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Das Pfennig=Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. Nr. 169. Leipzig (Sachsen), 25. Juni 1836.

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Das Pfennig=Magazin.
[Beginn Spaltensatz]
Die Stadt Algier.

Der Kriegszug Frankreichs gegen Algier im Jahre
1830 und die Besitznahme dieses ehemaligen Raubstaats
von Seiten jener Macht hat in neuesten Zeiten die
Augen von Europa mehr als je auf diese Stadt ge-
richtet, sodaß es unsern Lesern nicht unwillkommen
sein wird, hier eine gedrängte Schilderung von dem
gegenwärtigen Zustande derselben zu erhalten, und das
um so mehr, da seit Beginn der französischen Verwal-
tung wesentliche Veränderungen darin vorgegangen sind.

Algier, im Arabischen Dschesair genannt, war in
frühern Zeiten die Hauptstadt des Paschaliks oder Kö-
nigreichs gleiches Namens und die Residenz des Deys,
der unter den Beherrschern der sogenannten drei Raub-
staaten den vornehmsten Rang einnahm. Die Stadt
liegt an der nördlichen Abdachung eines Gebirgs,
welches ein durch die Ebene Metidscha getrennter
Zweig des Atlas ist. Die Stadt gewährt we-
gen ihrer höchst unregelmäßigen Bauart, nament-
lich von der Meerseite aus, einen seltsamen Anblick.
Man sieht nur viereckige Steinmassen von blen-
dend weißer Farbe, die man eher für einen Kreide-
oder Marmorbruch als für eine Stadt zu hal-
ten versucht ist. Die Straßen, nur zum Theil
gepflastert, und in der Regel durch ein in der
Mitte hindurchlaufendes Wasser getheilt, sind so eng,
daß in den meisten derselben zwei Fußgänger nicht
wohl einander ausweichen können. Jndessen ist
von Seiten der französischen Verwaltung schon viel
für die Verbesserung der Stadt gethan worden.
Man hat viele Häuser niedergerissen, einige der gang-
barsten Straßen erweitert und durch Hinwegräu-
mung der Ruinen einer großen Moschee einen freien
Platz gewonnen, der diesem Theile der Stadt ein
freundlicheres Ansehen gibt. Die Hauptstraßen von
Algier sind: die Straße der Marine, die Straße Bab=el-
Qued und die Straße Bab=a=Zun; außer diesen gibt
es noch mehre Nebenstraßen, die von den Franzo-
sen großentheils andere Namen erhalten haben. Man
unterscheidet unter diesen die Straße Karl V., die Straße
Philipp, der drei Farben, Orleans, Doria, Duquesne,
der Consuln u. a.

Das Äußere der Häuser gewährt keinen erfreuli-
chen Anblick. Man bemerkt von außen nur kleine lö-
cherartige Öffnungen, die über den Thüren angebracht
sind; nur hier und da zeigt sich ein Fenster, mit ei-
nem dichten eisernem Gitter versehen, das dem Bewoh-
ner ebenso wenig Annehmlichkeit als dem Beschauer
verspricht. Mit dem Äußern steht jedoch das Jnnere
der Häuser in dem auffallendsten Contraste. Eine von
Säulen getragene Vorhalle führt zu einer Treppe, die
zwischen Säulen oder zwischen den mit buntem Porzellan
ausgelegten Wänden in das Jnnere des Hauses hin-
auffteigt. Dieses besteht aus einer sehr geräumigen,
mit Marmorplatten ausgelegten und von einem Säu-
lengange eingeschlossenen Halle, die ihr Licht von oben
erhält und zuweilen durch einen in ihrer Mitte befind-
lichen Springbrunnen verziert ist. Über dem untern
Säulengange erhebt sich ein zweiter, von welchem man
in die rings um diesen befindlichen Zimmer gelangt. Auf
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den sich nur durch ihre Größe und durch den Reichthum
der Verzierungen. Die Zimmer, welche stets ein läng-
liches Viereck bilden, sind zwar hoch, aber schmal, meist
feucht und dunkel; sie erhalten ihr Licht durch die
Thüre und zwei kleine Fenster, die auf die große Halle
gehen, aber höchstens dazu geeignet sind, das Zimmer
[Spaltenumbruch] in ein gewisses Helldunkel zu versetzen. Ein oder zwei
mit vielem Fleiße ausgeschnittene, bunt bemalte und
vergoldete Koffer oder Laden von ungewöhnlicher Größe,
ein Teppich, einige Polster, zwei sehr niedrige Tische,
ein großer oder mehre kleine Spiegel an den mit bun-
tem Porzellan ausgelegten Wänden ist Alles, was man
in dem Zimmer eines wohlhabenden Mannes bemerkt.
Jn vielen Häusern, deren jetzige Bewohner Franzosen sind,
ist die offene Halle mit einem Glasdache versehen, auch sind
jetzt in den meisten Zimmern der Europäer Kamine ange-
bracht, die man in den Häusern der Eingeborenen nur in
den Küchen trifft. Jedes Haus besteht in der Regel nur
aus zwei Stockwerken, die ganz gleich eingetheilt sind,
sodaß immer Mauer auf Mauer steht. Die mit Ter-
rassen versehenen Dächer sind flach, und dienen an
schönen Sommerabenden namentlich den Frauen zum
Aufenthalte.

