.</p>
        <p>Als König Demetrius den Welt-weisen Alchimium fragte/ worinne des Lebens Mühe                      bestünde/ sprach Er: In nichts/ als in einer Unruhe. Einjeder trägt nach einem                      Könige/ Fürsten/ Bischoffe/ Prälaten/ Herrn/ Edlen und Reichen ein                      Verlangen/ und wann es möglich/ daß er alle Stände durchgienge/ so würde er                      doch in keinem kein rechtschaffenes Vergnügen empfinden. Der Philosophus Plautus                      lieff in seiner Jugend in den Krieg/ ward ein Becker und Schneider/ trieb                      Kauffmanschafft/ und legte sich hernach wieder auf die Philosophi; da man ihn                      aber letzlich fragte/ was demselben von diesem allen am besten bedünckte? sagte                      Er: Es ist kein Stand/ der nicht verkehret/ keine Hoheit ohne Gefahr/ kein                      Reichthum ohne Mühe/ keine Ehre ohne Sorge/ kein Wohlleben ohne Bitterkeit /                      und da ich ja eintzige Ruhe gefunden/ so ist es geschehen/ da ich mich der                      weltlichen Händel/ und Geschäffte entzogen/ und zu den Büchern gewendet habe.                      So lange wir in der Welt sind/ so tragen wir nach allen eine Lust und Begierde                     / wenn wir aber alles versucht/ so ermüden wir uns darüber/ und werden                      desselbigen alles überdrüssig.</p>
        <p>Wir suchen eine Sache zu erlangen/ und bemühen uns hernach/ wie wir dasselbe                      wieder loß werden mögen. Einem frommen Menschen ist kein Ambt böse/ und einem                      Bösen kein Ambt gut: Saul war böse/ und David fromm/ und hatten doch beyde                      einerley Königreich. Der Priester Mathatias und Alcimus; die Räthe Achitophel                      und Cusi; der Apostel Petrus und Judas bedienten einerley Aemter/ und befanden                      sich unter ihnen Böse und Gute.</p>
        <p>Da dem frommen Job Hauß und Hof einfiel/ das Seinige verbrennte/ und er um                      seine Söhne kahm/ klagte er über nichts als über sich selbst. Der heilige                      Augustinus redet von solchem innerlichen Kriege also: O wie offt bin ich nicht                      mit Eisernen Ketten/ sondern mit meinen eigenen Begierden gebunden worden? Wie                      offt habe ich nicht über meine leibliche Feinde/ sondern über mich selbst /                      geschryen und geweinet/ alldieweil ich dem Teufel meinen Willen gelassen. Wo                      soll ich hinfliehen/ weil ich mir selbst zuwider bin? Der heilige Bernhardus                      redet hiervon dieses: Ich bin mir selbst eine Last/ der Hunger machet mich                      unkräfftig/ die Kälte verschrumpfet mich/ die Wärme erhitzet mich/ die Einöde                      betrübet mich/ die Gesellschafft verdreußt mich/ und welches das ärgste/ so                      bin ich mit mir niemahls zu frieden.</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[259/0289] in dem Eingeweide das Feuer der Rache auf/ die Wohllüste verführen uns zu denen allerverderblichsten Sünden/ die Begierde zum Reichthume hält uns den Armen Gutes zu thun ab/ und unser eigen Hertz lässet dem Fleische selbst zu / daß es sich wider die heiligen Gedancken auflehne. Wenn man die unkeusche Helena/ die verliebte Cleopatra/ die wohllüstige Camilla/ und die freundliche Polyxene fragen sollte/ über wen sie sich am meisten zu beklagen/ so würden sie ihren Unfall/ oder Unglückliches Ende/ nicht so wohl ihren Buhlern/ als ihren Begierden selbsten/ denen sie zu viel gefolget/ die Schuld beymessen. Die streitbaren Helden Pyrrhus/ Hannibal/ Marius Sylla/ Marcus Antonius / Pompejus und Julius Cäsar wären viel glückseliger gewesen/ wann sie sich selbsten nicht zu viel getrauet. Als König Demetrius den Welt-weisen Alchimium fragte/ worinne des Lebens Mühe bestünde/ sprach Er: In nichts/ als in einer Unruhe. Einjeder trägt nach einem Könige/ Fürsten/ Bischoffe/ Prälaten/ Herrn/ Edlen und Reichen ein Verlangen/ und wann es möglich/ daß er alle Stände durchgienge/ so würde er doch in keinem kein rechtschaffenes Vergnügen empfinden. Der Philosophus Plautus lieff in seiner Jugend in den Krieg/ ward ein Becker und Schneider/ trieb Kauffmanschafft/ und legte sich hernach wieder auf die Philosophi; da man ihn aber letzlich fragte/ was demselben von diesem allen am besten bedünckte? sagte Er: Es ist kein Stand/ der nicht verkehret/ keine Hoheit ohne Gefahr/ kein Reichthum ohne Mühe/ keine Ehre ohne Sorge/ kein Wohlleben ohne Bitterkeit / und da ich ja eintzige Ruhe gefunden/ so ist es geschehen/ da ich mich der weltlichen Händel/ und Geschäffte entzogen/ und zu den Büchern gewendet habe. So lange wir in der Welt sind/ so tragen wir nach allen eine Lust und Begierde / wenn wir aber alles versucht/ so ermüden wir uns darüber/ und werden desselbigen alles überdrüssig. Wir suchen eine Sache zu erlangen/ und bemühen uns hernach/ wie wir dasselbe wieder loß werden mögen. Einem frommen Menschen ist kein Ambt böse/ und einem Bösen kein Ambt gut: Saul war böse/ und David fromm/ und hatten doch beyde einerley Königreich. Der Priester Mathatias und Alcimus; die Räthe Achitophel und Cusi; der Apostel Petrus und Judas bedienten einerley Aemter/ und befanden sich unter ihnen Böse und Gute. Da dem frommen Job Hauß und Hof einfiel/ das Seinige verbrennte/ und er um seine Söhne kahm/ klagte er über nichts als über sich selbst. Der heilige Augustinus redet von solchem innerlichen Kriege also: O wie offt bin ich nicht mit Eisernen Ketten/ sondern mit meinen eigenen Begierden gebunden worden? Wie offt habe ich nicht über meine leibliche Feinde/ sondern über mich selbst / geschryen und geweinet/ alldieweil ich dem Teufel meinen Willen gelassen. Wo soll ich hinfliehen/ weil ich mir selbst zuwider bin? Der heilige Bernhardus redet hiervon dieses: Ich bin mir selbst eine Last/ der Hunger machet mich unkräfftig/ die Kälte verschrumpfet mich/ die Wärme erhitzet mich/ die Einöde betrübet mich/ die Gesellschafft verdreußt mich/ und welches das ärgste/ so bin ich mit mir niemahls zu frieden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theatrum-Literatur der Frühen Neuzeit: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-11-26T12:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-11-26T12:54:31Z)
Arne Binder: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-11-26T12:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_schauplatz_1685
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_schauplatz_1685/289
Zitationshilfe: [N. N.]: Neuer Lust- und Lehrreicher Schau-Platz. Nürnberg, 1685, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_schauplatz_1685/289>, abgerufen am 28.11.2024.