[N. N.]: Neuer Lust- und Lehrreicher Schau-Platz. Nürnberg, 1685.Menschen die Seele einverleibet / daß er gleichsam in dieselbe durch fleissige Ubung alle Wissenchafften einzeichne/ und dadurch zur Menschlichen Vollkommenheit komme / sein Verstand ist zu allen Dingen fähig/ und vergleich sich einem Acker/ der / wenn er wol gebauet/ die besten Früchte bringet: Nichts ist/ was dem göttlichen Wesen näher tritt/ als die Wissenschafften: zur Zeit Königs Philippi in Macedonien entstund eine Frage/ welches das gröste in der Welt wäre? Einer sagte der Riese Atlas, weil sein Grab kaum ein hoher Berg bedecken könte. Ein ander/ es sey der Poet Homerus, weil er theils in seinem Leben gerühmet/ und nach dem Tode ohne Unterlaß geliebet würde. Der Dritte/ es sey der Berg Olympus, dessen Spitze bis an den Himmel reichte. Der Vierte aber/ es sey ein gelehrter Mann/ welcher gleichsam über Himmel und Erden ragte. Denn es ist kein Stand in der Welt/ der nicht durch die Wissenschafft der Künste Lob und Ehre zu erjagen vermag. Es sind solche/ die man lernet/ mit dem Sinne fasset und offters versuchet/ und letzlich im Gemüthe behält. Denn sie sind eben diese / welche man weder raubet noch stiehlet/ die/ so die allerbesten Waffen des Alters/ die/ so man nicht verzehret/ und die/ durch welche man zu den grösten Ehren gelangen kan. Als Plato gelehrten/ gab er zur Antwort: Wie zwischen einem Artzte/ und einem Krancken. Thales Milesius hielte den für den Glückseligsten/ welcher mit Kunst und Geschicklichkeit begabet. Diogenes sagte / es trüge/ und ernehrte die Erde nichts unliebers/ als einen ungeschickten. Keyser Severus ward von Jugend auf in Regierungs- und Kriegs-Sachen so emsig erzogen/ daß er hernacher nicht einen Tag wohl verabsäumete/ an dem er nicht entweder denen freyen Künsten/ oder dem Kriegswesen oblage. Das menschliche Leben ist ohne die Geschicklichkeit ein lebendiges Grab/ hingegen aber sind die guten Künste die/ welche die Jugend erhalten/ das Alter belustigen/ das Glücke befördern/ die Traurigen trösten/ die Verzagten ermuntern/ die Reisenden begleiten/ und die Verfolgten beschützen. Als bey geführtem Kriege Etliche der Mitylener Lands-Leute von ihrem Vaterlande abfielen/ legten ihnen hernachmahls die andern dieses zur Straffe auf/ daß dero Kindern weder Lesen noch Schreiben/ noch die freyen Künste zu lernen verstattetseyn sollte. Gleichwie nun der Mensch durch die gefasste Kunst und Wissenschafft sich ein unsterbliches Lob erjaget: Also wollen wir auch der also genannten sieben freyen Künste eigentliche Beschaffenheiten mit wenigen berühren. Es ist aber die Erste/ als die Grammatica, oder Sprach-Kunst nichts anders/ als eine solche Wissenschafft/ welche mit den Buchstaben/ woraus sie die Wörter zusammen setzet/ umbgehet/ und dieselben recht auszureden/ zu schreiben / zusammen zu fügen/ und zu unterscheiden lehret. Es wird aber dieselbe in vier Theile eingetheilet: Als nehmlichen in die Orthographie: daß man recht schreiben lernet/ in die Prosodie: daß man einen Accent, Wort oder Sache wohl ausspreche: in die Etymologie: daß man die Wörterrecht erkläre: und in den Syntax: daß man die Wörter recht zu setzen/ und zu verknüpfen weiß: Dieses scheinet zwar ein geringes zu seyn/ indem man mit den Buchstaben/ und dero Forme/ mit den Syllaben/ mit den Wörtern/ und mit den Puncten muß umgehen/ alleine sie ist ein solch beständiges Fundament, darauf alle Künste pflegen gegründet/ und durch sie alle Wissenschafften eröffnet zu werden: Pro- Menschen die Seele einverleibet / daß er gleichsam in dieselbe durch fleissige Ubung alle Wissenchafften einzeichne/ und dadurch zur Menschlichen Vollkom̃enheit kom̃e / sein Verstand ist zu allen Dingen fähig/ und vergleich sich einem Acker/ der / wenn er wol gebauet/ die besten Früchte bringet: Nichts ist/ was dem göttlichen Wesen näher tritt/ als die Wissenschafften: zur Zeit Königs Philippi in Macedonien entstund eine Frage/ welches das gröste in der Welt wäre? Einer sagte der Riese Atlas, weil sein Grab kaum ein hoher Berg bedecken könte. Ein ander/ es sey der Poet Homerus, weil er theils in seinem Leben gerühmet/ und nach dem Tode ohne Unterlaß geliebet würde. Der Dritte/ es sey der Berg Olympus, dessen Spitze bis an den Himmel reichte. Der Vierte aber/ es sey ein gelehrter Mann/ welcher gleichsam über Himmel und Erden ragte. Denn es ist kein Stand in der Welt/ der nicht durch die Wissenschafft der Künste Lob und Ehre zu erjagen vermag. Es sind solche/ die man lernet/ mit dem Sinne fasset und offters versuchet/ und letzlich im Gemüthe behält. Denn sie sind eben diese / welche man weder raubet noch stiehlet/ die/ so die allerbesten Waffen des Alters/ die/ so man nicht verzehret/ und die/ durch welche man zu den grösten Ehren gelangen kan. Als Plato gelehrten/ gab er zur Antwort: Wie zwischen einem Artzte/ und einem Krancken. Thales Milesius hielte den für den Glückseligsten/ welcher mit Kunst und Geschicklichkeit begabet. Diogenes sagte / es trüge/ und ernehrte die Erde nichts unliebers/ als einen ungeschickten. Keyser Severus ward von Jugend auf in Regierungs- und Kriegs-Sachen so emsig erzogen/ daß er hernacher nicht einen Tag wohl verabsäumete/ an dem er nicht entweder denen freyen Künsten/ oder dem Kriegswesen oblage. Das menschliche Leben ist ohne die Geschicklichkeit ein lebendiges Grab/ hingegen aber sind die guten Künste die/ welche die Jugend erhalten/ das Alter belustigen/ das Glücke befördern/ die Traurigen trösten/ die Verzagten ermuntern/ die Reisenden begleiten/ und die Verfolgten beschützen. Als bey geführtem Kriege Etliche der Mitylener Lands-Leute von ihrem Vaterlande abfielen/ legten ihnen hernachmahls die andern dieses zur Straffe auf/ daß dero Kindern weder Lesen noch Schreiben/ noch die freyen Künste zu lernen verstattetseyn sollte. Gleichwie nun der Mensch durch die gefasste Kunst und Wissenschafft sich ein unsterbliches Lob erjaget: Also wollen wir auch der also genannten sieben freyen Künste eigentliche Beschaffenheiten mit wenigen berühren. Es ist aber die Erste/ als die Grammatica, oder Sprach-Kunst nichts anders/ als eine solche Wissenschafft/ welche mit den Buchstaben/ woraus sie die Wörter zusammen setzet/ umbgehet/ und dieselben recht auszureden/ zu schreiben / zusammen zu fügen/ und zu unterscheiden lehret. Es wird aber dieselbe in vier Theile eingetheilet: Als nehmlichen in die Orthographie: daß man recht schreiben lernet/ in die Prosodie: daß man einen Accent, Wort oder Sache wohl ausspreche: in die Etymologie: daß man die Wörterrecht erkläre: und in den Syntax: daß man die Wörter recht zu setzen/ und zu verknüpfen weiß: Dieses scheinet zwar ein geringes zu seyn/ indem man mit den Buchstaben/ und dero Forme/ mit den Syllaben/ mit den Wörtern/ und mit den Puncten muß umgehen/ alleine sie ist ein solch beständiges Fundament, darauf alle Künste pflegen gegründet/ und durch sie alle Wissenschafften eröffnet zu werden: Pro- <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0164" n="144"/> Menschen