Reichspost. Nr. 212, Wien, 18.09.1906.212 Wien, Dienstag Reichspost 18. September 1906 [Spaltenumbruch] Streiflichter. Die Macht der Presse. Die Gesamtzahl der jährlich verausgabten Die Kreuzelschreiber vom "Extrablatt". Das Interpellationsrecht im Gemeinderat Auch bei uns beherzigenswert. Verschiedene deutschkonservative Abgeordnete, "An und für sich, meint er (der Verfasser jener Die katholische Zentrumspartei Deutschlands Antiduellerfolge in Spanien. In Spanien, das oft "das klassische Land des Fahnenweihefest. Der Wiener katholische Jünglingsverein Soziale Rundschau. Eine Reform des Unfallgesetzes. Die 212 Wien, Dienstag Reichspoſt 18. September 1906 [Spaltenumbruch] Streiflichter. Die Macht der Preſſe. Die Geſamtzahl der jährlich verausgabten Die Kreuzelſchreiber vom „Extrablatt“. Das Interpellationsrecht im Gemeinderat Auch bei uns beherzigenswert. Verſchiedene deutſchkonſervative Abgeordnete, „An und für ſich, meint er (der Verfaſſer jener Die katholiſche Zentrumspartei Deutſchlands Antiduellerfolge in Spanien. In Spanien, das oft „das klaſſiſche Land des Fahnenweihefeſt. Der Wiener katholiſche Jünglingsverein Soziale Rundſchau. Eine Reform des Unfallgeſetzes. Die <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0009" n="9"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">212 Wien, Dienstag Reichspoſt 18. September 1906</hi> </fw><lb/> <cb/> <div type="jVarious" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Streiflichter.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Die Macht der Preſſe.</hi> </head><lb/> <p>Die Geſamtzahl der jährlich verausgabten<lb/> Zeitungsnummern iſt nach einer neueren Statiſtik<lb/> auf etwa 12.000 Millionen Exemplare zu ſchätzen.<lb/> Um ſich einen Begriff von dieſer ungeheueren<lb/> Menge zum machen, ſei nur geſagt, daß man mit<lb/> dieſen Zeitungen eine Fläche von nahezu 30.000<lb/> Quadratkilometern bedecken könnte. Das Papier-<lb/> gewicht beträgt rund 780.000 Tonnen. Sollte<lb/> dieſe Auflage von einer einzigen Maſchine gedruckt<lb/> werden, ſo würde die Geſamtauflage, wenn pro<lb/> Sekunde eine Zeitung gedruckt würde, nach 333<lb/> Jahren endlich erſcheinen können. Aufeinander-<lb/> geſchichtet würde ſie die anſehnliche Höhe von rund<lb/> 80.000 Metern erreichen. Angenommen, der einzelne<lb/> Menſch widme dem Leſen ſeiner Zeitung nur fünf<lb/> Minuten im Tag, ſo würde die Zeit, die von der<lb/> Geſamtbevölkerung der Erde zum Leſen ihrer<lb/> Zeitung pro Jahr verbraucht wird, gleich ſein<lb/> 100.000 Jahren. Eine ganz hübſche Studierzeit,<lb/> um aus ſchlechten Zeitungen Schlechtes, aus guten<lb/> Zeitungen Gutes aufzunehmen! Und nun ſtelle<lb/> man ſich vor, daß das internationale Judentum<lb/> immer mehr ſich dieſes Rieſeninſtrumentes der Preſſe<lb/> bemächtigt und durch dasſelbe zu den Völkern<lb/> ſpricht. Man zeige uns eine Gefahr, ähnlich groß<lb/> für die ariſchen Völker!</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Die Kreuzelſchreiber vom „Extrablatt“.</hi> </head><lb/> <p>Das Interpellationsrecht im Gemeinderat<lb/> von Wien iſt in der letzten Sitzung dieſer Körper-<lb/> ſchaft von einem Mitglied der autonomen Ver-<lb/> tretung der Stadt zu einer Anfrage über den<lb/> neuen Kurs im Jubiläums-Stadttheater benützt<lb/> worden und dieſe Anfrage iſt bei den Liberalen<lb/> Alt und Jung ſtark in die Glieder gefahren. Ihre<lb/> Zeitungen regen ſich darüber gewaltig auf<lb/> und beim „Illuſtrierten Wiener Extrablatt“, dem<lb/> jüngſten Adoptionskind der Elbemühl, knittert<lb/> und kracht es bis ins Gebälke des Leitartikels<lb/> hinauf. Es kommt dem politiſchen Kreuzelſchreiber<lb/> vom „Extrablatt“ ſo vor, als wären die Sieb-<lb/> ziger-Jahre wieder da mit ihrem Kulturkampf.<lb/> Beim Leſen der Interpellation Laux iſt ihm deren<lb/> geheimer Zuſammenhang mit den — Katholiken-<lb/> tagen in Eſſen und Eger offenbar geworden. Ob<lb/> man denn vor den Herren Bauer und<lb/> Baſch etwas verheimlichen könnte! Die<lb/> Menſchheit kann froh ſein, daß ſie ſolche Seismo-<lb/> graphen hat, die mit einem aus dem Orient im-<lb/> portierten Feingefühl geheime Umſturzbeſtrebungen<lb/> ahnen und rechtzeitig vorher anzeigen. Der Feind<lb/> ſchläft nicht, meint der liberale Kreuzelſchreiber,<lb/> er interpelliert und fährt dann dem Steinklopfer-<lb/> hanns in die Haare. Er verhängt die Horizonte.