Reichspost. Nr. 18, Wien, 22.01.1901.18 Wien, Dienstag Reichspost 22. Jänner 1901 [Spaltenumbruch] Streiflichter. Eine Monstre-Lüge. Durch die Wiener Judenpresse, so viel wir uns "Eine Statistik priesterlicher Verbrecher Nun hat das Stuttgarter "Deutsche Volks- "Was diesen Artikel betrifft, so kann ich mit Diese allgemeine Erklärung des Gewährsmannes Ein Club geschiedener Frauen ist in Wien in Bildung begriffen. Das enthüllt "Genosse" Simon Katzenstein -- offenbar ein unverfälschter rother Semit -- liegt "Es ist lebhaft zu bedauern, daß der Genosse So ergeht es also einem "Genossen", der es Damen-Ringkämpfe sind die neueste Tingel-Tangel-Sensation in Wien. "Die Kämpfe waren sehr harmloser Natur und Wird die Polizei ein -- Einsehen haben? [Spaltenumbruch] Ulrich von Hutten (1488--1533). (Fortsetzung.) Deutsche verrathen Deutschland. Durch Hutten's "Große und überaus wichtige Pläne verfolge ich 18 Wien, Dienſtag Reichspoſt 22. Jänner 1901 [Spaltenumbruch] Streiflichter. Eine Monſtre-Lüge. Durch die Wiener Judenpreſſe, ſo viel wir uns „Eine Statiſtik prieſterlicher Verbrecher Nun hat das Stuttgarter „Deutſche Volks- „Was dieſen Artikel betrifft, ſo kann ich mit Dieſe allgemeine Erklärung des Gewährsmannes Ein Club geſchiedener Frauen iſt in Wien in Bildung begriffen. Das enthüllt „Genoſſe“ Simon Katzenſtein — offenbar ein unverfälſchter rother Semit — liegt „Es iſt lebhaft zu bedauern, daß der Genoſſe So ergeht es alſo einem „Genoſſen“, der es Damen-Ringkämpfe ſind die neueſte Tingel-Tangel-Senſation in Wien. „Die Kämpfe waren ſehr harmloſer Natur und Wird die Polizei ein — Einſehen haben? [Spaltenumbruch] Ulrich von Hutten (1488—1533). (Fortſetzung.) Deutſche verrathen Deutſchland. Durch Hutten’s „Große und überaus wichtige Pläne verfolge ich <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0009" n="9"/> <fw place="top" type="header">18 Wien, Dienſtag Reichspoſt 22. Jänner 1901</fw><lb/> <cb/> <div type="jVarious" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Streiflichter.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Eine Monſtre-Lüge.</hi> </head><lb/> <p>Durch die Wiener Judenpreſſe, ſo viel wir uns<lb/> erinnern, auch durch die jüdiſche „Arbeiter-Zeitung“,<lb/> ging die folgende Notiz:</p><lb/> <p>„Eine <hi rendition="#g">Statiſtik prieſterlicher Verbrecher<lb/> in Italien.</hi> Der ‚Berliner Volkszeitung‘ war kürzlich<lb/> von ihrem römiſchen Correſpondenten geſchrieben<lb/> worden, daß ſeit dem Regierungsantritt des neuen<lb/> Königs <hi rendition="#b">176 Geiſtliche</hi> beſtraft worden ſeien, und<lb/> zwar wegen Verherrlichung des <hi rendition="#g">Königsmordes,</hi><lb/> wegen <hi rendition="#g">Sittlichkeitsvergehens</hi> und <hi rendition="#g">anderer<lb/> gemeiner Verbrechen.</hi> Die ultramontanen Blätter<lb/> waren nun gleich wieder mit dem Vorwurf der „Lüge“<lb/> bei der Hand; das Blatt hat ſich jedoch durch ſeinen<lb/> Correſpondenten beſtätigen laſſen, daß ſeine Angaben<lb/> auf <hi rendition="#g">amtlichen Veröffentlichungen</hi> beruhen; es<lb/> ſchreibt dazu: Die betreffenden <hi rendition="#g">Geiſtlichen</hi> wurden<lb/> verurtheilt: wegen Anſtiftung zum Vatermord und zu<lb/> zehn Meineiden; wegen Anſtiftung zum Verbrechen<lb/> gegen keimendes Leben und Kindermord; wegen Unter-<lb/> drückung und Fälſchung von Teſtamenten; wegen Unter-<lb/> ſchlagung von Gut, Witwen, Waiſen und der Kirche<lb/> gehörig; wegen Entführung und Verführung von<lb/> Minderjährigen; wegen Unzucht mit Kindern; wegen<lb/> Päderaſtie, Sodomie und Blutſchande, und wegen<lb/> Verherrlichung des Königsmordes. Zwei volle Drittel<lb/> dieſer Verurtheilungen entfallen auf ſchwere Sittlich-<lb/> keitsverbrechen und erklären die tiefe Verachtung,<lb/> welche der gebildete Italiener dem „Prete“ tagtäglich<lb/> beweiſt. Die damit zuſammenhängenden Vermögensbe-<lb/> ſchlagnahmen aber ſammt der Sequeſtration der Ge-<lb/> hälter haben die Amtsblätter der Miniſterien für<lb/> Gnade nnd Juſtiz, für öffentlichen Unterricht und des<lb/> Cultus und des Innern mit eintöniger Gewiſſen-<lb/> haftigkeit verzeichnet. Die große Mehrzahl dieſer Ver-<lb/> brechen im Einzelnen genau zu beſchreiben, iſt auch<lb/> ohne <hi rendition="#aq">lex</hi> Heinze nicht angängig. Alle die Verbrechen<lb/> werden jetzt <hi rendition="#g">rückſichtslosveröffentlicht,</hi> während<lb/> die Regierung früher dafür geſorgt hat, daß ſie nicht<lb/> weiter bekannt wurden. Die Tage der Nachſicht, des<lb/> Verſchweigens und Vertuſchens ſcheinen eben vorüber<lb/> zu ſein.