Reichspost. Nr. 233, Wien, 12.10.1897.233 Wien, Dienstag Reichspost 12. October 1897 [Spaltenumbruch] Ein wirksames Heilmittel gegen den Socialismus soll man in Ungarn gefunden haben. Ueber neuerliche Unruhen wird aus dem sla- Das Marktverbot in Petrinja, welches wegen Deutsches Reich. Die Landtagswahlen in Sachsen. Bei der Spanien. Der Gouverneurwechsel auf Cuba. Das Der Aufstand auf den Philippinen. Der Frankreich. Ministerpräsident Meline sprach gestern in Italien. Die Steuerreform hat in Italien große Unzu- Gemeindezeitung. Die Wahlen in den Bezirksschulrath haben Sitzungen im Rathhause. Im Laufe dieser Zur Verbauung der Irrenhausgründe. Die Verstaatlichung des Approvisionirungs- wesens. Eine saftige Ente leistet sich heute ein jüdi- Tagesbericht. Wien, 11. October. * Kalender für Dienstag, den 11. October. Katholiken: Maximilian. -- Griechen (30. Sept.) * Hof- und Personalnachrichten. Prinz Leo- * Auszeichnungen und Ernennungen. Dem bei * König Albert von Sachsen. Bei dem Kaiser * Abreise des Kaisers nach Budapest. Der * Selbstmord einer Bürgermeistersgattin. Die Gemahlin des Bürgermeisters von Rodaun, * Exhnmirung der serbischen Gelehrten. Bekanntlich hat die serbische Regierung an die Gemeinde Abg. Einspieler nahm nach katholischem Ritus * Wählerversammlung im 3. Bezirke. Donnerstag, den 14. d. M., 8 Uhr Abends, findet in * Ein Protest der jüdischen Cultusge- meinde. Bekanntlich hat in der vorletzten Sitzung * Drei Monate wegen Bismarck-Beleidie gung. In Ostrowo in Preußisch-Polen wurd- * Ignaz Helfy +. Der ungarische Reichstags- * Das erste Gefecht eines jüdischen Rekruten. Gestern Abends kam in ein Gastlocal im 16. Bezirke, 233 Wien, Dienſtag Reichspoſt 12. October 1897 [Spaltenumbruch] Ein wirkſames Heilmittel gegen den Socialismus ſoll man in Ungarn gefunden haben. Ueber neuerliche Unruhen wird aus dem ſla- Das Marktverbot in Petrinja, welches wegen Deutſches Reich. Die Landtagswahlen in Sachſen. Bei der Spanien. Der Gouverneurwechſel auf Cuba. Das Der Aufſtand auf den Philippinen. Der Frankreich. Miniſterpräſident Meline ſprach geſtern in Italien. Die Steuerreform hat in Italien große Unzu- Gemeindezeitung. Die Wahlen in den Bezirksſchulrath haben Sitzungen im Rathhauſe. Im Laufe dieſer Zur Verbauung der Irrenhausgründe. Die Verſtaatlichung des Approviſionirungs- weſens. Eine ſaftige Ente leiſtet ſich heute ein jüdi- Tagesbericht. Wien, 11. October. * Kalender für Dienſtag, den 11. October. Katholiken: Maximilian. — Griechen (30. Sept.) * Hof- und Perſonalnachrichten. Prinz Leo- * Auszeichnungen und Ernennungen. Dem bei * König Albert von Sachſen. Bei dem Kaiſer * Abreiſe des Kaiſers nach Budapeſt. Der * Selbſtmord einer Bürgermeiſtersgattin. Die Gemahlin des Bürgermeiſters von Rodaun, * Exhnmirung der ſerbiſchen Gelehrten. Bekanntlich hat die ſerbiſche Regierung an die Gemeinde Abg. Einſpieler nahm nach katholiſchem Ritus * Wählerverſammlung im 3. Bezirke. Donnerſtag, den 14. d. M., 8 Uhr Abends, findet in * Ein Proteſt der jüdiſchen Cultusge- meinde. Bekanntlich hat in der vorletzten Sitzung * Drei Monate wegen Bismarck-Beleidie gung. In Oſtrowo in Preußiſch-Polen wurd- * Ignaz Helfy †. Der ungariſche Reichstags- * Das erſte Gefecht eines jüdiſchen Rekruten. Geſtern Abends kam in ein Gaſtlocal im 16. Bezirke, <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0003" n="3"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">233 Wien, Dienſtag Reichspoſt 12. October 1897</hi> </fw><lb/> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Ein wirkſames Heilmittel gegen den<lb/> Socialismus</hi> </head> <p>ſoll man in Ungarn gefunden haben.<lb/> Als Erfinder oder Entdecker wird die Congregation<lb/> des Bekeſer Comitates bezeichnet, die an den Finanz-<lb/> miniſter, den Handelsminiſter, den Landesvertheidigungs-<lb/> miniſter und den Miniſter des Innern Petitionen ge-<lb/> richtet hat, worin ſie bittet, den ſtaatlichen Bedarf an<lb/> Hausinduſtrieartikeln, womöglich im Békéſer Comitat<lb/> zu beſtellen, da dies ein wirkſames Heilmittel gegen<lb/> den Socialismus bilden würde.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Ueber neuerliche Unruhen</hi> </head> <p>wird aus dem ſla-<lb/> voniſchen Dorfe <hi rendition="#g">Zavalje</hi> berichtet, woſelbſt ſich<lb/> ebenfalls das Gerücht verbreitete, daß Ungarn dieſen<lb/> Ort annectiren wolle. Die Einwohner verſammelten ſich<lb/> im Wirthshauſe und zogen dann vor das Gemeinde-<lb/> haus. Etwa fünfhundert Bauern verlangten in drohen-<lb/> der Haltung, daß man die verſteckte ungariſche Fahne<lb/> herausgeben ſolle. Als man ihnen ſagte, daß dieſe Ge-<lb/> rüchte nicht auf Wahrheit beruhen, verſuchte die Menge<lb/> das Gemeindehaus zu ſtürmen. Es entſpann ſich ein<lb/> heftiger Kampf um das Gemeindehaus und es ſchien,<lb/> daß die aufgeregte Menge den Sieg davontragen<lb/> würde. Erſt als aus der benachbarten Ortſchaft<lb/><hi rendition="#g">Bisce</hi> Succurs eintraf, gelang es, die Tumultuanten<lb/> zu vertreiben. Nähere Details über dieſen Vorfall<lb/> fehlen. — Unter den wegen Anſtiftung zu bäuerlichen<lb/> Unruhen in Sjenica dem Agramer Gerichtshofe Ein-<lb/> gelieſerten befindet ſich auch der Bürgermeiſter von<lb/> Vrginmoſt, Michael <hi rendition="#g">Mrkobrada.