Reichspost. Nr. 117, Wien, 28.04.1908.117 Wien, Dienstag Reichspost 28. April 1908 [Spaltenumbruch] Politische Rundschau. Oesterreich-Ungarn. Wien, 27. April. Das Falschspiel von Kalsching. Dem Deutsch- Die böhmische Krise. Die durch die jüngsten Die Eröffnungssitzung des Tiroler Land- tages. Aus Innsbruck, 27. d., wird uns berichtet: Christlichsoziale Versammlung in der Bukowina. Aus Radautz, 27. d., wird uns tele- [Spaltenumbruch] Das "Vorarlbg. Volksbl." forderte daraufhin das Spät kommt Ihr ... Die Freisinnigen des Deutschen Reiches haben in Der Liberalismus braucht die Arbeiter nicht zur Ver- Daran erkenn' ich meine liberalen Pappenheimer! [Spaltenumbruch] die Versammlung zu sprengen suchte. Der Plan miß- Eine polnische Kundgebung gegen die Rutheneu. Wie uns aus Stanislau berichtet Ausland. Im deutschen Reiche hat der Bruch in der frei- Der jüdische Bürgermeister von Rom, Italiens Forderungen in Tripolis. [Privattelegramm der "Reichspost".] Konstantinopel, 27. April. Die Forderung der italienischen Regierung, betreffend Die Unruhen an der russisch-persischen Grenze. Die Unruhen an der russisch-persischen Grenze St. Petersburg, 27. April. Depeschen aus Der Krieg in Marokko. Ein Gefecht. -- Große Kriegsvorbereitungen. Casablanca, 27. April. Am 24. d. kam es zu einem Das Regime der magyarischen Koalition. Eine kossuthistische Polemik gegen die "Reichs- post". Die magyarische Presse ist sehr erbost über die "Reichs- 117 Wien, Dienstag Reichspoſt 28. April 1908 [Spaltenumbruch] Politiſche Rundſchau. Oeſterreich-Ungarn. Wien, 27. April. Das Falſchſpiel von Kalſching. Dem Deutſch- Die böhmiſche Kriſe. Die durch die jüngſten Die Eröffnungsſitzung des Tiroler Land- tages. Aus Innsbruck, 27. d., wird uns berichtet: Chriſtlichſoziale Verſammlung in der Bukowina. Aus Radautz, 27. d., wird uns tele- [Spaltenumbruch] Das „Vorarlbg. Volksbl.“ forderte daraufhin das Spät kommt Ihr ... Die Freiſinnigen des Deutſchen Reiches haben in Der Liberalismus braucht die Arbeiter nicht zur Ver- Daran erkenn’ ich meine liberalen Pappenheimer! [Spaltenumbruch] die Verſammlung zu ſprengen ſuchte. Der Plan miß- Eine polniſche Kundgebung gegen die Rutheneu. Wie uns aus Stanislau berichtet Ausland. Im deutſchen Reiche hat der Bruch in der frei- Der jüdiſche Bürgermeiſter von Rom, Italiens Forderungen in Tripolis. [Privattelegramm der „Reichspoſt“.] Konſtantinopel, 27. April. Die Forderung der italieniſchen Regierung, betreffend Die Unruhen an der ruſſiſch-perſiſchen Grenze. Die Unruhen an der ruſſiſch-perſiſchen Grenze St. Petersburg, 27. April. Depeſchen aus Der Krieg in Marokko. Ein Gefecht. — Große Kriegsvorbereitungen. Caſablanca, 27. April. Am 24. d. kam es zu einem Das Regime der magyariſchen Koalition. Eine koſſuthiſtiſche Polemik gegen die „Reichs- poſt“. Die magyariſche Preſſe iſt ſehr erboſt über die „Reichs- <TEI> <text> <body> <div type="jVarious" n="1"> <div xml:id="a2a" next="#a2b" type="jArticle" n="2"> <pb facs="#f0003" n="3"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">117 Wien, Dienstag <hi rendition="#g">Reichspoſt</hi> 28. April 1908</hi> </fw><lb/> <cb/> </div> </div> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Politiſche Rundſchau.</hi> </head><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Oeſterreich-Ungarn.</hi> </head><lb/> <dateline>Wien, 27. April.</dateline><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Das Falſchſpiel von Kalſching.</hi> </head> <p>Dem Deutſch-<lb/> tum geht es in Böhmen wieder einmal ſehr ſchlecht.<lb/> Nicht nur, daß die Tſchechen mit täglich geſteigerter<lb/> Leidenſchaft alle Poſitionen des Deutſchtums angreifen,<lb/> es iſt auch wehrlos <hi rendition="#g">dem dreiſten Mißbrauche</hi><lb/> ausgeſetzt, den ſich der <hi rendition="#g">Freiſinn</hi> mit dem Deutſch-<lb/> tum erlaubt. Unter der Flagge „Deutſchtum“ wird<lb/><hi rendition="#g">freiſinnige Konterbande</hi> eingeſchmuggelt<lb/> und unter dem Titel „Abwehr tſchechiſcher Angriffe“<lb/> wird von deutſchfreiſinniger Seite, wie es geſtern in<lb/> Kalſching geſchehen iſt, gegen die <hi rendition="#g">deutſchen</hi> Chriſt-<lb/> lichſozialen gehetzt. Gegen dieſes <hi rendition="#g">un deutſche Fälſcher-<lb/> ſtück</hi> der Deutſchfreiſinnigen muß im Namen des Deutſchtums<lb/> entſchiedenſt proteſtiert werden. Die Herren <hi rendition="#g">Kaſper,<lb/> Lößl</hi> und <hi rendition="#g">Soukup</hi> mögen ja eine große Angſt<lb/> haben, ihre Mandate bei irgend einer ſchönen Gelegenheit<lb/> an die Chriſtlichſozialen zu verlieren, aber dieſe vielleicht<lb/> nicht ganz grundloſe Angſt gibt ihnen kein Recht, auf<lb/> einem ſogenannten „Deutſchen Volkstage“, der, wie ſchon<lb/> ſein Name ſagt, ausſchließlich deutſchen