<lb/> — Schröcklich, ſchröcklich! möchte man ſagen. Was<lb/> doch alles vorgeht in der Welt, ohne daß Un-<lb/> eingeweihte eine Ahnung haben! Der Mann vom<lb/> „Montag-Journal“ iſt auch ein kluger Kopf, da<lb/> er literarhiſtoriſch feſtſtellt, daß Goethe nicht an<lb/> die chriſtlich-ſoziale Bewegung in Wien gedacht<lb/> hat, als er den „Fauſt“ ſchrieb, und Anzengruber<lb/> nicht, als er den „Pfarrer von Kirchfeld“ zu<lb/> Papier brachte. Das ſind beachtenswerte Auf-<lb/> ſchlüſſe über das Schaffen unſerer Klaſſiker und<lb/> Nachklaſſiker. Aber am beſten wiſſen Vergangenheit,<lb/> Gegenwart und Zukunft doch die Kreuzelſchreiber<lb/> und Leitartikelſchreiber vom „Extrablatt“ zu<lb/> deuten. Daß Anzengruber ſolche Fürſprecher<lb/> bekommt, daß hat er doch nicht verdient.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Auch bei uns beherzigenswert.</hi> </head><lb/> <p>Verſchiedene deutſchkonſervative Abgeordnete,<lb/> u. a. der Abg. Etz, haben ſich darauf berufen, daß<lb/> in der Zentrumspartei Deutſchlands eine Ab-<lb/> neigung gegen das allgemeine <hi rendition="#g">gleiche</hi> Stimm-<lb/> recht beſtehe, und haben daraus den Schluß ge-<lb/> zogen, daß auch in Oeſterreich chriſtliche Volks-<lb/> parteien nicht für das allgemeine gleiche Wahlrecht<lb/> ſtimmen dürften; ſie verlangten vielmehr, daß dem<lb/> mit Beſitz oder Bildung begabten Wähler zwei<lb/> oder mehr Stimmen anſtatt einer verliehen<lb/> werden. Wie falſch die Berufung auf die An-<lb/> ſchauung unter den Katholiken Deutſchlands iſt,<lb/> geht aus einem Aufſatze der „Köln. Volksztg.“<lb/> (Nr. 740) hervor, die einigen in einem Nicht-<lb/> parteiblatte erſchienenen Einwendungen gegen das<lb/> allgemeine gleiche Wahlrecht mit folgendem er-<lb/> widert:</p><lb/> <p>„An und für ſich, meint er (der Verfaſſer jener<lb/> Einwendungen), ſei es ein Unſinn, „daß der dümmſte<lb/> ungebildete Trottel mit dem intelligenteſten Manne<lb/> das gleiche Wahlrecht hat“. Solche Einwände gehen<lb/> von einer <hi rendition="#g">vollſtändigen Verkennung</hi> der<lb/><cb/> prinzipiellen Grundlage des allgemeinen Wahlrechtes<lb/> aus. Das allgemeine und gleiche Wahlrecht iſt ein-<lb/> fach die politiſche Folgerung aus der allgemeinen<lb/><hi rendition="#g">Rechtsgleichheit</hi> der Bürger im modernen Staate,<lb/> und dieſe iſt wieder das notwendige Seitenſtück zur<lb/> Gleichheit der <hi rendition="#g">Pflichten.</hi> Auch mit dem Einwurf<lb/> darf man uns nicht kommen, daß doch auch die Steuer-<lb/> pflicht keine gleiche ſei, und daß alſo zum wenigſten<lb/> nach der Steuerleiſtung auch das Wahlrecht abgeſtuft<lb/> werden müſſe. Steuerleiſtung und Wahlrecht oder<lb/> politiſche Intelligenz ſind <hi rendition="#g">durchaus keine ver-<lb/> gleichbaren</hi> oder innerlich zuſammenhängenden<lb/> Dinge ... „Bildung“ iſt ja nicht gleichbedeutend mit<lb/> Intelligenz, am allerwenigſten mit politiſcher Intelligenz.<lb/> Niemand wird zum Beiſpiel beſtreiten können,<lb/> daß aus dem <hi rendition="#g">Arbeiterſtande</hi> verhältnis-<lb/> mäßig ſehr viele Leute mit hoher politiſcher<lb/> Befähigung hervorgegangen ſind. Aber auch der<lb/><hi rendition="#g">Handwerkerſtand</hi> und <hi rendition="#g">Bauernſtand</hi> haben<lb/> ſolche führenden Köpfe hervorgebracht und eine Partei<lb/> wie das Zentrum, die ſtolz darauf iſt, ſolche Männer<lb/> in die Parlamente entſandt zu haben, wäre gewiß die<lb/> letzte, die berufen wäre, Wahlrechtsbeſchränkungen für<lb/> „Ungebildete“ zu befürworten. Wie ſoll nun dieſe<lb/> Intelligenz nachgewieſen werden? Etwa durch ein<lb/> politiſches Intelligenz- oder Bürgerexamen? Oder durch<lb/> eine der beſtehenden Prüfungen nach Art des „Ein-<lb/> jährigen“? Ganz abgeſehen davon, daß zur Vorbereitung<lb/> auf ſolche Examina auch wieder Geld gehört, ein<lb/> Bildungsvorrecht alſo in ſehr vielen Fällen nur ein<lb/> verkapptes Geldprivileg iſt, werden durch alle Examina<lb/> der Welt niemals die künftigen politiſchen Führer aus<lb/> der großen Maſſe herausgeſiebt werden. Und ander-<lb/> ſeits wird die größere politiſche Intelligenz unter<lb/> einigermaßen normalen Verhältniſſen auf dem politiſchen<lb/> Fechtboden ſich ſtets Geltung verſchaffen, auch wenn<lb/> ſie im Examen bloß Note 4 erhalten haben ſollte.