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Reichspost. Nr. 53, Wien, 22.02.1909.

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Wien, Montag Reichspost 22. Februar 1909. Nr. 53

[Spaltenumbruch] durch zehn Tage ohne Abwechslung bis einschließlich 3. März
getragen.

* Die Soiree dansante bei Hofe.

An Stelle des
Balles bei Hof wurde auch heuer eine Soiree dansante in
der Hofburg abgehalten, der der Kaiser nicht beiwohnte.
Das Ballfest, das gestern stattfand, bot die traditionelle
Prunkentfaltung; der Neue Saal, in bem sich die relativ
wenigen Gäste einfanden, war mit den schönsten Pflanzen
der Schönbrunner Glashäuser geziert, auf den Stiegen
lagen kostbare Teppiche und im Neuen Saal war das Auge
geblendet vom Glanze der Toiletten, des wertvollsten
Schmuckes und der reich dekorierten Uniformen.
Um 9 Uhr abends erfolgte der Einzug des Hofes in
den Saal; unter dem Vortritte des Oberstzeremonien-
meisters Grafen Choloniewski kamen in den Ballsaal: Erz-
herzogin Maria Annunziata, Erzherzogin Maria
Josefa,
Erzherzog Leopold Salvator, Erz-
herzogin Blanca, Erzherzogin Isabella, Erzherzogin
Maria Theresia, Erzherzogin Eleonora, Prinz
Kuniyoshi Kuni, Herzogin Thyra von Cumber-
land,
Prinzessin Olga von Großbritannien,
Prinz August Leopold von Sachsen-Coburg,
Prinzessin Karoline von Sachsen-Coburg, Prinz
Don Miguel von Braganza. Vom Hofstaat
waren anwesend: Erster Obersthofmeister Fürst Montenuovo,
Obersthofmarschall Graf Cziraky und Gräfin Cziraky-
Esterhazy, Oberstküchenmeister August Graf Bellegarde und
Tochter, Oberstjägermeister Maximilian Graf Thun und
Gräfin Thun-Lobkowitz und Töchter, Erster Stallmeister
Ferdinand Graf Kinsky und Gräfin Kinsky-Auersperg,
Flügeladjutant Oberstleutnant Freiherr Karl von Bronn
und Baronin Bronn-Czernin, Flügeladjutant Major
Heinrich Graf Hoyos und Gräfin Hoyos-Tranttmansdorf. Vom
Hofstaat der Erzherzoge und der Erzherzoginnen waren ge-
kommen: Obersthofmeister GM. Johann Graf Nostitz mit
Gemahlin und Töchter, Obersthofmeister August Altgraf
Salm mit Gemahlin, Kammervorsteher Oberstleutnant Prinz
Zdenko Lobkowitz, Leutnant Franz Graf Walthersdorf,
Oberleutnant Johann Graf Palffy, Linienschiffsleutnant
Theodor Graf Hartig und Gemahlin, Obersthofmeisterin
Karoline Gräfin Attems, Hofdamen Kreszenze Markgräfin
Pallavicini und Sofie Gräfin Zamoyska, Graf und Gräfin
Friedrich Wurmbrand, Kammervorsteher August Prinz
Lobkowitz, Obersthofmeisterin Karoline Gräfin Wimpffen,
Kammervorsteher Philipp Graf Cappy, Hofdamen Eleonore
Gräfin Zamoyska, Maria Theresia Freiin v. Ludwigsstorff,
Baronin Maltzing, Hofmarschall Baron Grotte, Gräfin
Schlick-Hohenlohe, Hofdame Gräfin Huyn, der japanische
Oberst Nachachira Kurita, Rittmeister Franz. Um 9 Uhr
begann der Tanz. Hofballmusikdirektor C. M. Ziehrer
spielte mit seiner Kapelle zum Tanze auf. Um 3/412 Uhr
wurde das Souper genommen; es dauerte bis 1/21 Uhr.
Darauf trat wieder der Tanz in seine Rechte. Bis 1/22 Uhr
wurde unermüdlich bei Ziehrers aufmunternden Weisen
getanzt. Darauf wurde der Ballgesellschaft der Tee serviert.
Nach 2 Uhr früh war die Soiree zu Ende.

* Herrenhausmitglied Julius Ritter v. Gomperz
gestorben.

Aus Brünn wird vom 21. März telegraphiert:
Herrenhausmitglied und Präsident der Brünner Handels-
und Gewerbekammer Julius Ritter v. Gomperz ist heute
nacht nach kurzer Krankheit im Alter von 85 Jahren
gestorben.

* Staatsbahnoffiziantentag in Wien.

In der
Volkshalle des Neuen Rathauses fand gestern ein masseu-
haft besuchter Offiziantentag der Staatsbahnen statt, welcher
die einmütige Forderung nach Erlangung des Beamten-
charakters aufstellte. Zur Tagung waren Offizianten aus
vielen Städten Oesterreichs eingetroffen.

* Erdbeben.

Der Draht meldet aus Madrid vom
21. d.: In Elche wurden mehrere Erdstöße wahr-
genommen, die die Bevölkerung in Schrecken versetzten.
Das Publikum floh aus der Kirche. Mehrere Frauen und
Kinder wurden in dem Gedränge niedergestoßen und ver-
letzt. Auch in Crevillente wurden Erdstöße verspürt.

* Unfall eines Vrunnengräbers.

Aus Amstetten
wird uns gemeldet: Am Donnerstag den 18. d. war man
heim Bgm. Josef Zarl in Allersdorf bei Amstetten mit
dem Tiefergraben des Hausbrunnens beschäftigt. Unten im
Brunnen arbeitete der Brunnenarbeiter Franz Kern,
welchem die Aufgabe oblag, die Schuttmassen in einen
Eimer zu verladen. Als man den entleerten Eimer wieder
in den Brunnen hinablassen wollte, fiel derselbe um und
stürzte, da auch der Zughaken, an welchem er befestigt war,
ausfiel, auf den in der Tiefe arbeitenden Kern hinab. Der
Unglückliche wurde von dem zirka 15 Kilogramm schweren,
eisenbeschlagenen Eimer zu Boden geschmettert und blieb
bewußtlos unter demselben liegen. Der die Arbeiten leitende
Brunnenmeister Hebenstreit ließ sich sofort in den Brunnen
hinab und es gelang ihm, nach harter Mühe den Schwer-
verletzten emporzuziehen. Stadtarzt Dr. Heinrich Zemsky
leistete ihm ärztlichen Beistand. Dieser konstatierte den
Bruch dreier Rippen sowie einen schweren Nervenchok.

* Warnung vor der ungarischen Klassenlotterie.

Im Hinblicke auf die ungeachtet wiederholter amtlicher
Kundmachungen immer wieder wahrgenommene, vielfach
auf Unkenntnis zurückzuführende Beteiligung des Publikums
an dem Spiele der ungarischen Klassenlotterie muß vor
dem Ankaufe von Losen derselben, der in Oesterreich auf
Grund der geltenden Gesetze unbedingt verboten ist, nach-
drücklichst gewarnt werden. Die Treffer dieser
Lotterie unterliegen gemäß § 444 des Gefällsstrafgesetzes
dem Verfall und werden zugunsten des
Staatsschatzes eingezogen.
Der Verkauf
und Besitz von Losen dieser Lotterie ist nach dem
bezogenen Gesetze mit empfindlichen Geld-, beziehungsweise
Arreststrafen bedroht. Nicht ohne Interesse ist
die Tatsache, daß ungarische Unternehmer, welche die
Vevölkerung durch marktschreierische Reklame, Einsendung
nicht bestellter Lotteriescheine usw. zum Ankaufe von Losen
der Klassenlotterie zu verleiten suchen, wie in einzelnen
Fällen amtlich konstatiert wurde, die eventuell erzielten
Treffer in der Regel nicht bar aus-
zahlen,
sondern statt des Gewinstes neue Lose über-
senden.

* Unfälle von Sportsleuten.

Beim Rodeln im
Fuchsloch im 16. Bezirke kam der Schlosserssohn Alfons
Sobeck mit dem Rodel dadurch zu Falle, daß ein Passant
trotz Zurnfes nicht auswich. Er erlitt einen offenen Bruch
[Spaltenumbruch] des rechten Unterschenkels. -- Die Kontoristin Elsa Klatschko
ist gestern in Payerbach beim Rodeln gestürzt und brach
den rechten Unterschenkel. -- Der Maschinentechniker Rudolf
Windschek stürzte gestern vormittag beim Rodeln auf dem
Roten Berg im 13. Bezirk und erlitt eine Gehirn-
erschütterung. -- Der Schneiderssohn Leopold Kamazin
fuhr gestern mit seiner Mutter, Linzerstraße Nr. 406 wohn-
haft, vom Satzberg in Hütteldorf mit dem Rodel hinab.
Der Rodel stürzte um und ein nachkommender Fahrer fuhr
über den Knaben, der einen Bruch des rechten Oberschenkels
erlitt.

* Der gestrige "Prager Sonntag".

