Reichspost. Nr. 3, Wien, 04.01.1901.Wien, Freitag Reichspost 4. Jänner 1901 3 [Spaltenumbruch] [Nachdruck verboten.] Opfer des Hasses. "Ich scheue mich vor solchen Thieren, Lallu, ich "Ich habe sie gern und sie mich ebenfalls," er- "Wer brachte Dir das Thier?" frug Mercy, "Ab-Dur hat es gekauft." "Ist es giftig? Beißt es?" "Beißen ja, giftig ist sie nicht mehr, da ihre "Hast Du auch eine, die nicht auf diese Weise "Nur eine, aber Du darfst es nicht Deiner "Nein, mein Herz, ich danke," rief Mercy ängst- "O, sie wird gewiß Niemanden etwas zu Leid Bei diesen Worten entwand sie sich aus der Um- "Diese Deine eigenthümliche Leidenschaft be- "Du sollst Dich niemals vor mir fürchten, Mercy. "Du giltst mir mehr als mein Leben, der Tod "Was willst Du damit sagen?" frug Mercy sie "Das ist wieder einmal der Unterschied zwischen "Ihr habt einen merkwürdigen Scharfsinn, ver- "Jawohl, mit Leichtigkeit!" Mercy verstand den "Du wirst heute Oberst Roca kennen lernen, ob "Es kommt auch noch jemand anderer heute, Mercy blickte erstaunt und erröthend auf. "Woher weiß du das?" "Du hast soeben daran gedacht! Ich konnte es [Spaltenumbruch] "Es ist richtig, ich dachte soeben an ihn; vor Lachelnd schüttelte diese den Kopf und erwiderte "Es ist eigenthümlich, Lallu, wie ein Gedanke "Ich kann nicht alles voraussehen, Mercy", ent- "Wird es Dir angenehm sein, Mr. Rhodes "Was ist er mir?" entgegnete Lallu in gleich- "Er war Dir stets ein guter Freund", sagte "Ich weiß, ich weiß. Ich bin ein abscheuliches [irrelevantes Material] Druck, Herausgabe und Verlag von Ambr. Opitz, Wien. -- Verantwortlicher Redacteur Hermann Hikisch, Wien. Wien, Freitag Reichspoſt 4. Jänner 1901 3 [Spaltenumbruch] [Nachdruck verboten.] Opfer des Haſſes. „Ich ſcheue mich vor ſolchen Thieren, Lallu, ich „Ich habe ſie gern und ſie mich ebenfalls,“ er- „Wer brachte Dir das Thier?“ frug Mercy, „Ab-Dur hat es gekauft.“ „Iſt es giftig? Beißt es?“ „Beißen ja, giftig iſt ſie nicht mehr, da ihre „Haſt Du auch eine, die nicht auf dieſe Weiſe „Nur eine, aber Du darfſt es nicht Deiner „Nein, mein Herz, ich danke,“ rief Mercy ängſt- „O, ſie wird gewiß Niemanden etwas zu Leid Bei dieſen Worten entwand ſie ſich aus der Um- „Dieſe Deine eigenthümliche Leidenſchaft be- „Du ſollſt Dich niemals vor mir fürchten, Mercy. „Du giltſt mir mehr als mein Leben, der Tod „Was willſt Du damit ſagen?“ frug Mercy ſie „Das iſt wieder einmal der Unterſchied zwiſchen „Ihr habt einen merkwürdigen Scharfſinn, ver- „Jawohl, mit Leichtigkeit!“ Mercy verſtand den „Du wirſt heute Oberſt Roca kennen lernen, ob „Es kommt auch noch jemand anderer heute, Mercy blickte erſtaunt und erröthend auf. „Woher weiß du das?“ „Du haſt ſoeben daran gedacht! Ich konnte es [Spaltenumbruch] „Es iſt richtig, ich dachte ſoeben an ihn; vor Lachelnd ſchüttelte dieſe den Kopf und erwiderte „Es iſt eigenthümlich, Lallu, wie ein Gedanke „Ich kann nicht alles vorausſehen, Mercy“, ent- „Wird es Dir angenehm ſein, Mr. Rhodes „Was iſt er mir?“ entgegnete Lallu in gleich- „Er war Dir ſtets ein guter Freund“, ſagte „Ich weiß, ich weiß. Ich bin ein abſcheuliches [irrelevantes Material] Druck, Herausgabe und Verlag von Ambr. Opitz, Wien. — Verantwortlicher Redacteur Hermann Hikiſch, Wien. <TEI> <text> <body> <div type="jAnnouncements" n="1"> <div type="jAn" n="2"> <pb facs="#f0010" n="10"/> <fw place="top" type="header">Wien, Freitag Reichspoſt 4. Jänner 1901 3</fw><lb/> <cb/> </div> </div> <div type="jFeuilleton" n="1"> <p> <hi rendition="#et">[Nachdruck verboten.]</hi> </p><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Opfer des Haſſes.</hi> </head><lb/> <byline>Roman aus dem Engliſchen von <hi rendition="#b">G. 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Wien, Freitag Reichspoſt 4. Jänner 1901 3
[Nachdruck verboten.]