<lb/> Damit iſt denn auch bereits die Anſicht widerlegt, als<lb/> ob das gleiche Wahlrecht ein Unrecht gegen die größere<lb/> Intelligenz wäre. Dieſe verleiht ihrem Beſitzer, wenn<lb/> er will, einen weit größeren politiſchen Einfluß als<lb/> ein Wahlrecht.“</p><lb/> <p>Die katholiſche Zentrumspartei Deutſchlands<lb/> will, wie man alſo aus dieſen Worten ihres be-<lb/> deutendſten Blattes erſieht, mit dem Pluralwahl-<lb/> recht nichts zu tun haben. Was den Katholiken<lb/> Deutſchlands recht iſt, kann uns in Oeſterreich<lb/> gewiß nur billig ſein.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Antiduellerfolge in Spanien.</hi> </head><lb/> <p>In Spanien, das oft „das klaſſiſche Land des<lb/> Duells“ genannt wurde, hat ſich die allgemeine<lb/> Meinung über das Duell ſo vollſtändig geändert,<lb/> daß derjenige, welcher ein Duell ablehnt, anſtatt der<lb/> unliebſamen Konſequenzen, die er ſich durch ſeine<lb/> Ablehnung noch vor zwei Jahren zugezogen hätte,<lb/> allgemeiner Billigung ſicher ſein kann. Anſtatt der<lb/> Zeichen von Verachtung erhält er die Glückwünſche<lb/> der vornehmen Welt. Von vielen Beiſpielen ſei das<lb/> des Herrn Euſebius Guell in Barcelona, der ſich im<lb/> Monat Jänner dieſes Jahres im Prado in Madrid<lb/> mit dem Senator Ferrer y Vidal hätte ſchlagen<lb/> ſollen, erwähnt. Herr Guell lehnte ab und kehrte nach<lb/> Barcelona zurück, wo bei ihm Tauſende von Gratu-<lb/> lationskarten abgegeben wurden. Aufang Februar griff<lb/> der Herausgeber der Militärzeitung „Ejercito y Armada“<lb/> („Heer und Flotte“), Hauptmann Pinnel in einem Artiel<lb/> die Katalonier an. Da die Zeitungen „Diario<lb/> Mercantil“ (liberal), „Correo Catalon“ (karliſtiſch)<lb/> und „Dilu vio“ (antiklerikal-republikaniſch) gegen die<lb/> Anſchuldigungen proteſtiert hatten, forderte Haupt-<lb/> mann Pinnel die Herausgeber: aber die drei Herren<lb/> lehnten es ab, ſich zu ſchlagen, und jeder einzelne<lb/> motivierte ſeinen Entſchluß nach ſeinen Ueber-<lb/> zeugungen. Die Zuſtimmung war allgemein, ebenſo<lb/> das Intereſſe, mit dem man die Darlegungen dieſer<lb/> Herren, welche in ihren Prinzipien ſo verſchieden<lb/> waren und auf verſchiedenen Wegen zu demſelben<lb/> Punkt der Uebereinſtimmung gelangten, verfolgte.<lb/> Wenige Monate ſpäter wurde der Heraus-<lb/> geber der Zeitung „Ejercito y Armada“, der<lb/> nämliche Hauptmann, ein enthuſiatiſcher Anhänger<lb/> der Antiduelliga und veröffentlichte am 20. Juni<lb/> einen ſchönen Artikel in ſeinen Zeitungen:<lb/> er tritt jetzt beſtändig für dieſe Sache ein. Ende<lb/> Februar wurde gelegentlich einer Polemik zwiſchen<lb/> zwei Zeitungen in Barcelona einer der Herausgeber<lb/> von dem andern gefordert, aber er antwortete, daß<lb/> er zum erſtenmal in ſeinem Leben, um ſich Genug-<lb/> tuung zu verſchaffen, einen wirkſameren Weg ein-<lb/> ſchlagen würde; er ſandte den beleidigenden Artikel<lb/> dem Strafgericht. Ebenſo handelte ein anderer Jour-<lb/> naliſt, der ſeinen Kollegen vor Gericht zitierte, wo<lb/> jener vollſtändige Satisfaktion gab, indem er ſeine<lb/> beleidigenden Worte widerrief. Jüngſt erſt hat der<lb/> Herausgeber einer kataloniſchen Zeitung einen andern<lb/> Herausgeber, mit dem er eine Preßpolemik geführt<lb/> hatte, mit Stockſchlägen traktiert; dieſer fand es für<lb/> töricht, ſeine Karte dem Angreifer zu übergeben, er<lb/> rief einfach einen Polizeimann herbei und<lb/> ließ den Angreifer arretieren. Der Gouverneur ließ<lb/> beide Herren kommen und legte ihnen in einem<lb/> Vortrag über den Zwiſchenfall ſeine Anſicht offen<lb/> dar, worauf ſich der Schuldtragende ins Bureau<lb/> ſeines Kollegen begab, um ſich bei ihm zu ent-<lb/> ſchuldigen, und in dieſer Weiſe wurde die Angelegen-<lb/> heit befriedigend