Intereſſen und<lb/> nicht den privaten Schmerzen der verſchiedenen frei-<lb/> ſinnigen Fraktiönchen zu dienen hat ihre Angriffe gegen<lb/> eine Partei zu richten, die ſich um das Deutſchtum in<lb/> Oeſterreich <hi rendition="#g">mindeſtens ebenſo große<lb/> Verdienſte</hi> erworben hat als der<lb/> ganze Freiſinn der verſchiedenen Riten. Wenn die<lb/> Herren Kaſper und Konſorten die Verteidigung des<lb/> Deutſchtums vor Angriffen nationaler Gegner nicht<lb/> anders zu führen wiſſen als durch Begeiferung anderer<lb/> deutſcher Parteien, dann ſind ſie ſelber <hi rendition="#g">ärgere<lb/> Schädlinge</hi> des Deutſchtums als die Fiedler,<lb/> Kramar, Rineſch, Heller und Genoſſen. Das Deutſchtum<lb/> iſt nicht dazu da, um dem maraſtiſch gewordenen Freiſinn<lb/> die wackeligen Mandate zu ſichern. Die Chriſtlichſozialen<lb/> haben in Böhmen <hi rendition="#g">genau dasſelbe Recht,</hi><lb/> ihrem Programm neue Anhänger zu werben, wie jede<lb/> andere Partei. Es iſt ſelbſtverſtändlich nicht das geringſte<lb/> dagegen einzuwenden, daß ſich die Freiſinnigen gegen die<lb/> erfolgreich vordringenden Chriſtlichſozialen zur Wehre<lb/> ſetzen. Aber als <hi rendition="#g">undeutſche Unehrlichkeit</hi><lb/> und als den Intereſſen des Deutſchtums ſchädliche Falſch-<lb/> ſpielerei muß es gebrandmarkt werden, wenn die Frei-<lb/> ſinnigen der verſchiedenen Riten ihren Kampf gegen die<lb/> Chriſtlichſozialen unter der Flagge der nationalen Geſin-<lb/> nung und unter dem <hi rendition="#g">die deutſchen Wähler<lb/> betrügenden</hi> Titel „Deutſche Volkstage“ führen.<lb/> Die Chriſtlichſozialen, die bei den letzten Reichsratswahlen<lb/> in Deutſchböhmen mehr Stimmen aufbrachten als die<lb/> Alldeutſchen, die Deutſche Volkspartei und die Deutſch-<lb/> liberalen, werden dieſe Irreführung der deutſchen Wähler<lb/> abſolut <hi rendition="#g">nicht dulden</hi> und mit den Falſchſpielern ſo<lb/> deutlich und ſo deutſch reden, daß ſie von dieſen verſtan-<lb/> den werden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Die böhmiſche Kriſe.</hi> </head> <p>Die durch die jüngſten<lb/> nationalen Zwiſchenfälle in Böhmen geſchaffene Situation<lb/> wird allgemein als ſehr kritiſch angeſehen. Sowohl die<lb/> tſchechiſchen als die deutſchnationalen Organe kündigen<lb/> große Aktionen ihrer Parteien an. Während die<lb/> „Deutſchn. Korr.“ ankündigt, daß man vom Juſtiz-<lb/> miniſter Dr. <hi rendition="#g">Klein</hi> verlangen werde, er möge nun nach<lb/> dem Vorgehen des Prager Oberlandesgerichtes ebenfalls<lb/> ſein <hi rendition="#g">Aufſichtsrecht</hi> geltend machen und den <hi rendition="#aq">status<lb/> quo ante</hi> herſtellen, betreiben die Tſchechen eine <hi rendition="#g">Ein-<lb/> berufung des böhmiſchen Landtages,</hi> der allein<lb/> zur Entſcheidung in der Sprachenfrage kompetent ſei. Heute<lb/> erſchien, wie uns aus Prag telegraphiert wird, eine Deputation<lb/> der tſchechiſchen Radikalen beim Oberſtlandmarſchall-<lb/> ſtellvertreter, um ihn um Intervention in dieſer Frage<lb/> zu erſuchen. Gegenüber den Entſcheidungen des Prager<lb/> Oberlandesgerichtes befolgt das Egerer Kreisgericht die<lb/> Taktik, es in allen Fällen auf eine Beſchwerde an die<lb/> obere Inſtanz ankommen zu laſſen, um der Prager In-<lb/><cb/> ſtanz die Praxis zu erſchweren. Die Entſcheidungen des<lb/> Hofrates Rineſch haben alſo bereits <hi rendition="#g">zur paſſiven<lb/> Reſiſtenz der Gerichte</hi> geführt. Daß ſolche<lb/> Zuſtände unhaltbar ſind, iſt klar. Daß die <supplied>in</supplied> Böhmen<lb/> eingeleitete Tſchechiſierungspolitik überhaupt zu uner-<lb/> träglichen Unzukömmlichkeiten führt, hat der ſogenannte<lb/><hi rendition="#g">„Deutſchbroder Zwiſchenfall“</hi><lb/> am 22. d. gezeigt, an welchem Tage es den deutſchen Fahr-<lb/> poſtbeamten nicht möglich war, in der Station Deutſchbrod<lb/> die Poſt zu übernehmen, da die Deutſchbroder tſchechiſchen<lb/> Poſtbeamten, welche die Poſt abzufertigen und zu über-<lb/> geben hatten, auf Knall und Fall die tſchechiſche Amts-<lb/> ſprache eingeführt hatten. Der Vorfall hat großes Auf-<lb/> ſehen erregt. Leider müſſen die Adreſſaten der verſpätet<lb/> beförderten Poſtſtücke die Koſten der vom Handelsminiſter<lb/> Fiedler begonnenen Tſchechiſierung der Poſt in Böhmen<lb/> tragen. Aus <hi rendition="#g">Prag</hi> wird uns hiezu gedrahtet: Seitens<lb/> der Prager Poſtdirektion wurde bei der Poſtambulanz<lb/> Wien—Tetſchen Nr. 23 eine <hi rendition="#g">Unterſuchung</hi> einge-<lb/> leitet, um ſicherzuſtellen, ob und welcher der Beamten<lb/> ſich bei dieſem Vorfalle gegen die geltenden Vorſchriften<lb/> vergangen hat. Das Reſultat der eingeleiteten Unter-<lb/> ſuchung wird im Auftrage des Handelsminiſteriums<lb/> dem Handelsminiſter Dr. <hi rendition="#g">Fiedler</hi> ſofort übermittelt<lb/> werden. Wie verlautet, ſteht die <hi rendition="#g">Heraus gabe eines<lb/> Erlaſſes</hi> bevor, der die ſprachlichen Verhältniſſe bei<lb/> den Poſtambulanzen genau ergeben ſoll, um ähnliche<lb/> unliebſame Konflikte hintanzuhalten.