die Seele einverleibet / daß er gleichsam in dieselbe durch fleissige Ubung alle Wissenchafften einzeichne/ und dadurch zur Menschlichen Vollkom̃enheit kom̃e / sein Verstand ist zu allen Dingen fähig/ und vergleich sich einem Acker/ der / wenn er wol gebauet/ die besten Früchte bringet: Nichts ist/ was dem göttlichen Wesen näher tritt/ als die Wissenschafften: zur Zeit Königs Philippi in Macedonien entstund eine Frage/ welches das gröste in der Welt wäre? Einer sagte der Riese Atlas, weil sein Grab kaum ein hoher Berg bedecken könte. Ein ander/ es sey der Poet Homerus, weil er theils in seinem Leben gerühmet/ und nach dem Tode ohne Unterlaß geliebet würde. Der Dritte/ es sey der Berg Olympus, dessen Spitze bis an den Himmel reichte. Der Vierte aber/ es sey ein gelehrter Mann/ welcher gleichsam über Himmel und Erden ragte. Denn es ist kein Stand in der Welt/ der nicht durch die Wissenschafft der Künste Lob und Ehre zu erjagen vermag. Es sind solche/ die man lernet/ mit dem Sinne fasset und offters versuchet/ und letzlich im Gemüthe behält. Denn sie sind eben diese / welche man weder raubet noch stiehlet/ die/ so die allerbesten Waffen des Alters/ die/ so man nicht verzehret/ und die/ durch welche man zu den grösten Ehren gelangen kan. Als Plato gelehrten/ gab er zur Antwort: Wie zwischen einem Artzte/ und einem Krancken. Thales Milesius hielte den für den Glückseligsten/ welcher mit Kunst und Geschicklichkeit begabet. Diogenes sagte / es trüge/ und ernehrte die Erde nichts unliebers/ als einen ungeschickten. Keyser Severus ward von Jugend auf in Regierungs- und Kriegs-Sachen so emsig erzogen/ daß er hernacher nicht einen Tag wohl verabsäumete/ an dem er nicht entweder denen freyen Künsten/ oder dem Kriegswesen oblage. Das menschliche Leben ist ohne die Geschicklichkeit ein lebendiges Grab/ hingegen aber sind die guten Künste die/ welche die Jugend erhalten/ das Alter belustigen/ das Glücke befördern/ die Traurigen trösten/ die Verzagten ermuntern/ die Reisenden begleiten/ und die Verfolgten beschützen. Als bey geführtem Kriege Etliche der Mitylener Lands-Leute von ihrem Vaterlande abfielen/ legten ihnen hernachmahls die andern dieses zur Straffe auf/ daß dero Kindern weder Lesen noch Schreiben/ noch die freyen Künste zu lernen verstattetseyn sollte. Gleichwie nun der Mensch durch die gefasste Kunst und Wissenschafft sich ein unsterbliches Lob erjaget: Also wollen wir auch der also genannten sieben freyen Künste eigentliche Beschaffenheiten mit wenigen berühren.</p> <p>Es ist aber die Erste/ als die Grammatica, oder Sprach-Kunst nichts anders/ als eine solche Wissenschafft/ welche mit den Buchstaben/ woraus sie die Wörter zusammen setzet/ umbgehet/ und dieselben recht auszureden/ zu schreiben / zusammen zu fügen/ und zu unterscheiden lehret. Es wird aber dieselbe in vier Theile eingetheilet: Als nehmlichen in die Orthographie: daß man recht schreiben lernet/ in die Prosodie: daß man einen Accent, Wort oder Sache wohl ausspreche: in die Etymologie: daß man die Wörterrecht erkläre: und in den Syntax: daß man die Wörter recht zu setzen/ und zu verknüpfen weiß: Dieses scheinet zwar ein geringes zu seyn/ indem man mit den Buchstaben/ und dero Forme/ mit den Syllaben/ mit den Wörtern/ und mit den Puncten muß umgehen/ alleine sie ist ein solch beständiges Fundament, darauf alle Künste pflegen gegründet/ und durch sie alle Wissenschafften eröffnet zu werden: Pro- </p> </div> </body> </text> </TEI> [144/0164]