“</p><lb/> <p>Nun hat das Stuttgarter <hi rendition="#g">„Deutſche Volks-<lb/> blatt“</hi> darüber in Rom genaue Erkundigungen anſtellen<lb/> laſſen und von ſeinem Gewährsmann folgende Er-<lb/> klärung erhalten:</p><lb/> <p>„Was dieſen Artikel betrifft, ſo kann ich mit<lb/><hi rendition="#g">größter Gewiſſenhaftigkeit</hi> feſtſtellen, daß er<lb/><hi rendition="#g">eine ganz gemeine Lüge</hi> iſt. Dieſe meine Be-<lb/> hauptung beruht auf den genaueſten von mir an-<lb/> geſtellten Nachforſchungen, nicht nur in den verſchiedenen<lb/> vom Correſpondenten der „Berliner Volkszeitung“ an-<lb/> gegebenen <hi rendition="#g">Miniſterien,</hi> ſondern auch bei der<lb/> Direction der italieniſchen <hi rendition="#g">Strafanſtalten</hi> ſowie<lb/> bei der Direction der <hi rendition="#g">Statiſtik.</hi>“</p><lb/> <p>Dieſe allgemeine Erklärung des Gewährsmannes<lb/> des Deutſchen Volksblattes wird von demſelben im<lb/> Einzelnen ſo <hi rendition="#g">eingehend</hi> und ſo <hi rendition="#g">überzeugend</hi><lb/> mit Thatſachen unterſtützt — die betreffenden Aus-<lb/> führungen nehmen zwei Spalten in Anſpruch — daß<lb/> es dem „römiſchen Correſpondenten“ der Berliner<lb/> Volkszeitung nicht möglich ſein wird, dieſelben zu<lb/><hi rendition="#g">widerlegen.</hi> Der betreffende Gewährsmann des<lb/> „Deutſchen Volksblatt“ ſtellt ausdrücklich und jeden-<lb/> falls in vollſtem Bewußtſein der Richtigkeit ſeiner<lb/><cb/> Erkundigungen und Behauptungen an den „römiſchen<lb/> Correſpondenten“ der Berliner Volkszeitung die<lb/><hi rendition="#g">öffentliche Aufforderung,</hi> ſeine Behauptungen<lb/> zu <hi rendition="#g">widerlegen</hi> — aber, „wenn es ihm möglich<lb/> iſt, mit Angabe der Quellen“, indem er die öffent-<lb/> liche Anklage wiederholt, ſein ganzer Bericht ſei eine<lb/><hi rendition="#g">ganz gemeine Lüge.</hi> Wir werden ja nun bald<lb/> ſehen, ob die „Berliner Volkszeitung“ die Wider-<lb/> legung bringen wird und ob unſere Judenpreſſe ein-<lb/> ſchließlich unſerer „Arbeiter-Zeitung“ von dieſer Con-<lb/> ſtatirung dieſer <hi rendition="#g">Monſtre-Lüge</hi> Notiz nehmen wird.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Ein Club geſchiedener Frauen</hi> </head><lb/> <p>iſt in Wien in Bildung begriffen. Das enthüllt<lb/> auch eine Nachtſeite des großſtädtiſchen Lebens.<lb/> Es weiſt hin anf die große Zahl dieſer Ge-<lb/> ſchiedenen und auf die Noth, in der ſie ſich be-<lb/> finden. Es iſt leicht, über dieſe neue Clubgründnng<lb/> zu witzeln. Wir finden in ihr eine ernſte Er-<lb/> ſcheinung und in ihr vorwiegeud den Beweis, daß<lb/> die allgemeine Einführung oder Erleichterung der<lb/> Eheſcheidung in viel größerem Maßſtabe die Zu-<lb/> ſtände herbeiführen würden, die zur Gründung<lb/> dieſes Clubs geführt haben, und daß alle Be-<lb/> ſtrebungen, welches das Band der Ehe feſtigen<lb/> und ihm namentlich den Charakter religiöſer<lb/> Weihe und ſittlicher Verpflichtung erhalten, auch<lb/> dem Wohle der Geſellſchaft und des Frauen-<lb/> geſchlechtes insbeſondere dienen.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">„Genoſſe“ Simon Katzenſtein</hi> </head><lb/> <p>— offenbar ein unverfälſchter rother Semit — liegt<lb/> der Parteileitung der Socialdemokratie ſchwer im<lb/> Magen. Er war derzeit unter dem Chefredacteur der<lb/> rothen „Leipziger Volkszeitung“, Herrn Abg. Dr.<lb/> Schönlank, Mitredacteur Nun hatte das Buchdrucker-<lb/> blatt: „Der Correſpondent“ veröffentlicht: „<hi rendition="#g">Ziel-<lb/> bewußt</hi> ohrfeigte der Chefredacteur der „Leipziger<lb/> Volkszeitung“ ſeinen Mitredacteur.“ Das berichtigte<lb/> nun Simon Katzenſtein im ſelben Blatte dahin, daß<lb/> umgekehrt „<hi rendition="#g">er</hi> den Chefredacteur Dr. Schönlank ge-<lb/> ohrfeigt habe.“ Die Wahrheit wird ſein, daß ſich<lb/> beide „Genoſſen“ in der Redaction brüderlich geohr-<lb/> feigt haben. Jedenfalls erhält Simon Katzenſtein<lb/> nicht dafür vom „Vorwärts“ einen Tadel, weil er<lb/> etwa die Unwahrheit geſagt habe, ſondern nur dafür,<lb/> daß er die <hi rendition="#g">Wahrheit</hi> über die Zuſtände in der<lb/> ſocialdemokratiſchen Redaction und Partei an die<lb/> Oeffentlichkeit gebracht hatte. Der „Vorwärts“ ver-<lb/> öffentlicht nämlich auf Erſuchen „von zuſtändiger<lb/> Seite“ folgenden Ukas gegen den „Genoſſen“ Simon<lb/> Katzenſtein:</p><lb/> <p>„Es iſt lebhaft zu bedauern, daß der Genoſſe<lb/> Katzenſtein die unerquicklichen Vorgänge, die der Streit<lb/> der Leipziger Parteigenoſſen mit dem Buchdrucker-<lb/> verband gezeitigt hat, durch ſein perſönliches Ein-<lb/> greifen in der erwähnten Art noch verſchärfte. So be-<lb/> rechtigt der Unmuth des Genoſſen Katzenſtein gegen<lb/> den Genoſſen Schönlank ſein mag, er hat weder die<lb/> paſſende Form noch den richtigen Ort und Zeitpunkt<lb/> gewählt, um ſeinen Unmuth wegen eines tadelns-<lb/><cb/> werthen Vorganges, der eine Reihe Jahre hinter uns<lb/> liegt, eine vermeintliche Genugthuung zu verſchaffen.