Aus Prag,
22. d., wird gemeldet: Der gestrige Bummel der deutschen
Studentenschaft, der auf dem Wenzelsplatze stattfand, war
mit Rücksicht auf die Faschingsferien nur schwach besucht
und verlief bis 1/212 Uhr ohne jede Störung. Als nach
Schluß des Bummels 20 deutsche Couleurstudenten den
Wenzelsplatz verließen und durch die Torgasse gingen, wur-
den sie von einem großen Trupp nationalsozialer Demon-
stranten verfolgt, beschimpft und mit Schneeballen und Kot
beworfen. Die dentschen Studenten mußten in ein Haus
flüchten. Polizei befreite die verfolgten Studenten und zer-
streute die Demonstranten. Auch an anderen Punkten des
Wenzelsplatzes kam es nach Schluß des Bummels zu
kleineren Anrempelungen. Einige der Demonstranten wur-
den verhaftet.

* Die revolutionäre Militärorganisation in
Rußland.

Der Draht meldet aus Warschau vom 21. d.:
Das Kriegsgericht verurteilte fünf Offiziere wegen Zu-
gehörigkeit zum allrussischen Offiziersbund zu sechs bis acht
Jahren Zwangsarbeit. Außerdem wurden 19 Soldaten und
zwei Gymnasiasten wegen Teilnahme an der revolutionären
Militärorganisation teils zu Zwangsarbeit, teils zu anderen
Strafen verurteilt.

* Bürgermeisterwahl in Marienbad.

Man tele-
graphiert uns aus Marienbad vom 22. d.: Bei der
Wahl des Stadtvorstandes wurde der bisherige Bürger-
meister Dr. Reiniger einimmig wiedergewählt.

* St. Elmsfeuer.

Aus Marienbad wird uns
geschrieben: Eine seltene Naturerscheinung wurde am
20. d., 11 Uhr nachts vom Gendarmeriepostenführer Kirsch
auf seinem Patrouillengange vom Regensteich gegen
Flaschenhütte beobachtet. Kirsch fühlte plötzlich, daß sein
aufgepflanztes Gewehr surre und die Spitze des Bajonetts
eine etwa vier Zentimeter lange bläuliche Flamme aus-
strahle. Die Bäume rings umher trugen gleichfalls bläu-
liche Lichtkronen. Diese Erscheinung -- ein St. Elmsfeuer
-- war während eines heftigen Scheesturmes aufgetreten
und hielt so lange, bis plötzlich Windstille eintrat. Im
selben Momente erlosch die Erscheinung, die auch von einem
Postenführer in der Richtung gegen Hochofenhäuseln wahr-
genommen wurde, der das Phänomen als einen bläu-
lichen Lichtschein schilderte, welcher über der Landschaft
lagerte.

* Die geängstigten Klofacianer.

Aus Prag wird
uns vom 21. d. berichtet: Abg. Dr. Hejn hat namens
der tschechischen staatsrechtlichen Partei an den Abg.
Udrzal als derzeitigen Obmann des tschechischen
Nationalverbandes die Aufforderung gerichtet, die parla-
mentarische Kommission des Tschechenklubs sofort einzube-
rufen, um gegenüber der Verfolgung von Abgeordneten
und Parteizugehörigen der nationalsozialen Partei Stellung
zu nehmen.

* Fastenhirtenbrief des Feldbischofs.

Der gestrige
Korps- und Landwehrkommandobefehl verlautbarte die
Fastenordnung für das Jahr 1909/10 und das oberhirtliche
Schreiben des k. u. k. apostolischen Feldvikariates an alle
katholischen Angehörigen des k. u. k. Heeres und der k. u. k.
Kriegsmarine. Er spricht von der Hoffnung, die in allen
Menschen lebt, und weist auf Gott hin, dessen Güte un-
endlich, dessen Macht unbegrenzt und dessen Treue un-
zweifelhaft ist.

* Mysteriöser Tod.

Man telegraphiert uns aus
Chemnitz vom 21. d.: Der Gutsbesitzerssohn Pempter
ist am vergangenen Sonntag in Kleinhartmanns-
dorf
gestorben. Der Arzt konstatierte bei der Leichenschau,
daß der Tote zum Skelett abgemagert war und ein Gewicht
von kaum 40 Pfund hatte. Die Freiberger Staats-
anwaltschaft ordnete die gerichtliche Obduktion der Leiche
an, weil schwere Verdachtsmomente gegen den 72jährigen
Vater des Pempter vorlagen. Der Tote, welcher ein Alter
von 42 Jahren erreichte, war schon viele Jahre von den
Bewohnern von Kleinhartmannsdorf nicht mehr gesehen
worden und soll von seinem Vater in einer Kammer
jahrelang eingesperrt gehalten worden sein. Pempter
wurde über Anordnung der Staatsanwaltschaft verhaftet.

* Ein fechzehnjähriger Räuber.

Aus Wiener-Neu-
stadt, 21. d., wird uns berichtet: Der sechzehnjährige
Heinrich Wappel unternahm gestern auf die Tabaktrafikantin
Marie Nehiba in der Zehnergasse ein Raubattentat. Er
ging in die Trafik und benützte die Abwesenheit der
Trafikantin, um die Geldlade aufzureißen und daraus zu
nehmen, was ihm in die Hände fiel. Auf den Lärm hin
eilte die Trafikantin Frau Nehiba herbei. Es entspann
sich zwischen den beiden ein heftiger Kampf. Der Junge
würgte die Frau und packte sie an der Brust. Die
starke Frau zerrte den Burschen bis zur Türe und
rief laut um Hilfe. Der benachbarte Friseur Josef
Wagenhofer und der Gepäcksträger Johann Kornfeld
kamen der Frau zu Hilfe und nahmen den Räuber fest.
Wappel hat im Laufe der letzten Zeit auch an zwei anderen
hiesigen Geschäftsleuten, nämlich bei der Gemischtwaren-
händlerin Anna Dominig und bei Josef Wolf auf die
gleiche Art Raubattentate verübt und die Geldladen aus-
geraubt. Der Bursche war beim Polizeiverhör geständig und
gab an, daß er die Tat vollführte, um einen versetzten
Anzug auslösen zu können. Er wurde dem hiesigen Kreis-
gerichte eingeliefert.

* Erkrankung des neugewählten Labg. Simon
Pinggera.

Aus Klosterneuburg, 21. d., wird uns
berichtet: Der erst am 15. d. neugewählte Labg. Simon
Pinggera ist seit einigen Tagen an einer Rippenfell-
und Lungenentzündung
schwer erkrankt. Der-
selbe steht in Behandlung des Stadtarztes Dr. Pietsch. Um
sein Besinden gibt sich allgemeine Teilnahme kund.

* 32 Jahre geschlafen.

Schwedische Blätter melden,
daß am Dienstag eine Dame in Stockholm, Karoline
Karlsdatter, die seit 32 Jahren ununterbrochen geschlafen
hat, plötzlich erwacht ist. Mit 13 Jahren verfiel sie in
[Spaltenumbruch] diesen Schlaf, um mit 45 Jahren wieder zum ersten Male
die Auqen aufzutun. Während der 32 Jahre erfolgte
natürlich künstliche Ernährung, zweimal täglich wurde der
Schlafenden konzentrierte Fleischbrühe eingeflößt. Die
45jährige Person hat ein ältliches Gesicht, ihre Gestalt ist
aber die eines Kindes geblieben. Die Aerzte glauben
übrigens nicht, daß Karoline Karlsdatter am Leben bleibt;
sie erwarten einen neuen Schlafanfall oder ihren Tod.

* Entgleisung des Wien--Lemberger Schnell-
zuges.

Man telegraphiert uns aus Lemberg vom
21. d.: Der Wien-Lemberger Schnellzug ist in der Nähe
der Station Radymno infolge Bruches einer Eisen-
bahnschiene entgleist, ohne jedoch besonderen Schaden zu
erleiden. Der Zug konnte mit einer vierstündigen Ver-
spätung seine Weiterfahrt fortsetzen.

* Der Gersthofer Maskenzug.

In Gersthof wurde
am gestrigen Sonntag unter der herkömmlichen Massen-
beteiligung des Publikums der Faschingsmaskenzug ab-
gehalten. Unter den vielen Typen und Gruppen gefielen
besonders den Zuschauern zwei Gruppen mit etwas Be-
rechtigung für den Titel der Aktualität: die eine verhöhnte
den modernen Damenhut mit seinen riesigen Dimensionen,
die andere stellte eine Hochzeitsreise im Luftballon vor;
bemerkenswert ist, daß diese Gruppe vom Preisrichter-
kollegium mit dem ersten Preise bedacht wurde. Selbst-
verständlich wurde mit der glücklich überwundenen Wassernot
viel Ulk getrieben; dann gab es ferner noch Gruppen, wie
die "Erste Wiener Hirnreinigungsanstalt" u. dgl. m.

* Schneeverwehungen.

