Reichspost. Nr. 3, Wien, 04.01.1901.Wien, Freitag Reichspost 4. Jänner 1901 3 [Spaltenumbruch] sagte: "Vor Allem verwahre ich Bayern gegen den Jungczechische Geständnisse. Letzten Sonntag ist es dem jungezechischen selbe selbst das Zeichen zum allgemeinen Hofer hatte geendet. Das allgemeine Beifalls- "Mensch, wie können Sie sich unterstehen, mit Wir würden entmenschte Scheusale sein, wollten [Spaltenumbruch] genommen und einen großen Sturm entfacht, Mit diesen Worten hat Herr Dr. Fort den ganzen Politische Rundschau. Oesterreich-Ungarn. Wien, 3. Jänner. Baron Hildprandt, dem seitens der Stra- Aus der christlich-socialen Partei. Der Katholische Volkspartei und Mehrheit. Das Linzer conservative Blatt, das öfters von Dr. Deutsches Reich. Der deutsche Kaiser hielt am 1. Jänner keine Vom Grafen Posadowsky, Staatssecretär Italien. Der Papst als Schiedsrichter. Wie aus Spanien. Die Ministerkrisis dürfte vorläufig nicht zum Australien. Vom australischen Staatenbund. Die Gemeindezeitung. Vicebürgermeister Strobach befindet sich Stadtregulirung. Stadtrath Dr. Mayreder Ueberreichung von Salvatormedaillen. Bür- Wien, Freitag Reichspoſt 4. Jänner 1901 3 [Spaltenumbruch] ſagte: „Vor Allem verwahre ich Bayern gegen den Jungczechiſche Geſtändniſſe. Letzten Sonntag iſt es dem jungezechiſchen ſelbe ſelbſt das Zeichen zum allgemeinen Hofer hatte geendet. Das allgemeine Beifalls- „Menſch, wie können Sie ſich unterſtehen, mit Wir würden entmenſchte Scheuſale ſein, wollten [Spaltenumbruch] genommen und einen großen Sturm entfacht, Mit dieſen Worten hat Herr Dr. Fořt den ganzen Politiſche Rundſchau. Oeſterreich-Ungarn. Wien, 3. Jänner. Baron Hildprandt, dem ſeitens der Stra- Aus der chriſtlich-ſocialen Partei. Der Katholiſche Volkspartei und Mehrheit. Das Linzer conſervative Blatt, das öfters von Dr. Deutſches Reich. Der deutſche Kaiſer hielt am 1. Jänner keine Vom Grafen Poſadowsky, Staatsſecretär Italien. Der Papſt als Schiedsrichter. Wie aus Spanien. Die Miniſterkriſis dürfte vorläufig nicht zum Auſtralien. Vom auſtraliſchen Staatenbund. Die Gemeindezeitung. Vicebürgermeiſter Strobach befindet ſich Stadtregulirung. Stadtrath Dr. Mayreder Ueberreichung von Salvatormedaillen. Bür- <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0002" n="2"/> <fw place="top" type="header">Wien, Freitag Reichspoſt 4. Jänner 1901 3</fw><lb/> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div xml:id="bayern2" prev="#bayern1" type="jArticle" n="2"> <p>ſagte: „Vor Allem verwahre ich Bayern gegen den<lb/> Vorwurf, daß es eine Gnade iſt, zum Reich zu ge-<lb/> hören!“ Bayern gehört zum Deutſchen Reiche, die<lb/> Verhältniſſe haben es ſo gefügt, mit dem Herzen<lb/> wird es erſt dann zum Deutſchen Reiche gehören,<lb/> wenn das Deutſche Reich es verſteht, die Herzen der<lb/> Bayern zu gewinnen, und wenn in Bayern ſelbſt<lb/> katholiſch und bayeriſch regiert wird.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div xml:id="geständnisse1" next="#geständnisse2" type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Jungczechiſche Geſtändniſſe.</hi> </head><lb/> <p>Letzten Sonntag iſt es dem jungezechiſchen<lb/> Candidaten Dr. <hi rendition="#g">Fořt</hi> in Kolin ſchlecht gegangen.<lb/> Die Radiealen waren in ſeiner Wählerverſammlung<lb/> — an ihrer Spitze Dr. Baxa, der Gegencandidat<lb/> Fořt’s, — zahlreich erſchienen und trieben ihn durch<lb/> Zwiſchenrufe und die Sorge vor einem Mißtrauens-<lb/> votum hart in die Enge. Bei der Vertheidigung der<lb/> jungczechiſchen Politik machte Herr Dr. Fořt nun<lb/> einige Geſtändniſſe, die den Baxiſten weniger<lb/> intereſſant geweſen ſein dürften als uns. Herr Dr.<lb/> Fort war nämlich den Radicalen gegenüber viel<lb/> offenherziger, als die Jungczechen bei Hofempfängen<lb/> und ſonſtigen hochpolitiſchen Gelegenheiten, wo es<lb/> gilt die wahre Veranlagung mit dem „ſtaats-<lb/> männiſchen“ Mäntelchen zu verhüllen, zu ſein pflegen.