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Reichspost. Nr. 117, Wien, 28.04.1908.

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Wien, Dienstag Reichspost 28. April 1908 117

[Spaltenumbruch]

kenne diese Affäre überhaupt nur indirekt durch jene Details,
die mir Nako mitgeteilt. Die übrigen Fragen beantwortete
der Zeuge sichtlich ausweichend.




Kirchliches.
-- Installierung des neuen Pfarrers von Simme-
ring.

In feierlicher Weise wurde Sonntag der Kurpriester
Michael Seitz als Pfarrer von Simmering installiert;
die Einführung des neues Pfarrers nahm Weihbischof Dr.
Marschall vor.

-- Die Infel von Wilna.

Man meldet uns aus
St. Petersburg, vom 24. April: Die russische Re-
gierung hat das Domkapitel in Wilna wiederholt aufge-
fordert, einen Bischof für den abgesetzten Monsgr. Baron
von Ropp zu wählen. Die Domherren weigerten sich mit
Recht, da der Sitz nach kanonischem Recht nicht vakant ist,
indem der Heilige Stuhl die Absetzung nicht anerkannte.
Daraufhin hat der Gouverneur von Wilna sämtliche
Domherren abgesetzt
und ihrer Einkünfte
beraubt.
Das soll solange währen, bis ein neuer
Bischof oder ein Administrator gewählt ist.

Neue Erzbruderschaft für Priester.

Eine Erz-
bruderschaft für die lebenden und verstorbenen Priester
wurde gegründet und kanonisch errichtet in der Kirche der
Prämonstratenserinnen in Mesnil-Saint-Denis
(Departement Seine-et-Oise). Die Mitglieder beten jeden
Tag ein Vater unser und Ave für die lebenden und ein
De profundis für die verstorbenen Priester und hören jeden
Monat zwei Messen, eine für die lebenden und eine für
die verstorbenen Priester.

Vorträge.

In der Zeit vom 21. bis 25. April hat der
beliebte Kanzelredner Prälat Dr. Gustav Müller in der
Stadtpfarrkirche zu Groß-Enzersdorf, apologetische Vorträge
gehalten, welche sehr gut besucht waren.




Vereinsnachrichten.
An alle christlichen Vereine Wiens!

Das Stadt-
komitee der Katholikenorganisation hat für
Mittwoch den 29. April, 1/28 Uhr abends, eine
Versammlung für Vorstands- und Ausschußmitglieder sämt-
licher christlichen Vereine Wiens einberufen. Die auf Namen
lautenden Karten sind bereits verschickt. Wer noch keine
solche erhalten hat, kann gegen Vorweisung seiner Mit-
gliedskarte eine solche in der Kanzlei, 1. Bezirk, Bäcker-
straße 14 oder bei der Firma J. Janauschek u. Ko., 1. Be-
zirk, Singerstraße 18, beheben, eventuell vor Beginn der
Versammlung im Sitzungssaale des Alten Rathauses,
1. Bezirk, Wipplingerstraße, reklamieren. Diese Versamm-
lung ist für Wien von hochwichtiger Bedeutung, weshalb
um kräftige Agitation und zahlreichen Besuch dringend
gebeten wird. Sprechen werden: Rabg. Seminardirektor
August Kemetter über "Wiener Verhältnisse" und
P. Alban Schachleiter aus Prag-Emaus über "Selbst-
hilfe gegen unsere Feinde".

Der Wiener Tierschutzverein

hält am Mittwoch
den 29. d. M. um 6 Uhr nachmitags im großen Sitzungs-
saale des Niederösterreichischen Gewerbevereines Eschenbach-
gasse 11 seine 56. ordentliche Generalversammlung ab.

Christlicher Mütterverein.

Der Stammverein der
christlichen Mütter bei St. Ursula, Johannesgasse 8, hat
seine nächste Vereinsandacht daselbst Freitag den 1. Mai
um 1/29 Uhr früh. Die Monatsandacht der Filiale "Sankt
Ulrich" bei Notre Dame de Sion, Burggasse 39, findet
Montag den 4. Mai um 8 Uhr früh statt.

Verein der pens. und qucs. Staatsbeamten.

Mitt-
woch den 29. d. M. um 4 Uhr im großen Saale des ersten
allgemeinen Beamtenvereines der österreichisch-ungarischen
Monarchie (Wipplingerstraße 25, Parterre) Versammlung.

Katholischer Verein "Reunion".

Donnerstag den
30. April findet im Vereinssaale, Postgasse 13, um 71/2 Uhr
abends der 28. Vereinsabend statt, wobei Monsgre. Doktor
Karl v. Weczerzik einen Vortrag über "Die geologische
Entstehung unserer Erde" halten wird. Im Anschlusse dar-
an Musikvorträge von H. Siegl und Frl. Anna Prochaska.
Hierauf Theatervorstellung.




Volkswirtschaft.
Die mittlere Linie.

Die Kaufkraft der Bauern bedingt zum Teile die
[in]dustrielle Entwicklung eines Landes. Kein vorurteilsfreier
Industrieller oder Gewerbetreibender wird daher die
Kräftigung des Bauernstandes mit scheelen Augen ansehen,
sondern jeder wird sich freuen, wenn es den Bauern gut
geht. Die gute Ernte des Jahres 1906 brachte der Industrie
reichen Verdienst; das Geld, das der Bauer für sein
Getreide, sein Vieh und seine Molkereiprodukte einnahm,
begann sofort seinen Kreislauf in der Volkswirtschaft und
füllte die Taschen des Staates, der Industrie und des
Gewerbestandes, denn "hat der Bauer Geld, so hat's die
ganze Welt". Besonders eine blühende Viehzucht ist die
Grundlage der intensiven Landwirtschaft, nichts ist daher
für den Bauernstand wichtiger als die Fernhaltung von
Seuchen, welche seinen Viehstand dezimieren können.