<lb/> Genoſſe Katzenſtein weiß, daß in der Partei Inſtanzen<lb/> vorhanden ſind, die ſeiner Zeit von ihm hätten ange-<lb/> rufen werden können. Die Parteigenoſſen ſollten bei<lb/> Geltendmachung ihres Rechts gegen andere Genoſſen<lb/> ſich ſtets vor Angen halten, was ſie der Partei ſchulden,<lb/> zu der zu gehören ſie die Ehre haben, und daß ſie<lb/> nicht durch eine von der Leidenſchaft dictirte Kampf-<lb/> weiſe der Partei Schaden zufügen.“</p><lb/> <p>So ergeht es alſo einem „Genoſſen“, der es<lb/> wagt, über einen „Obergenoſſen“ die <hi rendition="#g">Wahrheit</hi> zu<lb/> ſagen. Simon Katzenſtein wird dies Verbrechen büßen<lb/> müſſen, noch unbekannt wie. <hi rendition="#g">Freiheitspartei</hi> —<lb/> was?!</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Damen-Ringkämpfe</hi> </head><lb/> <p>ſind die neueſte Tingel-Tangel-Senſation in Wien.<lb/> Selbſt in der „N. Fr. Pr.“ wird die Polizei getadelt,<lb/> daß ſie ſolche, auf die <hi rendition="#g">roheſte Sinnlichkeit</hi><lb/> ſpeculirende Schauſtellungen duldet. Wir ſtimmen da<lb/> ſelbſtverſtändlich mit der „N. Fr. Pr.“ ſachlich über-<lb/> ein, ſind aber der Anſicht, daß jene Schauſtellungen<lb/> unſerer gewiſſen Theater und Varietés, die auf die<lb/> ſogenannte <hi rendition="#g">feine</hi> Sinnlichkeit unſerer feineren Lebe-<lb/> welt ſpeculiren und die von der „N. Fr. Pr.“ verherr-<lb/> licht werden, noch weit ſittlich verderblicher wirken<lb/> als dieſe Damen-Ringkämpfe, ſo unwürdig dies<lb/> Schauſpiel auch iſt. Wie es übrigens bei dieſen<lb/> Ringkämpfen zuging, darüber haben die Wiener<lb/> Blätter Folgendes enthüllt:</p><lb/> <p>„Die Kämpfe waren ſehr harmloſer Natur und<lb/> der Impreſario der Ringerinnen hatte bei dem En-<lb/> gagement ſeiner Damen an gar keine ſportliche Veran-<lb/> ſtaltung gedacht, da es ſich ja lediglich um einſtudirte<lb/> Poſen handelte, bei denen bald dieſe, bald jene Dame<lb/> die Oberhand gewinnen ſollte. Der Impreſario mußte<lb/> vorher unterſchreiben, daß er auf die Auszahlung der<lb/> Preiſe von 3000, 2000 und 1000 <hi rendition="#aq">K</hi> im Namen ſeiner<lb/> Mitglieder unbedingt Verzicht leiſte; der Preis ſei nur<lb/> Formſache: In Wirklichkeit beſtand der erſte und zweite<lb/> Preis aus Goldſtücken im Werthe von 10 und 5 <hi rendition="#aq">K,</hi><lb/> der dritte aus einem Silbergulden mit Inſchrift. Die<lb/> Direction des Etabliſſements verlangte aber plötzlich<lb/> einen ſportlich correcten Wettkampf. Die Damen<lb/> mußten ſich fügen, wenn ſie das Engagement nicht<lb/> verlieren wollten, und die Folge dieſer Maßnahme<lb/> war, daß von nun ab ehrlich gerungen, das heißt<lb/> ehrlich gerauft wurde. Nach Beendigung des Ring-<lb/> kampfes fielen die Damen hinter der Scene völlig erſchöpft<lb/> zu Boden. Der Arzt conſtatirte ſchwere Ohnmachtsfälle,<lb/> ſtark blutende Wunden mußten verbunden werden,<lb/> und die Bühne des Coloſſeums glich nach Schluß dieſe<supplied>r</supplied><lb/> beſonders wirkungvollen Variéténummer einem Lazaret<supplied>te</supplied><lb/> Meiſt wurden die Raufereien auch noch hinter dem<lb/> Vorhang fortgeſetzt ... Schließlich wurde die Sache<lb/> den Ringkämpferinnen ſelbſt zu gefährlich, und ein<lb/> Theil von ihnen bat den Director, die Sache doch nicht<lb/> ſo ernſt aufzufaſſen und zum Scheinringkampf, für den<lb/> ſie ja lediglich engagirt wurden, zurückkehren. Im<lb/> Intereſſe eines correcten Endreſultates konnte jedoch<lb/> dieſem Erſuchen nicht nachgekommen werden. Nun<lb/> aber erhob der Impreſario Proteſt gegen dieſe Umge-<lb/> ſtaltung des Contracts, und da er damit kein Reſultat<lb/> erzielte, wird er bei der Polizeidirection die Siſtirung<lb/> dieſer gefährlichen Variéténummer erwirken.“</p><lb/> <p>Wird die Polizei ein — <hi rendition="#g">Einſehen</hi> haben?</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> </div> </div> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="hutten1" next="#hutten2" type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Ulrich von Hutten (1488—1533).</hi> </head><lb/> <byline>Vortrag gehalten im katholiſchen Handels-Caſino von<lb/><hi rendition="#b">Joh. M. Stöber</hi><lb/> f.-e. Curprieſter und geiſtlicher Präfect<lb/> des kath. Handelscaſino.</byline><lb/> <p> <ref> <hi rendition="#c">(Fortſetzung.)