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Die Eröffnungsſitzung des Tiroler Land-<lb/> tages.</hi> </head> <p>Aus <hi rendition="#g">Innsbruck,</hi> 27. d., wird uns berichtet:<lb/> Nach einem von dem Labg. Prälaten <hi rendition="#g">Zacher</hi> zelebrierten<lb/> Amte fand heute um 11 Uhr vormittags die Eröffnung<lb/> des beinahe vollzählig verſammelten Landtages durch den<lb/> Statthalter Baron <hi rendition="#g">Spiegelfeld</hi> ſtatt. Zunächſt<lb/> ſtellte der Statthalter den Landeshauptmann Doktor<lb/><hi rendition="#g">Kathrein</hi> und deſſen Stellvertreter Abg. Dr. <hi rendition="#g">Conci</hi><lb/> vor und nahm dem Abg. Kathrein das Gelöbnis ab.<lb/> Der Landeshauptmann erbat ſich die Unterſtützung des<lb/> Hauſes, gedachte des Regierungsjubiläums Sr. Majeſtät<lb/><supplied>u</supplied>nd brachte ein Hoch auf den Kaiſer aus, in<lb/> welches allſeits begeiſtert eingeſtimmt wurde. Der<lb/> Statthalter ſagte in deutſcher und italieniſcher Rede<lb/> volle Objektivität zu und erſuchte um das Vertrauen der<lb/> Mitglieder des Landtages. Er werde ſtets bereit ſein, die<lb/> Gegenſätze auszugleichen. Hierauf wurde die Verifizierung<lb/> ſämtlicher Wahlen und die Abnahme des Handgelöbniſſes<lb/> der Abgeordneten vorgenommen. Abg. Don <hi rendition="#g">Gentili</hi><lb/> erklärte namens der Italiener daß das Verlangen nach<lb/> der <hi rendition="#g">Autonomie</hi> aufrecht bleibe, daß aber die Ita-<lb/> liener ſich an den Verhandlungen des Landtages in der<lb/> Hoffnung auf wirtſchaftliche Berückſichtigung und auf<lb/> eine <hi rendition="#g">gerechte Wahlreform</hi> beteiligen. — In<lb/> der morgigen Sitzung werden <hi rendition="#g">die Ausſchußwahlen</hi><lb/> ſtattfinden. Die Stärke der Parteien im neuen Landtage<lb/> iſt, wenn man von den drei Landesbiſchöfen abſieht, fol-<lb/> gende: Es beſitzen die <hi rendition="#g">deutſchen Chriſtlichſozialen</hi><lb/> 25 Mandate (1 Prälat, 2 Städte, 22 Landgemeinden) die<lb/><hi rendition="#g">Altkonſervativen</hi> 8 Mandate (2 Städte, 4 Adels-<lb/> kurie, 2 Prälaten), die <hi rendition="#g">Deutſchfreiſinnigen</hi><lb/> 12 Mandate (1 Viriliſt, 2 Handelskammer, 3 Städte, 6<lb/> Adelskurie), die <hi rendition="#g">chriſtlichſozialen Italiener</hi><lb/> 14 Mandate (1 Prälat, 1 Städte, 12 Landgemeiden), <hi rendition="#g">frei-<lb/> ſinnige Italiener</hi> 6 Mandate (5 Städte, 1<lb/> Handelskammer). Aus dieſer Zuſammenſtellung erſieht man<lb/> klar, welche der Landtagsparteien im Volke wurzeln und<lb/> welche ihren politiſchen Beſitzſtand den Privilegien ver-<lb/> dauken. Dieſes zu wiſſen iſt wichtig zur Beurteilung der<lb/> Haltung, welche die Parteien in der Frage der Land-<lb/> tagswahlreform einnehmen werden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Chriſtlichſoziale Verſammlung in der<lb/> Bukowina.</hi> </head> <p>Aus <hi rendition="#g">Radautz,</hi> 27. d., wird uns tele-<lb/> graphiert: Ueber Einberufung der chriſtlichſozialen<lb/> Landesparteileitung fand geſtern hier eine überaus zahl-<lb/> reich beſuchte Verſammlung ſtatt, die einen ſehr lebhaften<lb/> Verlauf nahm, da der Student Karl <hi rendition="#g">Schläger,</hi><lb/> welcher bis vor kurzem ein eifriger chriſtlichſozialer<lb/> Agitator war, in jüngſter Zeit aber die notwendige<lb/> Diſziplin verletzte und ſo der gegneriſchen Keſchmann-<lb/> Skedl-Richtung Vorſchub leiſtete, mit zwanzig Anhängern</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> </div> </div> </div> <div type="jVarious" n="1"> <div xml:id="a2b" prev="#a2a" type="jArticle" n="2"> <p>Das „Vorarlbg. Volksbl.“ forderte daraufhin das<lb/> Innsbrucker ſozialdemokratiſche Blatt auf, Namen zu<lb/> nennen, was nun auch geſchah. Als Miſſe-<lb/> täterin nennt das Blatt die Schweſter Imelda<lb/> und als Zeugin der Tat der Schweſter Aquinata<lb/> Die Nachforſchung hat nun aber ergeben, daß<lb/> zur Zeit, als der angebliche Unfug paſſiert ſein ſoll,<lb/> keine der beiden genannten Schweſtern in der erſten<lb/> Klaſſe anweſend war. Und von den zirka 30 Schulmädchen,<lb/> welche zuerſt jedes einzeln, dann alle zuſammen über die<lb/> angebliche Mißhandlung ausgefragt wurden, <hi rendition="#g">wußte<lb/> nicht ein einziges,</hi> daß ein ſolcher Fall oder ein<lb/> ähnlicher paſſiert wäre. Es hat ſich bisher <hi rendition="#g">auch kein<lb/> Kind gemeldet,</hi> das auf die geſchilderte Weiſe<lb/> wäre mißhandelt worden; <hi rendition="#g">auch keine Eltern</hi><lb/> haben darüber Klage geführt. Der ſo<supplied>z</supplied>ialdemokratiſche<lb/> Bericht iſt offenbar rein erfunden. Freilich iſt die Ge-<lb/> ſchichte deshalb nicht ſchlechter als hundert andere ähnliche<lb/> Räubergeſchichten, die alle gut genug ſind, um die Ehre<lb/> braver Frauen zu beſchmutzen, die ſich der chriſtlichen<lb/> Jugenderziehung gewidmet haben.