Aber einen Umstand darf der Bauer nicht übersehen;
ebenso wie er sein Geld für Industrieprodukte ausgibt, so
tut das der Städter seinerseits, indem er landwirtschaftliche
Produkte kauft. Die Abhängigkeit ist daher eine gegen-
seitige. Der Bauer ist an der Industrieentwicklung des
Landes interessiert, weil die wachsende Kaufkraft der indu-
striellen Bevölkerung ihm die Möglichkeit gibt, seine Pro-
dukte mit Vorteil zu verkaufen. Milch, Butter, Eier, Obst
kann der Bauer in entlegenen Gegenden, wo keine Stadt
und keine Industrieansiedlung in der Nähe ist, nur schlecht
verwerten; besonders gilt das für tierische Produkte. Das
Entstehen eines großen Industrieunternehmens innerhalb
einer bäuerlichen Gegend kann daher den Kulturzustand des
ganzen Landes heben, weil die Rentabilitä[t] der Viehhaltung
nur durch diese neue Absatzquelle möglich gemacht
wird. Wo der Bauer früher nur zehn Heller für
den Liter Milch bekam und wo er die Milch manchmal
nur als Butter oder Käse verwerten konnte, da erhält er
[Spaltenumbruch] durch das Entstehen einer Fabrik mit mehreren 100 Arbei-
tern die Möglichkeit, die Milch an Ort und Stelle mit 20
Heller per Liter zu verkaufen. Der Schutz der Landwirtschaft
hat also seine Grenze dort, wo die Tragfähigkeit der In-
dustrie aufhört. Es ist in den letzten Jahren wiederholt vor-
gekommen, daß Industrien in Oesterreich nur deshalb nicht
entstanden, weil die Steuern zu hoch sind. So ist beispiels-
weise die Entwicklung eines neuen Industriezweiges,
der Fabrikation von Kalkstickstoff wohl nur
schwer möglich, weil die Lasten, welche die Indu-
strie trägt, bei uns zu hoch sind. Die Landwirt-
schaft wird daher in solchen Fällen um die Möglichkeit
der Entwicklung des Innenmarktes gebracht. Im Falle, der
eben angeführt wurde, verliert sie außerdem die Möglichkeit,
sich relativ billig mit einem wertvollen Düngungs-
mittel zu versorgen. Was für die direkten Steuern, welche
auf der Industrie lasten, gilt, das gilt auch für die in-
direkten Steuern, welche den industriellen Arbeiter treffen.
Wird das Leben im Inlande zu teuer, so muß ein Teil
der Industriearbeiter auswandern; mit jedem auswandernden
Industriearbeiter verliert aber die Landwirtschaft einen
Käufer für ihre Produkte. Nun ist das Leben in den letzten
Jahren in Oesterreich teurer geworden, und zwar haupt-
sächlich deshalb, weil die Lebensmittel im Preise gestiegen
sind; wenn das so fort geht, wird nichts übrig bleiben,
als daß die Löhne der Industriearbeiter gewaltig steigen.
Bis jetzt haben die Industrie und die industriellen
Arbeiter immer noch die Lasten zu tragen gewußt, die
ihnen von allen Seiten auferlegt wurden, weil die Kon-
junktur auf dem Weltmarkte eine günstige gewesen ist. Nun-
mehr, wo sich das Blatt wendet, wird es fraglich, ob das
so fortgehen kann. Eines der teuersten Lebensmittel für den
Industriearbeiter ist das Fleisch; wenn der Fleischpreis
eine gewisse Höhe überschreitet, so muß der Industrie-
arbeiter sich des Fleischgenusses entwöhnen. Solange die
Grenzen gegen die Balkanstaaten offen waren, konnten sich
viele Industriearbeiter die billigen, allerdings oft minder-
wertigen Fleischqualitäten beschaffen, die von dort eingeführt
wurden, und heute, wo die Grenze gegen Serbien gesperrt
ist, ist ein Rückgang des Fleischkonsums in der ärmeren
industriellen Bevölkerung zu verzeichnen. Unsere Landwirt-
schaft hat davon ebensowenig einen Vorteil, als wenn
die Arbeiter auswandern. Aber die Sache hat noch eine
andere sehr bedenkliche Seite. Die Balkanländer sind
nur dann imstande, Industrieprodukte zu kaufen, wenn sie
mit ihren Erzeugnissen dieselben bezahlen können. Wenn
wir den Serben die Möglichkeit verschließen, Tiere im
lebenden oder wenigstens im geschlachteten Zustande herüber-
zubringen, so werden sie ruiniert und unsere Industrie
wird wiederum geschädigt. Aus Verzweiflung sind nun die
Serben dazu übergegangen, sich eine eigene Industrie zu
schaffen. Vor allem haben sie sich auf die Zuckerindustrie
geworfen, und da sieht man, ein wie zweischneidiges
Schwert Agrarzölle sind. Die Zuckerindustrie, die in Oester-
reich auf einer sehr hohen Stufe steht und die ja auch bei
der Viehmast, also auch für die Fleischproduktion eine
große Rolle spielt, wird das serbische Absatzgebiet voll-
ständig verlieren. Wir sehen also, daß ein Teil der Land-
wirtschaft geschädigt wird, weil der andere Teil der Land-
wirtschaft zu hohe Forderungen stellt. Man kann die Sache
von welcher Seite immer ansehen, man wird zur Ueber-
zeugung kommen, daß man auch im agrarischen Schutze
im ureigensten Interesse der Landwirtschaft nicht übers Ziel
schießen soll. Das Wirtschaftsleben innerhalb eines
Staates erfordert eine fortgesetzte Reihe von Kompromissen
zwischen den verschiedenen Berufsgruppen. Geht der
Bauer zu Grunde, so kann der Städter
ihm nichts verkaufen, weil er ihm nicht
zahlen kann; geht der Wohlstand des
Städters zurück, so kann der Bauer ihm
nichts verkaufen, weil der Städter kein
Geld hat.
Sinkt der Absatz von Fleisch und
tierischen Produkten, so muß früher oder später die Vieh-
zucht zurückgehen und kein Schutzzoll kann daran etwas
ändern. Es gilt daher die richtige Mitte zu finden,
um sich nicht selbst zu schädigen. Das scheint aber der Fall
zu sein, wenn man, wie es jetzt beabsichtigt ist, die geringe
Quantität minderwertigen Fleisches aus Serbien nicht her-
einlassen will, welche im Verhältnis zur gesamten Produk-
tion des Reiches an Vieh kaum in Betracht kommt. Würde
jede der einzelnen Produktionsgruppe im Staate ohne Rück-
sicht auf andere Gruppen ihre Interessen verfechten, wie
das die Nur-Agrarier bezüglich des serbischen Handels-
vertrages tun, müßte ein Kampf aller gegen
alle
entstehen, unter dem schließlich auch die Landwirt-
schaft schwer leiden müßte.




Eine Protestversammlung gegen das Pensions-
versicherungsgesetz.

Im Festsaale des Gewerbevereines fand gestern unter
außerordentlich zahlreicher Beteiligung eine Protestversamm-
lung gegen das Privatbeamten-Pensionsversicherungsgesetz
statt. Der Vorsitzende Vizepräsident des niederösterreichischen
Gewerbevereines Bernhard Ludwig führte in seiner
Eröffnungsansprache aus, daß noch selten ein Gesetz eine
so einmütige Ablehnung erfahren habe wie das Pensions-
versicherungsgesetz; nicht allein die Unternehmer, sondern
auch deren Angestellte sind gegen dieses Gesetz. Je mehr
man sich mit ihm beschäftige, desto mehr erkennt man, daß
es unbrauchbar sei. Hierauf erstattete Maschinen-
fabrikant Ernst Krause das Referat. Er wies zunächst
darauf hin, daß der Widerstand gegen dieses Gesetz nicht nur
von allen industriellen und kommerziellen Korporationen, sondern
auch von den meisten Angestellten geteilt werde. Die In-
teressenten müßten darüber aufgeklärt werden, was das
Gesetz von ihnen verlange und wie verschwindend klein das
sei, was ihnen dafür geboten werde. Bei den landes-
üblichen Durchschnittsbezügen muß ein Unternehmer mit
fünf Angestellten 1000 Kronen pro Jahr, einer mit zehn
Angestellten 2000 Kronen zahlen, wovon allerdings ein
Drittel den Angestellten vom Gehalt abgezogen werden
kann, was sie sich nicht gefallen lassen werden. Große
Aktiengesellschaften werden 100.000 bis 150.000 Kronen,
gleich 15 bis 20% ihrer Dividende, zu ent-
richten haben. Diese Beiträge sollen zehn Jahre lang auf-
gespeichert werden, ohne daß den Angestellten auch nur ein
Heller an Renten vergütet wird. Es werden sich 300 bis
500 Millionen
ansammeln, welche der Volkswirt-
[Spaltenumbruch] schaft entzogen werden. Die Regierung selbst habe den
Interessenten zu verstehen gegeben, daß sie einer Novellierung
des Gesetzes keinen Widerstand leisten werde.
Kammerrat Mendl führte aus, man müsse gegen
das wider den Willen der daran beteiligten Kreise
geschaffene Gesetz in schärfster Weise Stellung
nehmen. Den Angestellten werde durch dieses Gesetz
wohl wenig geholfen, die Industrie aber könne daran
zugrunde gehen. -- Kommerzialrat Oesterreicher
besprach die Rechtsunsicherheit, welche durch die unklare
Fassung des Gesetzes geschaffen werde. -- Kammerrat
Müller überbrachte die Zustimmung des Vereines der
österreichisch-ungarischen Buchhändler. Er hob die besondere
Gefährdung des Detailgeschäftes durch das Gesetz hervor.
-- Der Sekretär des Zentralvereines der kaufmännischen
Angestellten Urbach erklärte namens dieses Vereines,
daß die organisierte Gehilfenschaft, die von dem Gesetz be-
troffen werde, in diesem Falle ganz auf dem Standpunkt
der Unternehmer stehe und sich der Protestkundgebung voll-
kommen anschließe. -- Referent Krause beantragte
hierauf eine Entschließung, in der die einberufenen Korpo-
rationen beauftragt werden, bei den kompetenten Ministerien
sowie bei den führenden Mitgliedern der beiden Häuser des
Reichsrates deputativ vorstellig zu werden, um für die An-
gestellten von Industrie und Gewerbe den Aufschub
des Pensionsversicherungsgesetzes zu er-
wirken, damit Zeit für eine Novellierung des
Gesetzes gewonnen werde, die den Wünschen der Betriebs-
unternehmer sowie der Angestellten Rechnung trägt.

Nachdem diese Resolution einstimmig angenommen
worden war, wurde die Versammlung geschlossen.

Der Landwirt.
Eine Kundgebung der u.-ö. Weinhauer.

Aus
Klosterneuburg wird uns gemeldet: Bei imposanter
Beteiligung der Weinhauer aus dem ganzen Gerichtsbezirke
Klosterneuburg fand gestern in der Gastwirtschaft "zum
Herzogshut" am Stadtplatz von Klosterneuburg eine Ver-
sammlung statt. An der Versammlung nahmen teil die
Rabg. Direktor Kemetter und Dr. Weidenhoffer,
Labg. Hölzl, n.-ö. Weinbaudirektor Reckendorfer
und Weinbauinspektor Kober; den Vorsitz der Versamm-
lung führte Bgm. Hofbauer von Klosterneuburg.
Nachdem Rabg. Dr. Weidenhoffer ein Referat über
die Aktionen des parlamentarischen Weinkulturausschusses
erstattet und Rabg. Kemetter einzelne den Weinhauer-
stand tangierende Fragen erörtert hatte, wurde eine Ent-
schließung angenommen, in der die Regierung ersucht wird,
endlich Notstandsgelder für die von den Weinhauern durch
die Fröste des Jahres 1907 erlittenen Schäden flüssig
zu machen.




