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Reichspost. Nr. 133, Wien, 14.06.1898.

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Wien, Dienstag Reichspost 14. Juni 1898 133

[Spaltenumbruch]

Die heutige Sitzung des
Senates war sehr stark besucht. Im Laufe der Sitzung
erschien der deutsche und der italienische Botschafter
auf der Diplomatentribüne. Der ehemalige Gouverneur
der Philippinen, Marschall Primo de Rivera weist
nach, daß er im Jahre 1881, als er das erste Mal
Gouverneur der Philippinen war, einen Bericht an die
Regierung erstattet habe, in welchem er die Noth-
wendigkeit darlegte, die Vertheidigungsmittel zu Lande
zu vermehren und eine starke Cscarde nach den
Philippinen zu entsenden. Am 12. März 1898 habe
die Regierung ihm ein Telegramm übermittelt, in
welchem ihm mitgetheilt wurde, daß er den Ausbruch
der Feindseligkeiten mit den Vereinigten Staaten nicht
zu befürchten habe und demnach ohne Hinderniß nach
Spanien zurückkehren könne. Am 27. März habe er
ein anderes Telegramm erhalten, in welchem ihm die
Wahrscheinlichkeit des Ausbruches des Krieges angezeigt
und der Auftrag ertheilt wurde, die Mittel zur Ver-
theidigung vorzubereiten. Mit welchen Mitteln, ruft Redner
aus, konnte ich mich vertheidigen, wenn man mir alles,
was ich seit 1881 verlangte, verweigert hat? Redner
fährt fört, er wolle keine Enthüllungen über gewisse
Dinge machen (eine Stimme ruft: Der Augenblick ist
gekommen, alles zu sagen) man müsse im Interesse
Spaniens Schweigen beobachten. In Folge des Mangels
am Nothwendigsten sei die spanische Escadre zum Unter-
gang verurtheilt gewesen.

Redner schließt mit der Versicherung, alle an ihn
in Betreff seiner Verwaltung der Philippinen gerichteten
Fragen beantworten zu wollen.

Nachdem sowohl der Colonienminister, als auch der
Kriegsminister noch die Verwaltung Rivera's gelobt
hatten, erscheint der Zwischenfall erledigt und wird die
Berathung des Budgets fortgesetzt.

Die Minister zeigten sich
über den heute abgehaltenen Ministerrath sehr
reservirt. Die Agencia Fabra erfährt jedoch, daß sich
der Ministerrath hauptsächlich mit der Frage der Hilfs-
mittel und des Abkommens mit den Minoritäten in der
Kammer wegen sofortiger Annahme des Budgets be-
faßte. Weiters beschäftigte er sich mit der Reise des
Marineministers Aunon. Es wurden ein Brief und
Depeschen bezüglich der von Aunon angeordneter Maß-
nahmen verlesen.

Kriegsminister Correa wird heute Abends dem
Generalcapitän von Puertorico neuerdings telegraphiren,
um zu erfahren, ob sich der Torpedojäger "Terror"
noch immer dort befinde.

Der Minister des Aeußern erklärte, die Minister
dürften und könnten aus Patriotismus keinerlei Mit-
theilungen machen.

Der Prager Bürgermeister in Brünn.

Anläßlich der Ankunft des
Prager Bürgermeisters Dr. Podlipny zur
Palacky-Feier zog gestern Vormittags eine
demonstrirende Menge zum Bahnhof
und, als der Platz vor demselbem geräumt wurde, in
die Stadt zurück, wo es noch vor der Ankunft des
Dr. Podlipny, die um 12 Uhr Mittags erfolgte, zu
Schlägereien kam, so daß die Polizeiwache
wiederholt einschreiten mußte. Als dann Dr. Podlipny
zum "Besedni dum" durch die Straßen fuhr, wurde
gejohlt, gepfissen und geschrien, und einerseits deutsche,
andererseits czechische Lieder abgesungen. Auch bei
diesem Anlasse kam es zu Zwistigkeiten und
Schlägereien.

Da für Nachmittag ein Festzug nach Königs-
feld
geplant war, versammelte sich vor dem Cafe
Beber eine große Menge von Deutschen, welche beim
Passiren des Festzuges in Johlen,
Pfuirufe
und Pfeifen ausbrach und deutsche
Lieder sang, was mit böhmischen Liedern erwiedert
wurde, so daß die circa 30 Mann starke Polizei, um
Conflicten vorzubeugen, einen Cordon ziehen mußte.

Infolge des später eingetretenen Platzregens
kehrten die Ausflügler einzeln von Königsfeld
nach Brünn zurück, wo sie von den beim Cafe
Beber angesammelten Deutschen mit Pfeifen empfangen
wurden. Aehnliche Vorgänge setzten sich bis gegen
9 Uhr Abends fort. Gegen 10 Uhr trat in der Stadt
ziemliche Ruhe ein.

Von der Polizei wurden über 150 Per-
sonen angehalten,
jedoch bald wieder auf
freien Fuß gesetzt.

Bisher sind zehn Verletzungen leichten
Grades bekannt. Beim Cafe Beber wurde eine Scheibe
eingeschlagen und in einer Buchhandlung ein Auslage-
fenster eingedrückt.

Schon am 11. d. M. hatte sich unter der deut-
schen Bevölkerung
eine große Erregung
kundgegeben. Gegen 5 Uhr Nachmittags hatten sich
mehrere hundert junger Leute vor dem hiesigen
Bahnhofe angesammelt, um gegen die ankommen-
den Theilnehmer der Feier zu demonstriren.
Mit dem 5 Uhr-Schnellzuge kamen einige Abgeordnete
an, die jedoch erst später, in der Ferdinandsgasse, er-
kannt und hier mit Pfeifen empfangen wurden. Als sich
nun gegen 8 Uhr Abends eine mehrere Hundert
zählende Menge
abermals vor dem Bahnhofe
angesammelt hatte, in der Voraussetzung, daß Dr. Pod-
lipny kommen werde, mußte der Platz vor dem Bahn-
hofe geräumt werden, was mit Johlen und Pfeifen be-
antwortet wurde. Da jedoch Dr. Podlipny nicht ein-
traf, zerstreute sich ein Theil der Demonstranten, wäh-
rend der größere Theil sich beim Cafe Beber ansammelte
[Spaltenumbruch] und von dort, deutsche Lieder singend, durch die
Straßen zog, um sich dann gleichfalls zu zerstreuen.
Gegen 9 Uhr Abends war Ruhe eingetreten. (Siehe
auch zweiten Bericht unter Kronländer: Mähren-
Brünn.)

Entgleisung.

Bei der Einfahrt des
Personenzuges Nr. 312 in die Station
Böhm.-Kübitzen-Vollmau auf der Strecke Furth im
Walde--Pilsen entgleiste gestern die Zugs-
locomotive
und der Dienstwagen nach Passirung
des Einfahrtswechsels, wodurch der Zug eine Ver-
spätung von 2 Stunden 18 Minuten erlitt. Die
Reisenden mußten umsteigen. Verletzungen sind
keine vorgekommen. Die Erhebungen sind im Zuge.

Spanische Falschmünzer.

Hier wurde eine Falsch-
münzerbande entdeckt. Das falsche Geld war für
Gibraltar bestimmt.

Die Vorgänge in der Türkei.

Der Sultan
begnadigte
25 in Wan verhaftete Armenier.

Im heutigen Ministerrathe gelangt die Kirchen-
affaire
in Kumanowo zur Berathung.