Opfer des Haſſes.
Roman aus dem Engliſchen von G. S.
„Ich ſcheue mich vor ſolchen Thieren, Lallu, ich
begreife nicht, wie Du Dich ſo mit ihnen abgeben
kann.“
„Ich habe ſie gern und ſie mich ebenfalls,“ er-
widerte das Mädchen einfach, „ich kann mit allen
Thieren thun, was mir beliebt.“
„Wer brachte Dir das Thier?“ frug Mercy,
ihren Blick ängſtlich und argwöhniſch auf die Schlange
haftend.
„Ab-Dur hat es gekauft.“
„Iſt es giftig? Beißt es?“
„Beißen ja, giftig iſt ſie nicht mehr, da ihre
Giftzähne weg ſind, ſchau!“ und mit einer raſchen
Bewegung hielt ſie ihr den Kopf des Reptils ent-
gegen, öffnete deſſen Mund und zeigte der Freundin
die Stelle, von der ſie die Giftzähne entfernt hatten,
hierauf lachte ſie und lehnte den Kopf des Thieres
gegen ihre Wange, ſie ſchien ſtolz darauf, wie ein
Kind auf ein neues Spielzeug. „Es iſt ein Jammer,
ſie ſo zu mißhandeln, ſie ſind ganz harmlos.“
„Haſt Du auch eine, die nicht auf dieſe Weiſe
mißhandelt iſt, wie Du Dich ausdrückſt; die noch im
Beſitz ihrer Giftzähne iſt?“
„Nur eine, aber Du darfſt es nicht Deiner
Mutter ſagen; ſoll ich ſie Dir zeigen?“
„Nein, mein Herz, ich danke,“ rief Mercy ängſt-
lich, „ich glaube, Du ſollteſt ſie nicht behalten. Mama
und ich fürchten uns zu ſehr vor dergleichen Thieren“.
„O, ſie wird gewiß Niemanden etwas zu Leid
thun, ſie darf niemals ihr Käſtchen verlaſſen, wenn
ich nicht ganz allein bin. Ohne Deine Erlaubniß ſoll
ſie nie mehr heraus, nur erwirke mir die Gunſt, ſie
behalten zu dürfen. Mich würde das Thier niemals
beißen, ich kann es aber gegen jeden Beliebigen aufs
Aeußerſte reizen, auch dieſes hier folgt mir aufs
Wort. Sieh mal her!“
Bei dieſen Worten entwand ſie ſich aus der Um-
armung der großen Schlangen; dieſelbe langſam auf
ihr Bett gleiten laſſend, undeutliche Worte murmelnd
hob ſie wie beſchwörend ihre Hände gegen das Thier,
das von dem eigenartigen Rythmus ihres monotonen
Geſanges wie bezaubert ſich langſam aufrichtete, den
Kopf bewegend um ſich blickte und endlich, ſich ganz
aufrichtend, wie von Wuth erfaßt, ſich blähte und
ziſchte. Mercy erſchrack und eilte zur Thür, um zu
fliehen, da änderte Lallu ihren Geſang, und ſofort
ſchien das Thier beſänftigt, rollte ſich langſam wieder
zuſammen, bis es bewegungslos, eingeſchlummert auf
dem Bette lag und Lallu es in ſein Behältniß zurück-
bringen konnte.
„Dieſe Deine eigenthümliche Leidenſchaft be-
ängſtigt mich immer,“ ſagte Mercy, als Lallu das
Zimmer wieder betrat.
„Du ſollſt Dich niemals vor mir fürchten, Mercy.