erledigt. Die Regierung, welche<lb/> der Strömung der öffentlichen Meinung folgt, iſt<lb/> noch mehr in der Lage als dieſe, ihre Maßregeln<lb/> gegen die Duelle zu ergreifen, welche der größte<lb/><cb/> Teil der intelligenten Kreiſe für eine verbrecheriſche<lb/> Dummheit erklärt, und beweiſt dies auch in den<lb/> offiziellen Dokumenten. Die Spitzen der Regierung<lb/> griffen bald in ihrer amtlichen Eigenſchaft, bald als<lb/> private Mittelsmänner ein, um die Duelle, welche in<lb/> ſchweren Fällen im Parlament drohten, zu ver-<lb/> hindern. Wir geben ein Beiſpiel von der erſten<lb/> der beiden Formen ihres Vorgehens: Am 16. Fe-<lb/> bruar hatten der Deputierte Doval und der Ex-<lb/> deputierte Segni am Schluſſe der Sitzung einen heftigen<lb/> Streit und nannten ſich ſofort ihre Zeugen. Der Präſident<lb/> des Parlaments, Canalejas, der von dieſer Affäre<lb/> verſtändigt worden war, gab dem Zivilgouverneur<lb/> von Madrid, Ruiz Jimenez, den Befehl, das Duell<lb/> um jeden Preis zu verhindern. Den gleichen Auftrag<lb/> gaben der Miniſterpräſident Moret und der Staats-<lb/> miniſter. Jimenez, welcher beide Herren ſchon vor-<lb/> geladen hatte, befahl, ſie unverzüglich zu verhaften,<lb/> und da ſie nicht verſprechen wollten, ſich nicht zu<lb/> ſchlagen, blieben ſie trotz ihrer Vorrechte als Ab-<lb/> geordnete ſo lange in Haft, bis ihre Zeugen dem<lb/> Statthalter die geſchriebene und unterzeichnete Er-<lb/> klärung vorwieſen, durch welche die Frage freund-<lb/> ſchaftlich erledigt worden. Dasſelbe geſchah bei einer<lb/> Affäre zwiſchen <hi rendition="#g">Caſtro</hi> und dem Abgeordneten<lb/><hi rendition="#g">Gaſſet.</hi> Dieſe wurden im Moment, da ſie den<lb/> Kampfplatz betraten und obwohl ſie alle Vorſichts-<lb/> maßregeln getroffen hatten, um das Duell vor den<lb/> Behörden zu verheimlichen, überraſcht und mit<lb/> Gewalt in die Statthalterei gebracht, wo ſie ſo lange<lb/> verblieben, bis ſie ihr Ehrenwort gaben, daß ſie<lb/> ſich nicht duellieren würden. Schon im Dezember<lb/> 1905 verhinderte der Gouverneur von Barcelona,<lb/> der Herzog von Bibona, daß das Duell zwiſchen<lb/> den beiden Fechtlehrern Del Grece (Italiener) und<lb/> Kirchhoffer (Franzoſe) auf ſpaniſchem Boden ſtattfand.<lb/> In einer der Parlamentsſitzungen im Monat März<lb/> gab es einen ſchweren Zwiſchenfall zwiſchen einem<lb/> Deputierten und einem Sohne eines Miniſters:<lb/> erſterer griff in einer Rede dieſen Miniſter an, der<lb/> zweite antwortete mit Stockſchlägen. Der Deputierte<lb/> fragte den Herzog von Pamames um ſeinen Rat;<lb/> dieſer erwiderte, daß ſeiner Anſicht nach ein<lb/> Deputierter, der in ſeinem parlamentariſchen Berufe<lb/> inſultiert oder beleidigt worden iſt, niemals zu<lb/> einem Duell greifen dürfe. Der Herzog wiederholte<lb/> dies am nächſten Tage im Parlament, und der De-<lb/> putierte erklärte, er vertraue ſeine Ehre dem Herzog<lb/> von Pamames an.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Fahnenweihefeſt.</hi> </head><lb/> <p>Der Wiener katholiſche <hi rendition="#g">Jünglingsverein<lb/> „Maria Hilf“</hi> hatte am geſtrigen Sonntag einen<lb/> Ehrentag zu feiern. Es galt der Weihe einer Fahne<lb/> für die unter ſeiner Leitung ſtehenden <hi rendition="#g">Knaben-<lb/> patronage.</hi> Durch ein am Samstag der Fahnen-<lb/> patin, der Gemahlin des Bezirksvorſtehers Herrn<lb/> kaiſerlichen Rates Weidinger dargebrachtes Ständchen<lb/> nahm die Feier ihren Anfang. Sonntag früh zogen<lb/> die Knabenpatronagen vom 20., 13. und 17. Bezirk<lb/> auf, welche ſich dem Feſtzuge anſchloſſen, der mit<lb/> Muſikbegleitung ſich zur Wohnung der Fahnenpatin<lb/> bewegte, wo ſie abgeholt und zur Schottenfelder<lb/> Kirche geleitet wurde. In der Kirche fanden ſich der<lb/> Jünglingsverein Hernals und die Männerkongregation<lb/><hi rendition="#g">Fünfhaus</hi> mit Fahne ein, ſowie Gemeinderat<lb/><hi rendition="#g">Ahorner,</hi> Bezirksvorſteher-Stellvertreter <hi rendition="#g">Ohr-<lb/> fandl,</hi> die Bezirksräte Dr. <hi rendition="#g">Kuhn, Völkl, Köck,<lb/> Hold, Schöner</hi> und <hi rendition="#g">Kieſel,</hi> ſowie die<lb/> Armenräte <hi rendition="#g">Schubert</hi> und <hi rendition="#g">Obenaus.