Handel und Verkehr.
Wiener Börsekammer.

Am Mittwoch den 29. d. M.
findet um 11/4 Uhr mittags eine Plenarversammlung mit
folgender Tagesordnung statt: Antrag des "Memorandum"-
Komitees betreffend die Effekten-Umsatzsteuer; Antrag der
Warensektion betreffend die neuen Kohlenusancen; Anträge
des Subkomitees für Notierungsangelegenheiten, betreffend
die Ansuchen: der Kommunal-Kreditanstalt für Istrien
wegen. Notierung ihrer 41/2%-Schuldverschreibungen per
10 Millionen Kronen; der Lokalbahn Wsetin--Groß-
Karlowitz wegen Notierung ihrer 4% Prioritätsobligationen
per 2,158.000 Kronen; der Vereinigten Böhmerwald-Lokal-
bahnen wegen Notierung ihrer 4% Prioritätsobligationen
per 2,328.000 Kronen; der Eisenindustrie-A.-G. Zenica
wegen Notierung ihrer 17.500 Aktien a 200 Kronen; der
Apollo-Mineralöl-Raffinerie-A.-G. wegen Notierung ihrer
20.000 Aktien a 200 Kronen.

Eine preußische Studienkommission auf den
Wiener Märkten.

Die zum Studium der österreichischen
Märkte entsendete preußische Kommission, bestehend aus dem
Geheimen Oberregierungsrat Hofmann, Geh. Reg. R.
Dr. Göppert vom Ministerium für Handel und
Gewerbe, Geh. Reg. R. Dr. Bill-Drews vom
Ministerium des Innern, Geh. Reg. R. Freiherr von
Falkenhausen vom Ministerium für Landwirtschaft,
Geh. Reg. R. Dr. Boenisch, vom Reichsamt des
Innern, Generalsekretär der Zentralstelle der preußischen
Landwirtschaftskammern Burckhardt, Landesrat Frei-
herr von Messenbach, Mitglied des Reichstages und
des Hauses der Abgeordneten Fischbeck und Ver-
waltungsdirektor des städtischen Vieh- und Schlacht-
hofes in Berlin, Holtz, erschienen heute am
Zentralviehmarkte in St. Marx, wo sie vom
Magistratsreferenten für das Approvisionierungswesen,
Magistratsrat Dr. Konstantin Mayer, Marktamts-
Direktor Bauer, Marktvizedirektor Frohweint,
Veterinäramtsdirektor Toscano de canella,
Landesveterinärinspektor Wittmann, Marktamtsinspek-
tor und Leiter des Viehmarktes Entenfellner,
dessen Stellvertreter Iglauer und Obertierarzt Dau-
scher
empfangen und in die große Rinderhalle, in der
eben der Rinderhauptmarkt stattfand, geleitet wurden. Die
reichsdeutschen Gäste, die bereits den Viehmarkt in Graz be-
sichtigt hatten und noch den in Ofen-Pest in Augenschein
nehmen werden, interessierten sich hauptsächlich für die Ge-
schäftsabwicklung auf unserem Markte, da man in Berlin
beabsichtigt, den Viehverkauf nach Lebendgewicht, wie es bei
uns geübt wird, einzuführen. Sehr eingehend studierten sie
die Einrichtungen und hörten mit Interesse die erschöpfenden
sachlichen Erläuterungen, die ihnen hier Marktamtsleiter
Entenfellner gab. Nach kurzer Mittagspause er-
schienen sie wieder am Markte, wo ihnen in den Markt-
amtskanzleien Marktkommissär Iglauer die Geschäftsführung
am Markte, hauptsächlich hinsichtlich der Preisbestimmung
und Berechnung eingehendst erläuterte. Die Gäste nahmen
hie Pläne des Marktes, Beschreibungen desselben, sowie
die nötigsten auf die Geschäftsführung bezughabenden For-
mulare in Empfang und verließen nach mehr als sechs-
stündigem Aufenthalte daselbst mit Worten der vollsten An-
erkennung und des Dankes den Markt. Gewiß interessant
für die Leser der Marktberichte der "Reichspost" ist die
Tatsache, daß Herr Marktamtsinspektor Entenfellner den
Gästen gegenüber die genaue und ausführliche Markt-
berichterstattung der "Reichspost" vor den anderen Wiener
Blättern hervorhob.


Wien, Dienstag Reichspoſt 28. April 1908 117

[Spaltenumbruch]

kenne dieſe Affäre überhaupt nur indirekt durch jene Details,
die mir Nako mitgeteilt. Die übrigen Fragen beantwortete
der Zeuge ſichtlich ausweichend.




Kirchliches.
— Inſtallierung des neuen Pfarrers von Simme-
ring.

In feierlicher Weiſe wurde Sonntag der Kurprieſter
Michael Seitz als Pfarrer von Simmering inſtalliert;
die Einführung des neues Pfarrers nahm Weihbiſchof Dr.
Marſchall vor.

— Die Infel von Wilna.

Man meldet uns aus
St. Petersburg, vom 24. April: Die ruſſiſche Re-
gierung hat das Domkapitel in Wilna wiederholt aufge-
fordert, einen Biſchof für den abgeſetzten Monſgr. Baron
von Ropp zu wählen. Die Domherren weigerten ſich mit
Recht, da der Sitz nach kanoniſchem Recht nicht vakant iſt,
indem der Heilige Stuhl die Abſetzung nicht anerkannte.
Daraufhin hat der Gouverneur von Wilna ſämtliche
Domherren abgeſetzt
und ihrer Einkünfte
beraubt.
Das ſoll ſolange währen, bis ein neuer
Biſchof oder ein Adminiſtrator gewählt iſt.

Neue Erzbruderſchaft für Prieſter.

Eine Erz-
bruderſchaft für die lebenden und verſtorbenen Prieſter
wurde gegründet und kanoniſch errichtet in der Kirche der
Prämonſtratenſerinnen in Meſnil-Saint-Denis
(Departement Seine-et-Oiſe). Die Mitglieder beten jeden
Tag ein Vater unſer und Ave für die lebenden und ein
De profundis für die verſtorbenen Prieſter und hören jeden
Monat zwei Meſſen, eine für die lebenden und eine für
die verſtorbenen Prieſter.

Vorträge.

In der Zeit vom 21. bis 25. April hat der
beliebte Kanzelredner Prälat Dr. Guſtav Müller in der
Stadtpfarrkirche zu Groß-Enzersdorf, apologetiſche Vorträge
gehalten, welche ſehr gut beſucht waren.




Vereinsnachrichten.
An alle chriſtlichen Vereine Wiens!

Das Stadt-
komitee der Katholikenorganiſation hat für
Mittwoch den 29. April, ½8 Uhr abends, eine
Verſammlung für Vorſtands- und Ausſchußmitglieder ſämt-
licher chriſtlichen Vereine Wiens einberufen. Die auf Namen
lautenden Karten ſind bereits verſchickt. Wer noch keine
ſolche erhalten hat, kann gegen Vorweiſung ſeiner Mit-
gliedskarte eine ſolche in der Kanzlei, 1. Bezirk, Bäcker-
ſtraße 14 oder bei der Firma J. Janauſchek u. Ko., 1. Be-
zirk, Singerſtraße 18, beheben, eventuell vor Beginn der
Verſammlung im Sitzungsſaale des Alten Rathauſes,
1. Bezirk, Wipplingerſtraße, reklamieren. Dieſe Verſamm-
lung iſt für Wien von hochwichtiger Bedeutung, weshalb
um kräftige Agitation und zahlreichen Beſuch dringend
gebeten wird. Sprechen werden: Rabg. Seminardirektor
Auguſt Kemetter über „Wiener Verhältniſſe“ und
P. Alban Schachleiter aus Prag-Emaus über „Selbſt-
hilfe gegen unſere Feinde“.

Der Wiener Tierſchutzverein

hält am Mittwoch
den 29. d. M. um 6 Uhr nachmitags im großen Sitzungs-
ſaale des Niederöſterreichiſchen Gewerbevereines Eſchenbach-
gaſſe 11 ſeine 56. ordentliche Generalverſammlung ab.

