[N. N.]: Neuer Lust- und Lehrreicher Schau-Platz. Nürnberg, 1685.Von der Dialectica. Isidor. l. 2. Etymol. Thomas Aqvinas. DIese ist nichts anders/ als eine Disputier-Kunst: Eine Disciplina ad discernendas rerum Causas inventa, & scientia rationalis Actuum Rationis directiva, qvae a Phantasiis, qvae videntur, & non sunt, liberat. Welche durch ein vernünfftiges Uberlegen / freundliches Gespräche/ und Gegen-Gespräche/ die Wahrheit von der Unwarheit zu unterscheiden weiset/ das Verborgene erklähret/ und das Dunkele hinweg nimmet. Eine Wissenschafft/ nach welcher alle Actus, oder Wirkungen deß Verstandes müssen gerichtet werden. Sie lehret die Rede vernünfftig vorzubringen / Ein iedes nach seiner Art und Eigenschafft zu beschreiben/ in sein Wesen zu zertheilen/ und von allen einen vernünfftigen Schluß zu machen: Sie erforschet alle Dinge/ und erweiset ihren Nutzen in allen Wissenschafften. Und gleichwie sich ein Werckmeister in Verfertigung der Arbeit nach Winck elhacken/ und Bley-Gewichte richtet: Also geschiehet es auch allhier/ denn durch Sie wird der äuserliche Fehler ersetzet/ der Verstand erleuchtet/ und der Zwerck zur Warheit getroffen. Cicero l. 2. de finibus, & in orat. de Bruto. Der Philosophus Zeno verglieche Sie einer zugemachten Faust / weil sie mit wenig Worten viel Wercke verrichtete/ und man ihre Krafft/ Tugend und Wirckung allenthalben verspührete. Uber dieses weiset sie/ wie man alles Wesen in gewisse Capita fassen/ solches ihren zehen Praedicamenten Quintilianus l. 2. c. 21. einverleiben/ und die Genera, Species, Differentias, Propria und Accidentia, welche man auch Praedicabilia zu nennen pfleget/ absondern/ alsdenn sich dieselben in das Hertz fassen / deutlich ausprechen/ auf unterschiedene Weise probiren/ und in den Elenchis die verborgenen Sophistischen Griffe fassen und begreiffen solle. Der Erfinder dieser Kunst soll Prometheus gewesen seyn/ welcher auch den Assyrern zu erst die Astrologie gelehret/ und hätten solche die Götter Ihm durch ein helles Feuer vom Himmel geworffen: Es seynd aber vor andern Zeno, Democritus, Socrates, Euclides, Antisthenes, Chrysippus, Plato, Xenocrates, Carneades, Aristoteles, Theophrastus Philosophus, Strato, hierinne beruffen gewesen. in Bruto. Wie nöthig sie nun denen Rednern/ bezeuget Cicero, indem Er den Servium Sulpitium wegen dieser Kunst alleine dem Quinto Scaevolae vorziehet. Dahero als einsmahls auch Polyxenus, welcher Dialecticam lehrete/ mit dem Tyrannen Dionysio discurrirete/ und zu Ihm sagte: Siehe/ ich habe dich nunmehro mit Worten überwunden! Antwortete dieser ihm spitzfündig: Und ich dich in der That. Denn als ich noch in deiner Information war/ muste ich dir nachgeben/ anietzo aber must du mir gehorchen/ und thun/ was ich dir befehle. Von der Rhetorica. ES ist kein Zweifel/ daß diese edle Rede-Kunst nicht eine von denen ältesten sey. Cicero meldet/ daß Sie müsse damahls/ als man Städte gebaute/ und gewisse Gesetze und Statuta zu geben verordnet/ ihren Anfang genommen haben. Etliche schreiben die Erfindung der Rhetorica der Natur zu/ als welche den Menschen lehrete/ wie man recht reden/ die Gedancken des Hertzens offenbahren / den Abriß der Rede mit rednerischen Farben/ schönen Arten/ klugen Sprüchen / und vernünfftigen Gleichnüssen abbilden/ und bey der Dichter-Kunst das Ungebundene in Aristoteles. gebundene Reden bringen solle: Etliche der Polyhymniae, dem Mercu- Von der Dialectica. Isidor. l. 2. Etymol. Thomas