Ich würde mein Leben freudig für Dich laſſen,“ rief
Lallu, die Freundin ſtürmiſch umarmend.
„Du giltſt mir mehr als mein Leben, der Tod
iſt nur ein kurzer Schmerz, wenn es überhaupt einer
iſt, das Leben aber bereitet uns unaufhörlich Schmerz
und Kummer.“
„Was willſt Du damit ſagen?“ frug Mercy ſie
zärtlich umfaſſend.
„Das iſt wieder einmal der Unterſchied zwiſchen
Weſten und Oſten,“ entgegnete Lallu lachend. Ihr
Lachen aber klang ſo eigenthümlich, daß Mercy nach-
denklich wurde.
„Ihr habt einen merkwürdigen Scharfſinn, ver-
mittelſt welchem Ihr jede unſerer Handlungen durch-
ſchaut.“
„Jawohl, mit Leichtigkeit!“ Mercy verſtand den
verborgenen Sinn dieſer leicht hingeworfenen Worte
nicht und frug nach einer Pauſe:
„Du wirſt heute Oberſt Roca kennen lernen, ob
Du auch ihn ſo durchſchauen wirſt!“
„Es kommt auch noch jemand anderer heute,
jemand intereſſanterer, Herr Rhodes.“
Mercy blickte erſtaunt und erröthend auf.
„Woher weiß du das?“
„Du haſt ſoeben daran gedacht! Ich konnte es
Dir aus den Augen leſen, und nunmehr ſteht es in
rother Farbe auf Deinen Wangen geſchrieben.“
„Es iſt richtig, ich dachte ſoeben an ihn; vor
Dir kann ich nichts verbergen, aber, bitte mit
niemanden darüber zu ſprechen“. Bei dieſen Worten
ergriff ſie Lalln’s Kopf, und, ihr tief in die Augen
ſehend, ſagte ſie: „Ich wollte, ich könnte eben jetzt
Deine Gedanken leſen.“
Lachelnd ſchüttelte dieſe den Kopf und erwiderte
ſchelmiſch: „Nicht meine — die ſeinen. Es iſt keine
ungetrübte Freude, dieſes Leſen in der Zukunft“, und
ernſter werdend fügte ſie hinzu. „Wenn einem das
Leben nur erfreuliches bringen würde, dann wäre es
allerdings ſchön, es im Voraus zu wiſſen. Die trübe
Ahnung eines bevorſtehenden Unglücks aber wird nicht
aufgewogen durch die Erwartung einer glücklichen
Stunde. Dir ſollte ich eigentlich nichts derartiges
ſagen, denn keine größere Freude, als in einem Herzen
zu leſen, das einem in ſo inniger Liebe zugethan iſt,
wie das Deine mir.“
„Es iſt eigenthümlich, Lallu, wie ein Gedanke
bei Dir den andern jagt; doch haſt Du mich ein
wenig erſchreckt. Iſt es zu fürchten das —?“ und mit
einem ängſtlich forſchenden Blick ſchien ſie die Antwort
auf dieſen unvollendeten Satz, aus dem Antlitz der
Freundin leſen zu wollen.
„Ich kann nicht alles vorausſehen, Mercy“, ent-
gegnete dieſe ſich umwendend, um den forſchenden
Blick zu entgehen.
„Wird es Dir angenehm ſein, Mr. Rhodes
wieder zu ſehn?“ frug Mercy nach einer kleinen
Pauſe, während welcher ſie ſich bemühte, dem Ge-
dankengang der Anderen zu folgen.
„Was iſt er mir?“ entgegnete Lallu in gleich-
giltigem Ton.
„Er war Dir ſtets ein guter Freund“, ſagte
Mercy eifrig, der Gedanke, daß der Geliebte einer
ihr ſo naheſtehenden Perſon gleichgiltig ſei, ſchien
ihr peinlich.
„Ich weiß, ich weiß. Ich bin ein abſcheuliches
Ding, Mercy, ich haſſe mich und will trachten, ihn
ſehr lieb zu gewinnen, Deinetwegen. Vergib mir liebe
Mercy!“ rief Lallu ſie umarmend und in leidenſchaft-
liches Schluchzen ausbrechend. (F. f.)
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Druck, Herausgabe und Verlag von Ambr. Opitz, Wien. — Verantwortlicher Redacteur Hermann Hikiſch, Wien.
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