Chriſtlicher Mütterverein.

Der Stammverein der
chriſtlichen Mütter bei St. Urſula, Johannesgaſſe 8, hat
ſeine nächſte Vereinsandacht daſelbſt Freitag den 1. Mai
um ½9 Uhr früh. Die Monatsandacht der Filiale „Sankt
Ulrich“ bei Notre Dame de Sion, Burggaſſe 39, findet
Montag den 4. Mai um 8 Uhr früh ſtatt.

Verein der penſ. und qucſ. Staatsbeamten.

Mitt-
woch den 29. d. M. um 4 Uhr im großen Saale des erſten
allgemeinen Beamtenvereines der öſterreichiſch-ungariſchen
Monarchie (Wipplingerſtraße 25, Parterre) Verſammlung.

Katholiſcher Verein „Reunion“.

Donnerstag den
30. April findet im Vereinsſaale, Poſtgaſſe 13, um 7½ Uhr
abends der 28. Vereinsabend ſtatt, wobei Monſgre. Doktor
Karl v. Weczerzik einen Vortrag über „Die geologiſche
Entſtehung unſerer Erde“ halten wird. Im Anſchluſſe dar-
an Muſikvorträge von H. Siegl und Frl. Anna Prochaska.
Hierauf Theatervorſtellung.




Volkswirtſchaft.
Die mittlere Linie.

Die Kaufkraft der Bauern bedingt zum Teile die
[in]duſtrielle Entwicklung eines Landes. Kein vorurteilsfreier
Induſtrieller oder Gewerbetreibender wird daher die
Kräftigung des Bauernſtandes mit ſcheelen Augen anſehen,
ſondern jeder wird ſich freuen, wenn es den Bauern gut
geht. Die gute Ernte des Jahres 1906 brachte der Induſtrie
reichen Verdienſt; das Geld, das der Bauer für ſein
Getreide, ſein Vieh und ſeine Molkereiprodukte einnahm,
begann ſofort ſeinen Kreislauf in der Volkswirtſchaft und
füllte die Taſchen des Staates, der Induſtrie und des
Gewerbeſtandes, denn „hat der Bauer Geld, ſo hat’s die
ganze Welt“. Beſonders eine blühende Viehzucht iſt die
Grundlage der intenſiven Landwirtſchaft, nichts iſt daher
für den Bauernſtand wichtiger als die Fernhaltung von
Seuchen, welche ſeinen Viehſtand dezimieren können.

Aber einen Umſtand darf der Bauer nicht überſehen;
ebenſo wie er ſein Geld für Induſtrieprodukte ausgibt, ſo
tut das der Städter ſeinerſeits, indem er landwirtſchaftliche
Produkte kauft. Die Abhängigkeit iſt daher eine gegen-
ſeitige. Der Bauer iſt an der Induſtrieentwicklung des
Landes intereſſiert, weil die wachſende Kaufkraft der indu-
ſtriellen Bevölkerung ihm die Möglichkeit gibt, ſeine Pro-
dukte mit Vorteil zu verkaufen. Milch, Butter, Eier, Obſt
kann der Bauer in entlegenen Gegenden, wo keine Stadt
und keine Induſtrieanſiedlung in der Nähe iſt, nur ſchlecht
verwerten; beſonders gilt das für tieriſche Produkte. Das
Entſtehen eines großen Induſtrieunternehmens innerhalb
einer bäuerlichen Gegend kann daher den Kulturzuſtand des
ganzen Landes heben, weil die Rentabilitä[t] der Viehhaltung
nur durch dieſe neue Abſatzquelle möglich gemacht
wird. Wo der Bauer früher nur zehn Heller für
den Liter Milch bekam und wo er die Milch manchmal
nur als Butter oder Käſe verwerten konnte, da erhält er
[Spaltenumbruch] durch das Entſtehen einer Fabrik mit mehreren 100 Arbei-
tern die Möglichkeit, die Milch an Ort und Stelle mit 20
Heller per Liter zu verkaufen. Der Schutz der Landwirtſchaft
hat alſo ſeine Grenze dort, wo die Tragfähigkeit der In-
duſtrie aufhört. Es iſt in den letzten Jahren wiederholt vor-
gekommen, daß Induſtrien in Oeſterreich nur deshalb nicht
entſtanden, weil die Steuern zu hoch ſind. So iſt beiſpiels-
weiſe die Entwicklung eines neuen Induſtriezweiges,
der Fabrikation von Kalkſtickſtoff wohl nur
ſchwer möglich, weil die Laſten, welche die Indu-
ſtrie trägt, bei uns zu hoch ſind. Die Landwirt-
ſchaft wird daher in ſolchen Fällen um die Möglichkeit
der Entwicklung des Innenmarktes gebracht. Im Falle, der
eben angeführt wurde, verliert ſie außerdem die Möglichkeit,
ſich relativ billig mit einem wertvollen Düngungs-
mittel zu verſorgen. Was für die direkten Steuern, welche
auf der Induſtrie laſten, gilt, das gilt auch für die in-
direkten Steuern, welche den induſtriellen Arbeiter treffen.
Wird das Leben im Inlande zu teuer, ſo muß ein Teil
der Induſtriearbeiter auswandern; mit jedem auswandernden
Induſtriearbeiter verliert aber die Landwirtſchaft einen
Käufer für ihre Produkte. Nun iſt das Leben in den letzten
Jahren in Oeſterreich teurer geworden, und zwar haupt-
ſächlich deshalb, weil die Lebensmittel im Preiſe geſtiegen
ſind; wenn das ſo fort geht, wird nichts übrig bleiben,
als daß die Löhne der Induſtriearbeiter gewaltig ſteigen.
Bis jetzt haben die Induſtrie und die induſtriellen
Arbeiter immer noch die Laſten zu tragen gewußt, die
ihnen von allen Seiten auferlegt wurden, weil die Kon-
junktur auf dem Weltmarkte eine günſtige geweſen iſt. Nun-
mehr, wo ſich das Blatt wendet, wird es fraglich, ob das
ſo fortgehen kann. Eines der teuerſten Lebensmittel für den
Induſtriearbeiter iſt das Fleiſch; wenn der Fleiſchpreis
eine gewiſſe Höhe überſchreitet, ſo muß der Induſtrie-
arbeiter ſich des Fleiſchgenuſſes entwöhnen. Solange die
Grenzen gegen die Balkanſtaaten offen waren, konnten ſich
viele Induſtriearbeiter die billigen, allerdings oft minder-
wertigen Fleiſchqualitäten beſchaffen, die von dort eingeführt
wurden, und heute, wo die Grenze gegen Serbien geſperrt
iſt, iſt ein Rückgang des Fleiſchkonſums in der ärmeren
induſtriellen Bevölkerung zu verzeichnen. Unſere Landwirt-
ſchaft hat davon ebenſowenig einen Vorteil, als wenn
die Arbeiter auswandern. Aber die Sache hat noch eine
andere ſehr bedenkliche Seite. Die Balkanländer ſind
nur dann imſtande, Induſtrieprodukte zu kaufen, wenn ſie
mit ihren Erzeugniſſen dieſelben bezahlen können. Wenn
wir den Serben die Möglichkeit verſchließen, Tiere im
lebenden oder wenigſtens im geſchlachteten Zuſtande herüber-
zubringen, ſo werden ſie ruiniert und unſere Induſtrie
wird wiederum geſchädigt. Aus Verzweiflung ſind nun die
Serben dazu übergegangen, ſich eine eigene Induſtrie zu
ſchaffen. Vor allem haben ſie ſich auf die Zuckerinduſtrie
geworfen, und da ſieht man, ein wie zweiſchneidiges
Schwert Agrarzölle ſind. Die Zuckerinduſtrie, die in Oeſter-
reich auf einer ſehr hohen Stufe ſteht und die ja auch bei
der Viehmaſt, alſo auch für die Fleiſchproduktion eine
große Rolle ſpielt, wird das ſerbiſche Abſatzgebiet voll-
ſtändig verlieren. Wir ſehen alſo, daß ein Teil der Land-
wirtſchaft geſchädigt wird, weil der andere Teil der Land-
wirtſchaft zu hohe Forderungen ſtellt. Man kann die Sache
von welcher Seite immer anſehen, man wird zur Ueber-
zeugung kommen, daß man auch im agrariſchen Schutze
im ureigenſten Intereſſe der Landwirtſchaft nicht übers Ziel
ſchießen ſoll. Das Wirtſchaftsleben innerhalb eines
Staates erfordert eine fortgeſetzte Reihe von Kompromiſſen
zwiſchen den verſchiedenen Berufsgruppen. Geht der
Bauer zu Grunde, ſo kann der Städter
ihm nichts verkaufen, weil er ihm nicht
zahlen kann; geht der Wohlſtand des
Städters zurück, ſo kann der Bauer ihm
nichts verkaufen, weil der Städter kein
Geld hat.
Sinkt der Abſatz von Fleiſch und
tieriſchen Produkten, ſo muß früher oder ſpäter die Vieh-
zucht zurückgehen und kein Schutzzoll kann daran etwas
ändern. Es gilt daher die richtige Mitte zu finden,
um ſich nicht ſelbſt zu ſchädigen. Das ſcheint aber der Fall
zu ſein, wenn man, wie es jetzt beabſichtigt iſt, die geringe
Quantität minderwertigen Fleiſches aus Serbien nicht her-
einlaſſen will, welche im Verhältnis zur geſamten Produk-
tion des Reiches an Vieh kaum in Betracht kommt. Würde
jede der einzelnen Produktionsgruppe im Staate ohne Rück-
ſicht auf andere Gruppen ihre Intereſſen verfechten, wie
das die Nur-Agrarier bezüglich des ſerbiſchen Handels-
vertrages tun, müßte ein Kampf aller gegen
alle
entſtehen, unter dem ſchließlich auch die Landwirt-
ſchaft ſchwer leiden müßte.