Es gibt in Algier ungefähr 60 Moscheen, von
denen einige jedoch nicht benutzt werden. Die schönste
darunter ist den Franzosen überlassen worden; das Jn-
nere derselben besteht aus weißem Marmor, kolossale,
herrlich gearbeitete Säulen von demselben Steine tra-
gen eine weite Kuppel, durch welche das Licht durch
bunte Glasfenster, deren Malerei und Farbenglanz jedoch
mit den unsrigen nicht zu vergleichen ist, einfällt. Die
Wände sind zum Theil noch mit stark vergoldeten und
bunt gemalten Stellen aus dem Koran, sowie mit eini-
gen Bildern geschmückt. Darunter befindet sich na-
mentlich ein schönes Bild der Mutter Gottes, das der
Papst unter dem Gouvernement des Herzogs von Ro-
vigo der Kirche schenkte. Zu bemerken ist noch unter
den öffentlichen Gebäuden die sogenannte Kasba oder
Kasauba, eigentlich die Citadelle der Stadt, welche die-
selbe beherrscht. Jn dieses feste Schloß verlegte der
vorletzte Dey aus Furcht vor Verschwörungen und
Meutereien seine Residenz und lebte hier mehr in einem
Gefängnisse als in einem Palaste. Nach der Einnahme
fanden die Franzosen in der Kasauba bedeutende Schätze,
die allein an baarem Gelde über vier Millionen Thaler
betrugen. Gegenwärtig wird sie zu einer Caserne be-
nutzt.

Die Einwohnerzahl von Algier, die sehr ver-
schieden angegeben wird, mag sich im Durchschnitte
auf 60,000 belaufen. Unter diesen sind die Mau-
ren, meist Nachkommen der Araber, die eigentli-
chen Stammbewohner und Bürger der Stadt. Sie
wurden im 15. Jahrhunderte aus Spanien vertrieben,
ließen sich an der afrikanischen Küste nieder und bega-
ben sich theils freiwillig, theils gezwungen unter türki-
schen Schutz, der sich aber bald in eine drückende Ober-
herrschaft verwandelte, die um so überraschender war, da
sie nur von einer Handvoll türkischer Soldaten gegen
ein zahlreiches, aber muthloses Volk gehandhabt wurde.
Die äußere Körperbildung dieser Mauren ist schön, ihre
Gesichtszüge sind ernst und edel, die Haltung ihres
Körpers ruhig und vornehm; ihre Haut ist weiß und
zart, Augen und Haare schwarz, die Zähne von blen-
dender Weiße. Jhr Anzug besteht aus einem sehr
kostbaren Turban, zwei oder drei mit goldenen oder
seidenen Schnüren besetzten Westen, von denen eine mit
Ärmeln versehen ist, einer seidenen Leibbinde und einem
Paar sehr weiter, nur bis unter das Knie reichender
Beinkleider. Sie tragen nur selten Strümpfe, die
Schuhe sind rund ausgeschnitten und von grober Ar-
beit, ein Mantel ohne Ärmel, gleich der römischen Toga,
von weißem Baumwollenzeuche, zuweilen auch von
Seide, dient mehr zum Luxus als zum Gebrauch und
wird selbst bei dem schönsten Wetter über die Schulter
[Ende Spaltensatz]