Es verlautet, Marschall Edhem Pascha
werde entweder Commandant des VII. Corps in
Yemen, um das Land zu pacificiren und die un-
sicheren Nachbargebiete zu occupiren, oder Comman-
dant des III. Corps in Saloniki oder aber Ober-
commandant in Rumelien, inbegriffen Macedonien und
Albanien, welch letzteren Titel der verstorbene Marschall
Derwisch Pascha führte.

General Omer Ruschdi Pascha, der
bisherige Generalstabschef Edhem Paschas, wurde zum
Adlatus des Chefs des Generalstabes ernannt.

Ein Erdbeben.

Heute um Mitternacht
wurde hier ein starker Erdstoß verspürt, der jedoch
keinen Schaden anrichtete. In Lauria wurde gleichfalls
ein starkes Erdbeben bemerkt.

Eine chinesische Universität.

Ein kaiserliches Decret ordnet
die Errichtung einer Universität nach euro-
päischem Muster in Peking
an. Hohe
Würdenträger erhielten die Weisung, unverzüglich über
die Ausführung des Decretes zu berathen.

Arbeiter-Excesse in Ungarn.

Gerüchtweise verlautet, in
Balmaz-Ujvaros seien die fremden
Arbeiter von den einheimischen
überfallen worden.
Die Gendarmerie sei
genöthigt gewesen, von der Feuerwaffe Gebrauch zu
machen; ein Arbeiter sei getödtet und drei verwundet
worden.




Anläßlich der fünf-
und zwanzigsten Jahresfeier des
Feldzuges,
in welchem General Kauffmann
das Khanat von Chiwa eroberte, fand heute
ein von den Officieren, welche an dem Feldzuge theil-
genommen hatten, veranstaltetes Bankett statt.

General Kora
wurde zum Präsidenten der argentinischen Republik
gewählt.

Der ehemalige Reichsraths-
abgeordnete und Landesgerichtspräsident des Ruhe-
standes, Josef Jasinski ist gestern in Folge eines
Blutsturzes gestorben.

Der König ernannte 60
Deputirte für die Skupschtina. Der größere
Theil derselben besteht aus höheren Beamten verschie-
dener Ressorts ohne ausgesprochene Parteirichtung.

"Daily Chronicle" zu Folge
wird der Gesandte der südafrikanischen
Republik,
Leyds, während seines hiesigen Auf-
enthaltes Verhandlungen zur Aufnahme einer
Anleihe im Betrage von 5,000.000 Pfund Sterling
eröffnen.

Die "Times" meldet aus
Riode Janeiro vom 11. d. M.: Es wird be-
richtet, die Regierung habe mit 7 einheimischen und
5 fremden Banken ein Abkommen getroffen, wonach die
Conversion der 4%igen Goldanleihe vom Jahre 1890
in eine 5%ige Papieranlehe garantirt wird. Man er-
wartet, daß ein Decret erklären wird, die Conversion
werde vom 1. Juli ab durchgeführt.

Der Statthalter FZM. Edler
von David inspicirte Samstag die Garnison von
Castelnuovo und hierauf das Werk in Kobila.

Kaiserin Elisa-
beth
ist Nachmittags nach beendigter Cur über Würz-
burg nach München abgereist.




Zusammenstoß zwischen Christlich-Socialen
und Socialdemokraten.


Dex Volkswahlverein in St. Pölten hat für den heutigen
Sonntag nach Traismauer eine öffentliche, frei zugängliche
Wählerversammlung einberufen, die einen überaus stürmischen
Verlauf nahm und vorzeitig geschlossen werden mußte. Die
Bräuhaus-Bierhalle, in welcher die Versammlung Nachmittags
stattfand, war geradezu lebensgefährlich überfüllt, der Garten
[Spaltenumbruch] und die anderen Schanklocalitäten dicht besetzt, wiewohl es
zeitweise in Strömen regnete. Ueber die weithin vernehm-
baren Tumultscenen avisirt, erschien auch die Gendarmerie
vor dem Hause.

Die Versammlung, welche gegen zwei Stunden währte,
nahm folgenden Verlauf: Selbe wird vom Vorsitzenden,
Herrn Rautek, eröffnet; worauf der Reichsraths- und
Landtags-Abgeordnete Wohlmeyer die Rednertribüne
betritt und von den Socialdemokraten mit Zurufen, wie
"Pfui Wohlmeyer!", "Wohlmeyer abtreten!" empfangen
wird. Abg. Wohlmeyer ersucht um Ruhe mit der Bemer-
kung, daß noch Bürger, Bauern und Gewerbetreibende in
Menge da sind, die ihren gewählten Abgeordneten hören
wollen und sich pon politischen Gegnern nicht terrori-
siren lassen. Er wolle seinen Wählern den Rechen-
schaftsbericht über seine Thätigkeit im Reichsrathe
und im Landtag erstatten. (Rufe: Vielleicht über die den
Krüppeln gestohlenen 12.000 Gulden!) Ein alter Bauer
ruft, zu den Socialdemokraten gewendet: "Ihr benimmt's
Euch wie dumme Buben!" Gegenrufe: "Sie sind ein alter
Esel! Schauen Sie, daß außi kommen." (Großer Lärm und
heftiger Wortwechsel.) Vorsitzen der (zu den Social-
demokraten): Wenn Sie die heutige Versammlung stören
oder sprengen wollen, dann ist es die letzte frei zugängliche
Versammlung. Abg. Wohlmeyer: Wenn die Social-
demokratie als eine ernste, politische Partei genommen werden
will, dann muß sie diesen politischen Ernst auch den Gegnern
gegenüber wahren. Rufe: Wir brauchen Ihre weisen Lehren
nicht! Fahren's ab! (Großer Lärm.) Der Bürgermeister
Blank aus Traismauer ersucht die anwesenden Social-
demokraten, Ruhe und Ordnung zu halten. Der Führer
der Socialdemokraten, Herr Rheinländer, mahnt
seine Collegen zur Ruhe und ersucht den Abg. Wohlmeyer
fortzufahren, da er ihm dann erwiedern werde. Bei theil-
weise eingetretener Ruhe erstattet nun der Abg. Wohl-
meyer
einen Theil seines Rechenschaftsberichtes, in dessen
Verlauf er sagt, daß sich die liberale, großcapitalistische
Partei hinter die Aermsten der Armen, nähmlich hinter
die Socialdemokratie gesteckt hat, um den
Bauer- und Gewerbestand gänzlich zu untergraben. (Stür-
mischer Widerspruch auf Seite der Socialdemokraten. Rufe:
Pfui Teufel! Sie sind der richtige Volksvertreter! Schämen
Sie sich! Sie haben den Krüppeln die 12.000 fl. gestohlen!)
Abg. Wohlmeyer: Von einem Diebstahl ist keine
Rede, das verbiete ich mir entschieden! Ich habe nur bean-
tragt, daß die Vertheilung der 12.000 Gulden durch den
Landesausschuß geschieht, weil die Arbeiterkrankencasse über
die Summen gar keine Rechnungen gelegt hat. Durch meinen
Antrag wird Niemand benachtheiligt. -- Rheinländer
(Socialdemokrat): Das können Sie den Bauern vormachen,
uns aber nicht! -- (Entrüstungszurufe von den Bauern.)
Abg. Wohlmeyer (zu den Socialdemokraten): Sie
schöpfen Ihre Weisheit aus der "Arbeiter-Zeitung", ein
total verlogenes Blatt, das ich jetzt klagen werde! (Wider-
spruch und lebhafter Beifall.) Abg. Wohlmeyer
(fortfahrend): Bei Ihren Führern in Wien konnte
keine Controle vorgenommen werden, ob die Subvention
richtig vertheilt war oder nicht. Der beste Beweis hiefür ist,
daß die Namen der Unterstützungsbedürftigen anders und
die Namen der thatsächlich Empfangsbestätigenden auch anders
gelautet haben. (Tosender Sturm. Rufe: Lügner! Herunter
mit ihm! Schmeißt's ihn obi!) Während dieses Trubels
erscheint im Saale der zweite Redner, Reichsraths- und
Landtagsabgeordnete Msgr. Dr. Scheicher; ihm folgt
noch der dritte Redner, Herr Kunschak aus Wien. Abg.
Scheicher wird von seinen Gesinnungsgenossen mit
stürmischen Hochrufen begrüßt; die Socialdemokraten ver-
halten sich ziemlich ruhig, einzelne rufen "Heil, P. Scheicher!"
Den nachfolgenden Kunschak, der von den Christlich-Socialen
lebhaft acclamirt wird, überschütten die Socialdemokraten
mit stürmischen Pfuirufen. Ein Versammlungstheilnehmer
protestirt laut dagegen, daß sich auch 16, 17 und 18jährige
Burschen so benehmen. (Stürmischer Wiederspruch auf Seite
der Socialdemokraten. Vorsitzender mahnt zur Ruhe. Ruf:
Gehen Sie lieber Schuh' flicken! Gegenrufe: Besser Schuh'
flicken, als Schuh' stehlen. Großer Lärm.) Rufe: Wie die
Buben! -- Herr Kunschak: Aber nicht die Lehrbuben,
die Ihr (Socialdemokraten) in Wien organisirt habt's. Es
melden sich 2 Socialdemokraten zum Worte, welche den Abg.
Wohlmayer nochmals in der bekannten Subventions-
angelegenheit von 12.000 fl. interpelliren, worauf der
Interpellirte erwidert. (Großer Beifall bei den Gesinnungs-
genossen und Widerspruch.) Es gelangt hierauf Herr
Kunschak zum Wort, was eine Lärmscene sonder-
gleichen zur Folge hat, so daß er kaum einige Sätze
sprechen kann. Socialistenführer Herr Böhm steigt auf
einen Stuhl und ruft den Genossen zu: "Es gereicht uns
zu keiner Ehre, wenn wir so spectakeln ..... Stürmische
Rufe: "Pfui!" "Du bist eh Aner von den Schwarzen!"
"Scham Dich!" -- Es entsteht ein furchtbarer Lärm. Man
kann kaum mehr das eigene Wort hören; die Bauern
schaaren sich um die Socialdemokraten und umringen sie,
der Bürgermeister mahnt zur Besinnung, es scheint, daß es
jeden Moment zum blutigen Zusammenstoß kommen muß.
In diesem Möment schreit der Vorsitzende mit überlauter
Stimme in die Versammlung hinein, daß dieselbe geschlossen
sei. Das von den Socialdemokraten angestimmte Lied der
Arbeit wird durch die Volkshymne der Christlich Socialen
übertönt, worauf die Letzteren unter Hohnrufen der Social-
demokraten truppweise den Saal verlassen.