<lb/> Herr Dr. Fořt beſchwor eingangs ſeiner<lb/> Rede ſeine Zuhörer zur Einigkeit. Es gebe keine<lb/> ſachlichen Gründe dafür, die bisherige Zuſammen-<lb/> ſtellung der politiſchen Kampfreihen der Czechen zu<lb/> ändern, denn das Weſen der ſtaatsrechtlichen Be-<lb/> ſtrebungen eines jeden Czechen beſtehe in der Zurück-<lb/> eroberung der nie veräußerten Rechte des König-<lb/> reiches, in dem Verlangen, daß das czechiſche Volk<lb/> nicht weiter mehr Miſt zum Düngen des Weizen-<lb/> feldes ſeiner Unterjochung(!) ſei. Darum ſei ſechzehn<lb/> Jahre lang, von 1863 bis 1879 paſſive Oppoſition<lb/> getrieben worden. Die Niederlage dieſer verfehlten<lb/> Taktik und ſpäter die Punctationen hätten eine Re-<lb/> volution des Volkes gegen die Altczechen zur Folge<lb/> gehabt und mit einem Schlage an die Stelle der<lb/> altczechiſchen Einheit die jungczechiſche geſetzt. Dieſe<lb/> habe unter Betonung des Staatsrechtes<lb/> immer getrachtet, daß der <hi rendition="#g">politiſche Käfig(!)<lb/> des centraliſtiſchen Parlamentes</hi> für<lb/> die czechiſche Delegation nicht noch enger gemacht<lb/> werde, habe genommen, wo zu nehmen war, zu ver-<lb/> meiden geſucht, daß Waſſer auf die Mühle der Wider-<lb/> ſacher des czechiſchen Volkes getrieben werde und<lb/> habe die böhmiſche Frage in Fluß zu bringen geſucht,<lb/> damit in Folge der Kriſen endlich der <hi rendition="#g">erſehnte<lb/> Augenblick</hi> komme, <hi rendition="#g">in welchem der Staat<lb/> entweder abdiciren</hi> oder den Forderungen der<lb/> Czechen im Wege einer Reviſion ſtattgeben müßte.<lb/> Auch den <hi rendition="#g">Ausgleich mit Ungarn</hi> habe die jung-<lb/> czechiſche Delegation ſo behandelt, daß der kriſenhafte<lb/> Zuſtand, aus dem die <hi rendition="#g">Czechen profitiren wollen,</hi><lb/> nicht aufhöre. So ſeien denn <hi rendition="#g">auch die Sprachen-<lb/> Verordnungen nichts Anderes als die<lb/> Brücke zu Verhandlungen des Staates<lb/> mit den Vertretern des czechiſchen Volkes<lb/> geweſen,</hi> und dieſe Verhandlungen — heute könne<lb/> es Redner ſagen — <hi rendition="#g">ſeien auch bereits be-<lb/> gonnen geweſen zu dem Zwecke,</hi> um auf<lb/><hi rendition="#g">Grundlage</hi> der <hi rendition="#g">Nimburger Reſolution die<lb/> politiſchen Anſprüche der Czechen zu be-<lb/> friedigen.</hi> Dieſe ſo überaus günſtige Situation<lb/> ſei das Werk der jungczechiſche Politik geweſen. Die<lb/><hi rendition="#g">Deutſchen</hi> hätten auch — von ihrem Standpunkte<lb/> mit Recht — <hi rendition="#g">ſofort die Gefahr für ſie wahr-</hi> </p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="jubiläumsdichter2" prev="#jubiläumsdichter1" type="jArticle" n="2"> <p>ſelbe ſelbſt das Zeichen zum allgemeinen<lb/> Beifall geben oder auf’s wenigſte gerührt, nach dem<lb/> Taſchentuche greifen würde. Doch nichts dergleichen<lb/> geſchah. Das Geſicht des Herrn A. H. Schuß<lb/> drückte anfänglich Neugierde, ein wenig ſpäter ge-<lb/> ſpannte Aufmerkſamkeit aus; je weiter die Decla-<lb/> mation vorſchritt, deſto auffallender wurde ſein Be-<lb/> tragen; Wangen und Stirn färbten ſich kirſchroth,<lb/> die Augen ſchoſſen Blitze, um die Mundwinkel ſam-<lb/> melte ſich eine fürchterliche Erregung, und die Hände<lb/> fingen an, ſich ja derart zu bewegen, daß Fräulein<lb/> Beate es für gerathen fand, einen zu früh los-<lb/> brechenden Beifall des Herrn Papa durch kräftiges<lb/> Feſthalten ſeiner Hände und beſchwichtigendes Wiſpeln<lb/> hintanzuhalten.</p><lb/> <p>Hofer hatte geendet. Das allgemeine Beifalls-<lb/> klatſchen machte die Fenſter erzittern, man ſtürzte ſich<lb/> auf ihn, um ihm glückwünſchend die Hand zu drücken,<lb/> und nur mit Mühe gelang es der Tochter des Hauſes,<lb/> zum Dichter ſich durchzudrängen und denſelben unter<lb/> dem verheißungsvollſten Lächeln zu Herrn A. H. Schuß<lb/> hinzugeleiten. Dieſer erhob ſich, ſtürmte auf Hofer zu<lb/> und ihn an der Schulter packend, ſchrie er dem aufs<lb/> Höchſte beſtürzten Dichter die wüthenden Worte zu:</p><lb/> <p>„Menſch, wie können Sie ſich unterſtehen, mit<lb/> meinen eigenen Verſen mich anzudichten; das Gleiche<lb/> brachte ich ſchon vor Jahren zum Vortrag und ließ<lb/> es drucken! Unerhörte Frechheit! Gibt er das als<lb/> ſein eigenes Product zum Beſten! Hat man je ſo<lb/> etwas erlebt! Schämen Sie ſich bis auf den Grund<lb/> Ihrer Seele, Sie ...!“</p><lb/> <p>Wir würden entmenſchte Scheuſale ſein, wollten<lb/> wir dieſe Erzählung noch weiter fortführen!</p> </div> </div><lb/> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div xml:id="geständnisse2" prev="#geständnisse1" type="jArticle" n="2"> <p><hi rendition="#g">genommen</hi> und einen großen Sturm entfacht,<lb/> umſomehr als ſie ſich bewußt geweſen ſeien, daß auch<lb/> ihre December-Verfaſſung ſie in ſprachlicher Beziehung<lb/> nicht hinreichend ſchütze.