Das Pfennig=Magazin.
[Beginn Spaltensatz]
Die Stadt Algier.

Der Kriegszug Frankreichs gegen Algier im Jahre
1830 und die Besitznahme dieses ehemaligen Raubstaats
von Seiten jener Macht hat in neuesten Zeiten die
Augen von Europa mehr als je auf diese Stadt ge-
richtet, sodaß es unsern Lesern nicht unwillkommen
sein wird, hier eine gedrängte Schilderung von dem
gegenwärtigen Zustande derselben zu erhalten, und das
um so mehr, da seit Beginn der französischen Verwal-
tung wesentliche Veränderungen darin vorgegangen sind.

Algier, im Arabischen Dschesair genannt, war in
frühern Zeiten die Hauptstadt des Paschaliks oder Kö-
nigreichs gleiches Namens und die Residenz des Deys,
der unter den Beherrschern der sogenannten drei Raub-
staaten den vornehmsten Rang einnahm. Die Stadt
liegt an der nördlichen Abdachung eines Gebirgs,
welches ein durch die Ebene Metidscha getrennter
Zweig des Atlas ist. Die Stadt gewährt we-
gen ihrer höchst unregelmäßigen Bauart, nament-
lich von der Meerseite aus, einen seltsamen Anblick.
Man sieht nur viereckige Steinmassen von blen-
dend weißer Farbe, die man eher für einen Kreide-
oder Marmorbruch als für eine Stadt zu hal-
ten versucht ist. Die Straßen, nur zum Theil
gepflastert, und in der Regel durch ein in der
Mitte hindurchlaufendes Wasser getheilt, sind so eng,
daß in den meisten derselben zwei Fußgänger nicht
wohl einander ausweichen können. Jndessen ist
von Seiten der französischen Verwaltung schon viel
für die Verbesserung der Stadt gethan worden.
Man hat viele Häuser niedergerissen, einige der gang-
barsten Straßen erweitert und durch Hinwegräu-
mung der Ruinen einer großen Moschee einen freien
Platz gewonnen, der diesem Theile der Stadt ein
freundlicheres Ansehen gibt. Die Hauptstraßen von
Algier sind: die Straße der Marine, die Straße Bab=el-
Qued und die Straße Bab=a=Zun; außer diesen gibt
es noch mehre Nebenstraßen, die von den Franzo-
sen großentheils andere Namen erhalten haben. Man
unterscheidet unter diesen die Straße Karl V., die Straße
Philipp, der drei Farben, Orleans, Doria, Duquesne,
der Consuln u. a.