Aqvinas. DIese ist nichts anders/ als eine Disputier-Kunst: Eine Disciplina ad discernendas rerum Causas inventa, & scientia rationalis Actuum Rationis directiva, qvae â Phantasiis, qvae videntur, & non sunt, liberat. Welche durch ein vernünfftiges Uberlegen / freundliches Gespräche/ und Gegen-Gespräche/ die Wahrheit von der Unwarheit zu unterscheiden weiset/ das Verborgene erklähret/ und das Dunkele hinweg nimmet. Eine Wissenschafft/ nach welcher alle Actus, oder Wirkungen deß Verstandes müssen gerichtet werden. Sie lehret die Rede vernünfftig vorzubringen / Ein iedes nach seiner Art und Eigenschafft zu beschreiben/ in sein Wesen zu zertheilen/ und von allen einen vernünfftigen Schluß zu machen: Sie erforschet alle Dinge/ und erweiset ihren Nutzen in allen Wissenschafften. Und gleichwie sich ein Werckmeister in Verfertigung der Arbeit nach Winck elhacken/ und Bley-Gewichte richtet: Also geschiehet es auch allhier/ denn durch Sie wird der äuserliche Fehler ersetzet/ der Verstand erleuchtet/ und der Zwerck zur Warheit getroffen. Cicero l. 2. de finibus, & in orat. de Bruto. Der Philosophus Zeno verglieche Sie einer zugemachten Faust / weil sie mit wenig Worten viel Wercke verrichtete/ und man ihre Krafft/ Tugend und Wirckung allenthalben verspührete. Uber dieses weiset sie/ wie man alles Wesen in gewisse Capita fassen/ solches ihren zehen Praedicamenten Quintilianus l. 2. c. 21. einverleiben/ und die Genera, Species, Differentias, Propria und Accidentia, welche man auch Praedicabilia zu nennen pfleget/ absondern/ alsdenn sich dieselben in das Hertz fassen / deutlich ausprechen/ auf unterschiedene Weise probiren/ und in den Elenchis die verborgenen Sophistischen Griffe fassen und begreiffen solle. Der Erfinder dieser Kunst soll Prometheus gewesen seyn/ welcher auch den Assyrern zu erst die Astrologie gelehret/ und hätten solche die Götter Ihm durch ein helles Feuer vom Himmel geworffen: Es seynd aber vor andern Zeno, Democritus, Socrates, Euclides, Antisthenes, Chrysippus, Plato, Xenocrates, Carneades, Aristoteles, Theophrastus Philosophus, Strato, hierinne beruffen gewesen. in Bruto. Wie nöthig sie nun denen Rednern/ bezeuget Cicero, indem Er den Servium Sulpitium wegen dieser Kunst alleine dem Quinto Scaevolae vorziehet. Dahero als einsmahls auch Polyxenus, welcher Dialecticam lehrete/ mit dem Tyrannen Dionysio discurrirete/ und zu Ihm sagte: Siehe/ ich habe dich nunmehro mit Worten überwunden! Antwortete dieser ihm spitzfündig: Und ich dich in der That. Denn als ich noch in deiner Information war/ muste ich dir nachgeben/ anietzo aber must du mir gehorchen/ und thun/ was ich dir befehle. Von der Rhetorica. ES ist kein Zweifel/ daß diese edle Rede-Kunst nicht eine von denen ältesten sey. Cicero meldet/ daß Sie müsse damahls/ als man Städte gebaute/ und gewisse Gesetze und Statuta zu geben verordnet/ ihren Anfang genommen haben. Etliche schreiben die Erfindung der Rhetorica der Natur zu/ als welche den Menschen lehrete/ wie man recht reden/ die Gedancken des Hertzens offenbahren / den Abriß der Rede mit rednerischen Farben/ schönen Arten/ klugen Sprüchen / und vernünfftigen Gleichnüssen abbilden/ und bey der Dichter-Kunst das Ungebundene in Aristoteles. gebundene Reden bringen solle: Etliche der Polyhymniae, dem Mercu- <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0170" n="150"/> <p>Von der Dialectica.</p> <p><note place="left">Isidor. l. 2. Etymol. Thomas Aqvinas.