Das Pfennig=Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. Nr. 165. Leipzig (Sachsen), 28. Mai 1836.Das Pfennig=Magazin. [Beginn Spaltensatz]
Ferne darbietet, verliert seine Reize, wenn wir die Stadtbetreten. Jhre Straßen sind enge, krumm und schmuzig. Viele Gebäude sind verfallen, überall Spuren unterge- gangener Herrlichkeit. Zahlreiche Gärten bedecken einen großen Theil des einst bewohnten Raumes. Die Ein- wohnerzahl ist auf 30,000 herabgesunken. Der große Platz ist regelmäßig und ein schöner Säulengang um- gibt ihn. Von dem alten Schlosse der maurischen Kö- nige sieht man noch Überreste, die einen Theil des bi- schöflichen Palastes bilden. Eins der prachtvollsten Denkmale der maurischen Vorzeit ist die Domkirche, einst eine Moschee, nach den Tempeln zu Jerusalem und Mekka die heiligste in der mohammedanischen Welt. Sie wurde von Abderrhaman auf den Trümmern einer von den westgothischen Königen gebauten Kirche errich- tet, von seinem Sohne um das Jahr 800 vollendet, von spätern Khalifen vergrößert und nach der Erobe- rung in eine christliche Kirche umgeschaffen. Die Moschee war 620 Fuß lang und 440 F. breit und von vier Straßen umgeben, die sie von jeder Berührung mit an- dern Gebäuden ausschlossen. Das Dach stützten mehr als 1200 Säulen von dem kostbarsten Marmor und Jaspis, welche 19 Gänge in der Breite und 29 in der Länge bildeten. Der Tempel hatte 21 Eingänge, alle mit künstlichen ehernen Verzierungen bedeckt. Die Hauptthüre, die zu dem Allerheiligsten, der Maksura, führte, war von Gold und der Fußboden dieses geweih- ten Raumes von Silber. Hier ward auf einem Throne von Aloeholz mit goldenen Nägeln in einem goldenen, mit Perlen und Rubinen besetzten Behältnisse eine Ab- schrift des Korans aufbewahrt. Das Minaret der Moschee war gegen 70 Ellen hoch und mit drei Ku- geln gekrönt, zwei von Gold, die mittlere von Silber, jede viertehalb Spannen im Umfange haltend. Zweiund achtzig Lampen von Erz oder Silber erleuchteten das Jnnere und verbrauchten jährlich 1000 Pfund Baum- wolle und 27,000 Pfund Öl. Die Zahl der an der Moschee angestellten Priester, Vorleser, Aufseher, Gebet- rufer betrug 300. Ein Theil des viereckigen Gebäudes enthielt einen noch jetzt vorhandenen Hof, in welchem vor dem Eintritte in die Moschee die vorgeschriebenen Abwaschungen vorgenommen wurden. Er war auf drei Seiten von einem Säulengange umgeben, hatte drei Springbrunnen, und viele Cypressen=, Palmen= und Orangebäume gewährten stets einen erquickenden Schatten. Man sieht noch jetzt in dem Vorhofe Orangebäume von außerordentlicher Größe, die aus der Zeit der maurischen Könige stammen sollen. Nach der Eroberung der Stadt ließ König Ferdinand das Gebäude größtentheils in der arsprünglichen Gestalt, seit 1528 aber fing man an, das schöne Ebenmaß des prächtigen Bauwerks durch neue An- baue zu stören, und vergebens haben Freunde der Kunst des Alterthums bei dem Domcapitel Vorstellungen gegen jene geschmacklosen Veränderungen gemacht, wozu beson- ders die Errichtung eines großen Chors mitten in der Kirche gehört, der zwar an sich eine treffliche Arbeit im gothischen Style zeigt, aber mit dem Jnnern einer mau- rischen Moschee nicht zusammenstimmt. Eine Art von Zelle hat, bis auf einen Altar und ein Grabmal, noch ganz den maurischen Charakter mit allen ursprüng- lichen Verzierungen, die