Die Enthüllung des Markart-Denkmales.

Vierzehn Jahre nach dem Tode des Meisters ist heute
das Denkmal Hans Markart's im Stadtparke enthüllt wor-
den. Die Feier der Enthüllung gestaltete sich sehr intim und
auf dem beschränkten Raume hatten sich außer den offi-
ciellen Persönlichkeiten und vielen Künstlern, nur die Ange-
hörigen und persönlichen Freunde Markart's eingefunden.
Rathsdiener in Gala hielten an beiden Eingängen gegen
die Ringstraße Wache und standen zu beiden Seiten des
Denkmales. Vor dem Denkmal war ein Podium errichtet,
auf dem die Mitglieder des Männergesangvereines Auf-
stellung nahmen. Unterhalb des Podiums standen im Halb-
kreise zwei Reihen Stühle und davor blieb ein Raum frei,
auf dem sich die Zeugen der Enthüllung versammelten.
Unter denselben waren zu sehen: Statthalter Graf Kiel-
mansegg, die geheimen Räthe Nicolaus Dumba und
Bezecny, Polizeipräsident Habrda, Vice-Bürgermeister Stro-
bach in Vertretung des Bürgermeisters Dr. Lueger, der
heute in Audienz bei seiner Majestät dem Kaiser war, Graf

Wien, Dienſtag Reichspoſt 14. Juni 1898 133

[Spaltenumbruch]

Die heutige Sitzung des
Senates war ſehr ſtark beſucht. Im Laufe der Sitzung
erſchien der deutſche und der italieniſche Botſchafter
auf der Diplomatentribüne. Der ehemalige Gouverneur
der Philippinen, Marſchall Primo de Rivera weiſt
nach, daß er im Jahre 1881, als er das erſte Mal
Gouverneur der Philippinen war, einen Bericht an die
Regierung erſtattet habe, in welchem er die Noth-
wendigkeit darlegte, die Vertheidigungsmittel zu Lande
zu vermehren und eine ſtarke Cscarde nach den
Philippinen zu entſenden. Am 12. März 1898 habe
die Regierung ihm ein Telegramm übermittelt, in
welchem ihm mitgetheilt wurde, daß er den Ausbruch
der Feindſeligkeiten mit den Vereinigten Staaten nicht
zu befürchten habe und demnach ohne Hinderniß nach
Spanien zurückkehren könne. Am 27. März habe er
ein anderes Telegramm erhalten, in welchem ihm die
Wahrſcheinlichkeit des Ausbruches des Krieges angezeigt
und der Auftrag ertheilt wurde, die Mittel zur Ver-
theidigung vorzubereiten. Mit welchen Mitteln, ruft Redner
aus, konnte ich mich vertheidigen, wenn man mir alles,
was ich ſeit 1881 verlangte, verweigert hat? Redner
fährt fört, er wolle keine Enthüllungen über gewiſſe
Dinge machen (eine Stimme ruft: Der Augenblick iſt
gekommen, alles zu ſagen) man müſſe im Intereſſe
Spaniens Schweigen beobachten. In Folge des Mangels
am Nothwendigſten ſei die ſpaniſche Escadre zum Unter-
gang verurtheilt geweſen.

Redner ſchließt mit der Verſicherung, alle an ihn
in Betreff ſeiner Verwaltung der Philippinen gerichteten
Fragen beantworten zu wollen.

Nachdem ſowohl der Colonienminiſter, als auch der
Kriegsminiſter noch die Verwaltung Rivera’s gelobt
hatten, erſcheint der Zwiſchenfall erledigt und wird die
Berathung des Budgets fortgeſetzt.

Die Miniſter zeigten ſich
über den heute abgehaltenen Miniſterrath ſehr
reſervirt. Die Agencia Fabra erfährt jedoch, daß ſich
der Miniſterrath hauptſächlich mit der Frage der Hilfs-
mittel und des Abkommens mit den Minoritäten in der
Kammer wegen ſofortiger Annahme des Budgets be-
faßte. Weiters beſchäftigte er ſich mit der Reiſe des
Marineminiſters Aunon. Es wurden ein Brief und
Depeſchen bezüglich der von Aunon angeordneter Maß-
nahmen verleſen.

Kriegsminiſter Correa wird heute Abends dem
Generalcapitän von Puertorico neuerdings telegraphiren,
um zu erfahren, ob ſich der Torpedojäger „Terror“
noch immer dort befinde.

Der Miniſter des Aeußern erklärte, die Miniſter
dürften und könnten aus Patriotismus keinerlei Mit-
theilungen machen.