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Spät kommt Ihr ...</hi> </head><lb/> <p>Die Freiſinnigen des Deutſchen Reiches haben in<lb/> dieſer Woche ihren Parteitag abgehalten, ein großes<lb/> politiſches Holzhacken, bei dem die Splitter und Spähne<lb/> nach allen Seiten hin, nur möglichſt weit voneinander,<lb/> ſtoben. Doch da nun einmal außer den Sottiſen, die die<lb/> Größen vom liberalen Geiſte einander zu ſagen hatten,<lb/><cb/> auch etwas „Poſitives“ geleiſtet, eine Senſation gebracht<lb/> werden mußte, hatte man das Thema „<hi rendition="#g">Liberalismus</hi><lb/> und <hi rendition="#g">Arbeiterfrage</hi>“ zum Gegenſtand der Tages-<lb/> ordnung gemacht und Herr Friedrich <hi rendition="#g">Naumann,</hi><lb/> Führer der ſüddeutſchen Freiſinnigen, ſprach dazu die<lb/> unvergeßlichen Sätze:</p><lb/> <p>Der Liberalismus braucht die Arbeiter nicht zur Ver-<lb/> mehrung ſeiner Wähler, ſondern weil der Liberalismus auf<lb/> die Leute <hi rendition="#g">angewieſen</hi> iſt, die noch nicht im Beſitze der<lb/> bürgerlichen Freiheiten ſind. Bereits iſt auf Anregung des<lb/> Abg. Goldſchmidt von der Partei ein Ausſchuß zur Bericht-<lb/> erſtattung über die Arbeiterfrage eingeſetzt worden, der zum<lb/> Teil auch aus Arbeitern beſteht. Er wird dazu helfen,<lb/> daß Fehler vermieden werden und daß die Geſetzesvorſchläge<lb/> der Regierung ſachverſtändig geprüft werden. Wir hoffen auch,<lb/> daß unſer Wunſch, Arbeiter in die Parlamente zu bringen,<lb/> bald in Erfüllung gehen wird. Schon einmal iſt beſchloſſen<lb/> worden, die Arbeiterfrage auf die Tagesordnung eines<lb/> Parteitages zu ſetzen, <hi rendition="#g">jetzt</hi> kommen <hi rendition="#g">wir endlich dazu,</hi><lb/> uns die Bedeutung der Arbeiterfrage für den Liberalismus<lb/> klar zu machen. Es liegt jedenfalls ein Bedürfnis vor, daß<lb/><hi rendition="#g">der Liberalismus einmal beſtimmt<lb/> formuliert, was er bezüglich der Arbeiter-<lb/> frage eigentlich will.</hi> </p><lb/> <p>Daran erkenn’ ich meine liberalen Pappenheimer!<lb/> Im Jahre 1908 wirft ein freiſinniger Parteitag die<lb/> Frage auf: „was der Liberalismus bezüglich des<lb/> Arbeiterproblems — des Kerns der ſozialen Frage —<lb/> eigentlich wolle.“ Die Frage iſt geſtellt. Die Antwort<lb/> lautet vermutlich nach wie vor — nichts.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> </div> </div> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <p>die Verſammlung zu ſprengen ſuchte. Der Plan miß-<lb/> lang aber vollſtändig und die Störer mußten die Ver-<lb/> ſammlung verlaſſen. Die Landesparteileitung hatte als<lb/> Redner die Herren Karl <hi rendition="#g">Schüttler</hi> und Alois<lb/><hi rendition="#g">Moreniuk</hi> entſendet, deren Ausführungen über Zweck<lb/> und Ziele der chriſtlichſozialen Organiſation die Ver-<lb/> ſammlung begeiſterten. Es wurde ein <hi rendition="#g">chriſtlich-<lb/> ſozialer Verein für die Stadt Radautz</hi><lb/> gegründet und proviſoriſch konſtituiert. Der Reichs-<lb/> und Landespartei wurde das unbedingte Vertrauen aus-<lb/> geſprochen und an Bgm. Dr. <hi rendition="#g">Lueger</hi> ſowie an<lb/> Arbeitsminiſter Dr. <hi rendition="#g">Geßmann</hi> Telegramme ab-<lb/> geſendet.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Eine polniſche Kundgebung gegen die<lb/> Rutheneu.</hi> </head> <p>Wie uns aus <hi rendition="#g">Stanislau</hi> berichtet<lb/> wird, fand dort geſtern eine große polniſche Verſammlung<lb/> ſtatt, um zur Ermordung des Statthalters Stellung zu<lb/> nehmen. Nach einer heftigen Rede des Abg. Dr. <hi rendition="#g">Buzek</hi><lb/> gegen die Ruthenen wurden Reſolutionen beſchloſſen,<lb/> welche die Regierung angeſichts „der verbrecheriſchen<lb/> Tätigkeit der ukrainiſchen Partei“ auffordern, das<lb/> polniſche Volk vor Angriffen auf Leben und Eigentum<lb/> zu ſchützen.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Ausland.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Im deutſchen Reiche hat <hi rendition="#g">der Bruch in der frei-<lb/> ſinnigen Vereinigung</hi> zur Ausſcheidung der<lb/> Oppoſition aus der Partei geführt, was nach den Vor-<lb/> gängen bei der Abſtimmung über die beiden polenfeind-<lb/> lichen Geſetze unausbleiblich war. Die Freiſinnigen ver-<lb/> lieren ihre beſten Köpfe: Dr. Barth, Dr. Breithaupt und<lb/> v. Gerlach. Der übrig bleibende Reſt iſt zwar an Zahl<lb/> viel größer, hat aber durch ſeine Abhängigkeit von der<lb/> Bülowſchen Blockpolitik jeden Einfluß als beſondere<lb/> politiſche Partei verloren.