</hi> </p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Das Marktverbot in Petrinja,</hi> </head> <p>welches wegen<lb/> der Unruhen in <hi rendition="#g">Sjenica</hi> erlaſſen worden war, iſt<lb/> wieder aufgehoben worden.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Deutſches Reich.</hi> </head><lb/> <head> <hi rendition="#b">Die Landtagswahlen in Sachſen.</hi> </head> <p>Bei der<lb/><hi rendition="#g">Abgeordnetenwahl</hi> zur zweiten Kammer der<lb/> Ständeverſammlung wurden 16 Conſervative, 11 Na-<lb/> tionalliberale und 4 Cartellcandidaten gewählt. — Der<lb/><hi rendition="#g">Landtag</hi> iſt für den 9. November einberufen.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Spanien.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Der Gouverneurwechſel auf Cuba.</hi> </head> <p>Das<lb/> Amtsblatt veröffentlicht das Decret, durch welches<lb/> General Weyler abberufen und General Blanco zum<lb/> Gouverneur von Cuba ernannt wird. Die Abfahrt<lb/> Blanco’s nach Havannah wird am 15. d. M. von<lb/> Cadix aus erfolgen. General Weyler wird unverweilt<lb/> zurückkehren. Bis zum Eintreffen Blanco’s ſollte der<lb/> Commandant-Stellvertreter, General Ahamada, die<lb/> Functionen des General-Gouverneurs übernehmen.<lb/> Nachdem aber auch dieſer ſeine Stelle niedergelegt hat,<lb/> wird General Caſtellanos interimiſtiſch das Com-<lb/> mando übernehmen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Der Aufſtand auf den Philippinen.</hi> </head> <p>Der<lb/> Miniſterrath erkannte die Nothwendigkeit, Verſtärkungen<lb/> nach den Philippinen zu ſchicken. Die Rückberufung des<lb/> Generals Primo Rivera wird unverweilt erwartet. Dem<lb/> „Imparcial“ zu Folge behaupten die Aufſtändiſchen<lb/> Stellungen in ſechs Provinzen.</p> </div> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Frankreich.</hi> </head><lb/> <head> <hi rendition="#b">Miniſterpräſident Meline</hi> </head> <p>ſprach geſtern in<lb/><hi rendition="#g">Remiremont</hi> und entwickelte, wie jüngſt der<lb/> Miniſter des Innern in Bayonne, das Programm der<lb/> Regierung. Er wies den Vorwurf zurück, die republika-<lb/> niſche Partei in zwei Lager geſpalten zu haben, und<lb/> machte für die Spaltung die Radicalen verantwortlich,<lb/> die ſich gegen die Socialiſten wendeten. Er appellirt an<lb/> die Vereinigung aller Republikaner, deren Programm<lb/> weder die Reaction noch die Revolution umfaſſe und<lb/> ſagt, die nächſten Aufgaben der Kammer würden haupt-<lb/> ſächlich in der Decentraliſation der Verwaltung und in<lb/> der Organiſation von Penſions- und Altersverſorgungs-<lb/> caſſen beſtehen müſſen. Bei der Beſprechung der äußeren<lb/> Politik ſagte der Miniſterpräſident: Es iſt uns Dank<lb/> der unbeugſamen Beharrlichkeit Hanotaux’ gelungen,<lb/> den Brand im Oriente einzudämmen, und wie ich hoffe,<lb/> zu erſticken. Das europäiſche Concert iſt vor Allem<lb/> durch die enge Verbindung und durch die Intereſſen-<lb/> gemeinſamkeit unſerer Diplomatie mit der mächtigen,<lb/> befreundeten und verbündeten Nation möglich geworden.“</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Italien.</hi> </head><lb/> <head> <hi rendition="#b">Die Steuerreform</hi> </head> <p>hat in Italien große Unzu-<lb/> friedenheit erregt, die u. A. in der Veranſtaltung eines<lb/><hi rendition="#g">Meetings</hi> Ausdruck fand, das geſtern von <hi rendition="#g">Kauf-<lb/> leuten Roms</hi> abgehalten wurde und die Berathung<lb/> der Haltung gegenüber der Erhöhung der Einkommen-<lb/> ſteuer-Bemeſſung zum Gegenſtande hatte. Es wurde<lb/> die Veranſtaltung einer Demonſtration in Erwägung<lb/> gezogen und zwar ſoll <hi rendition="#g">heute</hi> ein Zug vom Capitol<lb/> die Delegirten der Kaufleute zum Miniſter des Innern<lb/> begleiten, die beauftragt ſind, mit den Miniſtern zu<lb/> verhandeln. Während dieſer <hi rendition="#g">Demonſtration,</hi><lb/> in der Zeit von 2 bis 4 Uhr Nachmittags ſollen die<lb/><hi rendition="#g">Geſchäftegeſperrt</hi> werden.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jLocal" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Gemeindezeitung.