</p><lb/> <p>Mit dieſen Worten hat Herr Dr. Fořt den ganzen<lb/> elenden Schacher mit den Sprachenverordnungen ein-<lb/> geſtanden. Es iſt wohl nur der momentanen Ver-<lb/> legenheit gegenüber den Radicalen zuzuſchreiben, daß<lb/> Dr. Fořt ſich dieſes kühne Geſtändnis entreißen ließ,<lb/> unter andern Umſtänden hätte der kluge Dr. Fořt<lb/> wohl kaum einen ſolchen Einblick in die corrupte<lb/> Politik des Jungczechenclubs und deſſen damaligen<lb/> Gönners, des Grafen Badeni, thun laſſen. <hi rendition="#g">Hier ge-<lb/> ſteht es Dr. Fořt ganz offen zu,</hi> daß die Jung-<lb/> czechen mit den Verordnungen für den Ausgleich ge-<lb/> kauft werden ſollten, ja, daß der Kauf ſogar<lb/> ſchon perfekt war, und weiters geſteht er auch, daß<lb/> thatſächlich die Verordnungen eine „Gefahr“ für die<lb/> Deutſchen bedeuteten. — Würdig neben dieſer Eröff-<lb/> nung ſteht die Erklärung, zu der ſich Dr. Fořt in<lb/> Fortſetzung ſeiner Rede verſtieg, daß es das erſte<lb/> taktiſche Ziel der czechiſchen Abgeordneten ſein muß,<lb/> eine dauernde <hi rendition="#g">Conſolidirung des cisleitha-<lb/> niſchen Parlaments unmöglich zu machen,</hi><lb/> das zweite die Anſpannung aller Kräfte, damit das<lb/> ungeheuere Emporſchnellen(!) des Germanenthums<lb/> gekreuzt, paralyſirt werde. — Dieſe Geſtändniſſe ſind<lb/> von geradezu <hi rendition="#g">hiſtoriſcher Wichtigkeit.</hi> Sie ſind<lb/> von bleibendem Werth für die Beurtheilung der<lb/> Politik aller Rechtsparteien im Jahre 1897.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Politiſche Rundſchau.</hi> </head><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Oeſterreich-Ungarn.</hi> </head><lb/> <dateline>Wien, 3. Jänner.</dateline><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Baron Hildprandt,</hi> </head> <p>dem ſeitens der Stra-<lb/> konitzer Bezirksvertretung das Mandat Piſek (Land)<lb/> angeboten wurde, hat die Candidatur abgelehnt. —<lb/> Seine Candidatur hing bekanntlich mit ſeiner Maß-<lb/> regelung wegen ſeines Verhaltens bei Aufhebung der<lb/> Badeni’ſchen Sprachen-Verordnungen zuſammen. Ihm<lb/> wurde deswegen die Officierscharge und Kämmerer-<lb/> würde aberkannt. Es iſt intereſſant, daß ſeine Maß-<lb/> regelung, wie wir von guter Seite hören, haupt-<lb/> ſächlich auf Betreiben der höchſten <hi rendition="#g">Militärkreiſe</hi><lb/> erfolgte, ſpeciell einer ſehr hohen Perſönlichkeit.<lb/> Hildprandt gehört zu der politiſchen Egeria des<lb/> Dr. Friedrich Prinz <hi rendition="#g">Schwarzenberg,</hi> den ein<lb/> Erzherzog den „böhmiſchen Koſſuth“ zu nennen pflegt.<lb/> Die Aberkennung der Kämmererwürde Hildprandt’s<lb/> iſt für den Umſchwung der Verhältniſſe inſofern<lb/> höchſt bezeichnend, als in den Siebziger-Jahren unter<lb/> Hinweis auf die vorhergegangene analoge Maß-<lb/> regelung <hi rendition="#g">Giskra’s,</hi> von berufener Seite vorge-<lb/> ſchlagen worden war, aus einem beſtimmten Anlaſſe<lb/> dem Erfinder des böhmiſchen Staatsrechtes Grafen<lb/><hi rendition="#g">Camm-Martinic</hi> und noch einem anderen Heiß-<lb/> ſporne der czechiſch-feudalen Partei — die damals<lb/> etwas allzu nahe an den erlaubten Grenzen frondiert<lb/> hatten — den Hof auf eine gewiſſe Zeit zu verbieten.<lb/> Damals wurde von maßgebender Stelle dieſer Vor-<lb/> ſchlag mit der Begründung abgewieſen, derartige<lb/> Ahndungen ſeien gegen Mitglieder hoffähiger<lb/><hi rendition="#g">Adelsfamilien</hi> nicht zuläſſig. <hi rendition="#aq">Tempora mutantur.</hi> </p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Aus der chriſtlich-ſocialen Partei.</hi> </head> <p>Der<lb/> Vorarlberger bisherige Reichsraths-Abgeordnete<lb/><hi rendition="#g">Fink,</hi> deſſen Wahl auch für diesmal außer Zweifel<lb/> ſteht, wird, wie wir aus ganz ſicherer Quelle hören,<lb/> dem <hi rendition="#g">chriſtlich-ſocialen Parteiverbande</hi> bei-<lb/> treten. — Fink gehörte bisher keinem Club an,<lb/> ſtimmte jedoch regelmäßig in den letzten Seſſionen<lb/> mit den Chriſtlich-Socialen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Katholiſche Volkspartei und Mehrheit.</hi> </head><lb/> <p>Das Linzer conſervative Blatt, das öfters von Dr.