Aus Lemberg wird
unterm Gestrigen telegraphiert: Infolge der anhaltenden
Schneeverwehungen treffen fast sämtliche Eisenbahnzüge
aus Stanislau, Czernowitz, Podwolo-
czyska
und Wien hier mit Verspätungen ein. Auf
den Strecken Lemberg -- Jaworow, Lemberg
--Kurowice
und Borki--Grzymalow, sowie
auf sämtlichen Kolomeaer Lokalbahnen wurde der Bahn-
verkehr gänzlich eingestellt. Der Verkehr der hiesigen
elektrischen Stadtbahn kann nur mit Mühe aufrechterhalten
werden. Ein Telegramm aus Villach vom Gestrigen
meldet: Wegen andauernden starken Schneefalles wurde
der gesamte Verkehr auf der Strecke Eisenerz--Vordernberg
(Markt) wieder eingestellt. Aus Kiew wird telegraphiert:
Auf den Südwestbahnen ist der Güterverkehr infolge Schnee-
sturmes auf einer Strecke von 3000 Werst ganz eingestellt.
20 000 Arbeiter sind beschäftigt, die Linien von dem Schnee
zu säubern. Im Laufe von zwei Tagen sind dreißig Züge
stecken geblieben. Einige Züge sind entgleist. Die Billett-
ausgabe nach Orten im Süden ist eingestellt. Das Schnee-
gestöber ist heute schwächer.

* Schweres Straßenbahnunglück in Neapel.

Der
Draht meldet aus Neapel vom 21. d. M.: Abends
stieß ein Wagen mit der zwischen Caivano und Capo di
Chino verkehrenden elektrischen Straßenbahn zusammen.
Zwei Personen wurden getötet und 27 verletzt; von diesen
liegen drei im Sterben.

* Der Prozeß gegen den Mörder Syczinski.

Man telegraphiert uns aus Lemberg vom 20. d. M.: Dem
Mörder des Statthalters von Galizien Grafen Potocki
Myroslaw Syczinski, dessen Geisteszustand von den
Psychiatern als gesund erklärt wurde, ist heute vom Unter-
suchungsrichter LGR. Dr. Berson der Anklageakt zugestellt
worden. Falls gegen denselben kein Rekurs erhoben werden
wird, wird der zweite Prozeß gegen Syczinski in der zweiten
Hälfte März hier stattfinden.

* Der mysteriöse Verwundete.

Die anfänglich so
geheimnisvoll erscheinende Affäre des Angeschossenen, der
am 19. d. M. früh im Einspänner Nr. 366 bei der
Rettungsgesellschaft um Hilfe ersuchte, ist nun endgültig
geklärt. Das Stadtkommissariat hatte noch am 19. d. M.
nachts festgestellt, daß es sich um einen planmäßig inßenierten
Ueberfall im Cafe Ilka Ulrich, Fleischmarkt Nr. 6, handle.
In diesem Cafe war kürzlich der Markfierant Josef
Anetzberger, ein alter Raufbold, wegen Verdachtes des
Falschspieles mißhandelt worden. Aus diesem Grunde hatte
er am 19. d. M. früh mit dem Kellner Franz Weiß, dem
Kutscher Martin Wultsch und Theodor Mayerhofer und
dem Tapezierergehilfen Rudolf Seidler die Einrichtung
zu demolieren begonnen und als man ihn
energisch zur Ruhe verwies, mit einem großen
Schnappmesser gedroht. Aus Notwehr gab der Buchdrucker
Josef Fabritzky vier Revolverschüsse ab, deren einer Anetz-
berger in den Oberschenkel traf. Er flüchtete mit den Be-
gleitern und fuhr zur Rettungsgesellschaft, wo er sich
Pferdehändler Berger nannte und sich verbinden ließ. Nach-
dem nun alle Begleiter Anetzbergers und auch Josef
Fabritzky in Haft waren, ist am 20. d. auch Anetzberger,
der den Spitznamen "der Blaue" führt und in Hernals,
Weißgasse 18 wohnt, verhaftet worden. Da nach der Er-
hebungen der Ueberfall planmäßig war, wurde die ganze
Gesellschaft wegen Hausfriedenbruches, Fabritzky
wegen schwerer körperlicher Beschädigung
dem Landesgericht eingeliefert.

Möbel.

Besonders günstige Gelegenheit gut und billig zu
möblieren, bietet sich allen Brautpaaren und Möbelkäufer wegen
Uebersiedlung und Ueberfüllung meiner Magazine. Johann
Scheikl & Hainfellner,
Wien, 8. Bezirk, Josefstädter-
straße Nr. 91. Zahlungen nach Uebereikommen, Preiskurant
gegen Einsendung 1 Krone.




Letzte Telegramme.
Der bosnische Landtag.

(Privattelegramm.) Für
die Tagung des bosnisch-herzegovinischen Landtages werden
der Festsaal des Rathauses und eine Reihe von Neben-
räumlichkeiten adaptiert. Hier wird der Landtag bis zur
Errichtung eines eigenen Landtagsgebäudes seine Tagungen
abhalten.

Türkische Kriegsbefürchtungen.

Die Pforte verfolgt
die politische Situation in Belgrad sowie die serbischen
und montenegrinischen Kriegsvorbereitungen mit
wachsender Besorgnis.
Die öffentliche Meinung
befürchtet, daß ein Krieg mit Serbien nicht
lokalisiert werden und weitere innere und äußere Möglich-
keiten für die Türkei zeitigen könnte, wie der serbische
Krieg vom Jahre 1876.


Wien, Montag Reichspoſt 22. Februar 1909. Nr. 53

[Spaltenumbruch] durch zehn Tage ohne Abwechſlung bis einſchließlich 3. März
getragen.

* Die Soirée dansante bei Hofe.

An Stelle des
Balles bei Hof wurde auch heuer eine Soiree dansante in
der Hofburg abgehalten, der der Kaiſer nicht beiwohnte.
Das Ballfeſt, das geſtern ſtattfand, bot die traditionelle
Prunkentfaltung; der Neue Saal, in bem ſich die relativ
wenigen Gäſte einfanden, war mit den ſchönſten Pflanzen
der Schönbrunner Glashäuſer geziert, auf den Stiegen
lagen koſtbare Teppiche und im Neuen Saal war das Auge
geblendet vom Glanze der Toiletten, des wertvollſten
Schmuckes und der reich dekorierten Uniformen.
Um 9 Uhr abends erfolgte der Einzug des Hofes in
den Saal; unter dem Vortritte des Oberſtzeremonien-
meiſters Grafen Choloniewski kamen in den Ballſaal: Erz-
herzogin Maria Annunziata, Erzherzogin Maria
Joſefa,
Erzherzog Leopold Salvator, Erz-
herzogin Blanca, Erzherzogin Iſabella, Erzherzogin
Maria Thereſia, Erzherzogin Eleonora, Prinz
Kuniyoſhi Kuni, Herzogin Thyra von Cumber-
land,
Prinzeſſin Olga von Großbritannien,
Prinz Auguſt Leopold von Sachſen-Coburg,
Prinzeſſin Karoline von Sachſen-Coburg, Prinz
Don Miguel von Braganza. Vom Hofſtaat
waren anweſend: Erſter Oberſthofmeiſter Fürſt Montenuovo,
Oberſthofmarſchall Graf Cziraky und Gräfin Cziraky-
Eſterhazy, Oberſtküchenmeiſter Auguſt Graf Bellegarde und
Tochter, Oberſtjägermeiſter Maximilian Graf Thun und
Gräfin Thun-Lobkowitz und Töchter, Erſter Stallmeiſter
Ferdinand Graf Kinsky und Gräfin Kinsky-Auersperg,
Flügeladjutant Oberſtleutnant Freiherr Karl von Bronn
und Baronin Bronn-Czernin, Flügeladjutant Major
Heinrich Graf Hoyos und Gräfin Hoyos-Tranttmansdorf. Vom
Hofſtaat der Erzherzoge und der Erzherzoginnen waren ge-
kommen: Oberſthofmeiſter GM. Johann Graf Noſtitz mit
Gemahlin und Töchter, Oberſthofmeiſter Auguſt Altgraf
Salm mit Gemahlin, Kammervorſteher Oberſtleutnant Prinz
Zdenko Lobkowitz, Leutnant Franz Graf Walthersdorf,
Oberleutnant Johann Graf Palffy, Linienſchiffsleutnant
Theodor Graf Hartig und Gemahlin, Oberſthofmeiſterin
Karoline Gräfin Attems, Hofdamen Kreszenze Markgräfin
Pallavicini und Sofie Gräfin Zamoyska, Graf und Gräfin
Friedrich Wurmbrand, Kammervorſteher Auguſt Prinz
Lobkowitz, Oberſthofmeiſterin Karoline Gräfin Wimpffen,
Kammervorſteher Philipp Graf Cappy, Hofdamen Eleonore
Gräfin Zamoyska, Maria Thereſia Freiin v. Ludwigsſtorff,
Baronin Maltzing, Hofmarſchall Baron Grotte, Gräfin
Schlick-Hohenlohe, Hofdame Gräfin Huyn, der japaniſche
Oberſt Nachachira Kurita, Rittmeiſter Franz. Um 9 Uhr
begann der Tanz. Hofballmuſikdirektor C. M. Ziehrer
ſpielte mit ſeiner Kapelle zum Tanze auf. Um ¾12 Uhr
wurde das Souper genommen; es dauerte bis ½1 Uhr.
Darauf trat wieder der Tanz in ſeine Rechte. Bis ½2 Uhr
wurde unermüdlich bei Ziehrers aufmunternden Weiſen
getanzt. Darauf wurde der Ballgeſellſchaft der Tee ſerviert.
Nach 2 Uhr früh war die Soiree zu Ende.