Eine Proteſtverſammlung gegen das Penſions-
verſicherungsgeſetz.

Im Feſtſaale des Gewerbevereines fand geſtern unter
außerordentlich zahlreicher Beteiligung eine Proteſtverſamm-
lung gegen das Privatbeamten-Penſionsverſicherungsgeſetz
ſtatt. Der Vorſitzende Vizepräſident des niederöſterreichiſchen
Gewerbevereines Bernhard Ludwig führte in ſeiner
Eröffnungsanſprache aus, daß noch ſelten ein Geſetz eine
ſo einmütige Ablehnung erfahren habe wie das Penſions-
verſicherungsgeſetz; nicht allein die Unternehmer, ſondern
auch deren Angeſtellte ſind gegen dieſes Geſetz. Je mehr
man ſich mit ihm beſchäftige, deſto mehr erkennt man, daß
es unbrauchbar ſei. Hierauf erſtattete Maſchinen-
fabrikant Ernſt Krauſe das Referat. Er wies zunächſt
darauf hin, daß der Widerſtand gegen dieſes Geſetz nicht nur
von allen induſtriellen und kommerziellen Korporationen, ſondern
auch von den meiſten Angeſtellten geteilt werde. Die In-
tereſſenten müßten darüber aufgeklärt werden, was das
Geſetz von ihnen verlange und wie verſchwindend klein das
ſei, was ihnen dafür geboten werde. Bei den landes-
üblichen Durchſchnittsbezügen muß ein Unternehmer mit
fünf Angeſtellten 1000 Kronen pro Jahr, einer mit zehn
Angeſtellten 2000 Kronen zahlen, wovon allerdings ein
Drittel den Angeſtellten vom Gehalt abgezogen werden
kann, was ſie ſich nicht gefallen laſſen werden. Große
Aktiengeſellſchaften werden 100.000 bis 150.000 Kronen,
gleich 15 bis 20% ihrer Dividende, zu ent-
richten haben. Dieſe Beiträge ſollen zehn Jahre lang auf-
geſpeichert werden, ohne daß den Angeſtellten auch nur ein
Heller an Renten vergütet wird. Es werden ſich 300 bis
500 Millionen
anſammeln, welche der Volkswirt-
[Spaltenumbruch] ſchaft entzogen werden. Die Regierung ſelbſt habe den
Intereſſenten zu verſtehen gegeben, daß ſie einer Novellierung
des Geſetzes keinen Widerſtand leiſten werde.
Kammerrat Mendl führte aus, man müſſe gegen
das wider den Willen der daran beteiligten Kreiſe
geſchaffene Geſetz in ſchärfſter Weiſe Stellung
nehmen. Den Angeſtellten werde durch dieſes Geſetz
wohl wenig geholfen, die Induſtrie aber könne daran
zugrunde gehen. — Kommerzialrat Oeſterreicher
beſprach die Rechtsunſicherheit, welche durch die unklare
Faſſung des Geſetzes geſchaffen werde. — Kammerrat
Müller überbrachte die Zuſtimmung des Vereines der
öſterreichiſch-ungariſchen Buchhändler. Er hob die beſondere
Gefährdung des Detailgeſchäftes durch das Geſetz hervor.
— Der Sekretär des Zentralvereines der kaufmänniſchen
Angeſtellten Urbach erklärte namens dieſes Vereines,
daß die organiſierte Gehilfenſchaft, die von dem Geſetz be-
troffen werde, in dieſem Falle ganz auf dem Standpunkt
der Unternehmer ſtehe und ſich der Proteſtkundgebung voll-
kommen anſchließe. — Referent Krauſe beantragte
hierauf eine Entſchließung, in der die einberufenen Korpo-
rationen beauftragt werden, bei den kompetenten Miniſterien
ſowie bei den führenden Mitgliedern der beiden Häuſer des
Reichsrates deputativ vorſtellig zu werden, um für die An-
geſtellten von Induſtrie und Gewerbe den Aufſchub
des Penſionsverſicherungsgeſetzes zu er-
wirken, damit Zeit für eine Novellierung des
Geſetzes gewonnen werde, die den Wünſchen der Betriebs-
unternehmer ſowie der Angeſtellten Rechnung trägt.

Nachdem dieſe Reſolution einſtimmig angenommen
worden war, wurde die Verſammlung geſchloſſen.

Der Landwirt.
Eine Kundgebung der u.-ö. Weinhauer.

Aus
Kloſterneuburg wird uns gemeldet: Bei impoſanter
Beteiligung der Weinhauer aus dem ganzen Gerichtsbezirke
Kloſterneuburg fand geſtern in der Gaſtwirtſchaft „zum
Herzogshut“ am Stadtplatz von Kloſterneuburg eine Ver-
ſammlung ſtatt. An der Verſammlung nahmen teil die
Rabg. Direktor Kemetter und Dr. Weidenhoffer,
Labg. Hölzl, n.-ö. Weinbaudirektor Reckendorfer
und Weinbauinſpektor Kober; den Vorſitz der Verſamm-
lung führte Bgm. Hofbauer von Kloſterneuburg.
Nachdem Rabg. Dr. Weidenhoffer ein Referat über
die Aktionen des parlamentariſchen Weinkulturausſchuſſes
erſtattet und Rabg. Kemetter einzelne den Weinhauer-
ſtand tangierende Fragen erörtert hatte, wurde eine Ent-
ſchließung angenommen, in der die Regierung erſucht wird,
endlich Notſtandsgelder für die von den Weinhauern durch
die Fröſte des Jahres 1907 erlittenen Schäden flüſſig
zu machen.




Handel und Verkehr.
Wiener Börſekammer.

Am Mittwoch den 29. d. M.
findet um 1¼ Uhr mittags eine Plenarverſammlung mit
folgender Tagesordnung ſtatt: Antrag des „Memorandum“-
Komitees betreffend die Effekten-Umſatzſteuer; Antrag der
Warenſektion betreffend die neuen Kohlenuſancen; Anträge
des Subkomitees für Notierungsangelegenheiten, betreffend
die Anſuchen: der Kommunal-Kreditanſtalt für Iſtrien
wegen. Notierung ihrer 4½%-Schuldverſchreibungen per
10 Millionen Kronen; der Lokalbahn Wſetin—Groß-
Karlowitz wegen Notierung ihrer 4% Prioritätsobligationen
per 2,158.000 Kronen; der Vereinigten Böhmerwald-Lokal-
bahnen wegen Notierung ihrer 4% Prioritätsobligationen
per 2,328.000 Kronen; der Eiſeninduſtrie-A.-G. Zenica
wegen Notierung ihrer 17.500 Aktien à 200 Kronen; der
Apollo-Mineralöl-Raffinerie-A.-G. wegen Notierung ihrer
20.000 Aktien à 200 Kronen.

Eine preußiſche Studienkommiſſion auf den
Wiener Märkten.