</hi> </ref> </p><lb/> <p>Deutſche verrathen Deutſchland. Durch Hutten’s<lb/> Vermittlung gab Albrecht gerade um 1518 dem<lb/> franzöſiſchen Könige ein ſchriftliches Wahlverſprechen.<lb/> (Janſſen 1. 574 2. 94). Das war die urdeutſche Ge-<lb/> ſinnung Hutten’s, ſeine Treue und Wahrhaftigkeit, die<lb/> er heuchelt um dieſelbe Zeit in einem Sendſchreiben<lb/> an die deutſchen Fürſten, in welchem er aus<supplied>uf</supplied>t <hi rendition="#aq">„Nisi<lb/> resipiscamus nihil est in Germania G<supplied>erm</supplied>anum“</hi><lb/> (Böcking 5. 110). Zur Beurtheilung des jungen<lb/> Albrecht von Brandenburg genüge, daß er die ſcho-<lb/> laſtiſche Theologie, die er übrigens gar nicht kannte,<lb/> als Barbarei haßte, daß Freigeiſter und Religionsſpötter<lb/> an ſeinem Hofe das große Wort führten. Dieſer<lb/> Albrecht bezeichnete noch 1519 den ſchmutzigen Hutten<lb/> als ſeinen Freund, den er liebe, obgleich dieſer ſchon<lb/> mehrere wüthende Schriften gegen Rom veröffentlicht<lb/> hatte. (<hi rendition="#aq">vide</hi> G. G. Evers Martin Luther. Mainz<lb/><hi rendition="#aq">I.</hi> 161. 165. 1883.) Dabei war Hutten von beiſpiel-<lb/> loſem Selbſtgefühle und Hochmuthe. So ſchrieb er in<lb/> ſeinem Lebensprogramme, „er wolle über ſeinen<lb/> Studien nicht verſäumen, ſeinen angeborenen Adel durch<lb/> perſönliches Verdienſt ſich erſt wahrhaft anzueignen, den<lb/> Ruhm ſeiner Familie zu vermehren; er rechne bei ſeinem<lb/> Plane auf das Glück“. — „Unterdeſſen,“ meint er,<lb/> „wollen wir das Holz der Palme nachahmen, indem<lb/> wir umſo beharrlicher emporſtreben und gegen die<lb/> läſtigen Unterdrücker mit unbeugſamer Hartnäckigkeit<lb/> uns erheben, je ſchwerer uns jene aufliegen.“<lb/> (Strauß 1. 323—330.) Kurz vorher hatte er gelegent-<lb/> lich des Reichstages ſeine Türkenrede erſcheinen laſſen.<lb/><hi rendition="#aq">(Ad Principes Germaniae, ut bellum Turcis inve-<lb/> hant, exhortatio.)</hi> Darin fordert Hutten, der gerade<lb/> mit dem franzöſiſchen König gegen den Kaiſer unter-<lb/> handelt, die deutſchen Fürſten auf, deutſch zu ſein<lb/> gegen das Oberhaupt der Kirche, und darin zugleich<lb/> richtet er böswillige Angriffe gegen die deutſchen<lb/><cb/> Fürſten. Hutten’s Briefe ſind die eines Revolutionärs.<lb/> So ſchreibt er 13. Jänner 1517: „Längſt wird ein<lb/> Brand vorbereitet, der zur rechten Zeit aufflammen<lb/> ſoll.“ Hutten ſchnitt einmal zwei Dominikanern die<lb/> Ohren ab. Strauß zählt das zu den „kleinen Ritter-<lb/> ſtreichen“, wodurch Hutten ſich ſchadlos hielt für die<lb/> Unmöglichkeit „im Großen“ zu wirken. (Strauß, Ulrich<lb/> von Hutten 2. 240.) Er iſt der Haupturheber der Ver-<lb/> ſchwörung des Ritteraufſtandes. Mit Recht nennt Janſſen<lb/> ihn den leidenſchaftlichſten und zugleich begabteſten unter<lb/> jenen Anarchiſten, die es damals auf einen wilden<lb/> Umſturz abgeſehen hatten. Seine Sprache gleicht der<lb/> des verzweifelten Communards. Den Raubritter-<lb/> häuptling Franz v. Sickingen nennt er einen Mann,<lb/> wie ihn Deutſchland lange nicht gehabt. „Was wir<lb/> vorhaben,“ ſchreibt Hutten in einem Briefe (Böcking<lb/> 1. 383—399), „wird nicht ohne Mord und Blul-<lb/> vergießen geſchehen.“ Und in einem anderen Brief<lb/> ſagt er ausdrücklich, „daß er mit ſeinen Schriften<lb/> auf den Umſturz aller beſtehenden Ordnung hin-<lb/> arbeite“. Böcking 1. 374: <hi rendition="#aq">Fateor hoc mo scriptis<lb/> conatum efficere, ut hic vertatur rerum orbis.</hi> </p><lb/> <p>„Große und überaus wichtige Pläne verfolge ich<lb/> mit Sickingen,“ ſchrieb er an Melanchthon (Hutten<lb/> an Melanchthon 1520 Böcking 1. 324). Ich hoffe, es<lb/> wird ein übles Ende nehmen mit den Barbaren und<lb/> mit Allen, die das römiſche Joch über uns bringen.“<lb/> Meine Dialoge: „Die römiſche Dreiheit“ und „Die<lb/> „Anſchauenden“ befinden ſich unter der Preſſe.“ (<hi rendition="#aq">„Va-<lb/> discus“</hi> oder <hi rendition="#aq">„Trias Romana“, „Inspicientes“,</hi> wo<lb/> die laſterhafteſten Anſchuldigungen mit der frechſten<lb/> Läſterzunge gehäuft werden.) „Sie reden eine wunder-<lb/> bar freie Sprache gegen den Papſt und die Ausſauger<lb/> Deutſchlands.“ „Gegen das Gift,“ ſagt Hutten im<lb/> erſten Dialoge, „aus dem Herzen des Papſtes<lb/> gebe es keine Arznei, der Papſt iſt ein Bandit<lb/> und die Rotte dieſes Banditen heißt Kirche.<lb/> Was ſäumen wir noch? Hat denn Deutſchland<lb/> keine Ehre? Hat es kein Feuer? Haben es die<lb/> Deutſchen nicht, ſo werden es die Türken haben.