<lb/> Ebenhoch zu politiſchen Kundgebungen benützt wird,<lb/> bringt eine Erörterung über die Ausſichten einer<lb/> Wiederherſtellung der Rechten. Wenn man, ſagt das<lb/> genannte Blatt, die Frage beantworten will, ob ſich<lb/> die alte Rechte wieder zuſammenfinden ſoll und<lb/> kann, ſo muß man zunächſt die Vorfrage ſich ſtellen,<lb/> warum ſie denn auseinanderging. Man wird dann<lb/> beurtheilen können. ob Gründe für die Sprengung<lb/> der Rechten auch heute noch vorhanden ſind. In be-<lb/> jahendem Falle beantwortet ſich dann die Frage über<lb/> die Wiederherſtellung der Rechten von ſelbſt. Am<lb/> Ende zeigt es ſich ſogar, daß noch weitere Gründe<lb/> gegen dieſe Fuſion aufgekommen ſind. Die Gründe,<lb/> weshalb die Rechte auseinanderging, waren haupt-<lb/> ſächlich folgende: 1. Die czechiſche Obſtruction, welche<lb/> von den Czechen trotz aller Mahnungen, Bitten und<lb/> Drohungen der katholiſchen Volkspartei und der<lb/> Polen betrieben und nicht aufgegeben wurde. 2. Die<lb/> feierliche Proclamirung des <hi rendition="#g">böhmiſchen Staats-<lb/> rechtes</hi> als officiellen Programmpunkt des Jung-<lb/> czechenclubs, während dasſelbe früher lediglich in<lb/> Reden, Zeitungsartikeln u. ſ. w. hervorgehoben wurde.<lb/> 3. Der oſtentative Kampf der Czechen gegen das<lb/> Wiener <hi rendition="#g">Centralparlament.</hi> — Dieſe drei<lb/> Punkte waren es vor Allem, welche die katholiſche<lb/> Volkspartei zum Verlaſſen der früheren Majorität<lb/> veranlaßten. Der Autor folgert, daß, ſo lange dieſe<lb/> Urſachen der Sprengung der Rechten nicht beſeitigt<lb/> ſind, wohl naturgemäß an einen Wieder-<lb/> zuſammenſchluß derſelben <hi rendition="#g">nicht zu denken ſei.</hi><lb/><cb/> „Dazu kommt aber noch, führt der Verfaſſer die<lb/> weitere Erwägung, daß man auf czechiſcher Seite<lb/> von einer zu bildenden „ſlaviſchen Gemeinbürgſchaft“<lb/> ſpricht. Unſere Partei hatte zum nicht geringen Theile<lb/> auch deswegen früher der Rechten ſich angeſchloſſen,<lb/> um den nackten Raſſenkampf in Oeſterreich hintan-<lb/> zuhalten und mäßigend zu wirken, wo und wann es<lb/> ging. Wenn ſich nun thatſächlich eine ſlaviſche Ge-<lb/> meinbürgſchaft im neuen Parlamente — allerdings<lb/> mit Ausſchluß der Polen — bildet, ſo iſt es doch<lb/> klar, daß unſerer Partei dann ihr Platz durch dieſe<lb/> Thatſache allein ſchon angewieſen iſt. Aus alledem<lb/> folgt, daß wir — bei Aufrechthaltung obiger Punkte<lb/> ſeitens der Czechen — ein Zuſammengehen mit ihnen<lb/> kurzweg für ausgeſchloſſen erachten. Außerdem ſpricht<lb/> aber <hi rendition="#g">gegen die Wiedererrichtung</hi> der alten<lb/> Majorität der Umſtand, daß durch dieſelbe die Ob-<lb/> ſtruction auf der Linken ſofort einſetzen würde.“</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Deutſches Reich.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Der deutſche Kaiſer</hi> </head> <p>hielt am 1. Jänner keine<lb/> politiſchen Anſprachen. Bei der Parole-Ausgabe im<lb/> Zeughauſe brachte der Kaiſer nur zur Sprache, daß<lb/><hi rendition="#g">Officiere</hi> ſo häufig <hi rendition="#g">Civilkleidung</hi> tragen, und<lb/> erklärte ſich dagegen, indem er auf die Spieler-<lb/> proceſſe hinwies.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Vom Grafen Poſadowsky,</hi> </head> <p>Staatsſecretär<lb/> des Innern, wird wieder einmal gemeldet, ſein Rück-<lb/> tritt ſtehe bevor. Die agrariſche „Deutſche Tagesztg.“<lb/> zweifelt daran, weil der Reichskanzler bei der Be-<lb/> antwortung der Interpellation über den Fall Woedtke<lb/> ausdrücklich erklärt habe, daß er einer Intrigue ſich<lb/> nicht beugen werde. Läßt er den Rücktritt des Grafen<lb/> Poſadowsky zu, ſo wäre damit bewieſen, daß er ent-<lb/> weder gezwungen worden iſt, ſich doch der Intrigue<lb/> zu beugen, oder daß er auf die wichtigſten Ent-<lb/> ſchließungen keinen genügend ſtarken Einfluß beſitzt.<lb/> Beides würde ſeinem Anſehen ſicherlich nicht förder-<lb/> lich ſein.</p> </div> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Italien.</hi> </head><lb/> <head> <hi rendition="#b">Der Papſt als Schiedsrichter.</hi> </head> <p>Wie aus<lb/> Rom berichtet wird, hat Papſt Leo <hi rendition="#aq">XIII.</hi> in der<lb/> zwiſchen der Dominicaniſchen Republik und Haiti<lb/> ſchwebenden Streitfrage das Schiedsrichteramt über-<lb/> nommen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Spanien.