</hi> Die<lb/> Feſtpredigt hielt <hi rendition="#aq">P.</hi> Viktor <hi rendition="#g">Kolb</hi> <hi rendition="#aq">S. J.,</hi> der<lb/> in altgewohnter Weiſe die Herzen aller an ſich zog<lb/> und in kurzen Zügen die Entſtehung und Ent-<lb/> wicklung der Patronage ſchilderte, ſowie in warmen<lb/> Worten der Gönner und insbeſondere der Sankt<lb/> Vinzenzkonferenz „St. Laurenz“ am Schottenfeld<lb/> gedachte. Nach beendeter Predigt nahm Herr<lb/> Prälat <hi rendition="#g">Roſt</hi> von den Schotten unter zahlreicher<lb/> Aſſiſtenz die Weihe der Fahne vor, worauf Prälat<lb/> Roſt, Herr und Frau Weidinger, <hi rendition="#aq">P.</hi> Kolb,<lb/><hi rendition="#aq">P.</hi> Norbert, Pfarrer Womatſchka und Lehrer<lb/> Mizerofsky die Nägeln einſchlugen. Hierauf zele-<lb/> brierte Prälat Roſt das Hochamt, wobei der Cäcilien-<lb/> chor des Vereines unter Leitung des Kapellmeiſters<lb/> Peterlini die „Herz Jeſu“-Meſſe von Mitterer in<lb/> trefflicher Weiſe zur Aufführung brachte. Nun be-<lb/> wegte ſich der Zug, an deſſen Spitze die Vereins-<lb/> kapelle marſchierte, durch einzelne Gaſſen des Be-<lb/> zirkes Neubau zurück zum Vereinshaus, wo der<lb/> zirka 200köpfigen Schar von Knaben ein Imbiß ge-<lb/> reicht wurde. Nachmittags fand im Baumgartner<lb/> Kaſino ein animiertes Feſt ſtatt, das trotz des<lb/> ſchlechten Wetters zahlreich beſucht war.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Soziale Rundſchau.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Eine Reform des Unfallgeſetzes.</hi> </head> <p>Die<lb/> Abgeordneten der <hi rendition="#g">chriſtlich-ſozialen Partei</hi><lb/> werden beim Wiederzuſammentritt des Reichsrates<lb/> einen Geſetzentwurf einbringen, welcher die Re-<lb/> form des Unfallgeſetzes ſpeziell für das <hi rendition="#g">Eiſen-<lb/> bahnperſonal</hi> bezweckt und gegebenen Falles<lb/> für die Eiſenbahnangeſtellten ein Ausnahmsgeſetz<lb/> verlangt. Die Hauptforderungen, die im Geſetz-<lb/> entwurf erhoben werden, ſind: 1. Eine gründliche<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [9/0009]
212 Wien, Dienstag Reichspoſt 18. September 1906
Streiflichter.
Die Macht der Preſſe.
Die Geſamtzahl der jährlich verausgabten
Zeitungsnummern iſt nach einer neueren Statiſtik
auf etwa 12.000 Millionen Exemplare zu ſchätzen.
Um ſich einen Begriff von dieſer ungeheueren
Menge zum machen, ſei nur geſagt, daß man mit
dieſen Zeitungen eine Fläche von nahezu 30.000
Quadratkilometern bedecken könnte. Das Papier-
gewicht beträgt rund 780.000 Tonnen. Sollte
dieſe Auflage von einer einzigen Maſchine gedruckt
werden, ſo würde die Geſamtauflage, wenn pro
Sekunde eine Zeitung gedruckt würde, nach 333
Jahren endlich erſcheinen können. Aufeinander-
geſchichtet würde ſie die anſehnliche Höhe von rund
80.000 Metern erreichen. Angenommen, der einzelne
Menſch widme dem Leſen ſeiner Zeitung nur fünf
Minuten im Tag, ſo würde die Zeit, die von der
Geſamtbevölkerung der Erde zum Leſen ihrer
Zeitung pro Jahr verbraucht wird, gleich ſein
100.000 Jahren. Eine ganz hübſche Studierzeit,
um aus ſchlechten Zeitungen Schlechtes, aus guten
Zeitungen Gutes aufzunehmen! Und nun ſtelle
man ſich vor, daß das internationale Judentum
immer mehr ſich dieſes Rieſeninſtrumentes der Preſſe
bemächtigt und durch dasſelbe zu den Völkern
ſpricht. Man zeige uns eine Gefahr, ähnlich groß
für die ariſchen Völker!
Die Kreuzelſchreiber vom „Extrablatt“.
Das Interpellationsrecht im Gemeinderat
von Wien iſt in der letzten Sitzung dieſer Körper-
ſchaft von einem Mitglied der autonomen Ver-
tretung der Stadt zu einer Anfrage über den
neuen Kurs im Jubiläums-Stadttheater benützt
worden und dieſe Anfrage iſt bei den Liberalen
Alt und Jung ſtark in die Glieder gefahren. Ihre
Zeitungen regen ſich darüber gewaltig auf
und beim „Illuſtrierten Wiener Extrablatt“, dem
jüngſten Adoptionskind der Elbemühl, knittert
und kracht es bis ins Gebälke des Leitartikels
hinauf. Es kommt dem politiſchen Kreuzelſchreiber
vom „Extrablatt“ ſo vor, als wären die Sieb-
ziger-Jahre wieder da mit ihrem Kulturkampf.