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Die Wahlen in den Bezirksſchulrath</hi> </head> <p>haben<lb/> das vorausſichtliche Reſultat gezeitigt, daß keiner der<lb/> Bewerber die abſolute Majorität erreicht hat. Es<lb/> wurden 3161 giltige Stimmen abgegeben. Davon er-<lb/> hielten Carl <hi rendition="#g">Seitz</hi> 1511, Sigmund <hi rendition="#g">Sonntag</hi><lb/> 1352, Alfred <hi rendition="#g">Seipel</hi> 1267, R <hi rendition="#g">Rehling</hi> 1131,<lb/><cb/> Fanny <hi rendition="#g">Borſchitzky</hi> 1031, Felix <hi rendition="#g">Knotz</hi> 805<lb/> Stimmen. Die abſolute Majorität beträgt 1581 Stim-<lb/> men, die demnach keiner der Bewerber erreicht hat. Es<lb/> iſt immer noch unentſchieden, zu welcher Anſchauung<lb/> ſich die maßgebenden Factoren entſchließen werden, ob<lb/> für die Giltigkeit der Wahl die relative oder abſolute<lb/> Majorität beſtimmend iſt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Sitzungen im Rathhauſe.</hi> </head> <p>Im Laufe dieſer<lb/> Woche hält der Gemeinderath eine Sitzung am Frei-<lb/> tag ab; Stadtrathsſitzungen finden ſtatt am Dienſtag,<lb/> Mittwoch, Donnerſtag und Freitag.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Zur Verbauung der Irrenhausgründe.</hi> </head> <p>Die<lb/> Bedingungen, welche die Commune Wien an die Ver-<lb/> wirklichung des Projectes der Verwendung der Irrenhaus-<lb/> gründe zur Errichtung mediciniſcher Kliniken ſtellt, haben<lb/> wir ſeiner Zeit ausführlich mitgetheilt. Am 7. d. M.<lb/> iſt nunmehr eine aus den betheiligten Factoren beſchickte<lb/> Commiſſion in der Irrenanſtalt erſchienen und hat dort<lb/> ihren Standpunkt in der Frage klargelegt. Nach vor-<lb/> läufig noch zu beſtätigenden Gerüchten ſeien die Bedin-<lb/> gungen der Commune für die mediciniſche Facultät<lb/> unannehmbar. Dennoch glaubt man, werde die Com-<lb/> mune in dieſer Angelegenheit noch umzuſtimmen ſein.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Verſtaatlichung des Approviſionirungs-<lb/> weſens.</hi> </head> <p>Eine ſaftige Ente leiſtet ſich heute ein jüdi-<lb/> ſches Montagsblatt, indem es behauptet, der Statt-<lb/> halter beabſichtige die <hi rendition="#g">Verſtaatlichung</hi> des<lb/> Approviſionirungsweſens in Wien. Das Blatt will<lb/> dieſe Nachricht von ſehr vertrauenswürdiger Seite haben,<lb/> was uns jedoch nicht hindert, die hübſche Geſchichte für<lb/> ſehr wenig Vertrauen erweckend zu halten.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jVarious" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Tagesbericht.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#g">Wien,</hi> 11. October.</dateline><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Kalender für Dienſtag, den 11. October.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#g">Katholiken:</hi> Maximilian. — <hi rendition="#g">Griechen</hi> (30. Sept.)<lb/> Gregor. — Sonnenaufgang um 6 Uhr 16 Minuten<lb/> Morgens. — Sonnenuntergang 5 Uhr 16 Minuten Abends.<lb/> — Mondesaufgang 5 Uhr 30 Minuten Abends. —<lb/> Mondesuntergang 8 Uhr 16 Minuten Morgens. — Tages-<lb/> länge 11 Stunden — Minuten. — Nachtlänge 13 Stunden<lb/> — Minuten.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Hof- und Perſonalnachrichten.</hi> </head> <p>Prinz <hi rendition="#g">Leo-<lb/> pold</hi> von <hi rendition="#g">Baiern</hi> iſt geſtern Vormittags nach Buda-<lb/> peſt abgereiſt. — Prinz <hi rendition="#g">Ferdinand</hi> von <hi rendition="#g">Ru-<lb/> mänien,</hi> welcher von ſeiner Erkrankung nunmehr voll-<lb/> ſtändig hergeſtellt iſt, und deſſen Gemalin Kronprinzeſſin<lb/><hi rendition="#g">Marie</hi> von <hi rendition="#g">Rumänien</hi> treffen Donnerſtag, den<lb/> 14. d., Abends mit dem Schnellzuge der Staatsbahn aus<lb/> Bukareſt hier ein. — Der kön. großbritanniſche Staats-<lb/> ſecretär Herr Francis <hi rendition="#g">Bertie</hi> traf geſtern aus London<lb/> hier ein. — Der kaiſ. ruſſiſche Jägermeiſter Johann von<lb/><hi rendition="#g">Balaſchew</hi> hat ſich geſtern nach St. Petersburg be-<lb/> geben.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Auszeichnungen und Ernennungen.</hi> </head> <p>Dem bei<lb/> der Landesregierung in Klagenfurt in Verwendung ſtehen-<lb/> den Bezirkshauptmanne Max Ritter von <hi rendition="#g">Grabmayr</hi><lb/> wurde der Titel und Charakter eines Landesregierungs-<lb/> rathes verliehen. — Der penſionirte Director des Gefall-<lb/> amtes in Prag, Johann <hi rendition="#g">Zatecky,</hi> wurde zum kaiſer-<lb/> lichen Rath ernannt. — Der wirkliche Lehrer an der<lb/> Staatshandwerkerſchule in Tetſchen, Johann <hi rendition="#g">Dicke,</hi> wurde<lb/> zum wirklichen Lehrer an der Staatsgewerbeſchule in Salz-<lb/> burg ernannt. — Der Rathsſecretäradjunct Dr. Karl Frh.<lb/> von <hi rendition="#g">Heinold</hi> wurde zum Hoffecretär und der Bezirks-<lb/> commiſſär der mähriſchen k. k. Statthalterei, Oswald<lb/><hi rendition="#g">Görtz</hi> von <hi rendition="#g">Aſtein</hi> zum Rathſecretärs-Adjuncten bei<lb/> dieſem k. k. Gerichtshofe befördert.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* König Albert von Sachſen.