</hi> </head><lb/> <head> <hi rendition="#b">Die Miniſterkriſis</hi> </head> <p>dürfte vorläufig nicht zum<lb/> Ausbruch kommen, nachdem Madrider Blättern zu-<lb/> folge die Frage der Marineforderungen in einer den<lb/> Wünſchen des Marineminiſters entſprechenden Weiſe<lb/> werde gelöſt werden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Auſtralien.</hi> </head><lb/> <head> <hi rendition="#b">Vom auſtraliſchen Staatenbund.</hi> </head> <p>Die<lb/> Conſtituirung des Staatenbundes wurde am Neu-<lb/> jahrstage in ganz Auſtralien feſtlich gefeiert. Zahlloſe<lb/> Stiftungen wurden errichtet, die die Erinnerung an<lb/> dieſes denkwürdige Ereigniß für alle Zeiten wach<lb/> erhalten ſollen, ein prächtiges Denkmal wird errichtet<lb/> werden, tauſende von Erinnerungsmedaillen wurden<lb/> vertheilt und eine weitgehende Amneſtie erlaſſen. Mit<lb/> beſonderer Feierlichkeit wurde der Tag in der Hafen-<lb/> ſtadt Sydney begangen, die zum Sitze des Bundes-<lb/> gouverneurs beſtimmt iſt. Im Hafen war das ganze<lb/> engliſche Südſeegeſchwader verſammelt, und die<lb/> Stadt ſelbſt trug reichen Feſtſchmuck. <hi rendition="#g">Neuſeeland</hi><lb/> iſt dem Bunde noch nicht beigetreten, hat aber<lb/> ſeinen Anſchluß an denſelben bereits in Erwägung<lb/> gezogen; um ſeine Sympathien für denſelben zu be-<lb/> kunden, ließ es ſich bei der geſtrigen Inſtallation<lb/> durch eine Deputation vertreten.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jLocal" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Gemeindezeitung.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Vicebürgermeiſter Strobach</hi> </head> <p>befindet ſich<lb/> noch immer in Reconvalescenz und bedarf zur<lb/> völligen Wiederherſtellung ſeiner Geſundheit der<lb/> größten Schonung. Vor Allem iſt ihm das Ver-<lb/> meiden von rauchigen und dunſtigen Localen ſeitens<lb/> des Arztes zur ſtrengſten Pflicht gemacht worden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Stadtregulirung.</hi> </head> <p>Stadtrath Dr. <hi rendition="#g">Mayreder</hi><lb/> berichtete geſtern im Stadtrath über die Baulinien-<lb/> beſtimmung für Theile der Singerſtraße, Seilerſtätte<lb/> und Liebenberggaſſe. Nach dem Antrage des Be-<lb/> richterſtatters erhält die Singerſtraße auch in ihrem<lb/> unteren Theile eine Breite von 15 Metern, die<lb/> Seilerſtätte zwiſchen Weihburg- und Singerſtraße,<lb/> dann die Liebenberggaſſe längs des Palais Coburg<lb/> eine ſolche von je 16 Metern. Ferner ſoll die<lb/> Riemergaſſe geradlinig in einer Breite von 14<lb/> Metern bis zur Weihburggaſſe fortgeſetzt werden.<lb/> Die Anträge werden genehmigt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Ueberreichung von Salvatormedaillen.</hi> </head> <p>Bür-<lb/> germeiſter Dr. Lueger überreichte geſtern in ſeinem<lb/> Bureau dem Bezirksvorſteherſtellvertreter von Maria-<lb/> hilf Gottfried Endres, dem Armenrathe der Inneren<lb/> Stadt Anton Feyerſeil, ferner dem Obmannſtellver-<lb/> treter des Armeninſtitutes für den Bezirk Fünfhaus<lb/> Heinrich Perna, dem Caſſier desſelben Armeninſtituts<lb/> Leopold Eſchlböck, ſchließlich dem Vorſteher der Ge-<lb/> noſſenſchaft der Fiſchhändler Peter Hammerſchmidt<lb/> die ihnen verliehenen Salvatormedaillen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2/0002]
Wien, Freitag Reichspoſt 4. Jänner 1901 3
ſagte: „Vor Allem verwahre ich Bayern gegen den
Vorwurf, daß es eine Gnade iſt, zum Reich zu ge-
hören!“ Bayern gehört zum Deutſchen Reiche, die
Verhältniſſe haben es ſo gefügt, mit dem Herzen
wird es erſt dann zum Deutſchen Reiche gehören,
wenn das Deutſche Reich es verſteht, die Herzen der
Bayern zu gewinnen, und wenn in Bayern ſelbſt
katholiſch und bayeriſch regiert wird.
Jungczechiſche Geſtändniſſe.
Letzten Sonntag iſt es dem jungezechiſchen
Candidaten Dr. Fořt in Kolin ſchlecht gegangen.
Die Radiealen waren in ſeiner Wählerverſammlung
— an ihrer Spitze Dr. Baxa, der Gegencandidat
Fořt’s, — zahlreich erſchienen und trieben ihn durch
Zwiſchenrufe und die Sorge vor einem Mißtrauens-
votum hart in die Enge. Bei der Vertheidigung der
jungczechiſchen Politik machte Herr Dr. Fořt nun
einige Geſtändniſſe, die den Baxiſten weniger
intereſſant geweſen ſein dürften als uns. Herr Dr.
Fort war nämlich den Radicalen gegenüber viel
offenherziger, als die Jungczechen bei Hofempfängen
und ſonſtigen hochpolitiſchen Gelegenheiten, wo es
gilt die wahre Veranlagung mit dem „ſtaats-
männiſchen“ Mäntelchen zu verhüllen, zu ſein pflegen.