<lb/> Rom iſt der Sumpf aller Unreinigkeit, die Pfütze der<lb/> Ruchloſigkeit, der unerſchöpfliche Pfuhl des Böſen und<lb/> zn ſeiner Zerſtörung ſollte man nicht von allen Seiten<lb/><cb/> zuſammenlaufen? Nicht mit Feuer und Schwert los-<lb/> brechen? Werden da die Deutſchen nicht zu den<lb/> Waffen greifen, nicht mit Feuer und Schwert an-<lb/> ſtürmen? (Janſſen 2. 97—98, Strauß Geſpräche<lb/> 98—183.) Dieſen Schriften folgte ein Opus nament-<lb/> lich gegen den Erzbiſchof gerichtet: <hi rendition="#aq">De schismate<lb/> extinguendo et vera ecclesiastica libertate adserenda.</hi><lb/> In einem anderen Briefe: „100.000 Mann ſehe ich,<lb/> an ihrer Spitze mein Gaſtfreund Franz (von Sickingen),<lb/> den Göttern Dank! Deutſchland hat ſich ſeiner ſelbſt<lb/> erinnert und will frei ſein.“ (Strauß U. v. H. 3<lb/> 259.—60.) Man bedenke die ſociale Gährung, die<lb/> durch Luther’s Auftreten bereits in Deutſchland Platz<lb/> gegriffen hatte. „Den Pfaffen, der allerruchloſeſten<lb/> „Räuberbande“, ſollten „zur Förderung der Frömmig-<lb/> keit“ die Laſt des Reichthumes abgenommen,<lb/> alles Gold und Silber in der Kirche ſollte ein-<lb/> geſchmolzen, die Edelſteine verkauft und mit dem<lb/> Geſammterlös Kriegsheere unterhalten werden.<lb/> So wirkte Hutten auf Sickingen ein. Wir bemerken<lb/> hier denen gegenüber, die ſo gerne über das Aus-<lb/> ſaugen Dentſchlands durch Rom entrüſtet thun, was<lb/> Luther ſagt (an den chriſtlichen Adel, ſämmtl. Werke<lb/> 21. 295): „Ja, es meinen etlichen, daß jährlich mehr<lb/> denn 300.000 Gulden aus Deutſchland gen Rom<lb/> kommen.“ Wahrlich eine kleine Summe gegenüber<lb/> Sickingeu, der durch einen einzigen Raubzug in den<lb/> Winkel eines Staates fünfmal ſo viel Schaden an-<lb/> richtete, ſagt mit Recht J. Niemöller. Hutten kam<lb/> es weſentlich darauf an, dem verweltlichten Charakter<lb/> der Kirche ein Ende zu machen, ſagt Ullmann<lb/> (S. 179). Ja, die Kirche in Deutſchland war ſehr<lb/> reich und alle feindſeligen Elemente hofften<lb/> auf irdiſchen Profit. „Alle dem geiſtlichen<lb/> Stande feindlich geſinnten und auf Raub ausgehen-<lb/> den Deutſchen, ſo ſchrieb man ſchon im December<lb/> 1520, hoffen durch Luther eine Gelegenheit zu er-<lb/> langen, dieſen verhaßten und wohlhabenden Stand<lb/> umzuſtürzen (Janſſen 2. 117). Nur aus dieſem<lb/> Grund ſchloß ſich Hutten an Luther an. Um ſicherer<lb/> zu ſein, ging er zuerſt zu Sickingen nach Landſtuhl<lb/> und dann auf die Ebernburg. Hutten’s Umſturz-<lb/> agitation hatte großen Erfolg. „Fürchte Dich</p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [9/0009]
18 Wien, Dienſtag Reichspoſt 22. Jänner 1901
Streiflichter.
Eine Monſtre-Lüge.
Durch die Wiener Judenpreſſe, ſo viel wir uns
erinnern, auch durch die jüdiſche „Arbeiter-Zeitung“,
ging die folgende Notiz:
„Eine Statiſtik prieſterlicher Verbrecher
in Italien. Der ‚Berliner Volkszeitung‘ war kürzlich
von ihrem römiſchen Correſpondenten geſchrieben
worden, daß ſeit dem Regierungsantritt des neuen
Königs 176 Geiſtliche beſtraft worden ſeien, und
zwar wegen Verherrlichung des Königsmordes,
wegen Sittlichkeitsvergehens und anderer
gemeiner Verbrechen. Die ultramontanen Blätter
waren nun gleich wieder mit dem Vorwurf der „Lüge“
bei der Hand; das Blatt hat ſich jedoch durch ſeinen
Correſpondenten beſtätigen laſſen, daß ſeine Angaben
auf amtlichen Veröffentlichungen beruhen; es
ſchreibt dazu: Die betreffenden Geiſtlichen wurden
verurtheilt: wegen Anſtiftung zum Vatermord und zu
zehn Meineiden; wegen Anſtiftung zum Verbrechen
gegen keimendes Leben und Kindermord; wegen Unter-
drückung und Fälſchung von Teſtamenten; wegen Unter-
ſchlagung von Gut, Witwen, Waiſen und der Kirche
gehörig; wegen Entführung und Verführung von
Minderjährigen; wegen Unzucht mit Kindern; wegen
Päderaſtie, Sodomie und Blutſchande, und wegen
Verherrlichung des Königsmordes. Zwei volle Drittel
dieſer Verurtheilungen entfallen auf ſchwere Sittlich-
keitsverbrechen und erklären die tiefe Verachtung,
welche der gebildete Italiener dem „Prete“ tagtäglich
beweiſt. Die damit zuſammenhängenden Vermögensbe-
ſchlagnahmen aber ſammt der Sequeſtration der Ge-
hälter haben die Amtsblätter der Miniſterien für
Gnade nnd Juſtiz, für öffentlichen Unterricht und des
Cultus und des Innern mit eintöniger Gewiſſen-
haftigkeit verzeichnet. Die große Mehrzahl dieſer Ver-
brechen im Einzelnen genau zu beſchreiben, iſt auch
ohne lex Heinze nicht angängig. Alle die Verbrechen
werden jetzt rückſichtslosveröffentlicht, während
die Regierung früher dafür geſorgt hat, daß ſie nicht
weiter bekannt wurden. Die Tage der Nachſicht, des
Verſchweigens und Vertuſchens ſcheinen eben vorüber
zu ſein.“