Das Äußere der Häuser gewährt keinen erfreuli-
chen Anblick. Man bemerkt von außen nur kleine lö-
cherartige Öffnungen, die über den Thüren angebracht
sind; nur hier und da zeigt sich ein Fenster, mit ei-
nem dichten eisernem Gitter versehen, das dem Bewoh-
ner ebenso wenig Annehmlichkeit als dem Beschauer
verspricht. Mit dem Äußern steht jedoch das Jnnere
der Häuser in dem auffallendsten Contraste. Eine von
Säulen getragene Vorhalle führt zu einer Treppe, die
zwischen Säulen oder zwischen den mit buntem Porzellan
ausgelegten Wänden in das Jnnere des Hauses hin-
auffteigt. Dieses besteht aus einer sehr geräumigen,
mit Marmorplatten ausgelegten und von einem Säu-
lengange eingeschlossenen Halle, die ihr Licht von oben
erhält und zuweilen durch einen in ihrer Mitte befind-
lichen Springbrunnen verziert ist. Über dem untern
Säulengange erhebt sich ein zweiter, von welchem man
in die rings um diesen befindlichen Zimmer gelangt. Auf
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den sich nur durch ihre Größe und durch den Reichthum
der Verzierungen. Die Zimmer, welche stets ein läng-
liches Viereck bilden, sind zwar hoch, aber schmal, meist
feucht und dunkel; sie erhalten ihr Licht durch die
Thüre und zwei kleine Fenster, die auf die große Halle
gehen, aber höchstens dazu geeignet sind, das Zimmer
[Spaltenumbruch] in ein gewisses Helldunkel zu versetzen. Ein oder zwei
mit vielem Fleiße ausgeschnittene, bunt bemalte und
vergoldete Koffer oder Laden von ungewöhnlicher Größe,
ein Teppich, einige Polster, zwei sehr niedrige Tische,
ein großer oder mehre kleine Spiegel an den mit bun-
tem Porzellan ausgelegten Wänden ist Alles, was man
in dem Zimmer eines wohlhabenden Mannes bemerkt.
Jn vielen Häusern, deren jetzige Bewohner Franzosen sind,
ist die offene Halle mit einem Glasdache versehen, auch sind
jetzt in den meisten Zimmern der Europäer Kamine ange-
bracht, die man in den Häusern der Eingeborenen nur in
den Küchen trifft. Jedes Haus besteht in der Regel nur
aus zwei Stockwerken, die ganz gleich eingetheilt sind,
sodaß immer Mauer auf Mauer steht. Die mit Ter-
rassen versehenen Dächer sind flach, und dienen an
schönen Sommerabenden namentlich den Frauen zum
Aufenthalte.

Es gibt in Algier ungefähr 60 Moscheen, von
denen einige jedoch nicht benutzt werden. Die schönste
darunter ist den Franzosen überlassen worden; das Jn-
nere derselben besteht aus weißem Marmor, kolossale,
herrlich gearbeitete Säulen von demselben Steine tra-
gen eine weite Kuppel, durch welche das Licht durch
bunte Glasfenster, deren Malerei und Farbenglanz jedoch
mit den unsrigen nicht zu vergleichen ist, einfällt. Die
Wände sind zum Theil noch mit stark vergoldeten und
bunt gemalten Stellen aus dem Koran, sowie mit eini-
gen Bildern geschmückt. Darunter befindet sich na-
mentlich ein schönes Bild der Mutter Gottes, das der
Papst unter dem Gouvernement des Herzogs von Ro-
vigo der Kirche schenkte. Zu bemerken ist noch unter
den öffentlichen Gebäuden die sogenannte Kasba oder
Kasauba, eigentlich die Citadelle der Stadt, welche die-
selbe beherrscht. Jn dieses feste Schloß verlegte der
vorletzte Dey aus Furcht vor Verschwörungen und
Meutereien seine Residenz und lebte hier mehr in einem
Gefängnisse als in einem Palaste. Nach der Einnahme
fanden die Franzosen in der Kasauba bedeutende Schätze,
die allein an baarem Gelde über vier Millionen Thaler
betrugen. Gegenwärtig wird sie zu einer Caserne be-
nutzt.