</hi> </head> <p>Bei dem Kaiſer<lb/> fand geſtern Abends um 6 Uhr in der kleinen Galerie<lb/> zu Schönbrunn ein Diner ſtatt, worauf die Abreiſe<lb/> des Königs erfolgte. Der Kaiſer nahm in herzlichſter<lb/> Weiſe von ſeinem königlichen Freunde Abſchied, um-<lb/> armte und küßte denſelben wiederholt. Der König ver-<lb/> abſchiedete ſich dann von dem Erzherzog Otto und beſtieg<lb/> den Zug, der ſich um 9 Uhr 30 Min. in Bewegung ſetzte<lb/> und den Gaſt unſeres Kaiſers nach Dresden brachte.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Abreiſe des Kaiſers nach Budapeſt.</hi> </head> <p>Der<lb/> Kaiſer verabſchiedete ſich auf dem Nordweſtbahnhofe<lb/> auch von dem Erzherzog <hi rendition="#g">Otto,</hi> fuhr dann direct auf<lb/> den Staatsbahnhof und reiſte um 10 Uhr mittels<lb/> Hofſeparatzuges nach Budapeſt ab.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Selbſtmord einer Bürgermeiſtersgattin.</hi> </head><lb/> <p>Die Gemahlin des Bürgermeiſters von <hi rendition="#g">Rodaun,</hi><lb/> Frau <hi rendition="#g">Richter,</hi> eine Dame im Alter von 60 Jahren,<lb/> hat ſich Samſtag in einem unbewachten Augenblick er-<lb/> hängt. Die Frau litt bereits ſeit längerer Zeit an tiefer<lb/> Schwermuth, bis ſich dieſes Leiden unter dem Einfluſſe<lb/> des ſchlechten Wetters ſo ſehr verſchlimmerte, daß ſie<lb/> Hand an ſich legte.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Exhnmirung der ſerbiſchen Gelehrten.</hi> </head><lb/> <p>Bekanntlich hat die ſerbiſche Regierung an die Gemeinde<lb/> Wien das Anſuchen geſtellt, die Exhumirung der auf<lb/> dem Sct. Marxer Friedhofe beigeſetzten ſterblichen<lb/> Ueberreſte des Begründers der neuen ſerbiſchen Literatur,<lb/> Vuk Stefanovic <hi rendition="#g">Kadradzic</hi> und des Sprach-<lb/> forſchers Bartholomäus <hi rendition="#g">Kojſitav</hi> vorzunehmen,<lb/> damit dieſelben nach Belgrad überführt werden können,<lb/> wo ſie in der Kathedrale beigeſetzt werden ſollen. Vor<lb/> der Ueberführung fand um 2 Uhr Nach-<lb/> mittags auf dem Sct. Marxer Friedhofe eine<lb/> Trauerfeier ſtatt, zu welcher ſich eine Anzahl<lb/> hervorragender Perſönlichkeiten eingefunden hatten, u. A.<lb/> der ſerbiſche Geſandte <hi rendition="#g">Michalovic,</hi> Miniſterial-<lb/> rath <hi rendition="#g">Rezek</hi> in Vertretung des Unterrichtsminiſters,<lb/> Bürgermeiſter Dr. <hi rendition="#g">Lueger,</hi> Hofrath <hi rendition="#g">Zagic</hi> als<lb/> Vertreter der Akademie der Wiſſenſchaften, Profeſſor<lb/><hi rendition="#g">Jiricek</hi> als Vertreter der Wiener Univerſität, Dr.<lb/><hi rendition="#g">Mantuani</hi> als Vertreter der Hofbibliothek, der<lb/> Vicepräſident des Abgeordnetenhauſes Dr. <hi rendition="#g">Kra-<lb/><cb/> marſch,</hi> die Reichsrathsabgeordneten Graf Auers-<lb/> perg, Baron Schwegel, Gregorcic, Barwinski,<lb/> Wienicki, Maſtalka, Povſche, Suſterſic, Vukovic,<lb/> Baljak und Doctor Kvekic eingefunden hatten.</p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#g">Einſpieler</hi> nahm nach katholiſchem Ritus<lb/> die Einſegnung der Leiche <hi rendition="#g">Kopitars</hi> vor, während<lb/> ſerbiſche Prieſter dasſelbe mit der Leiche <hi rendition="#g">Karadzic’</hi><lb/> thaten. Sodann hielt Hofrath <hi rendition="#g">Suklje</hi> die Trauer-<lb/> rede. Er betonte, daß ſich die heutige Feier nicht nur<lb/> auf die beiden verwandten Brudernationen beſchränke,<lb/> ſondern alle ſlaviſchen Nationen betreffe. In einer<lb/> Zeit wilden, wüſten Nationalitätenhaders, da man<lb/> leider ſehr oft nicht nach der Leiſtung fragt, ſondern<lb/> nach der Herkunft und dem Namen, muß es uns mit<lb/> beſonderer Hochachtung erfüllen, daß der Bürgermeiſter<lb/> der <hi rendition="#g">Reichshaupt- und Reſidenzſtadt<lb/> Wien</hi> (Zivio!) hier erſchienen iſt. Haben doch die<lb/> beiden Verblichenen in Wiens Mauern gelebt<lb/> und gewirkt und in Wien ihre beſten Werke heraus-<lb/> gegeben. Hierauf ergriff Bürgermeiſter Doctor<lb/><hi rendition="#g">Lueger</hi> das Wort. Er ſagte: Wir Wiener werden<lb/> es nie vergeſſen, daß <hi rendition="#g">Kopitar</hi> an der Hofbibliothek<lb/> in ruhmvollſter Weiſe gewirkt. Er war auserſehen, die<lb/> Schätze, welche uns im Jahre 1809 räuberiſche Hände<lb/> entführt haben, wieder zurückzubringen. Ein eigenthüm-<lb/> liches Geſchick wollte es, daß er und Grillparzer, unſer<lb/> größter vaterländiſcher Dichter, zugleich um eine Stelle<lb/> in der Hofbibliothek ſich beworben haben, und als Kopitar<lb/> ſie erlangte, hat es Grillparzer neidlos anerkannt, daß<lb/> er ſie mit Recht erhalten. Kopitar ſtand mit den<lb/> deutſchen Schriftſtellern, mit dem Altmeiſter Goethe in<lb/> Verkehr, und ſelbſt Goethe hat ſeine Verdienſte aner-<lb/> kannt. Dr. <hi rendition="#g">Lueger</hi> feierte dann Vuk als echtes Kind<lb/> des Volkes, als <hi rendition="#aq">Self made man,</hi> der ſich emporgearbeitet,<lb/> wie es nur wenige Männer vermocht haben. Doctor<lb/> Lueger hob am Schluſſe ſeiner Rede noch hervor, daß<lb/> Kopitar und Vuk auf einem Gebiete thätig geweſen<lb/> ſeien, auf dem nach <hi rendition="#g">Friede</hi> herrſcht, auf