* Herrenhausmitglied Julius Ritter v. Gomperz
geſtorben.

Aus Brünn wird vom 21. März telegraphiert:
Herrenhausmitglied und Präſident der Brünner Handels-
und Gewerbekammer Julius Ritter v. Gomperz iſt heute
nacht nach kurzer Krankheit im Alter von 85 Jahren
geſtorben.

* Staatsbahnoffiziantentag in Wien.

In der
Volkshalle des Neuen Rathauſes fand geſtern ein maſſeu-
haft beſuchter Offiziantentag der Staatsbahnen ſtatt, welcher
die einmütige Forderung nach Erlangung des Beamten-
charakters aufſtellte. Zur Tagung waren Offizianten aus
vielen Städten Oeſterreichs eingetroffen.

* Erdbeben.

Der Draht meldet aus Madrid vom
21. d.: In Elche wurden mehrere Erdſtöße wahr-
genommen, die die Bevölkerung in Schrecken verſetzten.
Das Publikum floh aus der Kirche. Mehrere Frauen und
Kinder wurden in dem Gedränge niedergeſtoßen und ver-
letzt. Auch in Crevillente wurden Erdſtöße verſpürt.

* Unfall eines Vrunnengräbers.

Aus Amſtetten
wird uns gemeldet: Am Donnerstag den 18. d. war man
heim Bgm. Joſef Zarl in Allersdorf bei Amſtetten mit
dem Tiefergraben des Hausbrunnens beſchäftigt. Unten im
Brunnen arbeitete der Brunnenarbeiter Franz Kern,
welchem die Aufgabe oblag, die Schuttmaſſen in einen
Eimer zu verladen. Als man den entleerten Eimer wieder
in den Brunnen hinablaſſen wollte, fiel derſelbe um und
ſtürzte, da auch der Zughaken, an welchem er befeſtigt war,
ausfiel, auf den in der Tiefe arbeitenden Kern hinab. Der
Unglückliche wurde von dem zirka 15 Kilogramm ſchweren,
eiſenbeſchlagenen Eimer zu Boden geſchmettert und blieb
bewußtlos unter demſelben liegen. Der die Arbeiten leitende
Brunnenmeiſter Hebenſtreit ließ ſich ſofort in den Brunnen
hinab und es gelang ihm, nach harter Mühe den Schwer-
verletzten emporzuziehen. Stadtarzt Dr. Heinrich Zemsky
leiſtete ihm ärztlichen Beiſtand. Dieſer konſtatierte den
Bruch dreier Rippen ſowie einen ſchweren Nervenchok.

* Warnung vor der ungariſchen Klaſſenlotterie.

Im Hinblicke auf die ungeachtet wiederholter amtlicher
Kundmachungen immer wieder wahrgenommene, vielfach
auf Unkenntnis zurückzuführende Beteiligung des Publikums
an dem Spiele der ungariſchen Klaſſenlotterie muß vor
dem Ankaufe von Loſen derſelben, der in Oeſterreich auf
Grund der geltenden Geſetze unbedingt verboten iſt, nach-
drücklichſt gewarnt werden. Die Treffer dieſer
Lotterie unterliegen gemäß § 444 des Gefällsſtrafgeſetzes
dem Verfall und werden zugunſten des
Staatsſchatzes eingezogen.
Der Verkauf
und Beſitz von Loſen dieſer Lotterie iſt nach dem
bezogenen Geſetze mit empfindlichen Geld-, beziehungsweiſe
Arreſtſtrafen bedroht. Nicht ohne Intereſſe iſt
die Tatſache, daß ungariſche Unternehmer, welche die
Vevölkerung durch marktſchreieriſche Reklame, Einſendung
nicht beſtellter Lotterieſcheine uſw. zum Ankaufe von Loſen
der Klaſſenlotterie zu verleiten ſuchen, wie in einzelnen
Fällen amtlich konſtatiert wurde, die eventuell erzielten
Treffer in der Regel nicht bar aus-
zahlen,
ſondern ſtatt des Gewinſtes neue Loſe über-
ſenden.

* Unfälle von Sportsleuten.

Beim Rodeln im
Fuchsloch im 16. Bezirke kam der Schloſſersſohn Alfons
Sobeck mit dem Rodel dadurch zu Falle, daß ein Paſſant
trotz Zurnfes nicht auswich. Er erlitt einen offenen Bruch
[Spaltenumbruch] des rechten Unterſchenkels. — Die Kontoriſtin Elſa Klatſchko
iſt geſtern in Payerbach beim Rodeln geſtürzt und brach
den rechten Unterſchenkel. — Der Maſchinentechniker Rudolf
Windſchek ſtürzte geſtern vormittag beim Rodeln auf dem
Roten Berg im 13. Bezirk und erlitt eine Gehirn-
erſchütterung. — Der Schneidersſohn Leopold Kamazin
fuhr geſtern mit ſeiner Mutter, Linzerſtraße Nr. 406 wohn-
haft, vom Satzberg in Hütteldorf mit dem Rodel hinab.
Der Rodel ſtürzte um und ein nachkommender Fahrer fuhr
über den Knaben, der einen Bruch des rechten Oberſchenkels
erlitt.

* Der geſtrige „Prager Sonntag“.

Aus Prag,
22. d., wird gemeldet: Der geſtrige Bummel der deutſchen
Studentenſchaft, der auf dem Wenzelsplatze ſtattfand, war
mit Rückſicht auf die Faſchingsferien nur ſchwach beſucht
und verlief bis ½12 Uhr ohne jede Störung. Als nach
Schluß des Bummels 20 deutſche Couleurſtudenten den
Wenzelsplatz verließen und durch die Torgaſſe gingen, wur-
den ſie von einem großen Trupp nationalſozialer Demon-
ſtranten verfolgt, beſchimpft und mit Schneeballen und Kot
beworfen. Die dentſchen Studenten mußten in ein Haus
flüchten. Polizei befreite die verfolgten Studenten und zer-
ſtreute die Demonſtranten. Auch an anderen Punkten des
Wenzelsplatzes kam es nach Schluß des Bummels zu
kleineren Anrempelungen. Einige der Demonſtranten wur-
den verhaftet.

* Die revolutionäre Militärorganiſation in
Rußland.

Der Draht meldet aus Warſchau vom 21. d.:
Das Kriegsgericht verurteilte fünf Offiziere wegen Zu-
gehörigkeit zum allruſſiſchen Offiziersbund zu ſechs bis acht
Jahren Zwangsarbeit. Außerdem wurden 19 Soldaten und
zwei Gymnaſiaſten wegen Teilnahme an der revolutionären
Militärorganiſation teils zu Zwangsarbeit, teils zu anderen
Strafen verurteilt.

* Bürgermeiſterwahl in Marienbad.

Man tele-
graphiert uns aus Marienbad vom 22. d.: Bei der
Wahl des Stadtvorſtandes wurde der bisherige Bürger-
meiſter Dr. Reiniger einimmig wiedergewählt.

* St. Elmsfeuer.

Aus Marienbad wird uns
geſchrieben: Eine ſeltene Naturerſcheinung wurde am
20. d., 11 Uhr nachts vom Gendarmeriepoſtenführer Kirſch
auf ſeinem Patrouillengange vom Regensteich gegen
Flaſchenhütte beobachtet. Kirſch fühlte plötzlich, daß ſein
aufgepflanztes Gewehr ſurre und die Spitze des Bajonetts
eine etwa vier Zentimeter lange bläuliche Flamme aus-
ſtrahle. Die Bäume rings umher trugen gleichfalls bläu-
liche Lichtkronen. Dieſe Erſcheinung — ein St. Elmsfeuer
— war während eines heftigen Scheeſturmes aufgetreten
und hielt ſo lange, bis plötzlich Windſtille eintrat. Im
ſelben Momente erloſch die Erſcheinung, die auch von einem
Poſtenführer in der Richtung gegen Hochofenhäuſeln wahr-
genommen wurde, der das Phänomen als einen bläu-
lichen Lichtſchein ſchilderte, welcher über der Landſchaft
lagerte.

* Die geängſtigten Klofacianer.

Aus Prag wird
uns vom 21. d. berichtet: Abg. Dr. Hejn hat namens
der tſchechiſchen ſtaatsrechtlichen Partei an den Abg.
Udrzal als derzeitigen Obmann des tſchechiſchen
Nationalverbandes die Aufforderung gerichtet, die parla-
mentariſche Kommiſſion des Tſchechenklubs ſofort einzube-
rufen, um gegenüber der Verfolgung von Abgeordneten
und Parteizugehörigen der nationalſozialen Partei Stellung
zu nehmen.