Der Prager Bürgermeiſter in Brünn.

Anläßlich der Ankunft des
Prager Bürgermeiſters Dr. Podlipny zur
Palacky-Feier zog geſtern Vormittags eine
demonſtrirende Menge zum Bahnhof
und, als der Platz vor demſelbem geräumt wurde, in
die Stadt zurück, wo es noch vor der Ankunft des
Dr. Podlipny, die um 12 Uhr Mittags erfolgte, zu
Schlägereien kam, ſo daß die Polizeiwache
wiederholt einſchreiten mußte. Als dann Dr. Podlipny
zum «Besedni dum» durch die Straßen fuhr, wurde
gejohlt, gepfiſſen und geſchrien, und einerſeits deutſche,
andererſeits czechiſche Lieder abgeſungen. Auch bei
dieſem Anlaſſe kam es zu Zwiſtigkeiten und
Schlägereien.

Da für Nachmittag ein Feſtzug nach Königs-
feld
geplant war, verſammelte ſich vor dem Café
Beber eine große Menge von Deutſchen, welche beim
Paſſiren des Feſtzuges in Johlen,
Pfuirufe
und Pfeifen ausbrach und deutſche
Lieder ſang, was mit böhmiſchen Liedern erwiedert
wurde, ſo daß die circa 30 Mann ſtarke Polizei, um
Conflicten vorzubeugen, einen Cordon ziehen mußte.

Infolge des ſpäter eingetretenen Platzregens
kehrten die Ausflügler einzeln von Königsfeld
nach Brünn zurück, wo ſie von den beim Café
Beber angeſammelten Deutſchen mit Pfeifen empfangen
wurden. Aehnliche Vorgänge ſetzten ſich bis gegen
9 Uhr Abends fort. Gegen 10 Uhr trat in der Stadt
ziemliche Ruhe ein.

Von der Polizei wurden über 150 Per-
ſonen angehalten,
jedoch bald wieder auf
freien Fuß geſetzt.

Bisher ſind zehn Verletzungen leichten
Grades bekannt. Beim Café Beber wurde eine Scheibe
eingeſchlagen und in einer Buchhandlung ein Auslage-
fenſter eingedrückt.

Schon am 11. d. M. hatte ſich unter der deut-
ſchen Bevölkerung
eine große Erregung
kundgegeben. Gegen 5 Uhr Nachmittags hatten ſich
mehrere hundert junger Leute vor dem hieſigen
Bahnhofe angeſammelt, um gegen die ankommen-
den Theilnehmer der Feier zu demonſtriren.
Mit dem 5 Uhr-Schnellzuge kamen einige Abgeordnete
an, die jedoch erſt ſpäter, in der Ferdinandsgaſſe, er-
kannt und hier mit Pfeifen empfangen wurden. Als ſich
nun gegen 8 Uhr Abends eine mehrere Hundert
zählende Menge
abermals vor dem Bahnhofe
angeſammelt hatte, in der Vorausſetzung, daß Dr. Pod-
lipny kommen werde, mußte der Platz vor dem Bahn-
hofe geräumt werden, was mit Johlen und Pfeifen be-
antwortet wurde. Da jedoch Dr. Podlipny nicht ein-
traf, zerſtreute ſich ein Theil der Demonſtranten, wäh-
rend der größere Theil ſich beim Café Beber anſammelte
[Spaltenumbruch] und von dort, deutſche Lieder ſingend, durch die
Straßen zog, um ſich dann gleichfalls zu zerſtreuen.
Gegen 9 Uhr Abends war Ruhe eingetreten. (Siehe
auch zweiten Bericht unter Kronländer: Mähren-
Brünn.)

Entgleiſung.

Bei der Einfahrt des
Perſonenzuges Nr. 312 in die Station
Böhm.-Kübitzen-Vollmau auf der Strecke Furth im
Walde—Pilſen entgleiſte geſtern die Zugs-
locomotive
und der Dienſtwagen nach Paſſirung
des Einfahrtswechſels, wodurch der Zug eine Ver-
ſpätung von 2 Stunden 18 Minuten erlitt. Die
Reiſenden mußten umſteigen. Verletzungen ſind
keine vorgekommen. Die Erhebungen ſind im Zuge.

Spaniſche Falſchmünzer.

Hier wurde eine Falſch-
münzerbande entdeckt. Das falſche Geld war für
Gibraltar beſtimmt.

Die Vorgänge in der Türkei.

Der Sultan
begnadigte
25 in Wan verhaftete Armenier.

Im heutigen Miniſterrathe gelangt die Kirchen-
affaire
in Kumanowo zur Berathung.

Es verlautet, Marſchall Edhem Paſcha
werde entweder Commandant des VII. Corps in
Yemen, um das Land zu pacificiren und die un-
ſicheren Nachbargebiete zu occupiren, oder Comman-
dant des III. Corps in Saloniki oder aber Ober-
commandant in Rumelien, inbegriffen Macedonien und
Albanien, welch letzteren Titel der verſtorbene Marſchall
Derwiſch Paſcha führte.

General Omer Ruſchdi Paſcha, der
bisherige Generalſtabschef Edhem Paſchas, wurde zum
Adlatus des Chefs des Generalſtabes ernannt.

Ein Erdbeben.

Heute um Mitternacht
wurde hier ein ſtarker Erdſtoß verſpürt, der jedoch
keinen Schaden anrichtete. In Lauria wurde gleichfalls
ein ſtarkes Erdbeben bemerkt.

Eine chineſiſche Univerſität.

Ein kaiſerliches Decret ordnet
die Errichtung einer Univerſität nach euro-
päiſchem Muſter in Peking
an. Hohe
Würdenträger erhielten die Weiſung, unverzüglich über
die Ausführung des Decretes zu berathen.

Arbeiter-Exceſſe in Ungarn.

Gerüchtweiſe verlautet, in
Balmaz-Ujvaros ſeien die fremden
Arbeiter von den einheimiſchen
überfallen worden.
Die Gendarmerie ſei
genöthigt geweſen, von der Feuerwaffe Gebrauch zu
machen; ein Arbeiter ſei getödtet und drei verwundet
worden.




Anläßlich der fünf-
und zwanzigſten Jahresfeier des
Feldzuges,
in welchem General Kauffmann
das Khanat von Chiwa eroberte, fand heute
ein von den Officieren, welche an dem Feldzuge theil-
genommen hatten, veranſtaltetes Bankett ſtatt.

General Kora
wurde zum Präſidenten der argentiniſchen Republik
gewählt.

Der ehemalige Reichsraths-
abgeordnete und Landesgerichtspräſident des Ruhe-
ſtandes, Joſef Jaſinski iſt geſtern in Folge eines
Blutſturzes geſtorben.

Der König ernannte 60
Deputirte für die Skupſchtina. Der größere
Theil derſelben beſteht aus höheren Beamten verſchie-
dener Reſſorts ohne ausgeſprochene Parteirichtung.

„Daily Chronicle“ zu Folge
wird der Geſandte der ſüdafrikaniſchen
Republik,
Leyds, während ſeines hieſigen Auf-
enthaltes Verhandlungen zur Aufnahme einer
Anleihe im Betrage von 5,000.000 Pfund Sterling
eröffnen.

Die „Times“ meldet aus
Riode Janeiro vom 11. d. M.: Es wird be-
richtet, die Regierung habe mit 7 einheimiſchen und
5 fremden Banken ein Abkommen getroffen, wonach die
Converſion der 4%igen Goldanleihe vom Jahre 1890
in eine 5%ige Papieranlehe garantirt wird. Man er-
wartet, daß ein Decret erklären wird, die Converſion
werde vom 1. Juli ab durchgeführt.