dem Ge-<lb/> biete des Wiſſens. Lautes und ſtürmiſches Zivio erfolgte,<lb/> als Dr. Lueger geſchloſſen. Hierauf ergriff der vor-<lb/> malige ſerbiſche Miniſterpräſident <hi rendition="#g">Novakovic</hi> das<lb/> Wort und feierte die Verdienſte Kopitars um die<lb/> literariſche Erziehung Vuk’s. Docent Dr. <hi rendition="#g">Murko</hi><lb/> pries <hi rendition="#g">Kopitar</hi> als den Bahnbrecher in der Auf-<lb/> findung der Schätze der Poeſie aller Nationen und als<lb/> den Begründer des ſprachlichen und nationalen Einig-<lb/> keitsgefühles der Balkanſlaven. Damit war die Trauer-<lb/> feier zu Ende. Die beiden Leichen wurden unter Ehren-<lb/> geleite noch geſtern nach Belgrad überführt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Wählerverſammlung im 3. Bezirke.</hi> </head><lb/> <p>Donnerſtag, den 14. d. M., 8 Uhr Abends, findet in<lb/> Dreher’s großem Saale, Landſtraße, Hauptſtraße, eine<lb/> große Wählerverſammlung ſtatt, in der Bürgermeiſter<lb/> Dr. <hi rendition="#g">Lueger,</hi> Landes-Ausſchuß <hi rendition="#g">Steiner</hi> und<lb/> Abg. Dr. <hi rendition="#g">Weiskirchner</hi> ſprechen werden.<lb/> Landes-Ausſchuß Steiner wird auch die Beamtenfrage<lb/> behandeln. Mit Rückſicht auf die bevorſtehenden Wahlen<lb/> in die Erwerbſteuer-Commiſſionen haben ſämmtliche<lb/> Steuerträger, die Beamten mit ihren Legitimations-<lb/> karten, ſowie die Frauen, welche ſteuerberechtigt ſind,<lb/> Zutritt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Ein Proteſt der jüdiſchen Cultusge-<lb/> meinde.</hi> </head> <p>Bekanntlich hat in der vorletzten Sitzung<lb/> des Gemeinderathes der Vicebürgermeiſter Dr. <hi rendition="#g">Neu-<lb/> mayer</hi> einen Antrag eingebracht, nach welchem eine<lb/> Petition an die hohe Regierung zu richten ſei, Vor-<lb/> ſtellungen gegen die maſſenhafte Ernennung jüdiſcher<lb/> Richter zu erheben. Die jüdiſche Cultusgemeinde ſieht<lb/> ſich natürlich hiedurch in ihren vitalſten Intereſſen be-<lb/> droht. Nachdem die Juden es glücklich dahin gebracht<lb/> haben, daß ſie den Geldmarkt beherrſchen, iſt ihr<lb/> nächſtes und letztes Ziel das Eindringen in die geiſtigen<lb/> Berufe, das ſchließlich die Unterordnung der Chriſten<lb/> unter ihr Scepter bedeuten würde. Deshalb veröffent-<lb/> licht der Cultusvorſtand gegen dieſen Antrag eine ge-<lb/> harniſchte Proteſtkundgebung, die ſelbſtverſtändlich nicht<lb/> einen Antiſemiten veranlaſſen wird, den eingeſchlagenen<lb/> Weg zu verlaſſen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Drei Monate wegen Bismarck-Beleidie<lb/> gung.</hi> </head> <p>In <hi rendition="#g">Oſtrowo</hi> in Preußiſch-Polen wurd-<lb/> dieſer Tage der Redacteur und Verleger eines polni-<lb/> ſchen Blattes, <hi rendition="#g">Nowicki,</hi> wegen Beleidigung Bis<lb/> marck’s zu drei Monaten Gefängniß verurtheilt. Das<lb/> Blatt brachte den Inhalt eines Zwiegeſpräches zwiſchen<lb/> dem Tod und dem Teufel aus einem galiziſchen Witz-<lb/> blatte. Die Verurtheilung erfolgte ſelbſtverſtändlich über<lb/> Antrag Bismarck’s.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Ignaz Helfy †.</hi> </head> <p>Der ungariſche Reichstags-<lb/> abgeordnete Ignaz <hi rendition="#g">Helfy</hi> iſt heute Früh in Budapeſt<lb/> geſtorben. Helfy war Anhänger der Unabhängigkeits-<lb/> partei. Er hinterläßt eine Witwe.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Das erſte Gefecht eines jüdiſchen Rekruten.</hi> </head><lb/> <p>Geſtern Abends kam in ein Gaſtlocal im 16. Bezirke,<lb/> wo gerade eine Anzahl chriſtlich-ſocialer Arbeiter ver-<lb/> ſammelt war, ein jüdiſcher Rekrut, der ſich ohne jeden<lb/> Anlaß in die Geſpräche der Gäſte einmiſchte, bis er<lb/> aufgefordert wurde, das Local zu verlaſſen. Ohne jede<lb/> Veranlaſſung zog nun der tapfere jüdiſche Rekrut ſein<lb/> Bajonnett und fuchtelte mit demſelben den Gäſten vor<lb/> der Naſe herum. Als nun ein Wachmann geholt wurde,<lb/> drang der Soldat auch auf dieſen mit blanker Waffe<lb/> ein. Der Wachmann zog in Folge deſſen ebenfalls vom<lb/> Leder, worauf es der tapfere Makkabäer vorzog, aus-<lb/> zukneifen. Er fiel jedoch zu ſeinem Unglück zwei<lb/> eben vorübergehenden Schutzleuten in die Hände, welche<lb/> ihn aufs Commiſſariat ſtellten, von wo ihn eine Militär-<lb/> patrouille abholte.</p> </div><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [3/0003]
233 Wien, Dienſtag Reichspoſt 12. October 1897
Ein wirkſames Heilmittel gegen den
Socialismus ſoll man in Ungarn gefunden haben.
Als Erfinder oder Entdecker wird die Congregation
des Bekeſer Comitates bezeichnet, die an den Finanz-
miniſter, den Handelsminiſter, den Landesvertheidigungs-
miniſter und den Miniſter des Innern Petitionen ge-
richtet hat, worin ſie bittet, den ſtaatlichen Bedarf an
Hausinduſtrieartikeln, womöglich im Békéſer Comitat
zu beſtellen, da dies ein wirkſames Heilmittel gegen
den Socialismus bilden würde.