Menschen die Seele einverleibet / daß er gleichsam in dieselbe durch fleissige Ubung alle Wissenchafften einzeichne/ und dadurch zur Menschlichen Vollkom̃enheit kom̃e / sein Verstand ist zu allen Dingen fähig/ und vergleich sich einem Acker/ der / wenn er wol gebauet/ die besten Früchte bringet: Nichts ist/ was dem göttlichen Wesen näher tritt/ als die Wissenschafften: zur Zeit Königs Philippi in Macedonien entstund eine Frage/ welches das gröste in der Welt wäre? Einer sagte der Riese Atlas, weil sein Grab kaum ein hoher Berg bedecken könte. Ein ander/ es sey der Poet Homerus, weil er theils in seinem Leben gerühmet/ und nach dem Tode ohne Unterlaß geliebet würde. Der Dritte/ es sey der Berg Olympus, dessen Spitze bis an den Himmel reichte. Der Vierte aber/ es sey ein gelehrter Mann/ welcher gleichsam über Himmel und Erden ragte. Denn es ist kein Stand in der Welt/ der nicht durch die Wissenschafft der Künste Lob und Ehre zu erjagen vermag. Es sind solche/ die man lernet/ mit dem Sinne fasset und offters versuchet/ und letzlich im Gemüthe behält. Denn sie sind eben diese / welche man weder raubet noch stiehlet/ die/ so die allerbesten Waffen des Alters/ die/ so man nicht verzehret/ und die/ durch welche man zu den grösten Ehren gelangen kan. Als Plato gelehrten/ gab er zur Antwort: Wie zwischen einem Artzte/ und einem Krancken. Thales Milesius hielte den für den Glückseligsten/ welcher mit Kunst und Geschicklichkeit begabet. Diogenes sagte / es trüge/ und ernehrte die Erde nichts unliebers/ als einen ungeschickten. Keyser Severus ward von Jugend auf in Regierungs- und Kriegs-Sachen so emsig erzogen/ daß er hernacher nicht einen Tag wohl verabsäumete/ an dem er nicht entweder denen freyen Künsten/ oder dem Kriegswesen oblage. Das menschliche Leben ist ohne die Geschicklichkeit ein lebendiges Grab/ hingegen aber sind die guten Künste die/ welche die Jugend erhalten/ das Alter belustigen/ das Glücke befördern/ die Traurigen trösten/ die Verzagten ermuntern/ die Reisenden begleiten/ und die Verfolgten beschützen. Als bey geführtem Kriege Etliche der Mitylener Lands-Leute von ihrem Vaterlande abfielen/ legten ihnen hernachmahls die andern dieses zur Straffe auf/ daß dero Kindern weder Lesen noch Schreiben/ noch die freyen Künste zu lernen verstattetseyn sollte. Gleichwie nun der Mensch durch die gefasste Kunst und Wissenschafft sich ein unsterbliches Lob erjaget: Also wollen wir auch der also genannten sieben freyen Künste eigentliche Beschaffenheiten mit wenigen berühren.
Es ist aber die Erste/ als die Grammatica, oder Sprach-Kunst nichts anders/ als eine solche Wissenschafft/ welche mit den Buchstaben/ woraus sie die Wörter zusammen setzet/ umbgehet/ und dieselben recht auszureden/ zu schreiben / zusammen zu fügen/ und zu unterscheiden lehret. Es wird aber dieselbe in vier Theile eingetheilet: Als nehmlichen in die Orthographie: daß man recht schreiben lernet/ in die Prosodie: daß man einen Accent, Wort oder Sache wohl ausspreche: in die Etymologie: daß man die Wörterrecht erkläre: und in den Syntax: daß man die Wörter recht zu setzen/ und zu verknüpfen weiß: Dieses scheinet zwar ein geringes zu seyn/ indem man mit den Buchstaben/ und dero Forme/ mit den Syllaben/ mit den Wörtern/ und mit den Puncten muß umgehen/ alleine sie ist ein solch beständiges Fundament, darauf alle Künste pflegen gegründet/ und durch sie alle Wissenschafften eröffnet zu werden: Pro-
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