Der Statthalter FZM. Edler
von David inſpicirte Samſtag die Garniſon von
Caſtelnuovo und hierauf das Werk in Kobila.

Kaiſerin Eliſa-
beth
iſt Nachmittags nach beendigter Cur über Würz-
burg nach München abgereiſt.




Zuſammenſtoß zwiſchen Chriſtlich-Socialen
und Socialdemokraten.


Dex Volkswahlverein in St. Pölten hat für den heutigen
Sonntag nach Traismauer eine öffentliche, frei zugängliche
Wählerverſammlung einberufen, die einen überaus ſtürmiſchen
Verlauf nahm und vorzeitig geſchloſſen werden mußte. Die
Bräuhaus-Bierhalle, in welcher die Verſammlung Nachmittags
ſtattfand, war geradezu lebensgefährlich überfüllt, der Garten
[Spaltenumbruch] und die anderen Schanklocalitäten dicht beſetzt, wiewohl es
zeitweiſe in Strömen regnete. Ueber die weithin vernehm-
baren Tumultſcenen aviſirt, erſchien auch die Gendarmerie
vor dem Hauſe.

Die Verſammlung, welche gegen zwei Stunden währte,
nahm folgenden Verlauf: Selbe wird vom Vorſitzenden,
Herrn Rautek, eröffnet; worauf der Reichsraths- und
Landtags-Abgeordnete Wohlmeyer die Rednertribüne
betritt und von den Socialdemokraten mit Zurufen, wie
„Pfui Wohlmeyer!“, „Wohlmeyer abtreten!“ empfangen
wird. Abg. Wohlmeyer erſucht um Ruhe mit der Bemer-
kung, daß noch Bürger, Bauern und Gewerbetreibende in
Menge da ſind, die ihren gewählten Abgeordneten hören
wollen und ſich pon politiſchen Gegnern nicht terrori-
ſiren laſſen. Er wolle ſeinen Wählern den Rechen-
ſchaftsbericht über ſeine Thätigkeit im Reichsrathe
und im Landtag erſtatten. (Rufe: Vielleicht über die den
Krüppeln geſtohlenen 12.000 Gulden!) Ein alter Bauer
ruft, zu den Socialdemokraten gewendet: „Ihr benimmt’s
Euch wie dumme Buben!“ Gegenrufe: „Sie ſind ein alter
Eſel! Schauen Sie, daß außi kommen.“ (Großer Lärm und
heftiger Wortwechſel.) Vorſitzen der (zu den Social-
demokraten): Wenn Sie die heutige Verſammlung ſtören
oder ſprengen wollen, dann iſt es die letzte frei zugängliche
Verſammlung. Abg. Wohlmeyer: Wenn die Social-
demokratie als eine ernſte, politiſche Partei genommen werden
will, dann muß ſie dieſen politiſchen Ernſt auch den Gegnern
gegenüber wahren. Rufe: Wir brauchen Ihre weiſen Lehren
nicht! Fahren’s ab! (Großer Lärm.) Der Bürgermeiſter
Blank aus Traismauer erſucht die anweſenden Social-
demokraten, Ruhe und Ordnung zu halten. Der Führer
der Socialdemokraten, Herr Rheinländer, mahnt
ſeine Collegen zur Ruhe und erſucht den Abg. Wohlmeyer
fortzufahren, da er ihm dann erwiedern werde. Bei theil-
weiſe eingetretener Ruhe erſtattet nun der Abg. Wohl-
meyer
einen Theil ſeines Rechenſchaftsberichtes, in deſſen
Verlauf er ſagt, daß ſich die liberale, großcapitaliſtiſche
Partei hinter die Aermſten der Armen, nähmlich hinter
die Socialdemokratie geſteckt hat, um den
Bauer- und Gewerbeſtand gänzlich zu untergraben. (Stür-
miſcher Widerſpruch auf Seite der Socialdemokraten. Rufe:
Pfui Teufel! Sie ſind der richtige Volksvertreter! Schämen
Sie ſich! Sie haben den Krüppeln die 12.000 fl. geſtohlen!)
Abg. Wohlmeyer: Von einem Diebſtahl iſt keine
Rede, das verbiete ich mir entſchieden! Ich habe nur bean-
tragt, daß die Vertheilung der 12.000 Gulden durch den
Landesausſchuß geſchieht, weil die Arbeiterkrankencaſſe über
die Summen gar keine Rechnungen gelegt hat. Durch meinen
Antrag wird Niemand benachtheiligt. — Rheinländer
(Socialdemokrat): Das können Sie den Bauern vormachen,
uns aber nicht! — (Entrüſtungszurufe von den Bauern.)
Abg. Wohlmeyer (zu den Socialdemokraten): Sie
ſchöpfen Ihre Weisheit aus der „Arbeiter-Zeitung“, ein
total verlogenes Blatt, das ich jetzt klagen werde! (Wider-
ſpruch und lebhafter Beifall.) Abg. Wohlmeyer
(fortfahrend): Bei Ihren Führern in Wien konnte
keine Controle vorgenommen werden, ob die Subvention
richtig vertheilt war oder nicht. Der beſte Beweis hiefür iſt,
daß die Namen der Unterſtützungsbedürftigen anders und
die Namen der thatſächlich Empfangsbeſtätigenden auch anders
gelautet haben. (Toſender Sturm. Rufe: Lügner! Herunter
mit ihm! Schmeißt’s ihn obi!) Während dieſes Trubels
erſcheint im Saale der zweite Redner, Reichsraths- und
Landtagsabgeordnete Mſgr. Dr. Scheicher; ihm folgt
noch der dritte Redner, Herr Kunſchak aus Wien. Abg.
Scheicher wird von ſeinen Geſinnungsgenoſſen mit
ſtürmiſchen Hochrufen begrüßt; die Socialdemokraten ver-
halten ſich ziemlich ruhig, einzelne rufen „Heil, P. Scheicher!“
Den nachfolgenden Kunſchak, der von den Chriſtlich-Socialen
lebhaft acclamirt wird, überſchütten die Socialdemokraten
mit ſtürmiſchen Pfuirufen. Ein Verſammlungstheilnehmer
proteſtirt laut dagegen, daß ſich auch 16, 17 und 18jährige
Burſchen ſo benehmen. (Stürmiſcher Wiederſpruch auf Seite
der Socialdemokraten. Vorſitzender mahnt zur Ruhe. Ruf:
Gehen Sie lieber Schuh’ flicken! Gegenrufe: Beſſer Schuh’
flicken, als Schuh’ ſtehlen. Großer Lärm.) Rufe: Wie die
Buben! — Herr Kunſchak: Aber nicht die Lehrbuben,
die Ihr (Socialdemokraten) in Wien organiſirt habt’s. Es
melden ſich 2 Socialdemokraten zum Worte, welche den Abg.
Wohlmayer nochmals in der bekannten Subventions-
angelegenheit von 12.000 fl. interpelliren, worauf der
Interpellirte erwidert. (Großer Beifall bei den Geſinnungs-
genoſſen und Widerſpruch.) Es gelangt hierauf Herr
Kunſchak zum Wort, was eine Lärmſcene ſonder-
gleichen zur Folge hat, ſo daß er kaum einige Sätze
ſprechen kann. Socialiſtenführer Herr Böhm ſteigt auf
einen Stuhl und ruft den Genoſſen zu: „Es gereicht uns
zu keiner Ehre, wenn wir ſo ſpectakeln ..... Stürmiſche
Rufe: „Pfui!“ „Du biſt eh Aner von den Schwarzen!“
„Scham Dich!“ — Es entſteht ein furchtbarer Lärm. Man
kann kaum mehr das eigene Wort hören; die Bauern
ſchaaren ſich um die Socialdemokraten und umringen ſie,
der Bürgermeiſter mahnt zur Beſinnung, es ſcheint, daß es
jeden Moment zum blutigen Zuſammenſtoß kommen muß.
In dieſem Möment ſchreit der Vorſitzende mit überlauter
Stimme in die Verſammlung hinein, daß dieſelbe geſchloſſen
ſei. Das von den Socialdemokraten angeſtimmte Lied der
Arbeit wird durch die Volkshymne der Chriſtlich Socialen
übertönt, worauf die Letzteren unter Hohnrufen der Social-
demokraten truppweiſe den Saal verlaſſen.