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Der <hi rendition="#g">jüdiſche Bürgermeiſter von Rom,<lb/> Nathan,</hi> wird von der geſamten italieniſchen kon-<lb/> ſtitutionellen Preſſe angegriffen, weil er im Nunzialrat<lb/> durch den Block eine ſtädtiſche Dotierung von 10.000 Lire<lb/> zugunſten der ſozialdemokratiſchen „Camera del Lavoro“<lb/> annehmen ließ. In der „Camera“ haben die Syndikaliſten,<lb/> ſogenannte Halbanarchiſten, das Heft in Händen; der<lb/> letzte Generalausſtand war ihr Werk. Im gegebenen<lb/> Augenblick nimmt ſich alſo die Subvention wie eine<lb/> Gutheißung der ſozialdemokratiſchen Aktion aus.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Italiens Forderungen in Tripolis.</hi><lb/> <hi rendition="#g">[Privattelegramm der „Reichspoſt“.]</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Konſtantinopel,</hi> 27. April.</dateline><lb/> <p>Die Forderung der italieniſchen Regierung, betreffend<lb/> Uebertragung der geſamten Küſtenſchiffahrt an eine<lb/> italieniſche Geſellſchaft, hat die amtlichen türkiſchen Kreiſe<lb/> in <hi rendition="#g">große Erregung</hi> verſetzt. Man glaubt daraus<lb/> zu erkennen, daß Italien planmäßig die Türkei<lb/> demütigen und ſich eine Vormachtſtellung in der Levante<lb/> verſchaffen will. Eine Zurückweiſung der italieniſchen<lb/> Forderung iſt natürlich undenkbar, da von den übrigen<lb/> Großmächten keine geneigt ſein würde, der Pforte Bei-<lb/> ſtand zu leiſten. Man möge jedoch in Europa bedenken,<lb/> daß die Fortſetzung einer ſolchen demütigenden Zwangs-<lb/> politik gegen die Türkei leicht zu Ausbrüchen des<lb/> mohammedaniſchen Fanatismus und zu ſchweren Ver-<lb/> wicklungen im Orient führen kann.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Die Unruhen an der ruſſiſch-perſiſchen Grenze.</hi> </head><lb/> <p>Die Unruhen an der ruſſiſch-perſiſchen Grenze<lb/> nehmen derart bedrohliche Formen an, daß Rußland<lb/> genötigt iſt, Truppen von Batum und Baku heran-<lb/> zuziehen. In Kurdiſtan befindet ſich alles in ernſter<lb/> Gärung. Es ſteht zu erwarten, daß Rußland die<lb/> perſiſche Provinz Aſerbeidſchan okkupieren wird, um ſo<lb/> der Bewegung Herr zu werden. Die perſiſchen Truppen<lb/> ſind unfähig Ordnung zu ſchaffen.</p><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">St. Petersburg,</hi> 27. April.</dateline> <p>Depeſchen aus<lb/><hi rendition="#g">Urmia</hi> melden, daß an der türkiſchen Grenze <hi rendition="#g">ernſte<lb/> Unruhen</hi> ausgebrochen ſeien. Kurden wären in<lb/> großen Mengen angerückt und es hätten Gefechte ſtatt-<lb/> gefunden. Proviantzüge und Truppen gehen über<lb/><hi rendition="#g">Baku</hi> und <hi rendition="#g">Batum</hi> nach dem ſüdlichen Kaukaſus ab.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Der Krieg in Marokko.<lb/> Ein Gefecht. — Große Kriegsvorbereitungen.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Caſablanca,</hi> 27. April.</dateline> <p>Am 24. d. kam es zu einem<lb/><hi rendition="#g">Gefechte</hi> bei Dar ben Hamed im Mzabgebiete. Einzel-<lb/> heiten fehlen. General D’Amade hielt Journaliſten von den<lb/> Truppen fern und verhinderte Mitteilungen über die<lb/> Operationen nach Caſablanca. Transportſchiffe brachten<lb/> 60 Ambulanzwagen und Kriegsmaterial nach Settat, nach<lb/> dem Mzab- und dem Mdakragebiete, wohin täglich ſtarke<lb/> Züge mit Material zu Baraken und Telegraphenbauten ab-<lb/> gehen. Man erwartet <hi rendition="#g">größere Operationen.</hi> Am<lb/> 23. d. traf der engliſche General Kelly Kenny hier ein, der<lb/> aber nicht nach dem Operationsfelde aufgebrochen iſt.<lb/> Die Meldung von verſchiedenen Niederlagen der Mehalla<lb/> Muley Hafids und des Abfalles des Ruhamnaſtammes<lb/> haben ſich als falſch erwieſen. Muley Hafid iſt am 22 d.<lb/> im Aſchaſchgebirge eingetroffen.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Das Regime der magyariſchen<lb/> Koalition.<lb/> Eine koſſuthiſtiſche Polemik gegen die „Reichs-<lb/> poſt“.</hi> </head><lb/> <p>Die magyariſche Preſſe iſt ſehr erboſt über die „Reichs-<lb/> poſt“, weil dieſe den Umtrieben der Koſſuthiſten in der<lb/> Gagenfrage ſo entſchieden entgegengetreten iſt und antwortet<lb/> nun in dem jenſeits der Leitha üblichen Ton. So ſchreibt der<lb/><hi rendition="#g">„Egyetertes“:</hi> </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [3/0003]
117 Wien, Dienstag Reichspoſt 28. April 1908
Politiſche Rundſchau.
Oeſterreich-Ungarn.
Wien, 27. April.
Das Falſchſpiel von Kalſching. Dem Deutſch-
tum geht es in Böhmen wieder einmal ſehr ſchlecht.