Ueber neuerliche Unruhen wird aus dem ſla-
voniſchen Dorfe Zavalje berichtet, woſelbſt ſich
ebenfalls das Gerücht verbreitete, daß Ungarn dieſen
Ort annectiren wolle. Die Einwohner verſammelten ſich
im Wirthshauſe und zogen dann vor das Gemeinde-
haus. Etwa fünfhundert Bauern verlangten in drohen-
der Haltung, daß man die verſteckte ungariſche Fahne
herausgeben ſolle. Als man ihnen ſagte, daß dieſe Ge-
rüchte nicht auf Wahrheit beruhen, verſuchte die Menge
das Gemeindehaus zu ſtürmen. Es entſpann ſich ein
heftiger Kampf um das Gemeindehaus und es ſchien,
daß die aufgeregte Menge den Sieg davontragen
würde. Erſt als aus der benachbarten Ortſchaft
Bisce Succurs eintraf, gelang es, die Tumultuanten
zu vertreiben. Nähere Details über dieſen Vorfall
fehlen. — Unter den wegen Anſtiftung zu bäuerlichen
Unruhen in Sjenica dem Agramer Gerichtshofe Ein-
gelieſerten befindet ſich auch der Bürgermeiſter von
Vrginmoſt, Michael Mrkobrada.
Das Marktverbot in Petrinja, welches wegen
der Unruhen in Sjenica erlaſſen worden war, iſt
wieder aufgehoben worden.
Deutſches Reich.
Die Landtagswahlen in Sachſen. Bei der
Abgeordnetenwahl zur zweiten Kammer der
Ständeverſammlung wurden 16 Conſervative, 11 Na-
tionalliberale und 4 Cartellcandidaten gewählt. — Der
Landtag iſt für den 9. November einberufen.
Spanien.
Der Gouverneurwechſel auf Cuba. Das
Amtsblatt veröffentlicht das Decret, durch welches
General Weyler abberufen und General Blanco zum
Gouverneur von Cuba ernannt wird. Die Abfahrt
Blanco’s nach Havannah wird am 15. d. M. von
Cadix aus erfolgen. General Weyler wird unverweilt
zurückkehren. Bis zum Eintreffen Blanco’s ſollte der
Commandant-Stellvertreter, General Ahamada, die
Functionen des General-Gouverneurs übernehmen.
Nachdem aber auch dieſer ſeine Stelle niedergelegt hat,
wird General Caſtellanos interimiſtiſch das Com-
mando übernehmen.
Der Aufſtand auf den Philippinen. Der
Miniſterrath erkannte die Nothwendigkeit, Verſtärkungen
nach den Philippinen zu ſchicken. Die Rückberufung des
Generals Primo Rivera wird unverweilt erwartet. Dem
„Imparcial“ zu Folge behaupten die Aufſtändiſchen
Stellungen in ſechs Provinzen.
Frankreich.
Miniſterpräſident Meline ſprach geſtern in
Remiremont und entwickelte, wie jüngſt der
Miniſter des Innern in Bayonne, das Programm der
Regierung. Er wies den Vorwurf zurück, die republika-
niſche Partei in zwei Lager geſpalten zu haben, und
machte für die Spaltung die Radicalen verantwortlich,
die ſich gegen die Socialiſten wendeten. Er appellirt an
die Vereinigung aller Republikaner, deren Programm
weder die Reaction noch die Revolution umfaſſe und
ſagt, die nächſten Aufgaben der Kammer würden haupt-
ſächlich in der Decentraliſation der Verwaltung und in
der Organiſation von Penſions- und Altersverſorgungs-
caſſen beſtehen müſſen. Bei der Beſprechung der äußeren
Politik ſagte der Miniſterpräſident: Es iſt uns Dank
der unbeugſamen Beharrlichkeit Hanotaux’ gelungen,
den Brand im Oriente einzudämmen, und wie ich hoffe,
zu erſticken. Das europäiſche Concert iſt vor Allem
durch die enge Verbindung und durch die Intereſſen-
gemeinſamkeit unſerer Diplomatie mit der mächtigen,
befreundeten und verbündeten Nation möglich geworden.“
Italien.
Die Steuerreform hat in Italien große Unzu-
friedenheit erregt, die u. A. in der Veranſtaltung eines
Meetings Ausdruck fand, das geſtern von Kauf-
leuten Roms abgehalten wurde und die Berathung
der Haltung gegenüber der Erhöhung der Einkommen-
ſteuer-Bemeſſung zum Gegenſtande hatte. Es wurde
die Veranſtaltung einer Demonſtration in Erwägung
gezogen und zwar ſoll heute ein Zug vom Capitol
die Delegirten der Kaufleute zum Miniſter des Innern
begleiten, die beauftragt ſind, mit den Miniſtern zu
verhandeln. Während dieſer Demonſtration,
in der Zeit von 2 bis 4 Uhr Nachmittags ſollen die
Geſchäftegeſperrt werden.
Gemeindezeitung.
Die Wahlen in den Bezirksſchulrath haben
das vorausſichtliche Reſultat gezeitigt, daß keiner der
Bewerber die abſolute Majorität erreicht hat. Es
wurden 3161 giltige Stimmen abgegeben. Davon er-
hielten Carl Seitz 1511, Sigmund Sonntag
1352, Alfred Seipel 1267, R Rehling 1131,
Fanny Borſchitzky 1031, Felix Knotz 805
Stimmen. Die abſolute Majorität beträgt 1581 Stim-
men, die demnach keiner der Bewerber erreicht hat. Es
iſt immer noch unentſchieden, zu welcher Anſchauung
ſich die maßgebenden Factoren entſchließen werden, ob
für die Giltigkeit der Wahl die relative oder abſolute
Majorität beſtimmend iſt.
Sitzungen im Rathhauſe. Im Laufe dieſer
Woche hält der Gemeinderath eine Sitzung am Frei-
tag ab; Stadtrathsſitzungen finden ſtatt am Dienſtag,
Mittwoch, Donnerſtag und Freitag.
Zur Verbauung der Irrenhausgründe. Die
Bedingungen, welche die Commune Wien an die Ver-
wirklichung des Projectes der Verwendung der Irrenhaus-
gründe zur Errichtung mediciniſcher Kliniken ſtellt, haben
wir ſeiner Zeit ausführlich mitgetheilt. Am 7. d. M.
iſt nunmehr eine aus den betheiligten Factoren beſchickte
Commiſſion in der Irrenanſtalt erſchienen und hat dort
ihren Standpunkt in der Frage klargelegt. Nach vor-
läufig noch zu beſtätigenden Gerüchten ſeien die Bedin-
gungen der Commune für die mediciniſche Facultät
unannehmbar. Dennoch glaubt man, werde die Com-
mune in dieſer Angelegenheit noch umzuſtimmen ſein.