Die Einwohnerzahl von Algier, die sehr ver-
schieden angegeben wird, mag sich im Durchschnitte
auf 60,000 belaufen. Unter diesen sind die Mau-
ren, meist Nachkommen der Araber, die eigentli-
chen Stammbewohner und Bürger der Stadt. Sie
wurden im 15. Jahrhunderte aus Spanien vertrieben,
ließen sich an der afrikanischen Küste nieder und bega-
ben sich theils freiwillig, theils gezwungen unter türki-
schen Schutz, der sich aber bald in eine drückende Ober-
herrschaft verwandelte, die um so überraschender war, da
sie nur von einer Handvoll türkischer Soldaten gegen
ein zahlreiches, aber muthloses Volk gehandhabt wurde.
Die äußere Körperbildung dieser Mauren ist schön, ihre
Gesichtszüge sind ernst und edel, die Haltung ihres
Körpers ruhig und vornehm; ihre Haut ist weiß und
zart, Augen und Haare schwarz, die Zähne von blen-
dender Weiße. Jhr Anzug besteht aus einem sehr
kostbaren Turban, zwei oder drei mit goldenen oder
seidenen Schnüren besetzten Westen, von denen eine mit
Ärmeln versehen ist, einer seidenen Leibbinde und einem
Paar sehr weiter, nur bis unter das Knie reichender
Beinkleider. Sie tragen nur selten Strümpfe, die
Schuhe sind rund ausgeschnitten und von grober Ar-
beit, ein Mantel ohne Ärmel, gleich der römischen Toga,
von weißem Baumwollenzeuche, zuweilen auch von
Seide, dient mehr zum Luxus als zum Gebrauch und
wird selbst bei dem schönsten Wetter über die Schulter
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[202/0002] Das Pfennig=Magazin. Die Stadt Algier. Der Kriegszug Frankreichs gegen Algier im Jahre 1830 und die Besitznahme dieses ehemaligen Raubstaats von Seiten jener Macht hat in neuesten Zeiten die Augen von Europa mehr als je auf diese Stadt ge- richtet, sodaß es unsern Lesern nicht unwillkommen sein wird, hier eine gedrängte Schilderung von dem gegenwärtigen Zustande derselben zu erhalten, und das um so mehr, da seit Beginn der französischen Verwal- tung wesentliche Veränderungen darin vorgegangen sind. Algier, im Arabischen Dschesair genannt, war in frühern Zeiten die Hauptstadt des Paschaliks oder Kö- nigreichs gleiches Namens und die Residenz des Deys, der unter den Beherrschern der sogenannten drei Raub- staaten den vornehmsten Rang einnahm. Die Stadt liegt an der nördlichen Abdachung eines Gebirgs, welches ein durch die Ebene Metidscha getrennter Zweig des Atlas ist. Die Stadt gewährt we- gen ihrer höchst unregelmäßigen Bauart, nament- lich von der Meerseite aus, einen seltsamen Anblick. Man sieht nur viereckige Steinmassen von blen- dend weißer Farbe, die man eher für einen Kreide- oder Marmorbruch als für eine Stadt zu hal- ten versucht ist. Die Straßen, nur zum Theil gepflastert, und in der Regel durch ein in der Mitte hindurchlaufendes Wasser getheilt, sind so eng, daß in den meisten derselben zwei Fußgänger nicht wohl einander ausweichen können. Jndessen ist von Seiten der französischen Verwaltung schon viel für die Verbesserung der Stadt gethan worden. Man hat viele Häuser niedergerissen, einige der gang- barsten Straßen erweitert und durch Hinwegräu- mung der Ruinen einer großen Moschee einen freien Platz gewonnen, der diesem Theile der Stadt ein freundlicheres Ansehen gibt. Die Hauptstraßen von Algier sind: die Straße der Marine, die Straße Bab=el- Qued und die Straße Bab=a=Zun; außer diesen gibt es noch mehre Nebenstraßen, die von den Franzo- sen großentheils andere Namen erhalten haben. Man unterscheidet unter diesen die Straße Karl V., die Straße Philipp, der drei Farben, Orleans, Doria, Duquesne, der Consuln u. a. Das Äußere der Häuser gewährt keinen erfreuli- chen Anblick. Man bemerkt von außen nur kleine lö- cherartige Öffnungen, die über den Thüren angebracht sind; nur hier und da zeigt sich ein Fenster, mit ei- nem dichten eisernem Gitter versehen, das dem Bewoh- ner ebenso wenig Annehmlichkeit als dem Beschauer verspricht. Mit dem Äußern