Nicht nur, daß die Tſchechen mit täglich geſteigerter
Leidenſchaft alle Poſitionen des Deutſchtums angreifen,
es iſt auch wehrlos dem dreiſten Mißbrauche
ausgeſetzt, den ſich der Freiſinn mit dem Deutſch-
tum erlaubt. Unter der Flagge „Deutſchtum“ wird
freiſinnige Konterbande eingeſchmuggelt
und unter dem Titel „Abwehr tſchechiſcher Angriffe“
wird von deutſchfreiſinniger Seite, wie es geſtern in
Kalſching geſchehen iſt, gegen die deutſchen Chriſt-
lichſozialen gehetzt. Gegen dieſes un deutſche Fälſcher-
ſtück der Deutſchfreiſinnigen muß im Namen des Deutſchtums
entſchiedenſt proteſtiert werden. Die Herren Kaſper,
Lößl und Soukup mögen ja eine große Angſt
haben, ihre Mandate bei irgend einer ſchönen Gelegenheit
an die Chriſtlichſozialen zu verlieren, aber dieſe vielleicht
nicht ganz grundloſe Angſt gibt ihnen kein Recht, auf
einem ſogenannten „Deutſchen Volkstage“, der, wie ſchon
ſein Name ſagt, ausſchließlich deutſchen Intereſſen und
nicht den privaten Schmerzen der verſchiedenen frei-
ſinnigen Fraktiönchen zu dienen hat ihre Angriffe gegen
eine Partei zu richten, die ſich um das Deutſchtum in
Oeſterreich mindeſtens ebenſo große
Verdienſte erworben hat als der
ganze Freiſinn der verſchiedenen Riten. Wenn die
Herren Kaſper und Konſorten die Verteidigung des
Deutſchtums vor Angriffen nationaler Gegner nicht
anders zu führen wiſſen als durch Begeiferung anderer
deutſcher Parteien, dann ſind ſie ſelber ärgere
Schädlinge des Deutſchtums als die Fiedler,
Kramar, Rineſch, Heller und Genoſſen. Das Deutſchtum
iſt nicht dazu da, um dem maraſtiſch gewordenen Freiſinn
die wackeligen Mandate zu ſichern. Die Chriſtlichſozialen
haben in Böhmen genau dasſelbe Recht,
ihrem Programm neue Anhänger zu werben, wie jede
andere Partei. Es iſt ſelbſtverſtändlich nicht das geringſte
dagegen einzuwenden, daß ſich die Freiſinnigen gegen die
erfolgreich vordringenden Chriſtlichſozialen zur Wehre
ſetzen. Aber als undeutſche Unehrlichkeit
und als den Intereſſen des Deutſchtums ſchädliche Falſch-
ſpielerei muß es gebrandmarkt werden, wenn die Frei-
ſinnigen der verſchiedenen Riten ihren Kampf gegen die
Chriſtlichſozialen unter der Flagge der nationalen Geſin-
nung und unter dem die deutſchen Wähler
betrügenden Titel „Deutſche Volkstage“ führen.
Die Chriſtlichſozialen, die bei den letzten Reichsratswahlen
in Deutſchböhmen mehr Stimmen aufbrachten als die
Alldeutſchen, die Deutſche Volkspartei und die Deutſch-
liberalen, werden dieſe Irreführung der deutſchen Wähler
abſolut nicht dulden und mit den Falſchſpielern ſo
deutlich und ſo deutſch reden, daß ſie von dieſen verſtan-
den werden.
Die böhmiſche Kriſe. Die durch die jüngſten
nationalen Zwiſchenfälle in Böhmen geſchaffene Situation
wird allgemein als ſehr kritiſch angeſehen. Sowohl die
tſchechiſchen als die deutſchnationalen Organe kündigen
große Aktionen ihrer Parteien an. Während die
„Deutſchn. Korr.“ ankündigt, daß man vom Juſtiz-
miniſter Dr. Klein verlangen werde, er möge nun nach
dem Vorgehen des Prager Oberlandesgerichtes ebenfalls
ſein Aufſichtsrecht geltend machen und den status
quo ante herſtellen, betreiben die Tſchechen eine Ein-
berufung des böhmiſchen Landtages, der allein
zur Entſcheidung in der Sprachenfrage kompetent ſei. Heute
erſchien, wie uns aus Prag telegraphiert wird, eine Deputation
der tſchechiſchen Radikalen beim Oberſtlandmarſchall-
ſtellvertreter, um ihn um Intervention in dieſer Frage
zu erſuchen. Gegenüber den Entſcheidungen des Prager
Oberlandesgerichtes befolgt das Egerer Kreisgericht die
Taktik, es in allen Fällen auf eine Beſchwerde an die
obere Inſtanz ankommen zu laſſen, um der Prager In-
ſtanz die Praxis zu erſchweren. Die Entſcheidungen des
Hofrates Rineſch haben alſo bereits zur paſſiven
Reſiſtenz der Gerichte geführt. Daß ſolche
Zuſtände unhaltbar ſind, iſt klar. Daß die in Böhmen
eingeleitete Tſchechiſierungspolitik überhaupt zu uner-
träglichen Unzukömmlichkeiten führt, hat der ſogenannte
„Deutſchbroder Zwiſchenfall“
am 22. d. gezeigt, an welchem Tage es den deutſchen Fahr-
poſtbeamten nicht möglich war, in der Station Deutſchbrod
die Poſt zu übernehmen, da die Deutſchbroder tſchechiſchen
Poſtbeamten, welche die Poſt abzufertigen und zu über-
geben hatten, auf Knall und Fall die tſchechiſche Amts-
ſprache eingeführt hatten. Der Vorfall hat großes Auf-
ſehen erregt. Leider müſſen die Adreſſaten der verſpätet
beförderten Poſtſtücke die Koſten der vom Handelsminiſter
Fiedler begonnenen Tſchechiſierung der Poſt in Böhmen
tragen. Aus Prag wird uns hiezu gedrahtet: Seitens
der Prager Poſtdirektion wurde bei der Poſtambulanz
Wien—Tetſchen Nr. 23 eine Unterſuchung einge-
leitet, um ſicherzuſtellen, ob und welcher der Beamten
ſich bei dieſem Vorfalle gegen die geltenden Vorſchriften
vergangen hat. Das Reſultat der eingeleiteten Unter-
ſuchung wird im Auftrage des Handelsminiſteriums
dem Handelsminiſter Dr. Fiedler ſofort übermittelt
werden. Wie verlautet, ſteht die Heraus gabe eines
Erlaſſes bevor, der die ſprachlichen Verhältniſſe bei
den Poſtambulanzen genau ergeben ſoll, um ähnliche
unliebſame Konflikte hintanzuhalten.
Die Eröffnungsſitzung des Tiroler Land-
tages. Aus Innsbruck, 27. d., wird uns berichtet:
Nach einem von dem Labg. Prälaten Zacher zelebrierten
Amte fand heute um 11 Uhr vormittags die Eröffnung
des beinahe vollzählig verſammelten Landtages durch den
Statthalter Baron Spiegelfeld ſtatt. Zunächſt
ſtellte der Statthalter den Landeshauptmann Doktor
Kathrein und deſſen Stellvertreter Abg. Dr. Conci
vor und nahm dem Abg. Kathrein das Gelöbnis ab.