Beim Leſen der Interpellation Laux iſt ihm deren
geheimer Zuſammenhang mit den — Katholiken-
tagen in Eſſen und Eger offenbar geworden. Ob
man denn vor den Herren Bauer und
Baſch etwas verheimlichen könnte! Die
Menſchheit kann froh ſein, daß ſie ſolche Seismo-
graphen hat, die mit einem aus dem Orient im-
portierten Feingefühl geheime Umſturzbeſtrebungen
ahnen und rechtzeitig vorher anzeigen. Der Feind
ſchläft nicht, meint der liberale Kreuzelſchreiber,
er interpelliert und fährt dann dem Steinklopfer-
hanns in die Haare. Er verhängt die Horizonte.
— Schröcklich, ſchröcklich! möchte man ſagen. Was
doch alles vorgeht in der Welt, ohne daß Un-
eingeweihte eine Ahnung haben! Der Mann vom
„Montag-Journal“ iſt auch ein kluger Kopf, da
er literarhiſtoriſch feſtſtellt, daß Goethe nicht an
die chriſtlich-ſoziale Bewegung in Wien gedacht
hat, als er den „Fauſt“ ſchrieb, und Anzengruber
nicht, als er den „Pfarrer von Kirchfeld“ zu
Papier brachte. Das ſind beachtenswerte Auf-
ſchlüſſe über das Schaffen unſerer Klaſſiker und
Nachklaſſiker. Aber am beſten wiſſen Vergangenheit,
Gegenwart und Zukunft doch die Kreuzelſchreiber
und Leitartikelſchreiber vom „Extrablatt“ zu
deuten. Daß Anzengruber ſolche Fürſprecher
bekommt, daß hat er doch nicht verdient.
Auch bei uns beherzigenswert.
Verſchiedene deutſchkonſervative Abgeordnete,
u. a. der Abg. Etz, haben ſich darauf berufen, daß
in der Zentrumspartei Deutſchlands eine Ab-
neigung gegen das allgemeine gleiche Stimm-
recht beſtehe, und haben daraus den Schluß ge-
zogen, daß auch in Oeſterreich chriſtliche Volks-
parteien nicht für das allgemeine gleiche Wahlrecht
ſtimmen dürften; ſie verlangten vielmehr, daß dem
mit Beſitz oder Bildung begabten Wähler zwei
oder mehr Stimmen anſtatt einer verliehen
werden. Wie falſch die Berufung auf die An-
ſchauung unter den Katholiken Deutſchlands iſt,
geht aus einem Aufſatze der „Köln. Volksztg.“
(Nr. 740) hervor, die einigen in einem Nicht-
parteiblatte erſchienenen Einwendungen gegen das
allgemeine gleiche Wahlrecht mit folgendem er-
widert:
„An und für ſich, meint er (der Verfaſſer jener
Einwendungen), ſei es ein Unſinn, „daß der dümmſte
ungebildete Trottel mit dem intelligenteſten Manne
das gleiche Wahlrecht hat“. Solche Einwände gehen
von einer vollſtändigen Verkennung der
prinzipiellen Grundlage des allgemeinen Wahlrechtes
aus. Das allgemeine und gleiche Wahlrecht iſt ein-
fach die politiſche Folgerung aus der allgemeinen
Rechtsgleichheit der Bürger im modernen Staate,
und dieſe iſt wieder das notwendige Seitenſtück zur
Gleichheit der Pflichten. Auch mit dem Einwurf
darf man uns nicht kommen, daß doch auch die Steuer-
pflicht keine gleiche ſei, und daß alſo zum wenigſten
nach der Steuerleiſtung auch das Wahlrecht abgeſtuft
werden müſſe. Steuerleiſtung und Wahlrecht oder
politiſche Intelligenz ſind durchaus keine ver-
gleichbaren oder innerlich zuſammenhängenden
Dinge ... „Bildung“ iſt ja nicht gleichbedeutend mit
Intelligenz, am allerwenigſten mit politiſcher Intelligenz.
Niemand wird zum Beiſpiel beſtreiten können,
daß aus dem Arbeiterſtande verhältnis-
mäßig ſehr viele Leute mit hoher politiſcher
Befähigung hervorgegangen ſind. Aber auch der
Handwerkerſtand und Bauernſtand haben
ſolche führenden Köpfe hervorgebracht und eine Partei
wie das Zentrum, die ſtolz darauf iſt, ſolche Männer
in die Parlamente entſandt zu haben, wäre gewiß die
letzte, die berufen wäre, Wahlrechtsbeſchränkungen für
„Ungebildete“ zu befürworten. Wie ſoll nun dieſe
Intelligenz nachgewieſen werden? Etwa durch ein
politiſches Intelligenz- oder Bürgerexamen? Oder durch
eine der beſtehenden Prüfungen nach Art des „Ein-
jährigen“? Ganz abgeſehen davon, daß zur Vorbereitung
auf ſolche Examina auch wieder Geld gehört, ein
Bildungsvorrecht alſo in ſehr vielen Fällen nur ein
verkapptes Geldprivileg iſt, werden durch alle Examina
der Welt niemals die künftigen politiſchen Führer aus
der großen Maſſe herausgeſiebt werden. Und ander-
ſeits wird die größere politiſche Intelligenz unter
einigermaßen normalen Verhältniſſen auf dem politiſchen
Fechtboden ſich ſtets Geltung verſchaffen, auch wenn
ſie im Examen bloß Note 4 erhalten haben ſollte.