Verſtaatlichung des Approviſionirungs-
weſens. Eine ſaftige Ente leiſtet ſich heute ein jüdi-
ſches Montagsblatt, indem es behauptet, der Statt-
halter beabſichtige die Verſtaatlichung des
Approviſionirungsweſens in Wien. Das Blatt will
dieſe Nachricht von ſehr vertrauenswürdiger Seite haben,
was uns jedoch nicht hindert, die hübſche Geſchichte für
ſehr wenig Vertrauen erweckend zu halten.
Tagesbericht.
Wien, 11. October.
* Kalender für Dienſtag, den 11. October.
Katholiken: Maximilian. — Griechen (30. Sept.)
Gregor. — Sonnenaufgang um 6 Uhr 16 Minuten
Morgens. — Sonnenuntergang 5 Uhr 16 Minuten Abends.
— Mondesaufgang 5 Uhr 30 Minuten Abends. —
Mondesuntergang 8 Uhr 16 Minuten Morgens. — Tages-
länge 11 Stunden — Minuten. — Nachtlänge 13 Stunden
— Minuten.
* Hof- und Perſonalnachrichten. Prinz Leo-
pold von Baiern iſt geſtern Vormittags nach Buda-
peſt abgereiſt. — Prinz Ferdinand von Ru-
mänien, welcher von ſeiner Erkrankung nunmehr voll-
ſtändig hergeſtellt iſt, und deſſen Gemalin Kronprinzeſſin
Marie von Rumänien treffen Donnerſtag, den
14. d., Abends mit dem Schnellzuge der Staatsbahn aus
Bukareſt hier ein. — Der kön. großbritanniſche Staats-
ſecretär Herr Francis Bertie traf geſtern aus London
hier ein. — Der kaiſ. ruſſiſche Jägermeiſter Johann von
Balaſchew hat ſich geſtern nach St. Petersburg be-
geben.
* Auszeichnungen und Ernennungen. Dem bei
der Landesregierung in Klagenfurt in Verwendung ſtehen-
den Bezirkshauptmanne Max Ritter von Grabmayr
wurde der Titel und Charakter eines Landesregierungs-
rathes verliehen. — Der penſionirte Director des Gefall-
amtes in Prag, Johann Zatecky, wurde zum kaiſer-
lichen Rath ernannt. — Der wirkliche Lehrer an der
Staatshandwerkerſchule in Tetſchen, Johann Dicke, wurde
zum wirklichen Lehrer an der Staatsgewerbeſchule in Salz-
burg ernannt. — Der Rathsſecretäradjunct Dr. Karl Frh.
von Heinold wurde zum Hoffecretär und der Bezirks-
commiſſär der mähriſchen k. k. Statthalterei, Oswald
Görtz von Aſtein zum Rathſecretärs-Adjuncten bei
dieſem k. k. Gerichtshofe befördert.
* König Albert von Sachſen. Bei dem Kaiſer
fand geſtern Abends um 6 Uhr in der kleinen Galerie
zu Schönbrunn ein Diner ſtatt, worauf die Abreiſe
des Königs erfolgte. Der Kaiſer nahm in herzlichſter
Weiſe von ſeinem königlichen Freunde Abſchied, um-
armte und küßte denſelben wiederholt. Der König ver-
abſchiedete ſich dann von dem Erzherzog Otto und beſtieg
den Zug, der ſich um 9 Uhr 30 Min. in Bewegung ſetzte
und den Gaſt unſeres Kaiſers nach Dresden brachte.
* Abreiſe des Kaiſers nach Budapeſt. Der
Kaiſer verabſchiedete ſich auf dem Nordweſtbahnhofe
auch von dem Erzherzog Otto, fuhr dann direct auf
den Staatsbahnhof und reiſte um 10 Uhr mittels
Hofſeparatzuges nach Budapeſt ab.
* Selbſtmord einer Bürgermeiſtersgattin.
Die Gemahlin des Bürgermeiſters von Rodaun,
Frau Richter, eine Dame im Alter von 60 Jahren,
hat ſich Samſtag in einem unbewachten Augenblick er-
hängt. Die Frau litt bereits ſeit längerer Zeit an tiefer
Schwermuth, bis ſich dieſes Leiden unter dem Einfluſſe
des ſchlechten Wetters ſo ſehr verſchlimmerte, daß ſie
Hand an ſich legte.
* Exhnmirung der ſerbiſchen Gelehrten.
Bekanntlich hat die ſerbiſche Regierung an die Gemeinde
Wien das Anſuchen geſtellt, die Exhumirung der auf
dem Sct. Marxer Friedhofe beigeſetzten ſterblichen
Ueberreſte des Begründers der neuen ſerbiſchen Literatur,
Vuk Stefanovic Kadradzic und des Sprach-
forſchers Bartholomäus Kojſitav vorzunehmen,
damit dieſelben nach Belgrad überführt werden können,
wo ſie in der Kathedrale beigeſetzt werden ſollen. Vor
der Ueberführung fand um 2 Uhr Nach-
mittags auf dem Sct. Marxer Friedhofe eine
Trauerfeier ſtatt, zu welcher ſich eine Anzahl
hervorragender Perſönlichkeiten eingefunden hatten, u. A.
der ſerbiſche Geſandte Michalovic, Miniſterial-
rath Rezek in Vertretung des Unterrichtsminiſters,
Bürgermeiſter Dr. Lueger, Hofrath Zagic als
Vertreter der Akademie der Wiſſenſchaften, Profeſſor
Jiricek als Vertreter der Wiener Univerſität, Dr.
Mantuani als Vertreter der Hofbibliothek, der
Vicepräſident des Abgeordnetenhauſes Dr. Kra-
marſch, die Reichsrathsabgeordneten Graf Auers-
perg, Baron Schwegel, Gregorcic, Barwinski,
Wienicki, Maſtalka, Povſche, Suſterſic, Vukovic,
Baljak und Doctor Kvekic eingefunden hatten.