Nun hat das Stuttgarter „Deutſche Volks-
blatt“ darüber in Rom genaue Erkundigungen anſtellen
laſſen und von ſeinem Gewährsmann folgende Er-
klärung erhalten:
„Was dieſen Artikel betrifft, ſo kann ich mit
größter Gewiſſenhaftigkeit feſtſtellen, daß er
eine ganz gemeine Lüge iſt. Dieſe meine Be-
hauptung beruht auf den genaueſten von mir an-
geſtellten Nachforſchungen, nicht nur in den verſchiedenen
vom Correſpondenten der „Berliner Volkszeitung“ an-
gegebenen Miniſterien, ſondern auch bei der
Direction der italieniſchen Strafanſtalten ſowie
bei der Direction der Statiſtik.“
Dieſe allgemeine Erklärung des Gewährsmannes
des Deutſchen Volksblattes wird von demſelben im
Einzelnen ſo eingehend und ſo überzeugend
mit Thatſachen unterſtützt — die betreffenden Aus-
führungen nehmen zwei Spalten in Anſpruch — daß
es dem „römiſchen Correſpondenten“ der Berliner
Volkszeitung nicht möglich ſein wird, dieſelben zu
widerlegen. Der betreffende Gewährsmann des
„Deutſchen Volksblatt“ ſtellt ausdrücklich und jeden-
falls in vollſtem Bewußtſein der Richtigkeit ſeiner
Erkundigungen und Behauptungen an den „römiſchen
Correſpondenten“ der Berliner Volkszeitung die
öffentliche Aufforderung, ſeine Behauptungen
zu widerlegen — aber, „wenn es ihm möglich
iſt, mit Angabe der Quellen“, indem er die öffent-
liche Anklage wiederholt, ſein ganzer Bericht ſei eine
ganz gemeine Lüge. Wir werden ja nun bald
ſehen, ob die „Berliner Volkszeitung“ die Wider-
legung bringen wird und ob unſere Judenpreſſe ein-
ſchließlich unſerer „Arbeiter-Zeitung“ von dieſer Con-
ſtatirung dieſer Monſtre-Lüge Notiz nehmen wird.
Ein Club geſchiedener Frauen
iſt in Wien in Bildung begriffen. Das enthüllt
auch eine Nachtſeite des großſtädtiſchen Lebens.
Es weiſt hin anf die große Zahl dieſer Ge-
ſchiedenen und auf die Noth, in der ſie ſich be-
finden. Es iſt leicht, über dieſe neue Clubgründnng
zu witzeln. Wir finden in ihr eine ernſte Er-
ſcheinung und in ihr vorwiegeud den Beweis, daß
die allgemeine Einführung oder Erleichterung der
Eheſcheidung in viel größerem Maßſtabe die Zu-
ſtände herbeiführen würden, die zur Gründung
dieſes Clubs geführt haben, und daß alle Be-
ſtrebungen, welches das Band der Ehe feſtigen
und ihm namentlich den Charakter religiöſer
Weihe und ſittlicher Verpflichtung erhalten, auch
dem Wohle der Geſellſchaft und des Frauen-
geſchlechtes insbeſondere dienen.
„Genoſſe“ Simon Katzenſtein
— offenbar ein unverfälſchter rother Semit — liegt
der Parteileitung der Socialdemokratie ſchwer im
Magen. Er war derzeit unter dem Chefredacteur der
rothen „Leipziger Volkszeitung“, Herrn Abg. Dr.
Schönlank, Mitredacteur Nun hatte das Buchdrucker-
blatt: „Der Correſpondent“ veröffentlicht: „Ziel-
bewußt ohrfeigte der Chefredacteur der „Leipziger
Volkszeitung“ ſeinen Mitredacteur.“ Das berichtigte
nun Simon Katzenſtein im ſelben Blatte dahin, daß
umgekehrt „er den Chefredacteur Dr. Schönlank ge-
ohrfeigt habe.“ Die Wahrheit wird ſein, daß ſich
beide „Genoſſen“ in der Redaction brüderlich geohr-
feigt haben. Jedenfalls erhält Simon Katzenſtein
nicht dafür vom „Vorwärts“ einen Tadel, weil er
etwa die Unwahrheit geſagt habe, ſondern nur dafür,
daß er die Wahrheit über die Zuſtände in der
ſocialdemokratiſchen Redaction und Partei an die
Oeffentlichkeit gebracht hatte. Der „Vorwärts“ ver-
öffentlicht nämlich auf Erſuchen „von zuſtändiger
Seite“ folgenden Ukas gegen den „Genoſſen“ Simon
Katzenſtein:
„Es iſt lebhaft zu bedauern, daß der Genoſſe
Katzenſtein die unerquicklichen Vorgänge, die der Streit
der Leipziger Parteigenoſſen mit dem Buchdrucker-
verband gezeitigt hat, durch ſein perſönliches Ein-
greifen in der erwähnten Art noch verſchärfte. So be-
rechtigt der Unmuth des Genoſſen Katzenſtein gegen
den Genoſſen Schönlank ſein mag, er hat weder die
paſſende Form noch den richtigen Ort und Zeitpunkt
gewählt, um ſeinen Unmuth wegen eines tadelns-
werthen Vorganges, der eine Reihe Jahre hinter uns
liegt, eine vermeintliche Genugthuung zu verſchaffen.
Genoſſe Katzenſtein weiß, daß in der Partei Inſtanzen
vorhanden ſind, die ſeiner Zeit von ihm hätten ange-
rufen werden können. Die Parteigenoſſen ſollten bei
Geltendmachung ihres Rechts gegen andere Genoſſen
ſich ſtets vor Angen halten, was ſie der Partei ſchulden,
zu der zu gehören ſie die Ehre haben, und daß ſie
nicht durch eine von der Leidenſchaft dictirte Kampf-
weiſe der Partei Schaden zufügen.“
So ergeht es alſo einem „Genoſſen“, der es
wagt, über einen „Obergenoſſen“ die Wahrheit zu
ſagen. Simon Katzenſtein wird dies Verbrechen büßen
müſſen, noch unbekannt wie. Freiheitspartei —
was?!