Die zum Studium der öſterreichiſchen
Märkte entſendete preußiſche Kommiſſion, beſtehend aus dem
Geheimen Oberregierungsrat Hofmann, Geh. Reg. R.
Dr. Göppert vom Miniſterium für Handel und
Gewerbe, Geh. Reg. R. Dr. Bill-Drews vom
Miniſterium des Innern, Geh. Reg. R. Freiherr von
Falkenhauſen vom Miniſterium für Landwirtſchaft,
Geh. Reg. R. Dr. Boeniſch, vom Reichsamt des
Innern, Generalſekretär der Zentralſtelle der preußiſchen
Landwirtſchaftskammern Burckhardt, Landesrat Frei-
herr von Meſſenbach, Mitglied des Reichstages und
des Hauſes der Abgeordneten Fiſchbeck und Ver-
waltungsdirektor des ſtädtiſchen Vieh- und Schlacht-
hofes in Berlin, Holtz, erſchienen heute am
Zentralviehmarkte in St. Marx, wo ſie vom
Magiſtratsreferenten für das Approviſionierungsweſen,
Magiſtratsrat Dr. Konſtantin Mayer, Marktamts-
Direktor Bauer, Marktvizedirektor Frohweint,
Veterinäramtsdirektor Toscano de canella,
Landesveterinärinſpektor Wittmann, Marktamtsinſpek-
tor und Leiter des Viehmarktes Entenfellner,
deſſen Stellvertreter Iglauer und Obertierarzt Dau-
ſcher
empfangen und in die große Rinderhalle, in der
eben der Rinderhauptmarkt ſtattfand, geleitet wurden. Die
reichsdeutſchen Gäſte, die bereits den Viehmarkt in Graz be-
ſichtigt hatten und noch den in Ofen-Peſt in Augenſchein
nehmen werden, intereſſierten ſich hauptſächlich für die Ge-
ſchäftsabwicklung auf unſerem Markte, da man in Berlin
beabſichtigt, den Viehverkauf nach Lebendgewicht, wie es bei
uns geübt wird, einzuführen. Sehr eingehend ſtudierten ſie
die Einrichtungen und hörten mit Intereſſe die erſchöpfenden
ſachlichen Erläuterungen, die ihnen hier Marktamtsleiter
Entenfellner gab. Nach kurzer Mittagspauſe er-
ſchienen ſie wieder am Markte, wo ihnen in den Markt-
amtskanzleien Marktkommiſſär Iglauer die Geſchäftsführung
am Markte, hauptſächlich hinſichtlich der Preisbeſtimmung
und Berechnung eingehendſt erläuterte. Die Gäſte nahmen
hie Pläne des Marktes, Beſchreibungen desſelben, ſowie
die nötigſten auf die Geſchäftsführung bezughabenden For-
mulare in Empfang und verließen nach mehr als ſechs-
ſtündigem Aufenthalte daſelbſt mit Worten der vollſten An-
erkennung und des Dankes den Markt. Gewiß intereſſant
für die Leſer der Marktberichte der „Reichspoſt“ iſt die
Tatſache, daß Herr Marktamtsinſpektor Entenfellner den
Gäſten gegenüber die genaue und ausführliche Markt-
berichterſtattung der „Reichspoſt“ vor den anderen Wiener
Blättern hervorhob.