* Faſtenhirtenbrief des Feldbiſchofs.

Der geſtrige
Korps- und Landwehrkommandobefehl verlautbarte die
Faſtenordnung für das Jahr 1909/10 und das oberhirtliche
Schreiben des k. u. k. apoſtoliſchen Feldvikariates an alle
katholiſchen Angehörigen des k. u. k. Heeres und der k. u. k.
Kriegsmarine. Er ſpricht von der Hoffnung, die in allen
Menſchen lebt, und weiſt auf Gott hin, deſſen Güte un-
endlich, deſſen Macht unbegrenzt und deſſen Treue un-
zweifelhaft iſt.

* Myſteriöſer Tod.

Man telegraphiert uns aus
Chemnitz vom 21. d.: Der Gutsbeſitzersſohn Pempter
iſt am vergangenen Sonntag in Kleinhartmanns-
dorf
geſtorben. Der Arzt konſtatierte bei der Leichenſchau,
daß der Tote zum Skelett abgemagert war und ein Gewicht
von kaum 40 Pfund hatte. Die Freiberger Staats-
anwaltſchaft ordnete die gerichtliche Obduktion der Leiche
an, weil ſchwere Verdachtsmomente gegen den 72jährigen
Vater des Pempter vorlagen. Der Tote, welcher ein Alter
von 42 Jahren erreichte, war ſchon viele Jahre von den
Bewohnern von Kleinhartmannsdorf nicht mehr geſehen
worden und ſoll von ſeinem Vater in einer Kammer
jahrelang eingeſperrt gehalten worden ſein. Pempter
wurde über Anordnung der Staatsanwaltſchaft verhaftet.

* Ein fechzehnjähriger Räuber.

Aus Wiener-Neu-
ſtadt, 21. d., wird uns berichtet: Der ſechzehnjährige
Heinrich Wappel unternahm geſtern auf die Tabaktrafikantin
Marie Nehiba in der Zehnergaſſe ein Raubattentat. Er
ging in die Trafik und benützte die Abweſenheit der
Trafikantin, um die Geldlade aufzureißen und daraus zu
nehmen, was ihm in die Hände fiel. Auf den Lärm hin
eilte die Trafikantin Frau Nehiba herbei. Es entſpann
ſich zwiſchen den beiden ein heftiger Kampf. Der Junge
würgte die Frau und packte ſie an der Bruſt. Die
ſtarke Frau zerrte den Burſchen bis zur Türe und
rief laut um Hilfe. Der benachbarte Friſeur Joſef
Wagenhofer und der Gepäcksträger Johann Kornfeld
kamen der Frau zu Hilfe und nahmen den Räuber feſt.
Wappel hat im Laufe der letzten Zeit auch an zwei anderen
hieſigen Geſchäftsleuten, nämlich bei der Gemiſchtwaren-
händlerin Anna Dominig und bei Joſef Wolf auf die
gleiche Art Raubattentate verübt und die Geldladen aus-
geraubt. Der Burſche war beim Polizeiverhör geſtändig und
gab an, daß er die Tat vollführte, um einen verſetzten
Anzug auslöſen zu können. Er wurde dem hieſigen Kreis-
gerichte eingeliefert.

* Erkrankung des neugewählten Labg. Simon
Pinggera.

Aus Kloſterneuburg, 21. d., wird uns
berichtet: Der erſt am 15. d. neugewählte Labg. Simon
Pinggera iſt ſeit einigen Tagen an einer Rippenfell-
und Lungenentzündung
ſchwer erkrankt. Der-
ſelbe ſteht in Behandlung des Stadtarztes Dr. Pietſch. Um
ſein Beſinden gibt ſich allgemeine Teilnahme kund.

* 32 Jahre geſchlafen.

Schwediſche Blätter melden,
daß am Dienstag eine Dame in Stockholm, Karoline
Karlsdatter, die ſeit 32 Jahren ununterbrochen geſchlafen
hat, plötzlich erwacht iſt. Mit 13 Jahren verfiel ſie in
[Spaltenumbruch] dieſen Schlaf, um mit 45 Jahren wieder zum erſten Male
die Auqen aufzutun. Während der 32 Jahre erfolgte
natürlich künſtliche Ernährung, zweimal täglich wurde der
Schlafenden konzentrierte Fleiſchbrühe eingeflößt. Die
45jährige Perſon hat ein ältliches Geſicht, ihre Geſtalt iſt
aber die eines Kindes geblieben. Die Aerzte glauben
übrigens nicht, daß Karoline Karlsdatter am Leben bleibt;
ſie erwarten einen neuen Schlafanfall oder ihren Tod.

* Entgleiſung des Wien—Lemberger Schnell-
zuges.

Man telegraphiert uns aus Lemberg vom
21. d.: Der Wien-Lemberger Schnellzug iſt in der Nähe
der Station Radymno infolge Bruches einer Eiſen-
bahnſchiene entgleiſt, ohne jedoch beſonderen Schaden zu
erleiden. Der Zug konnte mit einer vierſtündigen Ver-
ſpätung ſeine Weiterfahrt fortſetzen.

* Der Gerſthofer Maskenzug.

In Gerſthof wurde
am geſtrigen Sonntag unter der herkömmlichen Maſſen-
beteiligung des Publikums der Faſchingsmaskenzug ab-
gehalten. Unter den vielen Typen und Gruppen gefielen
beſonders den Zuſchauern zwei Gruppen mit etwas Be-
rechtigung für den Titel der Aktualität: die eine verhöhnte
den modernen Damenhut mit ſeinen rieſigen Dimenſionen,
die andere ſtellte eine Hochzeitsreiſe im Luftballon vor;
bemerkenswert iſt, daß dieſe Gruppe vom Preisrichter-
kollegium mit dem erſten Preiſe bedacht wurde. Selbſt-
verſtändlich wurde mit der glücklich überwundenen Waſſernot
viel Ulk getrieben; dann gab es ferner noch Gruppen, wie
die „Erſte Wiener Hirnreinigungsanſtalt“ u. dgl. m.

* Schneeverwehungen.

Aus Lemberg wird
unterm Geſtrigen telegraphiert: Infolge der anhaltenden
Schneeverwehungen treffen faſt ſämtliche Eiſenbahnzüge
aus Stanislau, Czernowitz, Podwolo-
czyska
und Wien hier mit Verſpätungen ein. Auf
den Strecken Lemberg — Jaworow, Lemberg
—Kurowice
und Borki—Grzymalow, ſowie
auf ſämtlichen Kolomeaer Lokalbahnen wurde der Bahn-
verkehr gänzlich eingeſtellt. Der Verkehr der hieſigen
elektriſchen Stadtbahn kann nur mit Mühe aufrechterhalten
werden. Ein Telegramm aus Villach vom Geſtrigen
meldet: Wegen andauernden ſtarken Schneefalles wurde
der geſamte Verkehr auf der Strecke Eiſenerz—Vordernberg
(Markt) wieder eingeſtellt. Aus Kiew wird telegraphiert:
Auf den Südweſtbahnen iſt der Güterverkehr infolge Schnee-
ſturmes auf einer Strecke von 3000 Werſt ganz eingeſtellt.
20 000 Arbeiter ſind beſchäftigt, die Linien von dem Schnee
zu ſäubern. Im Laufe von zwei Tagen ſind dreißig Züge
ſtecken geblieben. Einige Züge ſind entgleiſt. Die Billett-
ausgabe nach Orten im Süden iſt eingeſtellt. Das Schnee-
geſtöber iſt heute ſchwächer.

* Schweres Straßenbahnunglück in Neapel.

Der
Draht meldet aus Neapel vom 21. d. M.: Abends
ſtieß ein Wagen mit der zwiſchen Caivano und Capo di
Chino verkehrenden elektriſchen Straßenbahn zuſammen.
Zwei Perſonen wurden getötet und 27 verletzt; von dieſen
liegen drei im Sterben.

* Der Prozeß gegen den Mörder Syczinski.

Man telegraphiert uns aus Lemberg vom 20. d. M.: Dem
Mörder des Statthalters von Galizien Grafen Potocki
Myroslaw Syczinski, deſſen Geiſteszuſtand von den
Pſychiatern als geſund erklärt wurde, iſt heute vom Unter-
ſuchungsrichter LGR. Dr. Berſon der Anklageakt zugeſtellt
worden. Falls gegen denſelben kein Rekurs erhoben werden
wird, wird der zweite Prozeß gegen Syczinski in der zweiten
Hälfte März hier ſtattfinden.

* Der myſteriöſe Verwundete.