Die Enthüllung des Markart-Denkmales.

Vierzehn Jahre nach dem Tode des Meiſters iſt heute
das Denkmal Hans Markart’s im Stadtparke enthüllt wor-
den. Die Feier der Enthüllung geſtaltete ſich ſehr intim und
auf dem beſchränkten Raume hatten ſich außer den offi-
ciellen Perſönlichkeiten und vielen Künſtlern, nur die Ange-
hörigen und perſönlichen Freunde Markart’s eingefunden.
Rathsdiener in Gala hielten an beiden Eingängen gegen
die Ringſtraße Wache und ſtanden zu beiden Seiten des
Denkmales. Vor dem Denkmal war ein Podium errichtet,
auf dem die Mitglieder des Männergeſangvereines Auf-
ſtellung nahmen. Unterhalb des Podiums ſtanden im Halb-
kreiſe zwei Reihen Stühle und davor blieb ein Raum frei,
auf dem ſich die Zeugen der Enthüllung verſammelten.
Unter denſelben waren zu ſehen: Statthalter Graf Kiel-
mansegg, die geheimen Räthe Nicolaus Dumba und
Bezecny, Polizeipräſident Habrda, Vice-Bürgermeiſter Stro-
bach in Vertretung des Bürgermeiſters Dr. Lueger, der
heute in Audienz bei ſeiner Majeſtät dem Kaiſer war, Graf