Form des maurischen Bogens, die schnörkelartigen Vergoldungen, die arabischen Jn- schriften in Mosaik. Das Jnnere des großartigen Tem- pels, in welches uns nachstehende Abbildung ( S. 176 ) einen Blick gewährt, gleicht einem Walde von Säulen, und nichts ist ergreifender als ein Blick durch einen jener Säulengänge, in welchen die Aussicht nicht durch neue Kapellen gehemmt wird. Das Licht fällt durch die [Spaltenumbruch] Thüren und durch mehre kleine Kuppeln ein, doch herrscht im Jnnern eine geheimnißvolle Dämmerung. Die Brücke über den Guadalquivir, die wir auf Ungefähr zwei Stunden von Cordova stand einst der Das Pfennig=Magazin. [Beginn Spaltensatz]
Ferne darbietet, verliert seine Reize, wenn wir die Stadtbetreten. Jhre Straßen sind enge, krumm und schmuzig. Viele Gebäude sind verfallen, überall Spuren unterge- gangener Herrlichkeit. Zahlreiche Gärten bedecken einen großen Theil des einst bewohnten Raumes. Die Ein- wohnerzahl ist auf 30,000 herabgesunken. Der große Platz ist regelmäßig und ein schöner Säulengang um- gibt ihn. Von dem alten Schlosse der maurischen Kö- nige sieht man noch Überreste, die einen Theil des bi- schöflichen Palastes bilden. Eins der prachtvollsten Denkmale der maurischen Vorzeit ist die Domkirche, einst eine Moschee, nach den Tempeln zu Jerusalem und Mekka die heiligste in der mohammedanischen Welt. Sie wurde von Abderrhaman auf den Trümmern einer von den westgothischen Königen gebauten Kirche errich- tet, von seinem Sohne um das Jahr 800 vollendet, von spätern Khalifen vergrößert und nach der Erobe- rung in eine christliche Kirche umgeschaffen. Die Moschee war 620 Fuß lang und 440 F. breit und von vier Straßen umgeben, die sie von jeder Berührung mit an- dern Gebäuden ausschlossen. Das Dach stützten mehr als 1200 Säulen von dem kostbarsten Marmor und Jaspis, welche 19 Gänge in der Breite und 29 in der Länge bildeten. Der Tempel hatte 21 Eingänge, alle mit künstlichen ehernen Verzierungen bedeckt. Die Hauptthüre, die zu dem Allerheiligsten, der Maksura, führte, war von Gold und der Fußboden dieses geweih- ten Raumes von Silber. Hier ward auf einem Throne von Aloeholz mit goldenen Nägeln in einem goldenen, mit Perlen und Rubinen besetzten Behältnisse eine Ab- schrift des Korans aufbewahrt. Das Minaret der Moschee war gegen 70 Ellen hoch und mit drei Ku- geln gekrönt, zwei von Gold, die mittlere von Silber, jede viertehalb Spannen im Umfange haltend. Zweiund achtzig Lampen von Erz oder Silber erleuchteten das Jnnere und verbrauchten jährlich 1000 Pfund Baum- wolle und 27,000 Pfund Öl. Die Zahl der an der Moschee angestellten Priester, Vorleser, Aufseher, Gebet- rufer betrug 300. Ein Theil des viereckigen Gebäudes enthielt einen noch jetzt vorhandenen Hof, in welchem vor dem Eintritte in die Moschee die vorgeschriebenen Abwaschungen vorgenommen wurden. Er war auf drei Seiten von einem Säulengange umgeben, hatte drei Springbrunnen, und viele Cypressen=, Palmen= und Orangebäume gewährten stets einen erquickenden Schatten. Man sieht noch jetzt in dem Vorhofe Orangebäume von außerordentlicher Größe, die aus der Zeit der maurischen Könige stammen sollen. Nach der Eroberung der Stadt ließ König Ferdinand das Gebäude größtentheils in der arsprünglichen Gestalt, seit 1528 aber fing man an, das schöne Ebenmaß des prächtigen Bauwerks durch neue An- baue zu stören, und vergebens haben Freunde der Kunst des Alterthums bei dem Domcapitel Vorstellungen gegen jene geschmacklosen Veränderungen gemacht, wozu beson- ders die Errichtung eines großen Chors mitten in der Kirche gehört, der zwar an sich eine treffliche Arbeit im gothischen Style zeigt, aber mit dem Jnnern einer mau- rischen Moschee nicht zusammenstimmt. Eine Art von Zelle hat, bis auf einen Altar und ein Grabmal, noch ganz den maurischen Charakter mit allen ursprüng- lichen Verzierungen, die Form des maurischen Bogens, die schnörkelartigen Vergoldungen, die arabischen Jn- schriften in Mosaik. Das Jnnere des großartigen Tem- pels, in welches uns nachstehende Abbildung ( S. 176 ) einen Blick gewährt, gleicht einem Walde von Säulen, und nichts ist ergreifender als ein Blick durch einen jener Säulengänge, in welchen die Aussicht nicht durch neue Kapellen gehemmt wird. Das Licht fällt durch die [Spaltenumbruch] Thüren und durch mehre kleine Kuppeln ein, doch herrscht im Jnnern eine geheimnißvolle Dämmerung. Die Brücke über den Guadalquivir, die wir auf Ungefähr zwei Stunden von Cordova stand einst der <TEI> <text> <body> <div type="jArticle" n="1"> <p><pb facs="#f0003" n="171"/><fw type="header" place="top"><hi rendition="#g">Das Pfennig=Magazin.</hi></fw><cb type="start"/> Ferne darbietet, verliert seine Reize, wenn wir die Stadt<lb/> betreten. Jhre Straßen sind enge, krumm und schmuzig.<lb/> Viele Gebäude sind verfallen, überall Spuren unterge-<lb/> gangener Herrlichkeit. Zahlreiche Gärten bedecken einen<lb/> großen Theil des einst bewohnten Raumes. Die Ein-<lb/> wohnerzahl ist auf 30,000 herabgesunken. Der große<lb/> Platz ist regelmäßig und ein schöner Säulengang um-<lb/> gibt ihn. Von dem alten Schlosse der maurischen Kö-<lb/> nige sieht man noch Überreste, die einen Theil des bi-<lb/> schöflichen Palastes bilden. Eins der prachtvollsten<lb/> Denkmale der maurischen Vorzeit ist die Domkirche,<lb/> einst eine Moschee, nach den Tempeln zu Jerusalem<lb/> und Mekka die heiligste in der mohammedanischen Welt.<lb/> Sie wurde von Abderrhaman auf den Trümmern einer<lb/> von den westgothischen Königen gebauten Kirche errich-<lb/> tet, von seinem Sohne um das Jahr 800 vollendet,<lb/> von spätern Khalifen vergrößert und nach der Erobe-<lb/> rung in eine christliche Kirche umgeschaffen. Die Moschee<lb/> war 620 Fuß lang und 440 F. breit und von vier<lb/> Straßen umgeben, die sie von jeder Berührung mit an-<lb/> dern Gebäuden ausschlossen. Das Dach stützten mehr<lb/> als 1200 Säulen von dem kostbarsten Marmor und<lb/> Jaspis, welche 19 Gänge in der Breite und 29 in<lb/> der Länge bildeten. Der Tempel hatte 21 Eingänge,<lb/> alle mit künstlichen ehernen Verzierungen bedeckt. Die<lb/> Hauptthüre, die zu dem Allerheiligsten, der Maksura,<lb/> führte, war von Gold und der Fußboden dieses geweih-<lb/> ten Raumes von Silber. Hier ward auf einem Throne<lb/> von Aloeholz mit goldenen Nägeln in einem goldenen,<lb/> mit Perlen und Rubinen besetzten Behältnisse eine Ab-<lb/> schrift des Korans aufbewahrt. Das Minaret der<lb/> Moschee war gegen 70 Ellen hoch und mit drei Ku-<lb/> geln gekrönt, zwei von Gold, die mittlere von Silber,<lb/> jede viertehalb Spannen im Umfange haltend. Zweiund<lb/> achtzig Lampen von Erz oder Silber erleuchteten das<lb/> Jnnere und verbrauchten jährlich 1000 Pfund Baum-<lb/> wolle und 27,000 Pfund Öl. Die Zahl der an der<lb/> Moschee angestellten Priester, Vorleser, Aufseher, Gebet-<lb/> rufer betrug 300. Ein Theil des viereckigen Gebäudes<lb/> enthielt einen noch jetzt vorhandenen Hof, in welchem<lb/> vor dem Eintritte in die Moschee die vorgeschriebenen<lb/> Abwaschungen vorgenommen wurden. Er war auf drei<lb/> Seiten von einem Säulengange umgeben, hatte drei<lb/> Springbrunnen, und viele Cypressen=, Palmen= und<lb/> Orangebäume gewährten stets einen erquickenden Schatten.<lb/> Man sieht noch jetzt in dem Vorhofe Orangebäume von<lb/> außerordentlicher Größe, die aus der Zeit der maurischen<lb/> Könige stammen sollen. Nach der Eroberung der Stadt<lb/> ließ König Ferdinand das Gebäude größtentheils in der<lb/> arsprünglichen Gestalt, seit 1528 aber fing man an, das<lb/> schöne Ebenmaß des prächtigen Bauwerks durch neue An-<lb/> baue zu stören, und vergebens haben Freunde der Kunst<lb/> des Alterthums bei dem Domcapitel Vorstellungen gegen<lb/> jene geschmacklosen Veränderungen gemacht, wozu beson-<lb/> ders die Errichtung eines großen Chors mitten in der<lb/> Kirche gehört, der zwar an sich eine treffliche Arbeit im<lb/> gothischen Style zeigt, aber mit dem Jnnern einer mau-<lb/> rischen Moschee nicht zusammenstimmt. Eine Art von<lb/> Zelle hat, bis auf einen Altar und ein Grabmal,<lb/> noch ganz den maurischen Charakter mit allen ursprüng-<lb/> lichen Verzierungen, die Form des maurischen Bogens,<lb/> die schnörkelartigen Vergoldungen, die arabischen Jn-<lb/> schriften in Mosaik. Das Jnnere des großartigen Tem-<lb/> pels, in welches uns nachstehende Abbildung ( S. 176 )<lb/> einen Blick gewährt, gleicht einem Walde von Säulen,<lb/> und nichts ist ergreifender als ein Blick durch einen jener<lb/> Säulengänge, in welchen die Aussicht nicht durch neue<lb/> Kapellen gehemmt wird. Das Licht fällt durch die<lb/><cb n="2"/> Thüren und durch mehre kleine Kuppeln ein, doch<lb/> herrscht im Jnnern eine geheimnißvolle Dämmerung.</p><lb/> <p>Die Brücke über den Guadalquivir, die wir auf<lb/> vorstehender Abbildung sehen, ist ebenfalls ein prächtiges<lb/> Bauwerk, hat 16 Bögen und ist 1000 Fuß lang. Die<lb/> Mauren begannen den Bau 721; gegen Ende des 8.<lb/> Jahrhunderts aber wurde sie von Abderrhaman's Sohn<lb/> gänzlich umgebaut. Als das Werk vollendet war, er-<lb/> zählen die arabischen Geschichtschreiber, fragte der Khalif,<lb/> was das Volk zu dem Baue sage. „Sie sagen“, war die<lb/> Antwort, „ihr Fürst habe sie nur gebaut, um darüber<lb/> auf die Jagd zu gehen.“ Als der Khalif dies hörte,<lb/> verband er sich durch einen Eid, nie über die Brücke<lb/> zu gehen, und hielt dies Gelübde treu.</p><lb/> <p>Ungefähr zwei Stunden von Cordova stand einst der<lb/> Palast Azzahra, den Abderrhaman <hi rendition="#aq">III</hi>. nach dem Wunsche<lb/> seiner geliebtesten Gemahlin erbaute und nach ihr nannte.<lb/> Er ließ die berühmtesten Baumeister aus Bagdad, Kon-<lb/> stantinopel und andern Theilen des Morgenlandes kom-<lb/> men, und wie die arabischen Geschichtschreiber erzählen,<lb/> waren täglich mehre tausend Menschen bei dem Baue<lb/> beschäftigt, es wurden nicht weniger als 1400 Last-<lb/> thiere dabei gebraucht, und das Werk ward in 25 Jah-<lb/> ren vollendet. Der Palast hatte 4300 Säulen von<lb/> verschiedener Größe und mehre tausend kostbar verzierte<lb/> Thüren. Der Prachtsaal der Khalifen bestand aus<lb/> buntem, mit Gold ausgelegtem Marmor. Jn der Mitte<lb/> des Saals befand sich ein großes, mit Quecksilber ge-<lb/> fülltes Marmorbecken. Auf jeder Seite waren acht<lb/> Thüren, in Gewänden mit Gold und Elfenbein verziert<lb/> und an Säulen von Marmor und Krystallen hangend.<lb/> Fiel das Sonnenlicht durch die geöffneten Thüren, so<lb/> war der von der Decke und den Wänden zurückgewor-<lb/> fene Glanz so groß, daß das Auge geblendet wurde.<lb/> Wollte der Khalif Jemand in seinem Gefolge überra-<lb/> schen oder erschrecken, so ließ er das Quecksilber in Be-<lb/> wegung setzen, wo dann der ganze Saal in Bewegung zu<lb/> sein schien, bis das Quecksilber wieder ruhig war. Al<lb/> Hakkam, Abderrhaman's Sohn, vergrößerte den Palast.<lb/> Eine arme Witwe, erzählt man, besaß ein kleines Stück<lb/> Feld, das an den Garten des Khalifen grenzte. Sie wies<lb/> jedes Anerbieten ab, das Erbe ihrer Väter zu verkaufen;<lb/> aber einer der Beamten des Khalifen nahm ihr mit Gewalt,<lb/> was sie nicht abtreten wollte. Die untröstliche Frau ging<lb/> nach Cordova und brachte ihre Klage vor dem Richter<lb/> an. Der Beamte sah, daß das Gesetz klar und ent-<lb/> scheidend zu Gunsten der Frau sprach, aber er fühlte, daß<lb/> es schwer sein würde, den Khalifen davon zu überzeugen.<lb/> Er setzte sich auf einen Esel, nahm einen ungeheuern Sack<lb/> mit und erschien vor dem Khalifen, der eben in einem<lb/> Kiosk saß, welcher auf dem der armen Frau genomme-<lb/> nen Felde erbaut war. Der Khalif wunderte sich, den<lb/> Richter mit einem großen Sacke auf den Schultern zu<lb/> sehen. Der Beamte warf sich vor ihm nieder und bat<lb/> ihn um die Erlaubniß, seinen Sack mit Erde von dem<lb/> Boden zu füllen, auf welchem sie standen. Die Bitte<lb/> wurde gewährt, und als der Sack gefüllt war, bat der<lb/> Richter den Fürsten, ihm den Sack auf den Esel heben<lb/> zu helfen. Dieses seltsame Gesuch überraschte den Kha-<lb/> lifen noch mehr, und er sagte dem Richter, die Last<lb/> wäre zu schwer. „O Fürst“, sprach der Richter, „dieser<lb/> Sack enthält nur einen kleinen Theil der Erde, die du<lb/> ungerechter Weise einer armen Frau genommen hast,<lb/> und wie schwer wirst du am Tage des Gerichts an<lb/> dem Ganzen zu tragen haben.“ Der Khalif, nicht er-<lb/> zürnt über den dreisten Vorwurf, erkannte seinen Feh-<lb/> ler und gab das Feld zurück mit Allem, was er dar-<lb/> auf hatte erbauen lassen. Keine Spur von dem präch-<lb/><cb type="end"/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [171/0003]
Das Pfennig=Magazin.
Ferne darbietet, verliert seine Reize, wenn wir die Stadt
betreten. Jhre Straßen sind enge, krumm und schmuzig.
Viele Gebäude sind verfallen, überall Spuren unterge-
gangener Herrlichkeit. Zahlreiche Gärten bedecken einen
großen Theil des einst bewohnten Raumes. Die Ein-
wohnerzahl ist auf 30,000 herabgesunken. Der große
Platz ist regelmäßig und ein schöner Säulengang um-
gibt ihn. Von dem alten Schlosse der maurischen Kö-
nige sieht man noch Überreste, die einen Theil des bi-
schöflichen Palastes bilden. Eins der prachtvollsten
Denkmale der maurischen Vorzeit ist die Domkirche,
einst eine Moschee, nach den Tempeln zu Jerusalem
und Mekka die heiligste in der mohammedanischen Welt.
Sie wurde von Abderrhaman auf den Trümmern einer
von den westgothischen Königen gebauten Kirche errich-
tet, von seinem Sohne um das Jahr 800 vollendet,
von spätern Khalifen vergrößert und nach der Erobe-
rung in eine christliche Kirche umgeschaffen. Die Moschee
war 620 Fuß lang und 440 F. breit und von vier
Straßen umgeben, die sie von jeder Berührung mit an-
dern Gebäuden ausschlossen. Das Dach stützten mehr
als 1200 Säulen von dem kostbarsten Marmor und
Jaspis, welche 19 Gänge in der Breite und 29 in
der Länge bildeten. Der Tempel hatte 21 Eingänge,
alle mit künstlichen ehernen Verzierungen bedeckt. Die
Hauptthüre, die zu dem Allerheiligsten, der Maksura,
führte, war von Gold und der Fußboden dieses geweih-
ten Raumes von Silber. Hier ward auf einem Throne
von Aloeholz mit goldenen Nägeln in einem goldenen,
mit Perlen und Rubinen besetzten Behältnisse eine Ab-
schrift des Korans aufbewahrt. Das Minaret der
Moschee war gegen 70 Ellen hoch und mit drei Ku-
geln gekrönt, zwei von Gold, die mittlere von Silber,
jede viertehalb Spannen im Umfange haltend. Zweiund
achtzig Lampen von Erz oder Silber erleuchteten das
Jnnere und verbrauchten jährlich 1000 Pfund Baum-
wolle und 27,000 Pfund Öl. Die Zahl der an der
Moschee angestellten Priester, Vorleser, Aufseher, Gebet-
rufer betrug 300. Ein Theil des viereckigen Gebäudes
enthielt einen noch jetzt vorhandenen Hof, in welchem
vor dem Eintritte in die Moschee die vorgeschriebenen
Abwaschungen vorgenommen wurden. Er war auf drei
Seiten von einem Säulengange umgeben, hatte drei
Springbrunnen, und viele Cypressen=, Palmen= und
Orangebäume gewährten stets einen erquickenden Schatten.
Man sieht noch jetzt in dem Vorhofe Orangebäume von
außerordentlicher Größe, die aus der Zeit der maurischen
Könige stammen sollen. Nach der Eroberung der Stadt
ließ König Ferdinand das Gebäude größtentheils in der
arsprünglichen Gestalt, seit 1528 aber fing man an, das
schöne Ebenmaß des prächtigen Bauwerks durch neue An-
baue zu stören, und vergebens haben Freunde der Kunst
des Alterthums bei dem Domcapitel Vorstellungen gegen
jene geschmacklosen Veränderungen gemacht, wozu beson-
ders die Errichtung eines großen Chors mitten in der
Kirche gehört, der zwar an sich eine treffliche Arbeit im
gothischen Style zeigt, aber mit dem Jnnern einer mau-
rischen Moschee nicht zusammenstimmt. Eine Art von
Zelle hat, bis auf einen Altar und ein Grabmal,
noch ganz den maurischen Charakter mit allen ursprüng-
lichen Verzierungen, die Form des maurischen Bogens,
die schnörkelartigen Vergoldungen, die arabischen Jn-
schriften in Mosaik. Das Jnnere des großartigen Tem-
pels, in welches uns nachstehende Abbildung ( S. 176 )
einen Blick gewährt, gleicht einem Walde von Säulen,
und nichts ist ergreifender als ein Blick durch einen jener
Säulengänge, in welchen die Aussicht nicht durch neue
Kapellen gehemmt wird. Das Licht fällt durch die
Thüren und durch mehre kleine Kuppeln ein, doch
herrscht im Jnnern eine geheimnißvolle Dämmerung.
Die Brücke über den Guadalquivir, die wir auf
vorstehender Abbildung sehen, ist ebenfalls ein prächtiges
Bauwerk, hat 16 Bögen und ist 1000 Fuß lang. Die
Mauren begannen den Bau 721; gegen Ende des 8.
Jahrhunderts aber wurde sie von Abderrhaman's Sohn
gänzlich umgebaut. Als das Werk vollendet war, er-
zählen die arabischen Geschichtschreiber, fragte der Khalif,
was das Volk zu dem Baue sage. „Sie sagen“, war die
Antwort, „ihr Fürst habe sie nur gebaut, um darüber
auf die Jagd zu gehen.“ Als der Khalif dies hörte,
verband er sich durch einen Eid, nie über die Brücke
zu gehen, und hielt dies Gelübde treu.
Ungefähr zwei Stunden von Cordova stand einst der
Palast Azzahra, den Abderrhaman III. nach dem Wunsche
seiner geliebtesten Gemahlin erbaute und nach ihr nannte.
Er ließ die berühmtesten Baumeister aus Bagdad, Kon-
stantinopel und andern Theilen des Morgenlandes kom-
men, und wie die arabischen Geschichtschreiber erzählen,
waren täglich mehre tausend Menschen bei dem Baue
beschäftigt, es wurden nicht weniger als 1400 Last-
thiere dabei gebraucht, und das Werk ward in 25 Jah-
ren vollendet. Der Palast hatte 4300 Säulen von
verschiedener Größe und mehre tausend kostbar verzierte
Thüren. Der Prachtsaal der Khalifen bestand aus
buntem, mit Gold ausgelegtem Marmor. Jn der Mitte
des Saals befand sich ein großes, mit Quecksilber ge-
fülltes Marmorbecken. Auf jeder Seite waren acht
Thüren, in Gewänden mit Gold und Elfenbein verziert
und an Säulen von Marmor und Krystallen hangend.
Fiel das Sonnenlicht durch die geöffneten Thüren, so
war der von der Decke und den Wänden zurückgewor-
fene Glanz so groß, daß das Auge geblendet wurde.
Wollte der Khalif Jemand in seinem Gefolge überra-
schen oder erschrecken, so ließ er das Quecksilber in Be-
wegung setzen, wo dann der ganze Saal in Bewegung zu
sein schien, bis das Quecksilber wieder ruhig war. Al
Hakkam, Abderrhaman's Sohn, vergrößerte den Palast.
Eine arme Witwe, erzählt man, besaß ein kleines Stück
Feld, das an den Garten des Khalifen grenzte. Sie wies
jedes Anerbieten ab, das Erbe ihrer Väter zu verkaufen;
aber einer der Beamten des Khalifen nahm ihr mit Gewalt,
was sie nicht abtreten wollte. Die untröstliche Frau ging
nach Cordova und brachte ihre Klage vor dem Richter
an. Der Beamte sah, daß das Gesetz klar und ent-
scheidend zu Gunsten der Frau sprach, aber er fühlte, daß
es schwer sein würde, den Khalifen davon zu überzeugen.
Er setzte sich auf einen Esel, nahm einen ungeheuern Sack
mit und erschien vor dem Khalifen, der eben in einem
Kiosk saß, welcher auf dem der armen Frau genomme-
nen Felde erbaut war. Der Khalif wunderte sich, den
Richter mit einem großen Sacke auf den Schultern zu
sehen. Der Beamte warf sich vor ihm nieder und bat
ihn um die Erlaubniß, seinen Sack mit Erde von dem
Boden zu füllen, auf welchem sie standen. Die Bitte
wurde gewährt, und als der Sack gefüllt war, bat der
Richter den Fürsten, ihm den Sack auf den Esel heben
zu helfen. Dieses seltsame Gesuch überraschte den Kha-
lifen noch mehr, und er sagte dem Richter, die Last
wäre zu schwer. „O Fürst“, sprach der Richter, „dieser
Sack enthält nur einen kleinen Theil der Erde, die du
ungerechter Weise einer armen Frau genommen hast,
und wie schwer wirst du am Tage des Gerichts an
dem Ganzen zu tragen haben.“ Der Khalif, nicht er-
zürnt über den dreisten Vorwurf, erkannte seinen Feh-
ler und gab das Feld zurück mit Allem, was er dar-
auf hatte erbauen lassen. Keine Spur von dem präch-
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Transkription
Peter Fankhauser:
Transformation von TUSTEP nach TEI P5.
Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.
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