Der Landeshauptmann erbat ſich die Unterſtützung des
Hauſes, gedachte des Regierungsjubiläums Sr. Majeſtät
und brachte ein Hoch auf den Kaiſer aus, in
welches allſeits begeiſtert eingeſtimmt wurde. Der
Statthalter ſagte in deutſcher und italieniſcher Rede
volle Objektivität zu und erſuchte um das Vertrauen der
Mitglieder des Landtages. Er werde ſtets bereit ſein, die
Gegenſätze auszugleichen. Hierauf wurde die Verifizierung
ſämtlicher Wahlen und die Abnahme des Handgelöbniſſes
der Abgeordneten vorgenommen. Abg. Don Gentili
erklärte namens der Italiener daß das Verlangen nach
der Autonomie aufrecht bleibe, daß aber die Ita-
liener ſich an den Verhandlungen des Landtages in der
Hoffnung auf wirtſchaftliche Berückſichtigung und auf
eine gerechte Wahlreform beteiligen. — In
der morgigen Sitzung werden die Ausſchußwahlen
ſtattfinden. Die Stärke der Parteien im neuen Landtage
iſt, wenn man von den drei Landesbiſchöfen abſieht, fol-
gende: Es beſitzen die deutſchen Chriſtlichſozialen
25 Mandate (1 Prälat, 2 Städte, 22 Landgemeinden) die
Altkonſervativen 8 Mandate (2 Städte, 4 Adels-
kurie, 2 Prälaten), die Deutſchfreiſinnigen
12 Mandate (1 Viriliſt, 2 Handelskammer, 3 Städte, 6
Adelskurie), die chriſtlichſozialen Italiener
14 Mandate (1 Prälat, 1 Städte, 12 Landgemeiden), frei-
ſinnige Italiener 6 Mandate (5 Städte, 1
Handelskammer). Aus dieſer Zuſammenſtellung erſieht man
klar, welche der Landtagsparteien im Volke wurzeln und
welche ihren politiſchen Beſitzſtand den Privilegien ver-
dauken. Dieſes zu wiſſen iſt wichtig zur Beurteilung der
Haltung, welche die Parteien in der Frage der Land-
tagswahlreform einnehmen werden.
Chriſtlichſoziale Verſammlung in der
Bukowina. Aus Radautz, 27. d., wird uns tele-
graphiert: Ueber Einberufung der chriſtlichſozialen
Landesparteileitung fand geſtern hier eine überaus zahl-
reich beſuchte Verſammlung ſtatt, die einen ſehr lebhaften
Verlauf nahm, da der Student Karl Schläger,
welcher bis vor kurzem ein eifriger chriſtlichſozialer
Agitator war, in jüngſter Zeit aber die notwendige
Diſziplin verletzte und ſo der gegneriſchen Keſchmann-
Skedl-Richtung Vorſchub leiſtete, mit zwanzig Anhängern
Das „Vorarlbg. Volksbl.“ forderte daraufhin das
Innsbrucker ſozialdemokratiſche Blatt auf, Namen zu
nennen, was nun auch geſchah. Als Miſſe-
täterin nennt das Blatt die Schweſter Imelda
und als Zeugin der Tat der Schweſter Aquinata
Die Nachforſchung hat nun aber ergeben, daß
zur Zeit, als der angebliche Unfug paſſiert ſein ſoll,
keine der beiden genannten Schweſtern in der erſten
Klaſſe anweſend war. Und von den zirka 30 Schulmädchen,
welche zuerſt jedes einzeln, dann alle zuſammen über die
angebliche Mißhandlung ausgefragt wurden, wußte
nicht ein einziges, daß ein ſolcher Fall oder ein
ähnlicher paſſiert wäre. Es hat ſich bisher auch kein
Kind gemeldet, das auf die geſchilderte Weiſe
wäre mißhandelt worden; auch keine Eltern
haben darüber Klage geführt. Der ſozialdemokratiſche
Bericht iſt offenbar rein erfunden. Freilich iſt die Ge-
ſchichte deshalb nicht ſchlechter als hundert andere ähnliche
Räubergeſchichten, die alle gut genug ſind, um die Ehre
braver Frauen zu beſchmutzen, die ſich der chriſtlichen
Jugenderziehung gewidmet haben.
Spät kommt Ihr ...
Die Freiſinnigen des Deutſchen Reiches haben in
dieſer Woche ihren Parteitag abgehalten, ein großes
politiſches Holzhacken, bei dem die Splitter und Spähne
nach allen Seiten hin, nur möglichſt weit voneinander,
ſtoben. Doch da nun einmal außer den Sottiſen, die die
Größen vom liberalen Geiſte einander zu ſagen hatten,
auch etwas „Poſitives“ geleiſtet, eine Senſation gebracht
werden mußte, hatte man das Thema „Liberalismus
und Arbeiterfrage“ zum Gegenſtand der Tages-
ordnung gemacht und Herr Friedrich Naumann,
Führer der ſüddeutſchen Freiſinnigen, ſprach dazu die
unvergeßlichen Sätze:
Der Liberalismus braucht die Arbeiter nicht zur Ver-
mehrung ſeiner Wähler, ſondern weil der Liberalismus auf
die Leute angewieſen iſt, die noch nicht im Beſitze der
bürgerlichen Freiheiten ſind. Bereits iſt auf Anregung des
Abg. Goldſchmidt von der Partei ein Ausſchuß zur Bericht-
erſtattung über die Arbeiterfrage eingeſetzt worden, der zum
Teil auch aus Arbeitern beſteht. Er wird dazu helfen,
daß Fehler vermieden werden und daß die Geſetzesvorſchläge
der Regierung ſachverſtändig geprüft werden. Wir hoffen auch,
daß unſer Wunſch, Arbeiter in die Parlamente zu bringen,
bald in Erfüllung gehen wird. Schon einmal iſt beſchloſſen
worden, die Arbeiterfrage auf die Tagesordnung eines
Parteitages zu ſetzen, jetzt kommen wir endlich dazu,
uns die Bedeutung der Arbeiterfrage für den Liberalismus
klar zu machen. Es liegt jedenfalls ein Bedürfnis vor, daß
der Liberalismus einmal beſtimmt
formuliert, was er bezüglich der Arbeiter-
frage eigentlich will.
Daran erkenn’ ich meine liberalen Pappenheimer!