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[6/0006] Wien, Dienſtag Reichspoſt 14. Juni 1898 133 Madrid, 11. Juni. Die heutige Sitzung des Senates war ſehr ſtark beſucht. Im Laufe der Sitzung erſchien der deutſche und der italieniſche Botſchafter auf der Diplomatentribüne. Der ehemalige Gouverneur der Philippinen, Marſchall Primo de Rivera weiſt nach, daß er im Jahre 1881, als er das erſte Mal Gouverneur der Philippinen war, einen Bericht an die Regierung erſtattet habe, in welchem er die Noth- wendigkeit darlegte, die Vertheidigungsmittel zu Lande zu vermehren und eine ſtarke Cscarde nach den Philippinen zu entſenden. Am 12. März 1898 habe die Regierung ihm ein Telegramm übermittelt, in welchem ihm mitgetheilt wurde, daß er den Ausbruch der Feindſeligkeiten mit den Vereinigten Staaten nicht zu befürchten habe und demnach ohne Hinderniß nach Spanien zurückkehren könne. Am 27. März habe er ein anderes Telegramm erhalten, in welchem ihm die Wahrſcheinlichkeit des Ausbruches des Krieges angezeigt und der Auftrag ertheilt wurde, die Mittel zur Ver- theidigung vorzubereiten. Mit welchen Mitteln, ruft Redner aus, konnte ich mich vertheidigen, wenn man mir alles, was ich ſeit 1881 verlangte, verweigert hat? Redner fährt fört, er wolle keine Enthüllungen über gewiſſe Dinge machen (eine Stimme ruft: Der Augenblick iſt gekommen, alles zu ſagen) man müſſe im Intereſſe Spaniens Schweigen beobachten. In Folge des Mangels am Nothwendigſten ſei die ſpaniſche Escadre zum Unter- gang verurtheilt geweſen. Redner ſchließt mit der Verſicherung, alle an ihn in Betreff ſeiner Verwaltung der Philippinen gerichteten Fragen beantworten zu wollen. Nachdem ſowohl der Colonienminiſter, als auch der Kriegsminiſter noch die Verwaltung Rivera’s gelobt hatten, erſcheint der Zwiſchenfall erledigt und wird die Berathung des Budgets fortgeſetzt. Madrid, 12. Juni. Die Miniſter zeigten ſich über den heute abgehaltenen Miniſterrath ſehr reſervirt. Die Agencia Fabra erfährt jedoch, daß ſich der Miniſterrath hauptſächlich mit der Frage der Hilfs- mittel und des Abkommens mit den Minoritäten in der Kammer wegen ſofortiger Annahme des Budgets be- faßte. Weiters beſchäftigte er ſich mit der Reiſe des Marineminiſters Aunon. Es wurden ein Brief und Depeſchen bezüglich der von Aunon angeordneter Maß- nahmen verleſen. Kriegsminiſter Correa wird heute Abends dem Generalcapitän von Puertorico neuerdings telegraphiren, um zu erfahren, ob ſich der Torpedojäger „Terror“ noch immer dort befinde. Der Miniſter des Aeußern erklärte, die Miniſter dürften und könnten aus Patriotismus keinerlei Mit- theilungen machen. Der Prager Bürgermeiſter in Brünn. Brünn, 13. Juni. Anläßlich der Ankunft des Prager Bürgermeiſters Dr. Podlipny zur Palacky-Feier zog geſtern Vormittags eine demonſtrirende Menge zum Bahnhof und, als der Platz vor demſelbem geräumt wurde, in die Stadt zurück, wo es noch vor der Ankunft des Dr. Podlipny, die um 12 Uhr Mittags erfolgte, zu Schlägereien kam, ſo daß die Polizeiwache wiederholt einſchreiten mußte. Als dann Dr. Podlipny zum «Besedni dum» durch die Straßen fuhr, wurde gejohlt, gepfiſſen und geſchrien, und einerſeits deutſche, andererſeits czechiſche Lieder abgeſungen. Auch bei dieſem Anlaſſe kam es zu Zwiſtigkeiten und Schlägereien. Da für Nachmittag ein Feſtzug nach Königs- feld geplant war, verſammelte ſich vor dem Café Beber eine große Menge von Deutſchen, welche beim Paſſiren des Feſtzuges in Johlen, Pfuirufe und Pfeifen ausbrach und deutſche Lieder ſang, was mit böhmiſchen Liedern erwiedert wurde, ſo daß die circa 30 Mann ſtarke Polizei, um Conflicten vorzubeugen, einen Cordon ziehen mußte. Infolge des ſpäter eingetretenen Platzregens kehrten die Ausflügler einzeln von Königsfeld nach Brünn zurück, wo ſie von den beim Café Beber angeſammelten Deutſchen mit Pfeifen empfangen wurden. Aehnliche Vorgänge ſetzten ſich bis gegen 9 Uhr Abends fort. Gegen 10 Uhr trat in der Stadt ziemliche Ruhe ein. Von der Polizei wurden über 150 Per- ſonen angehalten, jedoch bald wieder auf freien Fuß geſetzt. Bisher ſind zehn Verletzungen leichten Grades bekannt. Beim Café Beber wurde eine Scheibe eingeſchlagen und in einer Buchhandlung ein Auslage- fenſter eingedrückt. Schon am 11. d. M. hatte ſich unter der deut- ſchen Bevölkerung eine große Erregung kundgegeben. Gegen 5 Uhr Nachmittags hatten ſich mehrere hundert junger Leute vor dem hieſigen Bahnhofe angeſammelt, um gegen die ankommen- den Theilnehmer der Feier zu demonſtriren. Mit dem 5 Uhr-Schnellzuge kamen einige Abgeordnete an, die jedoch erſt ſpäter, in der Ferdinandsgaſſe, er- kannt und hier mit Pfeifen empfangen wurden. Als ſich nun gegen 8 Uhr Abends eine mehrere Hundert zählende Menge abermals vor dem Bahnhofe angeſammelt hatte, in der Vorausſetzung, daß Dr. Pod- lipny kommen werde, mußte der Platz vor dem Bahn- hofe geräumt werden, was mit Johlen und Pfeifen be- antwortet wurde. Da jedoch Dr. Podlipny nicht ein- traf, zerſtreute ſich ein Theil der Demonſtranten, wäh- rend der größere Theil ſich beim Café Beber anſammelte und von dort, deutſche Lieder ſingend, durch die Straßen zog, um ſich dann gleichfalls zu zerſtreuen. Gegen 9 Uhr Abends war Ruhe eingetreten. (Siehe auch zweiten Bericht unter Kronländer: Mähren- Brünn.) Entgleiſung. Pilſen, 13. Juni. Bei der Einfahrt des Perſonenzuges Nr. 312 in die Station Böhm.-Kübitzen-Vollmau auf der Strecke Furth im Walde—Pilſen entgleiſte geſtern die Zugs- locomotive und der Dienſtwagen nach Paſſirung des Einfahrtswechſels, wodurch der Zug eine Ver- ſpätung von 2 Stunden 18 Minuten erlitt. Die Reiſenden mußten umſteigen. Verletzungen ſind keine vorgekommen. Die Erhebungen ſind im Zuge. Spaniſche Falſchmünzer. Algeciras, 13. Juni. Hier wurde eine Falſch- münzerbande entdeckt. Das falſche Geld war für Gibraltar beſtimmt. Die Vorgänge in der Türkei. Konſtantinopel, 13. Juni. Der Sultan begnadigte 25 in Wan verhaftete Armenier. Im heutigen Miniſterrathe gelangt die Kirchen- affaire in Kumanowo zur Berathung. Es verlautet, Marſchall Edhem Paſcha werde entweder Commandant des VII. Corps in Yemen, um das Land zu pacificiren und die un- ſicheren Nachbargebiete zu occupiren, oder Comman- dant des III. Corps in Saloniki oder aber Ober- commandant in Rumelien, inbegriffen Macedonien und Albanien, welch letzteren Titel der verſtorbene Marſchall Derwiſch Paſcha führte. General Omer Ruſchdi Paſcha, der bisherige Generalſtabschef Edhem Paſchas, wurde zum Adlatus des Chefs des Generalſtabes ernannt. Ein Erdbeben. Lagonegro, 12. Juni. Heute um Mitternacht wurde hier ein ſtarker Erdſtoß verſpürt, der jedoch keinen Schaden anrichtete. In Lauria wurde gleichfalls ein ſtarkes Erdbeben bemerkt. Eine chineſiſche Univerſität. Peking, 12. Juni. Ein kaiſerliches Decret ordnet die Errichtung einer Univerſität nach euro- päiſchem Muſter in Peking an. Hohe Würdenträger erhielten die Weiſung, unverzüglich über die Ausführung des Decretes zu berathen. Arbeiter-Exceſſe in Ungarn. Budapeſt, 13. Juni. Gerüchtweiſe verlautet, in Balmaz-Ujvaros ſeien die fremden Arbeiter von den einheimiſchen überfallen worden. Die Gendarmerie ſei genöthigt geweſen, von der Feuerwaffe Gebrauch zu machen; ein Arbeiter ſei getödtet und drei verwundet worden. Petersburg, 12. Juni. Anläßlich der fünf- und zwanzigſten Jahresfeier des Feldzuges, in welchem General Kauffmann das Khanat von Chiwa eroberte, fand heute ein von den Officieren, welche an dem Feldzuge theil- genommen hatten, veranſtaltetes Bankett ſtatt. Buenos-Ayres, 12. Juni. General Kora wurde zum Präſidenten der argentiniſchen Republik gewählt. Krakau, 13. Juni. Der ehemalige Reichsraths- abgeordnete und Landesgerichtspräſident des Ruhe- ſtandes, Joſef Jaſinski iſt geſtern in Folge eines Blutſturzes geſtorben. Belgrad, 13. Juni. Der König ernannte 60 Deputirte für die Skupſchtina. Der größere Theil derſelben beſteht aus höheren Beamten verſchie- dener Reſſorts ohne ausgeſprochene Parteirichtung. London, 13. Juni. „Daily Chronicle“ zu Folge wird der Geſandte der ſüdafrikaniſchen Republik, Leyds, während