Damit iſt denn auch bereits die Anſicht widerlegt, als
ob das gleiche Wahlrecht ein Unrecht gegen die größere
Intelligenz wäre. Dieſe verleiht ihrem Beſitzer, wenn
er will, einen weit größeren politiſchen Einfluß als
ein Wahlrecht.“
Die katholiſche Zentrumspartei Deutſchlands
will, wie man alſo aus dieſen Worten ihres be-
deutendſten Blattes erſieht, mit dem Pluralwahl-
recht nichts zu tun haben. Was den Katholiken
Deutſchlands recht iſt, kann uns in Oeſterreich
gewiß nur billig ſein.
Antiduellerfolge in Spanien.
In Spanien, das oft „das klaſſiſche Land des
Duells“ genannt wurde, hat ſich die allgemeine
Meinung über das Duell ſo vollſtändig geändert,
daß derjenige, welcher ein Duell ablehnt, anſtatt der
unliebſamen Konſequenzen, die er ſich durch ſeine
Ablehnung noch vor zwei Jahren zugezogen hätte,
allgemeiner Billigung ſicher ſein kann. Anſtatt der
Zeichen von Verachtung erhält er die Glückwünſche
der vornehmen Welt. Von vielen Beiſpielen ſei das
des Herrn Euſebius Guell in Barcelona, der ſich im
Monat Jänner dieſes Jahres im Prado in Madrid
mit dem Senator Ferrer y Vidal hätte ſchlagen
ſollen, erwähnt. Herr Guell lehnte ab und kehrte nach
Barcelona zurück, wo bei ihm Tauſende von Gratu-
lationskarten abgegeben wurden. Aufang Februar griff
der Herausgeber der Militärzeitung „Ejercito y Armada“
(„Heer und Flotte“), Hauptmann Pinnel in einem Artiel
die Katalonier an. Da die Zeitungen „Diario
Mercantil“ (liberal), „Correo Catalon“ (karliſtiſch)
und „Dilu vio“ (antiklerikal-republikaniſch) gegen die
Anſchuldigungen proteſtiert hatten, forderte Haupt-
mann Pinnel die Herausgeber: aber die drei Herren
lehnten es ab, ſich zu ſchlagen, und jeder einzelne
motivierte ſeinen Entſchluß nach ſeinen Ueber-
zeugungen. Die Zuſtimmung war allgemein, ebenſo
das Intereſſe, mit dem man die Darlegungen dieſer
Herren, welche in ihren Prinzipien ſo verſchieden
waren und auf verſchiedenen Wegen zu demſelben
Punkt der Uebereinſtimmung gelangten, verfolgte.
Wenige Monate ſpäter wurde der Heraus-
geber der Zeitung „Ejercito y Armada“, der
nämliche Hauptmann, ein enthuſiatiſcher Anhänger
der Antiduelliga und veröffentlichte am 20. Juni
einen ſchönen Artikel in ſeinen Zeitungen:
er tritt jetzt beſtändig für dieſe Sache ein. Ende
Februar wurde gelegentlich einer Polemik zwiſchen
zwei Zeitungen in Barcelona einer der Herausgeber
von dem andern gefordert, aber er antwortete, daß
er zum erſtenmal in ſeinem Leben, um ſich Genug-
tuung zu verſchaffen, einen wirkſameren Weg ein-
ſchlagen würde; er ſandte den beleidigenden Artikel
dem Strafgericht. Ebenſo handelte ein anderer Jour-
naliſt, der ſeinen Kollegen vor Gericht zitierte, wo
jener vollſtändige Satisfaktion gab, indem er ſeine
beleidigenden Worte widerrief. Jüngſt erſt hat der
Herausgeber einer kataloniſchen Zeitung einen andern
Herausgeber, mit dem er eine Preßpolemik geführt
hatte, mit Stockſchlägen traktiert; dieſer fand es für
töricht, ſeine Karte dem Angreifer zu übergeben, er
rief einfach einen Polizeimann herbei und
ließ den Angreifer arretieren. Der Gouverneur ließ
beide Herren kommen und legte ihnen in einem
Vortrag über den Zwiſchenfall ſeine Anſicht offen
dar, worauf ſich der Schuldtragende ins Bureau
ſeines Kollegen begab, um ſich bei ihm zu ent-
ſchuldigen, und in dieſer Weiſe wurde die Angelegen-
heit befriedigend erledigt. Die Regierung, welche
der Strömung der öffentlichen Meinung folgt, iſt
noch mehr in der Lage als dieſe, ihre Maßregeln
gegen die Duelle zu ergreifen, welche der größte
Teil der intelligenten Kreiſe für eine verbrecheriſche
Dummheit erklärt, und beweiſt dies auch in den
offiziellen Dokumenten. Die Spitzen der Regierung
griffen bald in ihrer amtlichen Eigenſchaft, bald als
private Mittelsmänner ein, um die Duelle, welche in
ſchweren Fällen im Parlament drohten, zu ver-
hindern. Wir geben ein Beiſpiel von der erſten
der beiden Formen ihres Vorgehens: Am 16. Fe-
bruar hatten der Deputierte Doval und der Ex-
deputierte Segni am Schluſſe der Sitzung einen heftigen
Streit und nannten ſich ſofort ihre Zeugen. Der Präſident
des Parlaments, Canalejas, der von dieſer Affäre
verſtändigt worden war, gab dem Zivilgouverneur
von Madrid, Ruiz Jimenez, den Befehl, das Duell
um jeden Preis zu verhindern. Den gleichen Auftrag
gaben der Miniſterpräſident Moret und der Staats-
miniſter. Jimenez, welcher beide Herren ſchon vor-
geladen hatte, befahl, ſie unverzüglich zu verhaften,
und da ſie nicht verſprechen wollten, ſich nicht zu
ſchlagen, blieben ſie trotz ihrer Vorrechte als Ab-
geordnete ſo lange in Haft, bis ihre Zeugen dem
Statthalter die geſchriebene und unterzeichnete Er-
klärung vorwieſen, durch welche die Frage freund-
ſchaftlich erledigt worden. Dasſelbe geſchah bei einer
Affäre zwiſchen Caſtro und dem Abgeordneten
Gaſſet. Dieſe wurden im Moment, da ſie den
Kampfplatz betraten und obwohl ſie alle Vorſichts-
maßregeln getroffen hatten, um das Duell vor den
Behörden zu verheimlichen, überraſcht und mit
Gewalt in die Statthalterei gebracht, wo ſie ſo lange
verblieben, bis ſie ihr Ehrenwort gaben, daß ſie
ſich nicht duellieren würden. Schon im Dezember
1905 verhinderte der Gouverneur von Barcelona,
der Herzog von Bibona, daß das Duell zwiſchen
den beiden Fechtlehrern Del Grece (Italiener) und
Kirchhoffer (Franzoſe) auf ſpaniſchem Boden ſtattfand.