Herr Dr. Fořt beſchwor eingangs ſeiner
Rede ſeine Zuhörer zur Einigkeit. Es gebe keine
ſachlichen Gründe dafür, die bisherige Zuſammen-
ſtellung der politiſchen Kampfreihen der Czechen zu
ändern, denn das Weſen der ſtaatsrechtlichen Be-
ſtrebungen eines jeden Czechen beſtehe in der Zurück-
eroberung der nie veräußerten Rechte des König-
reiches, in dem Verlangen, daß das czechiſche Volk
nicht weiter mehr Miſt zum Düngen des Weizen-
feldes ſeiner Unterjochung(!) ſei. Darum ſei ſechzehn
Jahre lang, von 1863 bis 1879 paſſive Oppoſition
getrieben worden. Die Niederlage dieſer verfehlten
Taktik und ſpäter die Punctationen hätten eine Re-
volution des Volkes gegen die Altczechen zur Folge
gehabt und mit einem Schlage an die Stelle der
altczechiſchen Einheit die jungczechiſche geſetzt. Dieſe
habe unter Betonung des Staatsrechtes
immer getrachtet, daß der politiſche Käfig(!)
des centraliſtiſchen Parlamentes für
die czechiſche Delegation nicht noch enger gemacht
werde, habe genommen, wo zu nehmen war, zu ver-
meiden geſucht, daß Waſſer auf die Mühle der Wider-
ſacher des czechiſchen Volkes getrieben werde und
habe die böhmiſche Frage in Fluß zu bringen geſucht,
damit in Folge der Kriſen endlich der erſehnte
Augenblick komme, in welchem der Staat
entweder abdiciren oder den Forderungen der
Czechen im Wege einer Reviſion ſtattgeben müßte.
Auch den Ausgleich mit Ungarn habe die jung-
czechiſche Delegation ſo behandelt, daß der kriſenhafte
Zuſtand, aus dem die Czechen profitiren wollen,
nicht aufhöre. So ſeien denn auch die Sprachen-
Verordnungen nichts Anderes als die
Brücke zu Verhandlungen des Staates
mit den Vertretern des czechiſchen Volkes
geweſen, und dieſe Verhandlungen — heute könne
es Redner ſagen — ſeien auch bereits be-
gonnen geweſen zu dem Zwecke, um auf
Grundlage der Nimburger Reſolution die
politiſchen Anſprüche der Czechen zu be-
friedigen. Dieſe ſo überaus günſtige Situation
ſei das Werk der jungczechiſche Politik geweſen. Die
Deutſchen hätten auch — von ihrem Standpunkte
mit Recht — ſofort die Gefahr für ſie wahr-
ſelbe ſelbſt das Zeichen zum allgemeinen
Beifall geben oder auf’s wenigſte gerührt, nach dem
Taſchentuche greifen würde. Doch nichts dergleichen
geſchah. Das Geſicht des Herrn A. H. Schuß
drückte anfänglich Neugierde, ein wenig ſpäter ge-
ſpannte Aufmerkſamkeit aus; je weiter die Decla-
mation vorſchritt, deſto auffallender wurde ſein Be-
tragen; Wangen und Stirn färbten ſich kirſchroth,
die Augen ſchoſſen Blitze, um die Mundwinkel ſam-
melte ſich eine fürchterliche Erregung, und die Hände
fingen an, ſich ja derart zu bewegen, daß Fräulein
Beate es für gerathen fand, einen zu früh los-
brechenden Beifall des Herrn Papa durch kräftiges
Feſthalten ſeiner Hände und beſchwichtigendes Wiſpeln
hintanzuhalten.
Hofer hatte geendet. Das allgemeine Beifalls-
klatſchen machte die Fenſter erzittern, man ſtürzte ſich
auf ihn, um ihm glückwünſchend die Hand zu drücken,
und nur mit Mühe gelang es der Tochter des Hauſes,
zum Dichter ſich durchzudrängen und denſelben unter
dem verheißungsvollſten Lächeln zu Herrn A. H. Schuß
hinzugeleiten. Dieſer erhob ſich, ſtürmte auf Hofer zu
und ihn an der Schulter packend, ſchrie er dem aufs
Höchſte beſtürzten Dichter die wüthenden Worte zu:
„Menſch, wie können Sie ſich unterſtehen, mit
meinen eigenen Verſen mich anzudichten; das Gleiche
brachte ich ſchon vor Jahren zum Vortrag und ließ
es drucken! Unerhörte Frechheit! Gibt er das als
ſein eigenes Product zum Beſten! Hat man je ſo
etwas erlebt! Schämen Sie ſich bis auf den Grund
Ihrer Seele, Sie ...!“
Wir würden entmenſchte Scheuſale ſein, wollten
wir dieſe Erzählung noch weiter fortführen!
genommen und einen großen Sturm entfacht,
umſomehr als ſie ſich bewußt geweſen ſeien, daß auch
ihre December-Verfaſſung ſie in ſprachlicher Beziehung
nicht hinreichend ſchütze.