Im Jahre 1908 wirft ein freiſinniger Parteitag die
Frage auf: „was der Liberalismus bezüglich des
Arbeiterproblems — des Kerns der ſozialen Frage —
eigentlich wolle.“ Die Frage iſt geſtellt. Die Antwort
lautet vermutlich nach wie vor — nichts.
die Verſammlung zu ſprengen ſuchte. Der Plan miß-
lang aber vollſtändig und die Störer mußten die Ver-
ſammlung verlaſſen. Die Landesparteileitung hatte als
Redner die Herren Karl Schüttler und Alois
Moreniuk entſendet, deren Ausführungen über Zweck
und Ziele der chriſtlichſozialen Organiſation die Ver-
ſammlung begeiſterten. Es wurde ein chriſtlich-
ſozialer Verein für die Stadt Radautz
gegründet und proviſoriſch konſtituiert. Der Reichs-
und Landespartei wurde das unbedingte Vertrauen aus-
geſprochen und an Bgm. Dr. Lueger ſowie an
Arbeitsminiſter Dr. Geßmann Telegramme ab-
geſendet.
Eine polniſche Kundgebung gegen die
Rutheneu. Wie uns aus Stanislau berichtet
wird, fand dort geſtern eine große polniſche Verſammlung
ſtatt, um zur Ermordung des Statthalters Stellung zu
nehmen. Nach einer heftigen Rede des Abg. Dr. Buzek
gegen die Ruthenen wurden Reſolutionen beſchloſſen,
welche die Regierung angeſichts „der verbrecheriſchen
Tätigkeit der ukrainiſchen Partei“ auffordern, das
polniſche Volk vor Angriffen auf Leben und Eigentum
zu ſchützen.
Ausland.
Im deutſchen Reiche hat der Bruch in der frei-
ſinnigen Vereinigung zur Ausſcheidung der
Oppoſition aus der Partei geführt, was nach den Vor-
gängen bei der Abſtimmung über die beiden polenfeind-
lichen Geſetze unausbleiblich war. Die Freiſinnigen ver-
lieren ihre beſten Köpfe: Dr. Barth, Dr. Breithaupt und
v. Gerlach. Der übrig bleibende Reſt iſt zwar an Zahl
viel größer, hat aber durch ſeine Abhängigkeit von der
Bülowſchen Blockpolitik jeden Einfluß als beſondere
politiſche Partei verloren.
Der jüdiſche Bürgermeiſter von Rom,
Nathan, wird von der geſamten italieniſchen kon-
ſtitutionellen Preſſe angegriffen, weil er im Nunzialrat
durch den Block eine ſtädtiſche Dotierung von 10.000 Lire
zugunſten der ſozialdemokratiſchen „Camera del Lavoro“
annehmen ließ. In der „Camera“ haben die Syndikaliſten,
ſogenannte Halbanarchiſten, das Heft in Händen; der
letzte Generalausſtand war ihr Werk. Im gegebenen
Augenblick nimmt ſich alſo die Subvention wie eine
Gutheißung der ſozialdemokratiſchen Aktion aus.
Italiens Forderungen in Tripolis.
[Privattelegramm der „Reichspoſt“.]
Konſtantinopel, 27. April.
Die Forderung der italieniſchen Regierung, betreffend
Uebertragung der geſamten Küſtenſchiffahrt an eine
italieniſche Geſellſchaft, hat die amtlichen türkiſchen Kreiſe
in große Erregung verſetzt. Man glaubt daraus
zu erkennen, daß Italien planmäßig die Türkei
demütigen und ſich eine Vormachtſtellung in der Levante
verſchaffen will. Eine Zurückweiſung der italieniſchen
Forderung iſt natürlich undenkbar, da von den übrigen
Großmächten keine geneigt ſein würde, der Pforte Bei-
ſtand zu leiſten. Man möge jedoch in Europa bedenken,
daß die Fortſetzung einer ſolchen demütigenden Zwangs-
politik gegen die Türkei leicht zu Ausbrüchen des
mohammedaniſchen Fanatismus und zu ſchweren Ver-
wicklungen im Orient führen kann.
Die Unruhen an der ruſſiſch-perſiſchen Grenze.
Die Unruhen an der ruſſiſch-perſiſchen Grenze
nehmen derart bedrohliche Formen an, daß Rußland
genötigt iſt, Truppen von Batum und Baku heran-
zuziehen. In Kurdiſtan befindet ſich alles in ernſter
Gärung. Es ſteht zu erwarten, daß Rußland die
perſiſche Provinz Aſerbeidſchan okkupieren wird, um ſo
der Bewegung Herr zu werden. Die perſiſchen Truppen
ſind unfähig Ordnung zu ſchaffen.
St. Petersburg, 27. April. Depeſchen aus
Urmia melden, daß an der türkiſchen Grenze ernſte
Unruhen ausgebrochen ſeien. Kurden wären in
großen Mengen angerückt und es hätten Gefechte ſtatt-
gefunden. Proviantzüge und Truppen gehen über
Baku und Batum nach dem ſüdlichen Kaukaſus ab.
Der Krieg in Marokko.
Ein Gefecht. — Große Kriegsvorbereitungen.
Caſablanca, 27. April. Am 24. d. kam es zu einem
Gefechte bei Dar ben Hamed im Mzabgebiete. Einzel-
heiten fehlen. General D’Amade hielt Journaliſten von den
Truppen fern und verhinderte Mitteilungen über die
Operationen nach Caſablanca. Transportſchiffe brachten
60 Ambulanzwagen und Kriegsmaterial nach Settat, nach
dem Mzab- und dem Mdakragebiete, wohin täglich ſtarke
Züge mit Material zu Baraken und Telegraphenbauten ab-
gehen. Man erwartet größere Operationen. Am
23. d. traf der engliſche General Kelly Kenny hier ein, der
aber nicht nach dem Operationsfelde aufgebrochen iſt.
Die Meldung von verſchiedenen Niederlagen der Mehalla
Muley Hafids und des Abfalles des Ruhamnaſtammes
haben ſich als falſch erwieſen. Muley Hafid iſt am 22 d.
im Aſchaſchgebirge eingetroffen.
Das Regime der magyariſchen
Koalition.
Eine koſſuthiſtiſche Polemik gegen die „Reichs-
poſt“.
Die magyariſche Preſſe iſt ſehr erboſt über die „Reichs-
poſt“, weil dieſe den Umtrieben der Koſſuthiſten in der
Gagenfrage ſo entſchieden entgegengetreten iſt und antwortet
nun in dem jenſeits der Leitha üblichen Ton. So ſchreibt der
„Egyetertes“:
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