In einer der Parlamentsſitzungen im Monat März
gab es einen ſchweren Zwiſchenfall zwiſchen einem
Deputierten und einem Sohne eines Miniſters:
erſterer griff in einer Rede dieſen Miniſter an, der
zweite antwortete mit Stockſchlägen. Der Deputierte
fragte den Herzog von Pamames um ſeinen Rat;
dieſer erwiderte, daß ſeiner Anſicht nach ein
Deputierter, der in ſeinem parlamentariſchen Berufe
inſultiert oder beleidigt worden iſt, niemals zu
einem Duell greifen dürfe. Der Herzog wiederholte
dies am nächſten Tage im Parlament, und der De-
putierte erklärte, er vertraue ſeine Ehre dem Herzog
von Pamames an.
Fahnenweihefeſt.
Der Wiener katholiſche Jünglingsverein
„Maria Hilf“ hatte am geſtrigen Sonntag einen
Ehrentag zu feiern. Es galt der Weihe einer Fahne
für die unter ſeiner Leitung ſtehenden Knaben-
patronage. Durch ein am Samstag der Fahnen-
patin, der Gemahlin des Bezirksvorſtehers Herrn
kaiſerlichen Rates Weidinger dargebrachtes Ständchen
nahm die Feier ihren Anfang. Sonntag früh zogen
die Knabenpatronagen vom 20., 13. und 17. Bezirk
auf, welche ſich dem Feſtzuge anſchloſſen, der mit
Muſikbegleitung ſich zur Wohnung der Fahnenpatin
bewegte, wo ſie abgeholt und zur Schottenfelder
Kirche geleitet wurde. In der Kirche fanden ſich der
Jünglingsverein Hernals und die Männerkongregation
Fünfhaus mit Fahne ein, ſowie Gemeinderat
Ahorner, Bezirksvorſteher-Stellvertreter Ohr-
fandl, die Bezirksräte Dr. Kuhn, Völkl, Köck,
Hold, Schöner und Kieſel, ſowie die
Armenräte Schubert und Obenaus. Die
Feſtpredigt hielt P. Viktor Kolb S. J., der
in altgewohnter Weiſe die Herzen aller an ſich zog
und in kurzen Zügen die Entſtehung und Ent-
wicklung der Patronage ſchilderte, ſowie in warmen
Worten der Gönner und insbeſondere der Sankt
Vinzenzkonferenz „St. Laurenz“ am Schottenfeld
gedachte. Nach beendeter Predigt nahm Herr
Prälat Roſt von den Schotten unter zahlreicher
Aſſiſtenz die Weihe der Fahne vor, worauf Prälat
Roſt, Herr und Frau Weidinger, P. Kolb,
P. Norbert, Pfarrer Womatſchka und Lehrer
Mizerofsky die Nägeln einſchlugen. Hierauf zele-
brierte Prälat Roſt das Hochamt, wobei der Cäcilien-
chor des Vereines unter Leitung des Kapellmeiſters
Peterlini die „Herz Jeſu“-Meſſe von Mitterer in
trefflicher Weiſe zur Aufführung brachte. Nun be-
wegte ſich der Zug, an deſſen Spitze die Vereins-
kapelle marſchierte, durch einzelne Gaſſen des Be-
zirkes Neubau zurück zum Vereinshaus, wo der
zirka 200köpfigen Schar von Knaben ein Imbiß ge-
reicht wurde. Nachmittags fand im Baumgartner
Kaſino ein animiertes Feſt ſtatt, das trotz des
ſchlechten Wetters zahlreich beſucht war.
Soziale Rundſchau.
Eine Reform des Unfallgeſetzes. Die
Abgeordneten der chriſtlich-ſozialen Partei
werden beim Wiederzuſammentritt des Reichsrates
einen Geſetzentwurf einbringen, welcher die Re-
form des Unfallgeſetzes ſpeziell für das Eiſen-
bahnperſonal bezweckt und gegebenen Falles
für die Eiſenbahnangeſtellten ein Ausnahmsgeſetz
verlangt. Die Hauptforderungen, die im Geſetz-
entwurf erhoben werden, ſind: 1. Eine gründliche
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