ſeines hieſigen Auf- enthaltes Verhandlungen zur Aufnahme einer Anleihe im Betrage von 5,000.000 Pfund Sterling eröffnen. London, 13. Juni. Die „Times“ meldet aus Riode Janeiro vom 11. d. M.: Es wird be- richtet, die Regierung habe mit 7 einheimiſchen und 5 fremden Banken ein Abkommen getroffen, wonach die Converſion der 4%igen Goldanleihe vom Jahre 1890 in eine 5%ige Papieranlehe garantirt wird. Man er- wartet, daß ein Decret erklären wird, die Converſion werde vom 1. Juli ab durchgeführt. Zara, 13. Juni. Der Statthalter FZM. Edler von David inſpicirte Samſtag die Garniſon von Caſtelnuovo und hierauf das Werk in Kobila. Bad Brückenau, 12. Juni. Kaiſerin Eliſa- beth iſt Nachmittags nach beendigter Cur über Würz- burg nach München abgereiſt. Zuſammenſtoß zwiſchen Chriſtlich-Socialen und Socialdemokraten. Traismauer, 12. Juni. Dex Volkswahlverein in St. Pölten hat für den heutigen Sonntag nach Traismauer eine öffentliche, frei zugängliche Wählerverſammlung einberufen, die einen überaus ſtürmiſchen Verlauf nahm und vorzeitig geſchloſſen werden mußte. Die Bräuhaus-Bierhalle, in welcher die Verſammlung Nachmittags ſtattfand, war geradezu lebensgefährlich überfüllt, der Garten und die anderen Schanklocalitäten dicht beſetzt, wiewohl es zeitweiſe in Strömen regnete. Ueber die weithin vernehm- baren Tumultſcenen aviſirt, erſchien auch die Gendarmerie vor dem Hauſe. Die Verſammlung, welche gegen zwei Stunden währte, nahm folgenden Verlauf: Selbe wird vom Vorſitzenden, Herrn Rautek, eröffnet; worauf der Reichsraths- und Landtags-Abgeordnete Wohlmeyer die Rednertribüne betritt und von den Socialdemokraten mit Zurufen, wie „Pfui Wohlmeyer!“, „Wohlmeyer abtreten!“ empfangen wird. Abg. Wohlmeyer erſucht um Ruhe mit der Bemer- kung, daß noch Bürger, Bauern und Gewerbetreibende in Menge da ſind, die ihren gewählten Abgeordneten hören wollen und ſich pon politiſchen Gegnern nicht terrori- ſiren laſſen. Er wolle ſeinen Wählern den Rechen- ſchaftsbericht über ſeine Thätigkeit im Reichsrathe und im Landtag erſtatten. (Rufe: Vielleicht über die den Krüppeln geſtohlenen 12.000 Gulden!) Ein alter Bauer ruft, zu den Socialdemokraten gewendet: „Ihr benimmt’s Euch wie dumme Buben!“ Gegenrufe: „Sie ſind ein alter Eſel! Schauen Sie, daß außi kommen.“ (Großer Lärm und heftiger Wortwechſel.) Vorſitzen der (zu den Social- demokraten): Wenn Sie die heutige Verſammlung ſtören oder ſprengen wollen, dann iſt es die letzte frei zugängliche Verſammlung. Abg. Wohlmeyer: Wenn die Social- demokratie als eine ernſte, politiſche Partei genommen werden will, dann muß ſie dieſen politiſchen Ernſt auch den Gegnern gegenüber wahren. Rufe: Wir brauchen Ihre weiſen Lehren nicht! Fahren’s ab! (Großer Lärm.) Der Bürgermeiſter Blank aus Traismauer erſucht die anweſenden Social- demokraten, Ruhe und Ordnung zu halten. Der Führer der Socialdemokraten, Herr Rheinländer, mahnt ſeine Collegen zur Ruhe und erſucht den Abg. Wohlmeyer fortzufahren, da er ihm dann erwiedern werde. Bei theil- weiſe eingetretener Ruhe erſtattet nun der Abg. Wohl- meyer einen Theil ſeines Rechenſchaftsberichtes, in deſſen Verlauf er ſagt, daß ſich die liberale, großcapitaliſtiſche Partei hinter die Aermſten der Armen, nähmlich hinter die Socialdemokratie geſteckt hat, um den Bauer- und Gewerbeſtand gänzlich zu untergraben. (Stür- miſcher Widerſpruch auf Seite der Socialdemokraten. Rufe: Pfui Teufel! Sie ſind der richtige Volksvertreter! Schämen Sie ſich! Sie haben den Krüppeln die 12.000 fl. geſtohlen!) Abg. Wohlmeyer: Von einem Diebſtahl iſt keine Rede, das verbiete ich mir entſchieden! Ich habe nur bean- tragt, daß die Vertheilung der 12.000 Gulden durch den Landesausſchuß geſchieht, weil die Arbeiterkrankencaſſe über die Summen gar keine Rechnungen gelegt hat. Durch meinen Antrag wird Niemand benachtheiligt. — Rheinländer (Socialdemokrat): Das können Sie den Bauern vormachen, uns aber nicht! — (Entrüſtungszurufe von den Bauern.) Abg. Wohlmeyer (zu den Socialdemokraten): Sie ſchöpfen Ihre Weisheit aus der „Arbeiter-Zeitung“, ein total verlogenes Blatt, das ich jetzt klagen werde! (Wider- ſpruch und lebhafter Beifall.) Abg. Wohlmeyer (fortfahrend): Bei Ihren Führern in Wien konnte keine Controle vorgenommen werden, ob die Subvention richtig vertheilt war oder nicht. Der beſte Beweis hiefür iſt, daß die Namen der Unterſtützungsbedürftigen anders und die Namen der thatſächlich Empfangsbeſtätigenden auch anders gelautet haben. (Toſender Sturm. Rufe: Lügner! Herunter mit ihm! Schmeißt’s ihn obi!) Während dieſes Trubels erſcheint im Saale der zweite Redner, Reichsraths- und Landtagsabgeordnete Mſgr. Dr. Scheicher; ihm folgt noch der dritte Redner, Herr Kunſchak aus Wien. Abg. Scheicher wird von ſeinen Geſinnungsgenoſſen mit ſtürmiſchen Hochrufen begrüßt; die Socialdemokraten ver- halten ſich ziemlich ruhig, einzelne rufen „Heil, P. Scheicher!“ Den nachfolgenden Kunſchak, der von den Chriſtlich-Socialen lebhaft acclamirt wird, überſchütten die Socialdemokraten mit ſtürmiſchen Pfuirufen. Ein Verſammlungstheilnehmer proteſtirt laut dagegen, daß ſich auch 16, 17 und 18jährige Burſchen ſo benehmen. (Stürmiſcher Wiederſpruch auf Seite der Socialdemokraten. Vorſitzender mahnt zur Ruhe. Ruf: Gehen Sie lieber Schuh’ flicken! Gegenrufe: Beſſer Schuh’ flicken, als Schuh’ ſtehlen. Großer Lärm.) Rufe: Wie die Buben! — Herr Kunſchak: Aber nicht die Lehrbuben, die Ihr (Socialdemokraten) in Wien organiſirt habt’s. Es melden ſich 2 Socialdemokraten zum Worte, welche den Abg. Wohlmayer nochmals in der bekannten Subventions- angelegenheit von 12.000 fl. interpelliren, worauf der Interpellirte erwidert. (Großer Beifall bei den Geſinnungs- genoſſen und Widerſpruch.) Es gelangt hierauf Herr Kunſchak zum Wort, was eine Lärmſcene ſonder- gleichen zur Folge hat, ſo daß er kaum einige Sätze ſprechen kann. Socialiſtenführer Herr Böhm ſteigt auf einen Stuhl und ruft den Genoſſen zu: „Es gereicht uns zu keiner Ehre, wenn wir ſo ſpectakeln ..... Stürmiſche Rufe: „Pfui!“ „Du biſt eh Aner von den Schwarzen!“ „Scham Dich!“ — Es entſteht ein furchtbarer Lärm. Man kann kaum mehr das eigene Wort hören; die Bauern ſchaaren ſich um die Socialdemokraten und umringen ſie, der Bürgermeiſter mahnt zur Beſinnung, es ſcheint, daß es jeden Moment zum blutigen Zuſammenſtoß kommen muß. In dieſem Möment ſchreit der Vorſitzende mit überlauter Stimme in die Verſammlung hinein, daß dieſelbe geſchloſſen ſei. Das von den Socialdemokraten angeſtimmte Lied der Arbeit wird durch die Volkshymne der Chriſtlich Socialen übertönt, worauf die Letzteren unter Hohnrufen der Social- demokraten truppweiſe den Saal verlaſſen. Die Enthüllung des Markart-Denkmales. Vierzehn Jahre nach dem Tode des Meiſters iſt heute das Denkmal Hans Markart’s im Stadtparke enthüllt wor- den. Die Feier der Enthüllung geſtaltete ſich ſehr intim und auf dem beſchränkten Raume hatten ſich außer den offi- ciellen Perſönlichkeiten und vielen Künſtlern, nur die Ange- hörigen und perſönlichen Freunde Markart’s eingefunden. Rathsdiener in Gala hielten an beiden Eingängen gegen die Ringſtraße Wache und ſtanden zu beiden Seiten des Denkmales. Vor dem Denkmal war ein Podium errichtet, auf dem die Mitglieder des Männergeſangvereines Auf- ſtellung nahmen. Unterhalb des Podiums ſtanden im Halb- kreiſe zwei Reihen Stühle und davor blieb ein Raum frei, auf dem ſich die Zeugen der Enthüllung verſammelten. Unter denſelben waren zu ſehen: Statthalter Graf Kiel- mansegg, die geheimen Räthe Nicolaus Dumba und Bezecny, Polizeipräſident Habrda, Vice-Bürgermeiſter Stro- bach in Vertretung des Bürgermeiſters Dr. Lueger, der heute in Audienz bei ſeiner Majeſtät dem Kaiſer war, Graf

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Benjamin Fiechter, Susanne Haaf: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat). (2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z)

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 133, Wien, 14.06.1898, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost133_1898/6>, abgerufen am 27.11.2024.