Mit dieſen Worten hat Herr Dr. Fořt den ganzen
elenden Schacher mit den Sprachenverordnungen ein-
geſtanden. Es iſt wohl nur der momentanen Ver-
legenheit gegenüber den Radicalen zuzuſchreiben, daß
Dr. Fořt ſich dieſes kühne Geſtändnis entreißen ließ,
unter andern Umſtänden hätte der kluge Dr. Fořt
wohl kaum einen ſolchen Einblick in die corrupte
Politik des Jungczechenclubs und deſſen damaligen
Gönners, des Grafen Badeni, thun laſſen. Hier ge-
ſteht es Dr. Fořt ganz offen zu, daß die Jung-
czechen mit den Verordnungen für den Ausgleich ge-
kauft werden ſollten, ja, daß der Kauf ſogar
ſchon perfekt war, und weiters geſteht er auch, daß
thatſächlich die Verordnungen eine „Gefahr“ für die
Deutſchen bedeuteten. — Würdig neben dieſer Eröff-
nung ſteht die Erklärung, zu der ſich Dr. Fořt in
Fortſetzung ſeiner Rede verſtieg, daß es das erſte
taktiſche Ziel der czechiſchen Abgeordneten ſein muß,
eine dauernde Conſolidirung des cisleitha-
niſchen Parlaments unmöglich zu machen,
das zweite die Anſpannung aller Kräfte, damit das
ungeheuere Emporſchnellen(!) des Germanenthums
gekreuzt, paralyſirt werde. — Dieſe Geſtändniſſe ſind
von geradezu hiſtoriſcher Wichtigkeit. Sie ſind
von bleibendem Werth für die Beurtheilung der
Politik aller Rechtsparteien im Jahre 1897.
Politiſche Rundſchau.
Oeſterreich-Ungarn.
Wien, 3. Jänner.
Baron Hildprandt, dem ſeitens der Stra-
konitzer Bezirksvertretung das Mandat Piſek (Land)
angeboten wurde, hat die Candidatur abgelehnt. —
Seine Candidatur hing bekanntlich mit ſeiner Maß-
regelung wegen ſeines Verhaltens bei Aufhebung der
Badeni’ſchen Sprachen-Verordnungen zuſammen. Ihm
wurde deswegen die Officierscharge und Kämmerer-
würde aberkannt. Es iſt intereſſant, daß ſeine Maß-
regelung, wie wir von guter Seite hören, haupt-
ſächlich auf Betreiben der höchſten Militärkreiſe
erfolgte, ſpeciell einer ſehr hohen Perſönlichkeit.
Hildprandt gehört zu der politiſchen Egeria des
Dr. Friedrich Prinz Schwarzenberg, den ein
Erzherzog den „böhmiſchen Koſſuth“ zu nennen pflegt.
Die Aberkennung der Kämmererwürde Hildprandt’s
iſt für den Umſchwung der Verhältniſſe inſofern
höchſt bezeichnend, als in den Siebziger-Jahren unter
Hinweis auf die vorhergegangene analoge Maß-
regelung Giskra’s, von berufener Seite vorge-
ſchlagen worden war, aus einem beſtimmten Anlaſſe
dem Erfinder des böhmiſchen Staatsrechtes Grafen
Camm-Martinic und noch einem anderen Heiß-
ſporne der czechiſch-feudalen Partei — die damals
etwas allzu nahe an den erlaubten Grenzen frondiert
hatten — den Hof auf eine gewiſſe Zeit zu verbieten.
Damals wurde von maßgebender Stelle dieſer Vor-
ſchlag mit der Begründung abgewieſen, derartige
Ahndungen ſeien gegen Mitglieder hoffähiger
Adelsfamilien nicht zuläſſig. Tempora mutantur.
Aus der chriſtlich-ſocialen Partei. Der
Vorarlberger bisherige Reichsraths-Abgeordnete
Fink, deſſen Wahl auch für diesmal außer Zweifel
ſteht, wird, wie wir aus ganz ſicherer Quelle hören,
dem chriſtlich-ſocialen Parteiverbande bei-
treten. — Fink gehörte bisher keinem Club an,
ſtimmte jedoch regelmäßig in den letzten Seſſionen
mit den Chriſtlich-Socialen.
Katholiſche Volkspartei und Mehrheit.
Das Linzer conſervative Blatt, das öfters von Dr.
Ebenhoch zu politiſchen Kundgebungen benützt wird,
bringt eine Erörterung über die Ausſichten einer
Wiederherſtellung der Rechten. Wenn man, ſagt das
genannte Blatt, die Frage beantworten will, ob ſich
die alte Rechte wieder zuſammenfinden ſoll und
kann, ſo muß man zunächſt die Vorfrage ſich ſtellen,
warum ſie denn auseinanderging. Man wird dann
beurtheilen können. ob Gründe für die Sprengung
der Rechten auch heute noch vorhanden ſind. In be-
jahendem Falle beantwortet ſich dann die Frage über
die Wiederherſtellung der Rechten von ſelbſt. Am
Ende zeigt es ſich ſogar, daß noch weitere Gründe
gegen dieſe Fuſion aufgekommen ſind. Die Gründe,
weshalb die Rechte auseinanderging, waren haupt-
ſächlich folgende: 1. Die czechiſche Obſtruction, welche
von den Czechen trotz aller Mahnungen, Bitten und
Drohungen der katholiſchen Volkspartei und der
Polen betrieben und nicht aufgegeben wurde. 2. Die
feierliche Proclamirung des böhmiſchen Staats-
rechtes als officiellen Programmpunkt des Jung-
czechenclubs, während dasſelbe früher lediglich in
Reden, Zeitungsartikeln u. ſ. w. hervorgehoben wurde.
3. Der oſtentative Kampf der Czechen gegen das
Wiener Centralparlament. — Dieſe drei
Punkte waren es vor Allem, welche die katholiſche
Volkspartei zum Verlaſſen der früheren Majorität
veranlaßten. Der Autor folgert, daß, ſo lange dieſe
Urſachen der Sprengung der Rechten nicht beſeitigt
ſind, wohl naturgemäß an einen Wieder-
zuſammenſchluß derſelben nicht zu denken ſei.