Damen-Ringkämpfe
ſind die neueſte Tingel-Tangel-Senſation in Wien.
Selbſt in der „N. Fr. Pr.“ wird die Polizei getadelt,
daß ſie ſolche, auf die roheſte Sinnlichkeit
ſpeculirende Schauſtellungen duldet. Wir ſtimmen da
ſelbſtverſtändlich mit der „N. Fr. Pr.“ ſachlich über-
ein, ſind aber der Anſicht, daß jene Schauſtellungen
unſerer gewiſſen Theater und Varietés, die auf die
ſogenannte feine Sinnlichkeit unſerer feineren Lebe-
welt ſpeculiren und die von der „N. Fr. Pr.“ verherr-
licht werden, noch weit ſittlich verderblicher wirken
als dieſe Damen-Ringkämpfe, ſo unwürdig dies
Schauſpiel auch iſt. Wie es übrigens bei dieſen
Ringkämpfen zuging, darüber haben die Wiener
Blätter Folgendes enthüllt:
„Die Kämpfe waren ſehr harmloſer Natur und
der Impreſario der Ringerinnen hatte bei dem En-
gagement ſeiner Damen an gar keine ſportliche Veran-
ſtaltung gedacht, da es ſich ja lediglich um einſtudirte
Poſen handelte, bei denen bald dieſe, bald jene Dame
die Oberhand gewinnen ſollte. Der Impreſario mußte
vorher unterſchreiben, daß er auf die Auszahlung der
Preiſe von 3000, 2000 und 1000 K im Namen ſeiner
Mitglieder unbedingt Verzicht leiſte; der Preis ſei nur
Formſache: In Wirklichkeit beſtand der erſte und zweite
Preis aus Goldſtücken im Werthe von 10 und 5 K,
der dritte aus einem Silbergulden mit Inſchrift. Die
Direction des Etabliſſements verlangte aber plötzlich
einen ſportlich correcten Wettkampf. Die Damen
mußten ſich fügen, wenn ſie das Engagement nicht
verlieren wollten, und die Folge dieſer Maßnahme
war, daß von nun ab ehrlich gerungen, das heißt
ehrlich gerauft wurde. Nach Beendigung des Ring-
kampfes fielen die Damen hinter der Scene völlig erſchöpft
zu Boden. Der Arzt conſtatirte ſchwere Ohnmachtsfälle,
ſtark blutende Wunden mußten verbunden werden,
und die Bühne des Coloſſeums glich nach Schluß dieſer
beſonders wirkungvollen Variéténummer einem Lazarette
Meiſt wurden die Raufereien auch noch hinter dem
Vorhang fortgeſetzt ... Schließlich wurde die Sache
den Ringkämpferinnen ſelbſt zu gefährlich, und ein
Theil von ihnen bat den Director, die Sache doch nicht
ſo ernſt aufzufaſſen und zum Scheinringkampf, für den
ſie ja lediglich engagirt wurden, zurückkehren. Im
Intereſſe eines correcten Endreſultates konnte jedoch
dieſem Erſuchen nicht nachgekommen werden. Nun
aber erhob der Impreſario Proteſt gegen dieſe Umge-
ſtaltung des Contracts, und da er damit kein Reſultat
erzielte, wird er bei der Polizeidirection die Siſtirung
dieſer gefährlichen Variéténummer erwirken.“
Wird die Polizei ein — Einſehen haben?
Ulrich von Hutten (1488—1533).
Vortrag gehalten im katholiſchen Handels-Caſino von
Joh. M. Stöber
f.-e. Curprieſter und geiſtlicher Präfect
des kath. Handelscaſino.
(Fortſetzung.)
Deutſche verrathen Deutſchland. Durch Hutten’s
Vermittlung gab Albrecht gerade um 1518 dem
franzöſiſchen Könige ein ſchriftliches Wahlverſprechen.
(Janſſen 1. 574 2. 94). Das war die urdeutſche Ge-
ſinnung Hutten’s, ſeine Treue und Wahrhaftigkeit, die
er heuchelt um dieſelbe Zeit in einem Sendſchreiben
an die deutſchen Fürſten, in welchem er ausuft „Nisi
resipiscamus nihil est in Germania Germanum“
(Böcking 5. 110). Zur Beurtheilung des jungen
Albrecht von Brandenburg genüge, daß er die ſcho-
laſtiſche Theologie, die er übrigens gar nicht kannte,
als Barbarei haßte, daß Freigeiſter und Religionsſpötter
an ſeinem Hofe das große Wort führten. Dieſer
Albrecht bezeichnete noch 1519 den ſchmutzigen Hutten
als ſeinen Freund, den er liebe, obgleich dieſer ſchon
mehrere wüthende Schriften gegen Rom veröffentlicht
hatte. (vide G. G. Evers Martin Luther. Mainz
I. 161. 165. 1883.) Dabei war Hutten von beiſpiel-
loſem Selbſtgefühle und Hochmuthe. So ſchrieb er in
ſeinem Lebensprogramme, „er wolle über ſeinen
Studien nicht verſäumen, ſeinen angeborenen Adel durch
perſönliches Verdienſt ſich erſt wahrhaft anzueignen, den
Ruhm ſeiner Familie zu vermehren; er rechne bei ſeinem
Plane auf das Glück“. — „Unterdeſſen,“ meint er,
„wollen wir das Holz der Palme nachahmen, indem
wir umſo beharrlicher emporſtreben und gegen die
läſtigen Unterdrücker mit unbeugſamer Hartnäckigkeit
uns erheben, je ſchwerer uns jene aufliegen.“
(Strauß 1. 323—330.) Kurz vorher hatte er gelegent-
lich des Reichstages ſeine Türkenrede erſcheinen laſſen.
(Ad Principes Germaniae, ut bellum Turcis inve-
hant, exhortatio.) Darin fordert Hutten, der gerade
mit dem franzöſiſchen König gegen den Kaiſer unter-
handelt, die deutſchen Fürſten auf, deutſch zu ſein
gegen das Oberhaupt der Kirche, und darin zugleich
richtet er böswillige Angriffe gegen die deutſchen
Fürſten. Hutten’s Briefe ſind die eines Revolutionärs.