steht jedoch das Jnnere der Häuser in dem auffallendsten Contraste. Eine von Säulen getragene Vorhalle führt zu einer Treppe, die zwischen Säulen oder zwischen den mit buntem Porzellan ausgelegten Wänden in das Jnnere des Hauses hin- auffteigt. Dieses besteht aus einer sehr geräumigen, mit Marmorplatten ausgelegten und von einem Säu- lengange eingeschlossenen Halle, die ihr Licht von oben erhält und zuweilen durch einen in ihrer Mitte befind- lichen Springbrunnen verziert ist. Über dem untern Säulengange erhebt sich ein zweiter, von welchem man in die rings um diesen befindlichen Zimmer gelangt. Auf diese Weise sind alle Häuser gebaut und sie unterschei- den sich nur durch ihre Größe und durch den Reichthum der Verzierungen. Die Zimmer, welche stets ein läng- liches Viereck bilden, sind zwar hoch, aber schmal, meist feucht und dunkel; sie erhalten ihr Licht durch die Thüre und zwei kleine Fenster, die auf die große Halle gehen, aber höchstens dazu geeignet sind, das Zimmer in ein gewisses Helldunkel zu versetzen. 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Die schönste darunter ist den Franzosen überlassen worden; das Jn- nere derselben besteht aus weißem Marmor, kolossale, herrlich gearbeitete Säulen von demselben Steine tra- gen eine weite Kuppel, durch welche das Licht durch bunte Glasfenster, deren Malerei und Farbenglanz jedoch mit den unsrigen nicht zu vergleichen ist, einfällt. Die Wände sind zum Theil noch mit stark vergoldeten und bunt gemalten Stellen aus dem Koran, sowie mit eini- gen Bildern geschmückt. Darunter befindet sich na- mentlich ein schönes Bild der Mutter Gottes, das der Papst unter dem Gouvernement des Herzogs von Ro- vigo der Kirche schenkte. Zu bemerken ist noch unter den öffentlichen Gebäuden die sogenannte Kasba oder Kasauba, eigentlich die Citadelle der Stadt, welche die- selbe beherrscht. Jn dieses feste Schloß verlegte der vorletzte Dey aus Furcht vor Verschwörungen und Meutereien seine Residenz und lebte hier mehr in einem Gefängnisse als in einem Palaste. Nach der Einnahme fanden die Franzosen in der Kasauba bedeutende Schätze, die allein an baarem Gelde über vier Millionen Thaler betrugen. Gegenwärtig wird sie zu einer Caserne be- nutzt. Die Einwohnerzahl von Algier, die sehr ver- schieden angegeben wird, mag sich im Durchschnitte auf 60,000 belaufen. Unter diesen sind die Mau- ren, meist Nachkommen der Araber, die eigentli- chen Stammbewohner und Bürger der Stadt. Sie wurden im 15. Jahrhunderte aus Spanien vertrieben, ließen sich an der afrikanischen Küste nieder und bega- ben sich theils freiwillig, theils gezwungen unter türki- schen Schutz, der sich aber bald in eine drückende Ober- herrschaft verwandelte, die um so überraschender war, da sie nur von einer Handvoll türkischer Soldaten gegen ein zahlreiches, aber muthloses Volk gehandhabt wurde. Die äußere Körperbildung dieser Mauren ist schön, ihre Gesichtszüge sind ernst und edel, die Haltung ihres Körpers ruhig und vornehm; ihre Haut ist weiß und zart, Augen und Haare schwarz, die Zähne von blen- dender Weiße. Jhr Anzug besteht aus einem sehr kostbaren Turban, zwei oder drei mit goldenen oder seidenen Schnüren besetzten Westen, von denen eine mit Ärmeln versehen ist, einer seidenen Leibbinde und einem Paar sehr weiter, nur bis unter das Knie reichender Beinkleider. Sie tragen nur selten Strümpfe, die Schuhe sind rund ausgeschnitten und von grober Ar- beit, ein Mantel ohne Ärmel, gleich der römischen Toga, von weißem Baumwollenzeuche, zuweilen auch von Seide, dient mehr zum Luxus als zum Gebrauch und wird selbst bei dem schönsten Wetter über die Schulter

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Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. Nr. 169. Leipzig (Sachsen), 25. Juni 1836, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig169_1836/2>, abgerufen am 14.08.2024.