Die anfänglich ſo
geheimnisvoll erſcheinende Affäre des Angeſchoſſenen, der
am 19. d. M. früh im Einſpänner Nr. 366 bei der
Rettungsgeſellſchaft um Hilfe erſuchte, iſt nun endgültig
geklärt. Das Stadtkommiſſariat hatte noch am 19. d. M.
nachts feſtgeſtellt, daß es ſich um einen planmäßig inſzenierten
Ueberfall im Café Ilka Ulrich, Fleiſchmarkt Nr. 6, handle.
In dieſem Café war kürzlich der Markfierant Joſef
Anetzberger, ein alter Raufbold, wegen Verdachtes des
Falſchſpieles mißhandelt worden. Aus dieſem Grunde hatte
er am 19. d. M. früh mit dem Kellner Franz Weiß, dem
Kutſcher Martin Wultſch und Theodor Mayerhofer und
dem Tapezierergehilfen Rudolf Seidler die Einrichtung
zu demolieren begonnen und als man ihn
energiſch zur Ruhe verwies, mit einem großen
Schnappmeſſer gedroht. Aus Notwehr gab der Buchdrucker
Joſef Fabritzky vier Revolverſchüſſe ab, deren einer Anetz-
berger in den Oberſchenkel traf. Er flüchtete mit den Be-
gleitern und fuhr zur Rettungsgeſellſchaft, wo er ſich
Pferdehändler Berger nannte und ſich verbinden ließ. Nach-
dem nun alle Begleiter Anetzbergers und auch Joſef
Fabritzky in Haft waren, iſt am 20. d. auch Anetzberger,
der den Spitznamen „der Blaue“ führt und in Hernals,
Weißgaſſe 18 wohnt, verhaftet worden. Da nach der Er-
hebungen der Ueberfall planmäßig war, wurde die ganze
Geſellſchaft wegen Hausfriedenbruches, Fabritzky
wegen ſchwerer körperlicher Beſchädigung
dem Landesgericht eingeliefert.

Möbel.

Beſonders günſtige Gelegenheit gut und billig zu
möblieren, bietet ſich allen Brautpaaren und Möbelkäufer wegen
Ueberſiedlung und Ueberfüllung meiner Magazine. Johann
Scheikl & Hainfellner,
Wien, 8. Bezirk, Joſefſtädter-
ſtraße Nr. 91. Zahlungen nach Uebereikommen, Preiskurant
gegen Einſendung 1 Krone.




Letzte Telegramme.
Der bosniſche Landtag.

(Privattelegramm.) Für
die Tagung des bosniſch-herzegoviniſchen Landtages werden
der Feſtſaal des Rathauſes und eine Reihe von Neben-
räumlichkeiten adaptiert. Hier wird der Landtag bis zur
Errichtung eines eigenen Landtagsgebäudes ſeine Tagungen
abhalten.

Türkiſche Kriegsbefürchtungen.

Die Pforte verfolgt
die politiſche Situation in Belgrad ſowie die ſerbiſchen
und montenegriniſchen Kriegsvorbereitungen mit
wachſender Beſorgnis.
Die öffentliche Meinung
befürchtet, daß ein Krieg mit Serbien nicht
lokaliſiert werden und weitere innere und äußere Möglich-
keiten für die Türkei zeitigen könnte, wie der ſerbiſche
Krieg vom Jahre 1876.