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[8/0008] Wien, Dienstag Reichspoſt 28. April 1908 117 kenne dieſe Affäre überhaupt nur indirekt durch jene Details, die mir Nako mitgeteilt. Die übrigen Fragen beantwortete der Zeuge ſichtlich ausweichend. Kirchliches. — Inſtallierung des neuen Pfarrers von Simme- ring. In feierlicher Weiſe wurde Sonntag der Kurprieſter Michael Seitz als Pfarrer von Simmering inſtalliert; die Einführung des neues Pfarrers nahm Weihbiſchof Dr. Marſchall vor. — Die Infel von Wilna. Man meldet uns aus St. Petersburg, vom 24. April: Die ruſſiſche Re- gierung hat das Domkapitel in Wilna wiederholt aufge- fordert, einen Biſchof für den abgeſetzten Monſgr. Baron von Ropp zu wählen. Die Domherren weigerten ſich mit Recht, da der Sitz nach kanoniſchem Recht nicht vakant iſt, indem der Heilige Stuhl die Abſetzung nicht anerkannte. Daraufhin hat der Gouverneur von Wilna ſämtliche Domherren abgeſetzt und ihrer Einkünfte beraubt. Das ſoll ſolange währen, bis ein neuer Biſchof oder ein Adminiſtrator gewählt iſt. Neue Erzbruderſchaft für Prieſter. Eine Erz- bruderſchaft für die lebenden und verſtorbenen Prieſter wurde gegründet und kanoniſch errichtet in der Kirche der Prämonſtratenſerinnen in Meſnil-Saint-Denis (Departement Seine-et-Oiſe). Die Mitglieder beten jeden Tag ein Vater unſer und Ave für die lebenden und ein De profundis für die verſtorbenen Prieſter und hören jeden Monat zwei Meſſen, eine für die lebenden und eine für die verſtorbenen Prieſter. Vorträge. In der Zeit vom 21. bis 25. April hat der beliebte Kanzelredner Prälat Dr. Guſtav Müller in der Stadtpfarrkirche zu Groß-Enzersdorf, apologetiſche Vorträge gehalten, welche ſehr gut beſucht waren. Vereinsnachrichten. An alle chriſtlichen Vereine Wiens! Das Stadt- komitee der Katholikenorganiſation hat für Mittwoch den 29. April, ½8 Uhr abends, eine Verſammlung für Vorſtands- und Ausſchußmitglieder ſämt- licher chriſtlichen Vereine Wiens einberufen. Die auf Namen lautenden Karten ſind bereits verſchickt. Wer noch keine ſolche erhalten hat, kann gegen Vorweiſung ſeiner Mit- gliedskarte eine ſolche in der Kanzlei, 1. Bezirk, Bäcker- ſtraße 14 oder bei der Firma J. Janauſchek u. Ko., 1. Be- zirk, Singerſtraße 18, beheben, eventuell vor Beginn der Verſammlung im Sitzungsſaale des Alten Rathauſes, 1. Bezirk, Wipplingerſtraße, reklamieren. Dieſe Verſamm- lung iſt für Wien von hochwichtiger Bedeutung, weshalb um kräftige Agitation und zahlreichen Beſuch dringend gebeten wird. Sprechen werden: Rabg. Seminardirektor Auguſt Kemetter über „Wiener Verhältniſſe“ und P. Alban Schachleiter aus Prag-Emaus über „Selbſt- hilfe gegen unſere Feinde“. Der Wiener Tierſchutzverein hält am Mittwoch den 29. d. M. um 6 Uhr nachmitags im großen Sitzungs- ſaale des Niederöſterreichiſchen Gewerbevereines Eſchenbach- gaſſe 11 ſeine 56. ordentliche Generalverſammlung ab. Chriſtlicher Mütterverein. Der Stammverein der chriſtlichen Mütter bei St. Urſula, Johannesgaſſe 8, hat ſeine nächſte Vereinsandacht daſelbſt Freitag den 1. Mai um ½9 Uhr früh. Die Monatsandacht der Filiale „Sankt Ulrich“ bei Notre Dame de Sion, Burggaſſe 39, findet Montag den 4. Mai um 8 Uhr früh ſtatt. Verein der penſ. und qucſ. Staatsbeamten. Mitt- woch den 29. d. M. um 4 Uhr im großen Saale des erſten allgemeinen Beamtenvereines der öſterreichiſch-ungariſchen Monarchie (Wipplingerſtraße 25, Parterre) Verſammlung. Katholiſcher Verein „Reunion“. Donnerstag den 30. April findet im Vereinsſaale, Poſtgaſſe 13, um 7½ Uhr abends der 28. Vereinsabend ſtatt, wobei Monſgre. Doktor Karl v. Weczerzik einen Vortrag über „Die geologiſche Entſtehung unſerer Erde“ halten wird. Im Anſchluſſe dar- an Muſikvorträge von H. Siegl und Frl. Anna Prochaska. Hierauf Theatervorſtellung. Volkswirtſchaft. Die mittlere Linie. Von Dr. Julius Wilhelm, Sekretär des Oeſterreichiſchen Orientvereines. Die Kaufkraft der Bauern bedingt zum Teile die induſtrielle Entwicklung eines Landes. Kein vorurteilsfreier Induſtrieller oder Gewerbetreibender wird daher die Kräftigung des Bauernſtandes mit ſcheelen Augen anſehen, ſondern jeder wird ſich freuen, wenn es den Bauern gut geht. Die gute Ernte des Jahres 1906 brachte der Induſtrie reichen Verdienſt; das Geld, das der Bauer für ſein Getreide, ſein Vieh und ſeine Molkereiprodukte einnahm, begann ſofort ſeinen Kreislauf in der Volkswirtſchaft und füllte die Taſchen des Staates, der Induſtrie und des Gewerbeſtandes, denn „hat der Bauer Geld, ſo hat’s die ganze Welt“. Beſonders eine blühende Viehzucht iſt die Grundlage der intenſiven Landwirtſchaft, nichts iſt daher für den Bauernſtand wichtiger als die Fernhaltung von Seuchen, welche ſeinen Viehſtand dezimieren können. Aber einen Umſtand darf der Bauer nicht überſehen; ebenſo wie er ſein Geld für Induſtrieprodukte ausgibt, ſo tut das der Städter ſeinerſeits, indem er landwirtſchaftliche Produkte kauft. Die Abhängigkeit iſt daher eine gegen- ſeitige. Der Bauer iſt an der Induſtrieentwicklung des Landes intereſſiert, weil die wachſende Kaufkraft der indu- ſtriellen Bevölkerung ihm die Möglichkeit gibt, ſeine Pro- dukte mit Vorteil zu verkaufen. Milch, Butter, Eier, Obſt kann der Bauer in entlegenen Gegenden, wo keine Stadt und keine Induſtrieanſiedlung in der Nähe iſt, nur ſchlecht verwerten; beſonders gilt das für tieriſche Produkte. Das Entſtehen eines großen Induſtrieunternehmens innerhalb einer bäuerlichen Gegend kann daher den Kulturzuſtand des ganzen Landes heben, weil die Rentabilität der Viehhaltung nur durch dieſe neue Abſatzquelle möglich gemacht wird. Wo der Bauer früher nur zehn Heller für den Liter Milch bekam und wo er die Milch manchmal nur als Butter oder Käſe verwerten konnte, da erhält er durch das Entſtehen einer Fabrik mit mehreren 100 Arbei- tern die Möglichkeit, die Milch an Ort und Stelle mit 20 Heller per Liter zu verkaufen. Der Schutz der Landwirtſchaft hat alſo ſeine Grenze dort, wo die Tragfähigkeit der In- duſtrie aufhört. Es iſt in den letzten Jahren wiederholt vor- gekommen, daß Induſtrien in Oeſterreich nur deshalb nicht entſtanden, weil die Steuern zu hoch ſind. So iſt beiſpiels- weiſe die Entwicklung eines neuen Induſtriezweiges, der Fabrikation von Kalkſtickſtoff wohl nur ſchwer möglich, weil die Laſten, welche die Indu- ſtrie trägt, bei uns zu hoch ſind. Die Landwirt- ſchaft wird daher in ſolchen Fällen um die Möglichkeit der Entwicklung des Innenmarktes gebracht. Im Falle, der eben angeführt wurde, verliert ſie außerdem die Möglichkeit, ſich relativ billig mit einem wertvollen Düngungs- mittel zu verſorgen. Was für die direkten Steuern, welche auf der Induſtrie laſten, gilt, das gilt auch für die in- direkten Steuern, welche den induſtriellen Arbeiter treffen. Wird das Leben im Inlande zu teuer, ſo muß ein Teil der Induſtriearbeiter auswandern; mit jedem auswandernden Induſtriearbeiter verliert aber die Landwirtſchaft einen Käufer für ihre Produkte. Nun iſt das Leben in den letzten Jahren in Oeſterreich teurer geworden, und zwar haupt- ſächlich deshalb, weil die Lebensmittel im Preiſe geſtiegen ſind; wenn das ſo fort geht, wird nichts übrig bleiben, als daß die Löhne der Induſtriearbeiter gewaltig ſteigen. Bis jetzt haben die Induſtrie und die induſtriellen Arbeiter immer noch die Laſten zu tragen gewußt, die ihnen von allen Seiten auferlegt wurden, weil die Kon- junktur auf dem Weltmarkte eine günſtige geweſen iſt. Nun- mehr, wo ſich das Blatt wendet, wird es fraglich, ob das ſo fortgehen kann. Eines der teuerſten Lebensmittel für den Induſtriearbeiter iſt das Fleiſch; wenn der Fleiſchpreis eine gewiſſe Höhe überſchreitet, ſo muß der Induſtrie- arbeiter ſich des Fleiſchgenuſſes entwöhnen. Solange die Grenzen gegen die Balkanſtaaten offen waren, konnten ſich viele Induſtriearbeiter die billigen, allerdings oft minder- wertigen Fleiſchqualitäten beſchaffen, die von dort eingeführt wurden, und heute, wo die Grenze gegen Serbien geſperrt iſt, iſt ein Rückgang des Fleiſchkonſums in der ärmeren induſtriellen Bevölkerung zu verzeichnen. Unſere Landwirt- ſchaft hat davon ebenſowenig einen Vorteil, als wenn die Arbeiter auswandern. Aber die Sache hat noch eine andere ſehr bedenkliche Seite. Die Balkanländer ſind nur dann imſtande, Induſtrieprodukte zu kaufen, wenn ſie mit ihren Erzeugniſſen dieſelben bezahlen können. Wenn wir den Serben die Möglichkeit verſchließen, Tiere im lebenden oder wenigſtens im geſchlachteten Zuſtande herüber- zubringen, ſo werden ſie ruiniert und unſere Induſtrie wird wiederum geſchädigt. Aus Verzweiflung ſind nun die Serben dazu übergegangen, ſich eine eigene Induſtrie zu ſchaffen. Vor allem haben ſie ſich auf die Zuckerinduſtrie geworfen, und da ſieht man, ein wie zweiſchneidiges Schwert Agrarzölle ſind. Die Zuckerinduſtrie, die in Oeſter- reich auf einer ſehr hohen Stufe ſteht und die ja auch bei der Viehmaſt, alſo auch für die Fleiſchproduktion eine große Rolle ſpielt, wird das ſerbiſche Abſatzgebiet voll- ſtändig verlieren. Wir ſehen alſo, daß ein Teil der Land- wirtſchaft geſchädigt wird, weil der andere Teil der Land- wirtſchaft zu hohe Forderungen ſtellt. Man kann die Sache von welcher Seite immer anſehen, man wird