„Dazu kommt aber noch, führt der Verfaſſer die
weitere Erwägung, daß man auf czechiſcher Seite
von einer zu bildenden „ſlaviſchen Gemeinbürgſchaft“
ſpricht. Unſere Partei hatte zum nicht geringen Theile
auch deswegen früher der Rechten ſich angeſchloſſen,
um den nackten Raſſenkampf in Oeſterreich hintan-
zuhalten und mäßigend zu wirken, wo und wann es
ging. Wenn ſich nun thatſächlich eine ſlaviſche Ge-
meinbürgſchaft im neuen Parlamente — allerdings
mit Ausſchluß der Polen — bildet, ſo iſt es doch
klar, daß unſerer Partei dann ihr Platz durch dieſe
Thatſache allein ſchon angewieſen iſt. Aus alledem
folgt, daß wir — bei Aufrechthaltung obiger Punkte
ſeitens der Czechen — ein Zuſammengehen mit ihnen
kurzweg für ausgeſchloſſen erachten. Außerdem ſpricht
aber gegen die Wiedererrichtung der alten
Majorität der Umſtand, daß durch dieſelbe die Ob-
ſtruction auf der Linken ſofort einſetzen würde.“
Deutſches Reich.
Der deutſche Kaiſer hielt am 1. Jänner keine
politiſchen Anſprachen. Bei der Parole-Ausgabe im
Zeughauſe brachte der Kaiſer nur zur Sprache, daß
Officiere ſo häufig Civilkleidung tragen, und
erklärte ſich dagegen, indem er auf die Spieler-
proceſſe hinwies.
Vom Grafen Poſadowsky, Staatsſecretär
des Innern, wird wieder einmal gemeldet, ſein Rück-
tritt ſtehe bevor. Die agrariſche „Deutſche Tagesztg.“
zweifelt daran, weil der Reichskanzler bei der Be-
antwortung der Interpellation über den Fall Woedtke
ausdrücklich erklärt habe, daß er einer Intrigue ſich
nicht beugen werde. Läßt er den Rücktritt des Grafen
Poſadowsky zu, ſo wäre damit bewieſen, daß er ent-
weder gezwungen worden iſt, ſich doch der Intrigue
zu beugen, oder daß er auf die wichtigſten Ent-
ſchließungen keinen genügend ſtarken Einfluß beſitzt.
Beides würde ſeinem Anſehen ſicherlich nicht förder-
lich ſein.
Italien.
Der Papſt als Schiedsrichter. Wie aus
Rom berichtet wird, hat Papſt Leo XIII. in der
zwiſchen der Dominicaniſchen Republik und Haiti
ſchwebenden Streitfrage das Schiedsrichteramt über-
nommen.
Spanien.
Die Miniſterkriſis dürfte vorläufig nicht zum
Ausbruch kommen, nachdem Madrider Blättern zu-
folge die Frage der Marineforderungen in einer den
Wünſchen des Marineminiſters entſprechenden Weiſe
werde gelöſt werden.
Auſtralien.
Vom auſtraliſchen Staatenbund. Die
Conſtituirung des Staatenbundes wurde am Neu-
jahrstage in ganz Auſtralien feſtlich gefeiert. Zahlloſe
Stiftungen wurden errichtet, die die Erinnerung an
dieſes denkwürdige Ereigniß für alle Zeiten wach
erhalten ſollen, ein prächtiges Denkmal wird errichtet
werden, tauſende von Erinnerungsmedaillen wurden
vertheilt und eine weitgehende Amneſtie erlaſſen. Mit
beſonderer Feierlichkeit wurde der Tag in der Hafen-
ſtadt Sydney begangen, die zum Sitze des Bundes-
gouverneurs beſtimmt iſt. Im Hafen war das ganze
engliſche Südſeegeſchwader verſammelt, und die
Stadt ſelbſt trug reichen Feſtſchmuck. Neuſeeland
iſt dem Bunde noch nicht beigetreten, hat aber
ſeinen Anſchluß an denſelben bereits in Erwägung
gezogen; um ſeine Sympathien für denſelben zu be-
kunden, ließ es ſich bei der geſtrigen Inſtallation
durch eine Deputation vertreten.
Gemeindezeitung.
Vicebürgermeiſter Strobach befindet ſich
noch immer in Reconvalescenz und bedarf zur
völligen Wiederherſtellung ſeiner Geſundheit der
größten Schonung. Vor Allem iſt ihm das Ver-
meiden von rauchigen und dunſtigen Localen ſeitens
des Arztes zur ſtrengſten Pflicht gemacht worden.
Stadtregulirung. Stadtrath Dr. Mayreder
berichtete geſtern im Stadtrath über die Baulinien-
beſtimmung für Theile der Singerſtraße, Seilerſtätte
und Liebenberggaſſe. Nach dem Antrage des Be-
richterſtatters erhält die Singerſtraße auch in ihrem
unteren Theile eine Breite von 15 Metern, die
Seilerſtätte zwiſchen Weihburg- und Singerſtraße,
dann die Liebenberggaſſe längs des Palais Coburg
eine ſolche von je 16 Metern. Ferner ſoll die
Riemergaſſe geradlinig in einer Breite von 14
Metern bis zur Weihburggaſſe fortgeſetzt werden.
Die Anträge werden genehmigt.
Ueberreichung von Salvatormedaillen. Bür-
germeiſter Dr. Lueger überreichte geſtern in ſeinem
Bureau dem Bezirksvorſteherſtellvertreter von Maria-
hilf Gottfried Endres, dem Armenrathe der Inneren
Stadt Anton Feyerſeil, ferner dem Obmannſtellver-
treter des Armeninſtitutes für den Bezirk Fünfhaus
Heinrich Perna, dem Caſſier desſelben Armeninſtituts
Leopold Eſchlböck, ſchließlich dem Vorſteher der Ge-
noſſenſchaft der Fiſchhändler Peter Hammerſchmidt
die ihnen verliehenen Salvatormedaillen.
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