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[4/0004] Wien, Montag Reichspoſt 22. Februar 1909. Nr. 53 durch zehn Tage ohne Abwechſlung bis einſchließlich 3. März getragen. * Die Soirée dansante bei Hofe. An Stelle des Balles bei Hof wurde auch heuer eine Soiree dansante in der Hofburg abgehalten, der der Kaiſer nicht beiwohnte. Das Ballfeſt, das geſtern ſtattfand, bot die traditionelle Prunkentfaltung; der Neue Saal, in bem ſich die relativ wenigen Gäſte einfanden, war mit den ſchönſten Pflanzen der Schönbrunner Glashäuſer geziert, auf den Stiegen lagen koſtbare Teppiche und im Neuen Saal war das Auge geblendet vom Glanze der Toiletten, des wertvollſten Schmuckes und der reich dekorierten Uniformen. Um 9 Uhr abends erfolgte der Einzug des Hofes in den Saal; unter dem Vortritte des Oberſtzeremonien- meiſters Grafen Choloniewski kamen in den Ballſaal: Erz- herzogin Maria Annunziata, Erzherzogin Maria Joſefa, Erzherzog Leopold Salvator, Erz- herzogin Blanca, Erzherzogin Iſabella, Erzherzogin Maria Thereſia, Erzherzogin Eleonora, Prinz Kuniyoſhi Kuni, Herzogin Thyra von Cumber- land, Prinzeſſin Olga von Großbritannien, Prinz Auguſt Leopold von Sachſen-Coburg, Prinzeſſin Karoline von Sachſen-Coburg, Prinz Don Miguel von Braganza. Vom Hofſtaat waren anweſend: Erſter Oberſthofmeiſter Fürſt Montenuovo, Oberſthofmarſchall Graf Cziraky und Gräfin Cziraky- Eſterhazy, Oberſtküchenmeiſter Auguſt Graf Bellegarde und Tochter, Oberſtjägermeiſter Maximilian Graf Thun und Gräfin Thun-Lobkowitz und Töchter, Erſter Stallmeiſter Ferdinand Graf Kinsky und Gräfin Kinsky-Auersperg, Flügeladjutant Oberſtleutnant Freiherr Karl von Bronn und Baronin Bronn-Czernin, Flügeladjutant Major Heinrich Graf Hoyos und Gräfin Hoyos-Tranttmansdorf. Vom Hofſtaat der Erzherzoge und der Erzherzoginnen waren ge- kommen: Oberſthofmeiſter GM. Johann Graf Noſtitz mit Gemahlin und Töchter, Oberſthofmeiſter Auguſt Altgraf Salm mit Gemahlin, Kammervorſteher Oberſtleutnant Prinz Zdenko Lobkowitz, Leutnant Franz Graf Walthersdorf, Oberleutnant Johann Graf Palffy, Linienſchiffsleutnant Theodor Graf Hartig und Gemahlin, Oberſthofmeiſterin Karoline Gräfin Attems, Hofdamen Kreszenze Markgräfin Pallavicini und Sofie Gräfin Zamoyska, Graf und Gräfin Friedrich Wurmbrand, Kammervorſteher Auguſt Prinz Lobkowitz, Oberſthofmeiſterin Karoline Gräfin Wimpffen, Kammervorſteher Philipp Graf Cappy, Hofdamen Eleonore Gräfin Zamoyska, Maria Thereſia Freiin v. Ludwigsſtorff, Baronin Maltzing, Hofmarſchall Baron Grotte, Gräfin Schlick-Hohenlohe, Hofdame Gräfin Huyn, der japaniſche Oberſt Nachachira Kurita, Rittmeiſter Franz. Um 9 Uhr begann der Tanz. Hofballmuſikdirektor C. M. Ziehrer ſpielte mit ſeiner Kapelle zum Tanze auf. Um ¾12 Uhr wurde das Souper genommen; es dauerte bis ½1 Uhr. Darauf trat wieder der Tanz in ſeine Rechte. Bis ½2 Uhr wurde unermüdlich bei Ziehrers aufmunternden Weiſen getanzt. Darauf wurde der Ballgeſellſchaft der Tee ſerviert. Nach 2 Uhr früh war die Soiree zu Ende. * Herrenhausmitglied Julius Ritter v. Gomperz geſtorben. Aus Brünn wird vom 21. März telegraphiert: Herrenhausmitglied und Präſident der Brünner Handels- und Gewerbekammer Julius Ritter v. Gomperz iſt heute nacht nach kurzer Krankheit im Alter von 85 Jahren geſtorben. * Staatsbahnoffiziantentag in Wien. In der Volkshalle des Neuen Rathauſes fand geſtern ein maſſeu- haft beſuchter Offiziantentag der Staatsbahnen ſtatt, welcher die einmütige Forderung nach Erlangung des Beamten- charakters aufſtellte. Zur Tagung waren Offizianten aus vielen Städten Oeſterreichs eingetroffen. * Erdbeben. Der Draht meldet aus Madrid vom 21. d.: In Elche wurden mehrere Erdſtöße wahr- genommen, die die Bevölkerung in Schrecken verſetzten. Das Publikum floh aus der Kirche. Mehrere Frauen und Kinder wurden in dem Gedränge niedergeſtoßen und ver- letzt. Auch in Crevillente wurden Erdſtöße verſpürt. * Unfall eines Vrunnengräbers. Aus Amſtetten wird uns gemeldet: Am Donnerstag den 18. d. war man heim Bgm. Joſef Zarl in Allersdorf bei Amſtetten mit dem Tiefergraben des Hausbrunnens beſchäftigt. Unten im Brunnen arbeitete der Brunnenarbeiter Franz Kern, welchem die Aufgabe oblag, die Schuttmaſſen in einen Eimer zu verladen. Als man den entleerten Eimer wieder in den Brunnen hinablaſſen wollte, fiel derſelbe um und ſtürzte, da auch der Zughaken, an welchem er befeſtigt war, ausfiel, auf den in der Tiefe arbeitenden Kern hinab. Der Unglückliche wurde von dem zirka 15 Kilogramm ſchweren, eiſenbeſchlagenen Eimer zu Boden geſchmettert und blieb bewußtlos unter demſelben liegen. Der die Arbeiten leitende Brunnenmeiſter Hebenſtreit ließ ſich ſofort in den Brunnen hinab und es gelang ihm, nach harter Mühe den Schwer- verletzten emporzuziehen. Stadtarzt Dr. Heinrich Zemsky leiſtete ihm ärztlichen Beiſtand. Dieſer konſtatierte den Bruch dreier Rippen ſowie einen ſchweren Nervenchok. * Warnung vor der ungariſchen Klaſſenlotterie. Im Hinblicke auf die ungeachtet wiederholter amtlicher Kundmachungen immer wieder wahrgenommene, vielfach auf Unkenntnis zurückzuführende Beteiligung des Publikums an dem Spiele der ungariſchen Klaſſenlotterie muß vor dem Ankaufe von Loſen derſelben, der in Oeſterreich auf Grund der geltenden Geſetze unbedingt verboten iſt, nach- drücklichſt gewarnt werden. Die Treffer dieſer Lotterie unterliegen gemäß § 444 des Gefällsſtrafgeſetzes dem Verfall und werden zugunſten des Staatsſchatzes eingezogen. Der Verkauf und Beſitz von Loſen dieſer Lotterie iſt nach dem bezogenen Geſetze mit empfindlichen Geld-, beziehungsweiſe Arreſtſtrafen bedroht. Nicht ohne Intereſſe iſt die Tatſache, daß ungariſche Unternehmer, welche die Vevölkerung durch marktſchreieriſche Reklame, Einſendung nicht beſtellter Lotterieſcheine uſw. zum Ankaufe von Loſen der Klaſſenlotterie zu verleiten ſuchen, wie in einzelnen Fällen amtlich konſtatiert wurde, die eventuell erzielten Treffer in der Regel nicht bar aus- zahlen, ſondern ſtatt des Gewinſtes neue Loſe über- ſenden. * Unfälle von Sportsleuten. Beim Rodeln im Fuchsloch im 16. Bezirke kam der Schloſſersſohn Alfons Sobeck mit dem Rodel dadurch zu Falle, daß ein Paſſant trotz Zurnfes nicht auswich. Er erlitt einen offenen Bruch des rechten Unterſchenkels. — Die Kontoriſtin Elſa Klatſchko iſt geſtern in Payerbach beim Rodeln geſtürzt und brach den rechten Unterſchenkel. — Der Maſchinentechniker Rudolf Windſchek ſtürzte geſtern vormittag beim Rodeln auf dem Roten Berg im 13. Bezirk und erlitt eine Gehirn- erſchütterung. — Der Schneidersſohn Leopold Kamazin fuhr geſtern mit ſeiner Mutter, Linzerſtraße Nr. 406 wohn- haft, vom Satzberg in Hütteldorf mit dem Rodel hinab. Der Rodel ſtürzte um und ein nachkommender Fahrer fuhr über den Knaben, der einen Bruch des rechten Oberſchenkels erlitt. * Der geſtrige „Prager Sonntag“. Aus Prag, 22. d., wird gemeldet: Der geſtrige Bummel der deutſchen Studentenſchaft, der auf dem Wenzelsplatze ſtattfand, war mit Rückſicht auf die Faſchingsferien nur ſchwach beſucht und verlief bis ½12 Uhr ohne jede Störung. Als nach Schluß des Bummels 20 deutſche Couleurſtudenten den Wenzelsplatz verließen und durch die Torgaſſe gingen, wur- den ſie von einem großen Trupp nationalſozialer Demon- ſtranten verfolgt, beſchimpft und mit Schneeballen und Kot beworfen. Die dentſchen Studenten mußten in ein Haus flüchten. Polizei befreite die verfolgten Studenten und zer- ſtreute die Demonſtranten. Auch an anderen Punkten des Wenzelsplatzes kam es nach Schluß des Bummels zu kleineren Anrempelungen. Einige der Demonſtranten wur- den verhaftet. * Die revolutionäre Militärorganiſation in Rußland. Der Draht meldet aus Warſchau vom 21. d.: Das Kriegsgericht verurteilte fünf Offiziere wegen Zu- gehörigkeit zum allruſſiſchen Offiziersbund zu ſechs bis acht Jahren Zwangsarbeit. Außerdem wurden 19 Soldaten und zwei Gymnaſiaſten wegen Teilnahme an der revolutionären Militärorganiſation teils zu Zwangsarbeit, teils zu anderen Strafen verurteilt. * Bürgermeiſterwahl in Marienbad. Man tele- graphiert uns aus Marienbad vom 22. d.: Bei der Wahl des Stadtvorſtandes wurde der bisherige Bürger- meiſter Dr. Reiniger einimmig wiedergewählt. * St. Elmsfeuer. Aus Marienbad wird uns geſchrieben: Eine ſeltene Naturerſcheinung wurde am 20. d., 11 Uhr nachts vom Gendarmeriepoſtenführer Kirſch auf ſeinem Patrouillengange vom Regensteich gegen Flaſchenhütte beobachtet. Kirſch fühlte plötzlich, daß ſein aufgepflanztes Gewehr ſurre und die Spitze des Bajonetts eine etwa vier Zentimeter lange bläuliche Flamme aus- ſtrahle. Die Bäume rings umher trugen gleichfalls bläu- liche Lichtkronen. Dieſe Erſcheinung — ein St. Elmsfeuer — war während eines heftigen Scheeſturmes aufgetreten und hielt ſo lange, bis plötzlich Windſtille eintrat. Im ſelben Momente erloſch die Erſcheinung, die auch von einem Poſtenführer in der Richtung gegen Hochofenhäuſeln wahr- genommen wurde, der das Phänomen als einen bläu- lichen Lichtſchein ſchilderte, welcher über der Landſchaft lagerte. * Die geängſtigten Klofacianer. Aus Prag wird uns vom 21. d. berichtet: Abg. Dr. Hejn hat namens der tſchechiſchen ſtaatsrechtlichen Partei an den Abg. Udrzal als derzeitigen Obmann des tſchechiſchen Nationalverbandes die Aufforderung gerichtet, die parla- mentariſche Kommiſſion des Tſchechenklubs ſofort