</note> DIese ist nichts anders/ als eine Disputier-Kunst: Eine Disciplina ad discernendas rerum Causas inventa, & scientia rationalis Actuum Rationis directiva, qvae â Phantasiis, qvae videntur, & non sunt, liberat. Welche durch ein vernünfftiges Uberlegen / freundliches Gespräche/ und Gegen-Gespräche/ die Wahrheit von der Unwarheit zu unterscheiden weiset/ das Verborgene erklähret/ und das Dunkele hinweg nimmet. Eine Wissenschafft/ nach welcher alle Actus, oder Wirkungen deß Verstandes müssen gerichtet werden. Sie lehret die Rede vernünfftig vorzubringen / Ein iedes nach seiner Art und Eigenschafft zu beschreiben/ in sein Wesen zu zertheilen/ und von allen einen vernünfftigen Schluß zu machen: Sie erforschet alle Dinge/ und erweiset ihren Nutzen in allen Wissenschafften. Und gleichwie sich ein Werckmeister in Verfertigung der Arbeit nach Winck elhacken/ und Bley-Gewichte richtet: Also geschiehet es auch allhier/ denn durch Sie wird der äuserliche Fehler ersetzet/ der Verstand erleuchtet/ und der Zwerck zur Warheit getroffen. <note place="left">Cicero l. 2. de finibus, & in orat. de Bruto.</note> Der Philosophus Zeno verglieche Sie einer zugemachten Faust / weil sie mit wenig Worten viel Wercke verrichtete/ und man ihre Krafft/ Tugend und Wirckung allenthalben verspührete. Uber dieses weiset sie/ wie man alles Wesen in gewisse Capita fassen/ solches ihren zehen Praedicamenten <note place="left">Quintilianus l. 2. c. 21.</note> einverleiben/ und die Genera, Species, Differentias, Propria und Accidentia, welche man auch Praedicabilia zu nennen pfleget/ absondern/ alsdenn sich dieselben in das Hertz fassen / deutlich ausprechen/ auf unterschiedene Weise probiren/ und in den Elenchis die verborgenen Sophistischen Griffe fassen und begreiffen solle. Der Erfinder dieser Kunst soll Prometheus gewesen seyn/ welcher auch den Assyrern zu erst die Astrologie gelehret/ und hätten solche die Götter Ihm durch ein helles Feuer vom Himmel geworffen: Es seynd aber vor andern Zeno, Democritus, Socrates, Euclides, Antisthenes, Chrysippus, Plato, Xenocrates, Carneades, Aristoteles, Theophrastus Philosophus, Strato, hierinne beruffen gewesen.</p> <p><note place="left">in Bruto.</note> Wie nöthig sie nun denen Rednern/ bezeuget Cicero, indem Er den Servium Sulpitium wegen dieser Kunst alleine dem Quinto Scaevolae vorziehet. Dahero als einsmahls auch Polyxenus, welcher Dialecticam lehrete/ mit dem Tyrannen Dionysio discurrirete/ und zu Ihm sagte: Siehe/ ich habe dich nunmehro mit Worten überwunden! Antwortete dieser ihm spitzfündig: Und ich dich in der That. Denn als ich noch in deiner Information war/ muste ich dir nachgeben/ anietzo aber must du mir gehorchen/ und thun/ was ich dir befehle.</p> <p>Von der Rhetorica.</p> <p>ES ist kein Zweifel/ daß diese edle Rede-Kunst nicht eine von denen ältesten sey. Cicero meldet/ daß Sie müsse damahls/ als man Städte gebaute/ und gewisse Gesetze und Statuta zu geben verordnet/ ihren Anfang genommen haben. Etliche schreiben die Erfindung der Rhetorica der Natur zu/ als welche den Menschen lehrete/ wie man recht reden/ die Gedancken des Hertzens offenbahren / den Abriß der Rede mit rednerischen Farben/ schönen Arten/ klugen Sprüchen / und vernünfftigen Gleichnüssen abbilden/ und bey der Dichter-Kunst das Ungebundene in <note place="left">Aristoteles.</note> gebundene Reden bringen solle: Etliche der Polyhymniae, dem Mercu- </p> </div> </body> </text> </TEI> [150/0170]
Von der Dialectica.