Abg. Einſpieler nahm nach katholiſchem Ritus
die Einſegnung der Leiche Kopitars vor, während
ſerbiſche Prieſter dasſelbe mit der Leiche Karadzic’
thaten. Sodann hielt Hofrath Suklje die Trauer-
rede. Er betonte, daß ſich die heutige Feier nicht nur
auf die beiden verwandten Brudernationen beſchränke,
ſondern alle ſlaviſchen Nationen betreffe. In einer
Zeit wilden, wüſten Nationalitätenhaders, da man
leider ſehr oft nicht nach der Leiſtung fragt, ſondern
nach der Herkunft und dem Namen, muß es uns mit
beſonderer Hochachtung erfüllen, daß der Bürgermeiſter
der Reichshaupt- und Reſidenzſtadt
Wien (Zivio!) hier erſchienen iſt. Haben doch die
beiden Verblichenen in Wiens Mauern gelebt
und gewirkt und in Wien ihre beſten Werke heraus-
gegeben. Hierauf ergriff Bürgermeiſter Doctor
Lueger das Wort. Er ſagte: Wir Wiener werden
es nie vergeſſen, daß Kopitar an der Hofbibliothek
in ruhmvollſter Weiſe gewirkt. Er war auserſehen, die
Schätze, welche uns im Jahre 1809 räuberiſche Hände
entführt haben, wieder zurückzubringen. Ein eigenthüm-
liches Geſchick wollte es, daß er und Grillparzer, unſer
größter vaterländiſcher Dichter, zugleich um eine Stelle
in der Hofbibliothek ſich beworben haben, und als Kopitar
ſie erlangte, hat es Grillparzer neidlos anerkannt, daß
er ſie mit Recht erhalten. Kopitar ſtand mit den
deutſchen Schriftſtellern, mit dem Altmeiſter Goethe in
Verkehr, und ſelbſt Goethe hat ſeine Verdienſte aner-
kannt. Dr. Lueger feierte dann Vuk als echtes Kind
des Volkes, als Self made man, der ſich emporgearbeitet,
wie es nur wenige Männer vermocht haben. Doctor
Lueger hob am Schluſſe ſeiner Rede noch hervor, daß
Kopitar und Vuk auf einem Gebiete thätig geweſen
ſeien, auf dem nach Friede herrſcht, auf dem Ge-
biete des Wiſſens. Lautes und ſtürmiſches Zivio erfolgte,
als Dr. Lueger geſchloſſen. Hierauf ergriff der vor-
malige ſerbiſche Miniſterpräſident Novakovic das
Wort und feierte die Verdienſte Kopitars um die
literariſche Erziehung Vuk’s. Docent Dr. Murko
pries Kopitar als den Bahnbrecher in der Auf-
findung der Schätze der Poeſie aller Nationen und als
den Begründer des ſprachlichen und nationalen Einig-
keitsgefühles der Balkanſlaven. Damit war die Trauer-
feier zu Ende. Die beiden Leichen wurden unter Ehren-
geleite noch geſtern nach Belgrad überführt.
* Wählerverſammlung im 3. Bezirke.
Donnerſtag, den 14. d. M., 8 Uhr Abends, findet in
Dreher’s großem Saale, Landſtraße, Hauptſtraße, eine
große Wählerverſammlung ſtatt, in der Bürgermeiſter
Dr. Lueger, Landes-Ausſchuß Steiner und
Abg. Dr. Weiskirchner ſprechen werden.
Landes-Ausſchuß Steiner wird auch die Beamtenfrage
behandeln. Mit Rückſicht auf die bevorſtehenden Wahlen
in die Erwerbſteuer-Commiſſionen haben ſämmtliche
Steuerträger, die Beamten mit ihren Legitimations-
karten, ſowie die Frauen, welche ſteuerberechtigt ſind,
Zutritt.
* Ein Proteſt der jüdiſchen Cultusge-
meinde. Bekanntlich hat in der vorletzten Sitzung
des Gemeinderathes der Vicebürgermeiſter Dr. Neu-
mayer einen Antrag eingebracht, nach welchem eine
Petition an die hohe Regierung zu richten ſei, Vor-
ſtellungen gegen die maſſenhafte Ernennung jüdiſcher
Richter zu erheben. Die jüdiſche Cultusgemeinde ſieht
ſich natürlich hiedurch in ihren vitalſten Intereſſen be-
droht. Nachdem die Juden es glücklich dahin gebracht
haben, daß ſie den Geldmarkt beherrſchen, iſt ihr
nächſtes und letztes Ziel das Eindringen in die geiſtigen
Berufe, das ſchließlich die Unterordnung der Chriſten
unter ihr Scepter bedeuten würde. Deshalb veröffent-
licht der Cultusvorſtand gegen dieſen Antrag eine ge-
harniſchte Proteſtkundgebung, die ſelbſtverſtändlich nicht
einen Antiſemiten veranlaſſen wird, den eingeſchlagenen
Weg zu verlaſſen.
* Drei Monate wegen Bismarck-Beleidie
gung. In Oſtrowo in Preußiſch-Polen wurd-
dieſer Tage der Redacteur und Verleger eines polni-
ſchen Blattes, Nowicki, wegen Beleidigung Bis
marck’s zu drei Monaten Gefängniß verurtheilt. Das
Blatt brachte den Inhalt eines Zwiegeſpräches zwiſchen
dem Tod und dem Teufel aus einem galiziſchen Witz-
blatte. Die Verurtheilung erfolgte ſelbſtverſtändlich über
Antrag Bismarck’s.
* Ignaz Helfy †. Der ungariſche Reichstags-
abgeordnete Ignaz Helfy iſt heute Früh in Budapeſt
geſtorben. Helfy war Anhänger der Unabhängigkeits-
partei. Er hinterläßt eine Witwe.
* Das erſte Gefecht eines jüdiſchen Rekruten.
Geſtern Abends kam in ein Gaſtlocal im 16. Bezirke,
wo gerade eine Anzahl chriſtlich-ſocialer Arbeiter ver-
ſammelt war, ein jüdiſcher Rekrut, der ſich ohne jeden
Anlaß in die Geſpräche der Gäſte einmiſchte, bis er
aufgefordert wurde, das Local zu verlaſſen. Ohne jede
Veranlaſſung zog nun der tapfere jüdiſche Rekrut ſein
Bajonnett und fuchtelte mit demſelben den Gäſten vor
der Naſe herum. Als nun ein Wachmann geholt wurde,
drang der Soldat auch auf dieſen mit blanker Waffe
ein. Der Wachmann zog in Folge deſſen ebenfalls vom
Leder, worauf es der tapfere Makkabäer vorzog, aus-
zukneifen. Er fiel jedoch zu ſeinem Unglück zwei
eben vorübergehenden Schutzleuten in die Hände, welche
ihn aufs Commiſſariat ſtellten, von wo ihn eine Militär-
patrouille abholte.
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