einzube- rufen, um gegenüber der Verfolgung von Abgeordneten und Parteizugehörigen der nationalſozialen Partei Stellung zu nehmen. * Faſtenhirtenbrief des Feldbiſchofs. Der geſtrige Korps- und Landwehrkommandobefehl verlautbarte die Faſtenordnung für das Jahr 1909/10 und das oberhirtliche Schreiben des k. u. k. apoſtoliſchen Feldvikariates an alle katholiſchen Angehörigen des k. u. k. Heeres und der k. u. k. Kriegsmarine. Er ſpricht von der Hoffnung, die in allen Menſchen lebt, und weiſt auf Gott hin, deſſen Güte un- endlich, deſſen Macht unbegrenzt und deſſen Treue un- zweifelhaft iſt. * Myſteriöſer Tod. Man telegraphiert uns aus Chemnitz vom 21. d.: Der Gutsbeſitzersſohn Pempter iſt am vergangenen Sonntag in Kleinhartmanns- dorf geſtorben. Der Arzt konſtatierte bei der Leichenſchau, daß der Tote zum Skelett abgemagert war und ein Gewicht von kaum 40 Pfund hatte. Die Freiberger Staats- anwaltſchaft ordnete die gerichtliche Obduktion der Leiche an, weil ſchwere Verdachtsmomente gegen den 72jährigen Vater des Pempter vorlagen. Der Tote, welcher ein Alter von 42 Jahren erreichte, war ſchon viele Jahre von den Bewohnern von Kleinhartmannsdorf nicht mehr geſehen worden und ſoll von ſeinem Vater in einer Kammer jahrelang eingeſperrt gehalten worden ſein. Pempter wurde über Anordnung der Staatsanwaltſchaft verhaftet. * Ein fechzehnjähriger Räuber. Aus Wiener-Neu- ſtadt, 21. d., wird uns berichtet: Der ſechzehnjährige Heinrich Wappel unternahm geſtern auf die Tabaktrafikantin Marie Nehiba in der Zehnergaſſe ein Raubattentat. Er ging in die Trafik und benützte die Abweſenheit der Trafikantin, um die Geldlade aufzureißen und daraus zu nehmen, was ihm in die Hände fiel. Auf den Lärm hin eilte die Trafikantin Frau Nehiba herbei. Es entſpann ſich zwiſchen den beiden ein heftiger Kampf. Der Junge würgte die Frau und packte ſie an der Bruſt. Die ſtarke Frau zerrte den Burſchen bis zur Türe und rief laut um Hilfe. Der benachbarte Friſeur Joſef Wagenhofer und der Gepäcksträger Johann Kornfeld kamen der Frau zu Hilfe und nahmen den Räuber feſt. Wappel hat im Laufe der letzten Zeit auch an zwei anderen hieſigen Geſchäftsleuten, nämlich bei der Gemiſchtwaren- händlerin Anna Dominig und bei Joſef Wolf auf die gleiche Art Raubattentate verübt und die Geldladen aus- geraubt. Der Burſche war beim Polizeiverhör geſtändig und gab an, daß er die Tat vollführte, um einen verſetzten Anzug auslöſen zu können. Er wurde dem hieſigen Kreis- gerichte eingeliefert. * Erkrankung des neugewählten Labg. Simon Pinggera. Aus Kloſterneuburg, 21. d., wird uns berichtet: Der erſt am 15. d. neugewählte Labg. Simon Pinggera iſt ſeit einigen Tagen an einer Rippenfell- und Lungenentzündung ſchwer erkrankt. Der- ſelbe ſteht in Behandlung des Stadtarztes Dr. Pietſch. Um ſein Beſinden gibt ſich allgemeine Teilnahme kund. * 32 Jahre geſchlafen. Schwediſche Blätter melden, daß am Dienstag eine Dame in Stockholm, Karoline Karlsdatter, die ſeit 32 Jahren ununterbrochen geſchlafen hat, plötzlich erwacht iſt. Mit 13 Jahren verfiel ſie in dieſen Schlaf, um mit 45 Jahren wieder zum erſten Male die Auqen aufzutun. Während der 32 Jahre erfolgte natürlich künſtliche Ernährung, zweimal täglich wurde der Schlafenden konzentrierte Fleiſchbrühe eingeflößt. Die 45jährige Perſon hat ein ältliches Geſicht, ihre Geſtalt iſt aber die eines Kindes geblieben. Die Aerzte glauben übrigens nicht, daß Karoline Karlsdatter am Leben bleibt; ſie erwarten einen neuen Schlafanfall oder ihren Tod. * Entgleiſung des Wien—Lemberger Schnell- zuges. Man telegraphiert uns aus Lemberg vom 21. d.: Der Wien-Lemberger Schnellzug iſt in der Nähe der Station Radymno infolge Bruches einer Eiſen- bahnſchiene entgleiſt, ohne jedoch beſonderen Schaden zu erleiden. Der Zug konnte mit einer vierſtündigen Ver- ſpätung ſeine Weiterfahrt fortſetzen. * Der Gerſthofer Maskenzug. In Gerſthof wurde am geſtrigen Sonntag unter der herkömmlichen Maſſen- beteiligung des Publikums der Faſchingsmaskenzug ab- gehalten. Unter den vielen Typen und Gruppen gefielen beſonders den Zuſchauern zwei Gruppen mit etwas Be- rechtigung für den Titel der Aktualität: die eine verhöhnte den modernen Damenhut mit ſeinen rieſigen Dimenſionen, die andere ſtellte eine Hochzeitsreiſe im Luftballon vor; bemerkenswert iſt, daß dieſe Gruppe vom Preisrichter- kollegium mit dem erſten Preiſe bedacht wurde. Selbſt- verſtändlich wurde mit der glücklich überwundenen Waſſernot viel Ulk getrieben; dann gab es ferner noch Gruppen, wie die „Erſte Wiener Hirnreinigungsanſtalt“ u. dgl. m. * Schneeverwehungen. Aus Lemberg wird unterm Geſtrigen telegraphiert: Infolge der anhaltenden Schneeverwehungen treffen faſt ſämtliche Eiſenbahnzüge aus Stanislau, Czernowitz, Podwolo- czyska und Wien hier mit Verſpätungen ein. Auf den Strecken Lemberg — Jaworow, Lemberg —Kurowice und Borki—Grzymalow, ſowie auf ſämtlichen Kolomeaer Lokalbahnen wurde der Bahn- verkehr gänzlich eingeſtellt. Der Verkehr der hieſigen elektriſchen Stadtbahn kann nur mit Mühe aufrechterhalten werden. Ein Telegramm aus Villach vom Geſtrigen meldet: Wegen andauernden ſtarken Schneefalles wurde der geſamte Verkehr auf der Strecke Eiſenerz—Vordernberg (Markt) wieder eingeſtellt. Aus Kiew wird telegraphiert: Auf den Südweſtbahnen iſt der Güterverkehr infolge Schnee- ſturmes auf einer Strecke von 3000 Werſt ganz eingeſtellt. 20 000 Arbeiter ſind beſchäftigt, die Linien von dem Schnee zu ſäubern. Im Laufe von zwei Tagen ſind dreißig Züge ſtecken geblieben. Einige Züge ſind entgleiſt. Die Billett- ausgabe nach Orten im Süden iſt eingeſtellt. Das Schnee- geſtöber iſt heute ſchwächer. * Schweres Straßenbahnunglück in Neapel. Der Draht meldet aus Neapel vom 21. d. M.: Abends ſtieß ein Wagen mit der zwiſchen Caivano und Capo di Chino verkehrenden elektriſchen Straßenbahn zuſammen. Zwei Perſonen wurden getötet und 27 verletzt; von dieſen liegen drei im Sterben. * Der Prozeß gegen den Mörder Syczinski. Man telegraphiert uns aus Lemberg vom 20. d. M.: Dem Mörder des Statthalters von Galizien Grafen Potocki Myroslaw Syczinski, deſſen Geiſteszuſtand von den Pſychiatern als geſund erklärt wurde, iſt heute vom Unter- ſuchungsrichter LGR. Dr. Berſon der Anklageakt zugeſtellt worden. Falls gegen denſelben kein Rekurs erhoben werden wird, wird der zweite Prozeß gegen Syczinski in der zweiten Hälfte März hier ſtattfinden. * Der myſteriöſe Verwundete. Die anfänglich ſo geheimnisvoll erſcheinende Affäre des Angeſchoſſenen, der am 19. d. M. früh im Einſpänner Nr. 366 bei der Rettungsgeſellſchaft um Hilfe erſuchte, iſt nun endgültig geklärt. Das Stadtkommiſſariat hatte noch am 19. d. M. nachts feſtgeſtellt, daß es ſich um einen planmäßig inſzenierten Ueberfall im Café Ilka Ulrich, Fleiſchmarkt Nr. 6, handle. In dieſem Café war kürzlich der Markfierant Joſef Anetzberger, ein alter Raufbold, wegen Verdachtes des Falſchſpieles mißhandelt worden. Aus dieſem Grunde hatte er am 19. d. M. früh mit dem Kellner Franz Weiß, dem Kutſcher Martin Wultſch und Theodor Mayerhofer und dem Tapezierergehilfen Rudolf Seidler die Einrichtung zu demolieren begonnen und als man ihn energiſch zur Ruhe verwies, mit einem großen Schnappmeſſer gedroht. Aus Notwehr gab der Buchdrucker Joſef Fabritzky vier Revolverſchüſſe ab, deren einer Anetz- berger in den Oberſchenkel traf. Er flüchtete mit den Be- gleitern und fuhr zur Rettungsgeſellſchaft, wo er ſich Pferdehändler Berger nannte und ſich verbinden ließ. Nach- dem nun alle Begleiter Anetzbergers und auch Joſef Fabritzky in Haft waren, iſt am 20. d. auch Anetzberger, der den Spitznamen „der Blaue“ führt und in Hernals, Weißgaſſe 18 wohnt, verhaftet worden. Da nach der Er- hebungen der Ueberfall planmäßig war, wurde die ganze Geſellſchaft wegen Hausfriedenbruches, Fabritzky wegen ſchwerer körperlicher Beſchädigung dem Landesgericht eingeliefert. Möbel. Beſonders günſtige Gelegenheit gut und billig zu möblieren, bietet ſich allen Brautpaaren und Möbelkäufer wegen Ueberſiedlung und Ueberfüllung meiner Magazine. Johann Scheikl & Hainfellner, Wien, 8. Bezirk, Joſefſtädter- ſtraße Nr. 91. Zahlungen nach Uebereikommen, Preiskurant gegen Einſendung 1 Krone. Letzte Telegramme. Der bosniſche Landtag. Sarajevo, 22. September. (Privattelegramm.) Für die Tagung des bosniſch-herzegoviniſchen Landtages werden der Feſtſaal des Rathauſes und eine Reihe von Neben- räumlichkeiten adaptiert. Hier wird der Landtag bis zur Errichtung eines eigenen Landtagsgebäudes ſeine Tagungen abhalten. Türkiſche Kriegsbefürchtungen. Konſtantinopel, 21. Februar. Die Pforte verfolgt die politiſche Situation in Belgrad ſowie die ſerbiſchen und montenegriniſchen Kriegsvorbereitungen mit wachſender Beſorgnis. Die öffentliche Meinung befürchtet, daß ein Krieg mit Serbien nicht lokaliſiert werden und weitere innere und äußere Möglich- keiten für die Türkei zeitigen könnte, wie der ſerbiſche Krieg vom Jahre 1876.

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Benjamin Fiechter, Susanne Haaf: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat). (2018-01-26T13:38:42Z)
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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 53, Wien, 22.02.1909, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost053_1909/4>, abgerufen am 26.12.2024.