DIese ist nichts anders/ als eine Disputier-Kunst: Eine Disciplina ad discernendas rerum Causas inventa, & scientia rationalis Actuum Rationis directiva, qvae â Phantasiis, qvae videntur, & non sunt, liberat. Welche durch ein vernünfftiges Uberlegen / freundliches Gespräche/ und Gegen-Gespräche/ die Wahrheit von der Unwarheit zu unterscheiden weiset/ das Verborgene erklähret/ und das Dunkele hinweg nimmet. Eine Wissenschafft/ nach welcher alle Actus, oder Wirkungen deß Verstandes müssen gerichtet werden. Sie lehret die Rede vernünfftig vorzubringen / Ein iedes nach seiner Art und Eigenschafft zu beschreiben/ in sein Wesen zu zertheilen/ und von allen einen vernünfftigen Schluß zu machen: Sie erforschet alle Dinge/ und erweiset ihren Nutzen in allen Wissenschafften. Und gleichwie sich ein Werckmeister in Verfertigung der Arbeit nach Winck elhacken/ und Bley-Gewichte richtet: Also geschiehet es auch allhier/ denn durch Sie wird der äuserliche Fehler ersetzet/ der Verstand erleuchtet/ und der Zwerck zur Warheit getroffen. Der Philosophus Zeno verglieche Sie einer zugemachten Faust / weil sie mit wenig Worten viel Wercke verrichtete/ und man ihre Krafft/ Tugend und Wirckung allenthalben verspührete. Uber dieses weiset sie/ wie man alles Wesen in gewisse Capita fassen/ solches ihren zehen Praedicamenten einverleiben/ und die Genera, Species, Differentias, Propria und Accidentia, welche man auch Praedicabilia zu nennen pfleget/ absondern/ alsdenn sich dieselben in das Hertz fassen / deutlich ausprechen/ auf unterschiedene Weise probiren/ und in den Elenchis die verborgenen Sophistischen Griffe fassen und begreiffen solle. Der Erfinder dieser Kunst soll Prometheus gewesen seyn/ welcher auch den Assyrern zu erst die Astrologie gelehret/ und hätten solche die Götter Ihm durch ein helles Feuer vom Himmel geworffen: Es seynd aber vor andern Zeno, Democritus, Socrates, Euclides, Antisthenes, Chrysippus, Plato, Xenocrates, Carneades, Aristoteles, Theophrastus Philosophus, Strato, hierinne beruffen gewesen.
Isidor. l. 2. Etymol. Thomas Aqvinas.
Cicero l. 2. de finibus, & in orat. de Bruto.
Quintilianus l. 2. c. 21. Wie nöthig sie nun denen Rednern/ bezeuget Cicero, indem Er den Servium Sulpitium wegen dieser Kunst alleine dem Quinto Scaevolae vorziehet. Dahero als einsmahls auch Polyxenus, welcher Dialecticam lehrete/ mit dem Tyrannen Dionysio discurrirete/ und zu Ihm sagte: Siehe/ ich habe dich nunmehro mit Worten überwunden! Antwortete dieser ihm spitzfündig: Und ich dich in der That. Denn als ich noch in deiner Information war/ muste ich dir nachgeben/ anietzo aber must du mir gehorchen/ und thun/ was ich dir befehle.
in Bruto. Von der Rhetorica.
ES ist kein Zweifel/ daß diese edle Rede-Kunst nicht eine von denen ältesten sey. Cicero meldet/ daß Sie müsse damahls/ als man Städte gebaute/ und gewisse Gesetze und Statuta zu geben verordnet/ ihren Anfang genommen haben. Etliche schreiben die Erfindung der Rhetorica der Natur zu/ als welche den Menschen lehrete/ wie man recht reden/ die Gedancken des Hertzens offenbahren / den Abriß der Rede mit rednerischen Farben/ schönen Arten/ klugen Sprüchen / und vernünfftigen Gleichnüssen abbilden/ und bey der Dichter-Kunst das Ungebundene in gebundene Reden bringen solle: Etliche der Polyhymniae, dem Mercu-
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Zitationshilfe: | [N. N.]: Neuer Lust- und Lehrreicher Schau-Platz. Nürnberg, 1685, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_schauplatz_1685/170>, abgerufen am 15.08.2024. |