zur Ueber- zeugung kommen, daß man auch im agrariſchen Schutze im ureigenſten Intereſſe der Landwirtſchaft nicht übers Ziel ſchießen ſoll. Das Wirtſchaftsleben innerhalb eines Staates erfordert eine fortgeſetzte Reihe von Kompromiſſen zwiſchen den verſchiedenen Berufsgruppen. Geht der Bauer zu Grunde, ſo kann der Städter ihm nichts verkaufen, weil er ihm nicht zahlen kann; geht der Wohlſtand des Städters zurück, ſo kann der Bauer ihm nichts verkaufen, weil der Städter kein Geld hat. Sinkt der Abſatz von Fleiſch und tieriſchen Produkten, ſo muß früher oder ſpäter die Vieh- zucht zurückgehen und kein Schutzzoll kann daran etwas ändern. Es gilt daher die richtige Mitte zu finden, um ſich nicht ſelbſt zu ſchädigen. Das ſcheint aber der Fall zu ſein, wenn man, wie es jetzt beabſichtigt iſt, die geringe Quantität minderwertigen Fleiſches aus Serbien nicht her- einlaſſen will, welche im Verhältnis zur geſamten Produk- tion des Reiches an Vieh kaum in Betracht kommt. Würde jede der einzelnen Produktionsgruppe im Staate ohne Rück- ſicht auf andere Gruppen ihre Intereſſen verfechten, wie das die Nur-Agrarier bezüglich des ſerbiſchen Handels- vertrages tun, müßte ein Kampf aller gegen alle entſtehen, unter dem ſchließlich auch die Landwirt- ſchaft ſchwer leiden müßte. Eine Proteſtverſammlung gegen das Penſions- verſicherungsgeſetz. Im Feſtſaale des Gewerbevereines fand geſtern unter außerordentlich zahlreicher Beteiligung eine Proteſtverſamm- lung gegen das Privatbeamten-Penſionsverſicherungsgeſetz ſtatt. Der Vorſitzende Vizepräſident des niederöſterreichiſchen Gewerbevereines Bernhard Ludwig führte in ſeiner Eröffnungsanſprache aus, daß noch ſelten ein Geſetz eine ſo einmütige Ablehnung erfahren habe wie das Penſions- verſicherungsgeſetz; nicht allein die Unternehmer, ſondern auch deren Angeſtellte ſind gegen dieſes Geſetz. Je mehr man ſich mit ihm beſchäftige, deſto mehr erkennt man, daß es unbrauchbar ſei. Hierauf erſtattete Maſchinen- fabrikant Ernſt Krauſe das Referat. Er wies zunächſt darauf hin, daß der Widerſtand gegen dieſes Geſetz nicht nur von allen induſtriellen und kommerziellen Korporationen, ſondern auch von den meiſten Angeſtellten geteilt werde. Die In- tereſſenten müßten darüber aufgeklärt werden, was das Geſetz von ihnen verlange und wie verſchwindend klein das ſei, was ihnen dafür geboten werde. Bei den landes- üblichen Durchſchnittsbezügen muß ein Unternehmer mit fünf Angeſtellten 1000 Kronen pro Jahr, einer mit zehn Angeſtellten 2000 Kronen zahlen, wovon allerdings ein Drittel den Angeſtellten vom Gehalt abgezogen werden kann, was ſie ſich nicht gefallen laſſen werden. Große Aktiengeſellſchaften werden 100.000 bis 150.000 Kronen, gleich 15 bis 20% ihrer Dividende, zu ent- richten haben. Dieſe Beiträge ſollen zehn Jahre lang auf- geſpeichert werden, ohne daß den Angeſtellten auch nur ein Heller an Renten vergütet wird. Es werden ſich 300 bis 500 Millionen anſammeln, welche der Volkswirt- ſchaft entzogen werden. Die Regierung ſelbſt habe den Intereſſenten zu verſtehen gegeben, daß ſie einer Novellierung des Geſetzes keinen Widerſtand leiſten werde. Kammerrat Mendl führte aus, man müſſe gegen das wider den Willen der daran beteiligten Kreiſe geſchaffene Geſetz in ſchärfſter Weiſe Stellung nehmen. Den Angeſtellten werde durch dieſes Geſetz wohl wenig geholfen, die Induſtrie aber könne daran zugrunde gehen. — Kommerzialrat Oeſterreicher beſprach die Rechtsunſicherheit, welche durch die unklare Faſſung des Geſetzes geſchaffen werde. — Kammerrat Müller überbrachte die Zuſtimmung des Vereines der öſterreichiſch-ungariſchen Buchhändler. Er hob die beſondere Gefährdung des Detailgeſchäftes durch das Geſetz hervor. — Der Sekretär des Zentralvereines der kaufmänniſchen Angeſtellten Urbach erklärte namens dieſes Vereines, daß die organiſierte Gehilfenſchaft, die von dem Geſetz be- troffen werde, in dieſem Falle ganz auf dem Standpunkt der Unternehmer ſtehe und ſich der Proteſtkundgebung voll- kommen anſchließe. — Referent Krauſe beantragte hierauf eine Entſchließung, in der die einberufenen Korpo- rationen beauftragt werden, bei den kompetenten Miniſterien ſowie bei den führenden Mitgliedern der beiden Häuſer des Reichsrates deputativ vorſtellig zu werden, um für die An- geſtellten von Induſtrie und Gewerbe den Aufſchub des Penſionsverſicherungsgeſetzes zu er- wirken, damit Zeit für eine Novellierung des Geſetzes gewonnen werde, die den Wünſchen der Betriebs- unternehmer ſowie der Angeſtellten Rechnung trägt. Nachdem dieſe Reſolution einſtimmig angenommen worden war, wurde die Verſammlung geſchloſſen. Der Landwirt. Eine Kundgebung der u.-ö. Weinhauer. Aus Kloſterneuburg wird uns gemeldet: Bei impoſanter Beteiligung der Weinhauer aus dem ganzen Gerichtsbezirke Kloſterneuburg fand geſtern in der Gaſtwirtſchaft „zum Herzogshut“ am Stadtplatz von Kloſterneuburg eine Ver- ſammlung ſtatt. An der Verſammlung nahmen teil die Rabg. Direktor Kemetter und Dr. Weidenhoffer, Labg. Hölzl, n.-ö. Weinbaudirektor Reckendorfer und Weinbauinſpektor Kober; den Vorſitz der Verſamm- lung führte Bgm. Hofbauer von Kloſterneuburg. Nachdem Rabg. Dr. Weidenhoffer ein Referat über die Aktionen des parlamentariſchen Weinkulturausſchuſſes erſtattet und Rabg. Kemetter einzelne den Weinhauer- ſtand tangierende Fragen erörtert hatte, wurde eine Ent- ſchließung angenommen, in der die Regierung erſucht wird, endlich Notſtandsgelder für die von den Weinhauern durch die Fröſte des Jahres 1907 erlittenen Schäden flüſſig zu machen. Handel und Verkehr. Wiener Börſekammer. Am Mittwoch den 29. d. M. findet um 1¼ Uhr mittags eine Plenarverſammlung mit folgender Tagesordnung ſtatt: Antrag des „Memorandum“- Komitees betreffend die Effekten-Umſatzſteuer; Antrag der Warenſektion betreffend die neuen Kohlenuſancen; Anträge des Subkomitees für Notierungsangelegenheiten, betreffend die Anſuchen: der Kommunal-Kreditanſtalt für Iſtrien wegen. Notierung ihrer 4½%-Schuldverſchreibungen per 10 Millionen Kronen; der Lokalbahn Wſetin—Groß- Karlowitz wegen Notierung ihrer 4% Prioritätsobligationen per 2,158.000 Kronen; der Vereinigten Böhmerwald-Lokal- bahnen wegen Notierung ihrer 4% Prioritätsobligationen per 2,328.000 Kronen; der Eiſeninduſtrie-A.-G. Zenica wegen Notierung ihrer 17.500 Aktien à 200 Kronen; der Apollo-Mineralöl-Raffinerie-A.-G. wegen Notierung ihrer 20.000 Aktien à 200 Kronen. Eine preußiſche Studienkommiſſion auf den Wiener Märkten. Die zum Studium der öſterreichiſchen Märkte entſendete preußiſche Kommiſſion, beſtehend aus dem Geheimen Oberregierungsrat Hofmann, Geh. Reg. R. Dr. Göppert vom Miniſterium für Handel und Gewerbe, Geh. Reg. R. Dr. Bill-Drews vom Miniſterium des Innern, Geh. Reg. R. Freiherr von Falkenhauſen vom Miniſterium für Landwirtſchaft, Geh. Reg. R. Dr. Boeniſch, vom Reichsamt des Innern, Generalſekretär der Zentralſtelle der preußiſchen Landwirtſchaftskammern Burckhardt, Landesrat Frei- herr von Meſſenbach, Mitglied des Reichstages und des Hauſes der Abgeordneten Fiſchbeck und Ver- waltungsdirektor des ſtädtiſchen Vieh- und Schlacht- hofes in Berlin, Holtz, erſchienen heute am Zentralviehmarkte in St. Marx, wo ſie vom Magiſtratsreferenten für das Approviſionierungsweſen, Magiſtratsrat Dr. Konſtantin Mayer, Marktamts- Direktor Bauer, Marktvizedirektor Frohweint, Veterinäramtsdirektor Toscano de canella, Landesveterinärinſpektor Wittmann, Marktamtsinſpek- tor und Leiter des Viehmarktes Entenfellner, deſſen Stellvertreter Iglauer und Obertierarzt Dau- ſcher empfangen und in die große Rinderhalle, in der eben der Rinderhauptmarkt ſtattfand, geleitet wurden. Die reichsdeutſchen Gäſte, die bereits den Viehmarkt in Graz be- ſichtigt hatten und noch den in Ofen-Peſt in Augenſchein nehmen werden, intereſſierten ſich hauptſächlich für die Ge- ſchäftsabwicklung auf unſerem Markte, da man in Berlin beabſichtigt, den Viehverkauf nach Lebendgewicht, wie es bei uns geübt wird, einzuführen. Sehr eingehend ſtudierten ſie die Einrichtungen und hörten mit Intereſſe die erſchöpfenden ſachlichen Erläuterungen, die ihnen hier Marktamtsleiter Entenfellner gab. Nach kurzer Mittagspauſe er- ſchienen ſie wieder am Markte, wo ihnen in den Markt- amtskanzleien Marktkommiſſär Iglauer die Geſchäftsführung am Markte, hauptſächlich hinſichtlich der Preisbeſtimmung und Berechnung eingehendſt erläuterte. Die Gäſte nahmen hie Pläne des Marktes, Beſchreibungen desſelben, ſowie die nötigſten auf die Geſchäftsführung bezughabenden For- mulare in Empfang und verließen nach mehr als ſechs- ſtündigem Aufenthalte daſelbſt mit Worten der vollſten An- erkennung und des Dankes den Markt. Gewiß intereſſant für die Leſer der Marktberichte der „Reichspoſt“ iſt die Tatſache, daß Herr Marktamtsinſpektor Entenfellner den Gäſten gegenüber die genaue und ausführliche Markt- berichterſtattung der „Reichspoſt“ vor den anderen Wiener Blättern hervorhob.

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Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z)

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 117, Wien, 28.04.1908, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost117_1908/8>, abgerufen am 24.11.2024.