So ſchreibt er 13. Jänner 1517: „Längſt wird ein
Brand vorbereitet, der zur rechten Zeit aufflammen
ſoll.“ Hutten ſchnitt einmal zwei Dominikanern die
Ohren ab. Strauß zählt das zu den „kleinen Ritter-
ſtreichen“, wodurch Hutten ſich ſchadlos hielt für die
Unmöglichkeit „im Großen“ zu wirken. (Strauß, Ulrich
von Hutten 2. 240.) Er iſt der Haupturheber der Ver-
ſchwörung des Ritteraufſtandes. Mit Recht nennt Janſſen
ihn den leidenſchaftlichſten und zugleich begabteſten unter
jenen Anarchiſten, die es damals auf einen wilden
Umſturz abgeſehen hatten. Seine Sprache gleicht der
des verzweifelten Communards. Den Raubritter-
häuptling Franz v. Sickingen nennt er einen Mann,
wie ihn Deutſchland lange nicht gehabt. „Was wir
vorhaben,“ ſchreibt Hutten in einem Briefe (Böcking
1. 383—399), „wird nicht ohne Mord und Blul-
vergießen geſchehen.“ Und in einem anderen Brief
ſagt er ausdrücklich, „daß er mit ſeinen Schriften
auf den Umſturz aller beſtehenden Ordnung hin-
arbeite“. Böcking 1. 374: Fateor hoc mo scriptis
conatum efficere, ut hic vertatur rerum orbis.
„Große und überaus wichtige Pläne verfolge ich
mit Sickingen,“ ſchrieb er an Melanchthon (Hutten
an Melanchthon 1520 Böcking 1. 324). Ich hoffe, es
wird ein übles Ende nehmen mit den Barbaren und
mit Allen, die das römiſche Joch über uns bringen.“
Meine Dialoge: „Die römiſche Dreiheit“ und „Die
„Anſchauenden“ befinden ſich unter der Preſſe.“ („Va-
discus“ oder „Trias Romana“, „Inspicientes“, wo
die laſterhafteſten Anſchuldigungen mit der frechſten
Läſterzunge gehäuft werden.) „Sie reden eine wunder-
bar freie Sprache gegen den Papſt und die Ausſauger
Deutſchlands.“ „Gegen das Gift,“ ſagt Hutten im
erſten Dialoge, „aus dem Herzen des Papſtes
gebe es keine Arznei, der Papſt iſt ein Bandit
und die Rotte dieſes Banditen heißt Kirche.
Was ſäumen wir noch? Hat denn Deutſchland
keine Ehre? Hat es kein Feuer? Haben es die
Deutſchen nicht, ſo werden es die Türken haben.
Rom iſt der Sumpf aller Unreinigkeit, die Pfütze der
Ruchloſigkeit, der unerſchöpfliche Pfuhl des Böſen und
zn ſeiner Zerſtörung ſollte man nicht von allen Seiten
zuſammenlaufen? Nicht mit Feuer und Schwert los-
brechen? Werden da die Deutſchen nicht zu den
Waffen greifen, nicht mit Feuer und Schwert an-
ſtürmen? (Janſſen 2. 97—98, Strauß Geſpräche
98—183.) Dieſen Schriften folgte ein Opus nament-
lich gegen den Erzbiſchof gerichtet: De schismate
extinguendo et vera ecclesiastica libertate adserenda.
In einem anderen Briefe: „100.000 Mann ſehe ich,
an ihrer Spitze mein Gaſtfreund Franz (von Sickingen),
den Göttern Dank! Deutſchland hat ſich ſeiner ſelbſt
erinnert und will frei ſein.“ (Strauß U. v. H. 3
259.—60.) Man bedenke die ſociale Gährung, die
durch Luther’s Auftreten bereits in Deutſchland Platz
gegriffen hatte. „Den Pfaffen, der allerruchloſeſten
„Räuberbande“, ſollten „zur Förderung der Frömmig-
keit“ die Laſt des Reichthumes abgenommen,
alles Gold und Silber in der Kirche ſollte ein-
geſchmolzen, die Edelſteine verkauft und mit dem
Geſammterlös Kriegsheere unterhalten werden.
So wirkte Hutten auf Sickingen ein. Wir bemerken
hier denen gegenüber, die ſo gerne über das Aus-
ſaugen Dentſchlands durch Rom entrüſtet thun, was
Luther ſagt (an den chriſtlichen Adel, ſämmtl. Werke
21. 295): „Ja, es meinen etlichen, daß jährlich mehr
denn 300.000 Gulden aus Deutſchland gen Rom
kommen.“ Wahrlich eine kleine Summe gegenüber
Sickingeu, der durch einen einzigen Raubzug in den
Winkel eines Staates fünfmal ſo viel Schaden an-
richtete, ſagt mit Recht J. Niemöller. Hutten kam
es weſentlich darauf an, dem verweltlichten Charakter
der Kirche ein Ende zu machen, ſagt Ullmann
(S. 179). Ja, die Kirche in Deutſchland war ſehr
reich und alle feindſeligen Elemente hofften
auf irdiſchen Profit. „Alle dem geiſtlichen
Stande feindlich geſinnten und auf Raub ausgehen-
den Deutſchen, ſo ſchrieb man ſchon im December
1520, hoffen durch Luther eine Gelegenheit zu er-
langen, dieſen verhaßten und wohlhabenden Stand
umzuſtürzen (Janſſen 2. 117). Nur aus dieſem
Grund ſchloß ſich Hutten an Luther an. Um ſicherer
zu ſein, ging er zuerſt zu Sickingen nach Landſtuhl
und dann auf die Ebernburg. Hutten’s Umſturz-
agitation hatte großen Erfolg. „Fürchte Dich
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Benjamin Fiechter, Susanne Haaf: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat).
(2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.
(2018-01-26T13:38:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung.
(2018-01-26T13:38:42Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: keine Angabe; Silbentrennung: keine Angabe; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: keine Angabe;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |