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Das Pfennig=Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. Nr. 161. Leipzig (Sachsen), 30. April 1836.

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Das Pfennig=Magazin.
[Abbildung] Moschee Aureng=Zeyb's in Benares.
[Beginn Spaltensatz] lieferung hier geboren ward, ist Benares, die " allerhei-
heiligste Stadt." Sie liegt in einer Ebene am nördli-
chen Ufer des Ganges, und soll ihren Namen von zwei
Flüssen, dem Benar und Assi, die in ihrer Nähe in
jenen Strom fallen, erhalten haben. Jhr alter Name
war Kasi, die prächtige, den sie nach der Eroberung
durch die Mohammedaner im 17. Jahrhunderte verlo-
ren zu haben scheint. Die Stadt hat eine beträchtliche
Ausdehnung, aber so groß sie ist, so enthält sie doch
eine weit bedeutendere Einwohnerzahl, als man nach
ihrem Flächenraume vermuthen könnte. Schon 1803
fand man bei einer Zählung über 580,000 Einwohner
in 12,000 Häusern von Steinen oder Ziegeln und
16,000 Lehmhütten, und seitdem hat die Zahl der
Häuser und der Bewohner sehr zugenommen und
die Stadt sich bis zu den benachbarten Dörfern aus-
gedehnt. Ganz morgenländisch in ihrem Charakter,
unterscheidet sie sich doch sehr von allen übrigen Städ-
ten Hindostans. Die Häuser, ein Gemisch von schö-
nen und seltsamen Formen, die einen ungeheuern Stein-
wall längs dem Ufer des Ganges bilden, erheben sich
mit ihrer Grundfläche gegen 30 Fuß über das Bett
des Stromes, mit welchem die Stadt durch zahlreiche
sogenannte Landungsplätze verbunden ist, wohin breite
Treppen zwischen den hohen Häusern hinabführen. Eine
Ansicht der Stadt von einem dieser Landungsplätze zeigt
unsere Abbildung ( S. 140 ) . Von der Flußseite bietet Be-
nares überhaupt einen anziehenden Anblick dar. Es zeigt
[Spaltenumbruch] sich ein lebendiges Gemälde, das durch üppig belaubte
Bäume gehoben wird, die zwischen den Brustwehren
und Strebepfeilern der benachbarten Gebäude hervor-
blicken. Fährt man in einem Boote den Strom hinab,
so geht eine Mannichfaltigkeit anziehender Gegenstände
dem Auge vorüber. Durch die Zwischenräume der
Thürme und Paläste, der Tempel und Häuser der Stadt
blicken Gärten und Bazars hervor. Lange bedeckte Gänge
führen zu der Einsamkeit einer Frauenwohnung. Vor-
ragende Thürmchen auf den hohen Zinnen eines mäch-
tigen Gebäudes ruhend, gleichen den Wachthürmen eu-
ropäischer Ritterburgen. Zu allen Tagesstunden zeigt
sich ein bewegtes Leben in der Nähe jener Landungs-
plätze. Jn jeder Bucht sieht man Fahrzeuge aller Art.
Hier liegen kleine Böte vor Anker, dort tanzen leichte
Kähne auf den sanft gekräuselten Wellen hier erheben
sich die bunt verzierten Masten eines größern Schiffes,
während breite, mit Baumwolle beladene einheimische
Fahrzeuge den Strom in der Nähe einer vielbesuchten
Schiffslände füllen. Kleine Barken schwimmen unab-
lässig über den glänzenden Wasserspiegel, und Segel,
bald blendend weiß, bald saffrangelb, oft aus zerrisse-
nen Bruchstücken zusammengeheftet, zeigen sich in allen
Richtungen. Wir sehen eine Pagode, die mitten im
Strome steht, ohne alle Verbindung mit dem Gestade.
Der ganze Grund des Gebäudes ist unter Wasser, und
zwei seiner Thürme sind so sehr von der lothrechten Li-
nie abgewichen, daß sie einen spitzigen Winkel mit dem
[Ende Spaltensatz]

Das Pfennig=Magazin.
[Abbildung] Moschee Aureng=Zeyb's in Benares.
[Beginn Spaltensatz] lieferung hier geboren ward, ist Benares, die „ allerhei-
heiligste Stadt.“ Sie liegt in einer Ebene am nördli-
chen Ufer des Ganges, und soll ihren Namen von zwei
Flüssen, dem Benar und Assi, die in ihrer Nähe in
jenen Strom fallen, erhalten haben. Jhr alter Name
war Kasi, die prächtige, den sie nach der Eroberung
durch die Mohammedaner im 17. Jahrhunderte verlo-
ren zu haben scheint. Die Stadt hat eine beträchtliche
Ausdehnung, aber so groß sie ist, so enthält sie doch
eine weit bedeutendere Einwohnerzahl, als man nach
ihrem Flächenraume vermuthen könnte. Schon 1803
fand man bei einer Zählung über 580,000 Einwohner
in 12,000 Häusern von Steinen oder Ziegeln und
16,000 Lehmhütten, und seitdem hat die Zahl der
Häuser und der Bewohner sehr zugenommen und
die Stadt sich bis zu den benachbarten Dörfern aus-
gedehnt. Ganz morgenländisch in ihrem Charakter,
unterscheidet sie sich doch sehr von allen übrigen Städ-
ten Hindostans. Die Häuser, ein Gemisch von schö-
nen und seltsamen Formen, die einen ungeheuern Stein-
wall längs dem Ufer des Ganges bilden, erheben sich
mit ihrer Grundfläche gegen 30 Fuß über das Bett
des Stromes, mit welchem die Stadt durch zahlreiche
sogenannte Landungsplätze verbunden ist, wohin breite
Treppen zwischen den hohen Häusern hinabführen. Eine
Ansicht der Stadt von einem dieser Landungsplätze zeigt
unsere Abbildung ( S. 140 ) . Von der Flußseite bietet Be-
nares überhaupt einen anziehenden Anblick dar. Es zeigt
[Spaltenumbruch] sich ein lebendiges Gemälde, das durch üppig belaubte
Bäume gehoben wird, die zwischen den Brustwehren
und Strebepfeilern der benachbarten Gebäude hervor-
blicken. Fährt man in einem Boote den Strom hinab,
so geht eine Mannichfaltigkeit anziehender Gegenstände
dem Auge vorüber. Durch die Zwischenräume der
Thürme und Paläste, der Tempel und Häuser der Stadt
blicken Gärten und Bazars hervor. Lange bedeckte Gänge
führen zu der Einsamkeit einer Frauenwohnung. Vor-
ragende Thürmchen auf den hohen Zinnen eines mäch-
tigen Gebäudes ruhend, gleichen den Wachthürmen eu-
ropäischer Ritterburgen. Zu allen Tagesstunden zeigt
sich ein bewegtes Leben in der Nähe jener Landungs-
plätze. Jn jeder Bucht sieht man Fahrzeuge aller Art.
Hier liegen kleine Böte vor Anker, dort tanzen leichte
Kähne auf den sanft gekräuselten Wellen hier erheben
sich die bunt verzierten Masten eines größern Schiffes,
während breite, mit Baumwolle beladene einheimische
Fahrzeuge den Strom in der Nähe einer vielbesuchten
Schiffslände füllen. Kleine Barken schwimmen unab-
lässig über den glänzenden Wasserspiegel, und Segel,
bald blendend weiß, bald saffrangelb, oft aus zerrisse-
nen Bruchstücken zusammengeheftet, zeigen sich in allen
Richtungen. Wir sehen eine Pagode, die mitten im
Strome steht, ohne alle Verbindung mit dem Gestade.
Der ganze Grund des Gebäudes ist unter Wasser, und
zwei seiner Thürme sind so sehr von der lothrechten Li-
nie abgewichen, daß sie einen spitzigen Winkel mit dem
[Ende Spaltensatz]

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. Nr. 161. Leipzig (Sachsen), 30. April 1836, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig161_1836/5>, abgerufen am 17.07.2024.