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Das Pfennig=Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. Nr. 160. Leipzig (Sachsen), 23. April 1836.

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Das Pfennig=Magazin.
[Abbildung] Coriolan entdeckt sich dem Attius Tullus.
[Beginn Spaltensatz] vor, eroberte viele mit Rom verbundene latinische Städte
und schlug bei dem sogenannten Cluilischen Graben eine
Meile von Rom ein Lager auf. Schrecken verbreitete
sich in Rom bei der Nachricht von des siegreichen Fein-
des drohender Nähe. Der Senat beschloß, eine Ge-
sandtschaft an ihn abzuschicken und ihm die Rückkehr
ins Vaterland anzubieten. Er aber wies sie vornehm
und finster ab, mit der Foderung, alle Eroberungen
herauszugeben und den Volskern staatsbürgerliche Gleich-
stellung, wie die Latiner sie hatten, einzuräumen. Er
gestattete dreißig Tage Bedenkzeit. Da er seine Fode-
rung wiederholt erklärt hatte, zogen aus dem hart be-
drängten Rom alle Priester in heiligem Schmuck in das
Lager; aber auch sie beugten nicht des rachsüchtigen
Heerführers Herz. Zuletzt ging des Verbannten Gattin
Volumnia mit zwei Knaben, seine alte Mutter Veturia
und andere edle Frauen nach dem Lager. Jhr Aufzug
rührte auch den Feind zu mitleidiger Ehrerbietung und
Stille, und Marcius, vom Gefühl übermannt, lief ih-
[Spaltenumbruch] nen entgegen, küßte die Mutter, Gattin und Kinder
unter Thränen und freundlicher Begrüßung. Dann
hörte er still, in Gegenwart der volskischen Hauptleute,
die eindringliche Rede der Volumnia an. Als sie aber
geendet und ihm den Undank gegen die Mutter vorge-
worfen hatte, fiel sie ihm zugleich mit seiner Gattin
und den Kindern zu Füßen. Da rief Marcius: "Ach
Mutter, was hast du mir angethan!" hob sie auf und
sprach: "Du hast für das Vaterland einen glücklichen,
für mich verderblichen Sieg gewonnen; von dir allein
überwunden, ziehe ich ab."

Hierauf entließ er die Seinigen und führte das
Heer, das ihm willig folgte, von der Stadt zurück.
Die Volsker sollen ihn aber deshalb zur Verantwortung
gezogen und in der Versammlung ermordet haben. Fa-
bius, der älteste römische Geschichtschreiber, erzählt, Co-
riolan habe noch als Greis in der Verbannung gelebt
und im hohen Alter sein Schicksal bejammert.

[Ende Spaltensatz]

Die Besteigung des Giftbergs.
[Beginn Spaltensatz]

Jm Bezirk Clanwillam, am Vorgebirge der guten
Hoffnung, zieht sich am rechten Ufer des Elefantenflus-
ses eine Gebirgskette nordwärts, die mit dem Cederge-
birge in Verbindung steht und nur durch den großen
Doornfluß von demselben getrennt wird. Der nordwest-
lichste Vorsprung dieser Kette heißt der Maskama und
dessen höchster Berg der Giftberg, welcher seinen Na-
men von dem hier häufig wachsenden Giftstrauch *) hat.
Dieser wird bis 18 Fuß hoch, seine dunkelgrünen Blät-
ter sehen den Lorberblättern ähnlich, die rothe Blüte
hängt in Büscheln zwischen den Zweigen, und die nuß-
ähnliche Frucht, deren drei bis vier an einem Stengel
hangen, ist oben etwas eingedrückt. Sie enthält sechs
kleinere Kapseln, deren jede einen Kern in sich schließt.
Beinahe alle Theile dieses Strauches sind giftig. Mit
den getrockneten Früchten tödten die Colonisten, indem
sie dieselben in Fleischstücke verstecken, Hyänen, Leopar-
[Spaltenumbruch] den und wilde Hunde. Die Blätter sind allem Vieh ge-
fährlich, ja sogar der Rauch des verbrennenden Hol-
zes ist dem Menschen höchst nachtheilig. Nur zwei
Wege führen zu den Höhen des Giftberges, beide gleich
gefährlich und mühsam. Als ich das erste Mal ihn
bestieg, schlief ich die Nacht zuvor auf der schönen und
äußerst fruchtbaren Pflanzung des Herrn Nieuwoudt, ge-
nannt Windhoek ( Windecke ) , weil zu einer gewissen Jah-
reszeit der Westwind hier besonders stark weht. Mehre
Tagereisen in der Karrow hatten mich abgespannt, und
besonders der letzte Tag durch seine außerordentliche Hitze
mich erschöpft. Wie erquickend war da die erfrischende
Abendkühle in einem schönen Orangenwalde, wo der freund-
liche Besitzer mir die in Afrika so allgemein herrschende Gast-
freundschaft bewies. Nach dem Essen wanderte er mit mir
auf seiner Besitzung umher, um mir seine herrlichen An-
pflanzungen zu zeigen. Eine besonders große Dattelpalme,
die eben in voller Blüte stand, erregte meine Aufmerksam-
keit, da sie über 60 Fuß hoch und3 1 / 4 Fuß dick war.
Nach der Orangenanlage zurückgekehrt, erzählte mir mein
Wirth seine Jagdabenteuer. Noch im vergangenen Jahre
war er auf einer Leopardenjagd wunderbar errettet wor-
[Ende Spaltensatz]

*) Er ist nicht mit andern Giftsträuchern in der Colonie
zu verwechseln, die allerdings schon von Thunberg, Burchel,
und Andern beschrieben sind.

Das Pfennig=Magazin.
[Abbildung] Coriolan entdeckt sich dem Attius Tullus.
[Beginn Spaltensatz] vor, eroberte viele mit Rom verbundene latinische Städte
und schlug bei dem sogenannten Cluilischen Graben eine
Meile von Rom ein Lager auf. Schrecken verbreitete
sich in Rom bei der Nachricht von des siegreichen Fein-
des drohender Nähe. Der Senat beschloß, eine Ge-
sandtschaft an ihn abzuschicken und ihm die Rückkehr
ins Vaterland anzubieten. Er aber wies sie vornehm
und finster ab, mit der Foderung, alle Eroberungen
herauszugeben und den Volskern staatsbürgerliche Gleich-
stellung, wie die Latiner sie hatten, einzuräumen. Er
gestattete dreißig Tage Bedenkzeit. Da er seine Fode-
rung wiederholt erklärt hatte, zogen aus dem hart be-
drängten Rom alle Priester in heiligem Schmuck in das
Lager; aber auch sie beugten nicht des rachsüchtigen
Heerführers Herz. Zuletzt ging des Verbannten Gattin
Volumnia mit zwei Knaben, seine alte Mutter Veturia
und andere edle Frauen nach dem Lager. Jhr Aufzug
rührte auch den Feind zu mitleidiger Ehrerbietung und
Stille, und Marcius, vom Gefühl übermannt, lief ih-
[Spaltenumbruch] nen entgegen, küßte die Mutter, Gattin und Kinder
unter Thränen und freundlicher Begrüßung. Dann
hörte er still, in Gegenwart der volskischen Hauptleute,
die eindringliche Rede der Volumnia an. Als sie aber
geendet und ihm den Undank gegen die Mutter vorge-
worfen hatte, fiel sie ihm zugleich mit seiner Gattin
und den Kindern zu Füßen. Da rief Marcius: „Ach
Mutter, was hast du mir angethan!“ hob sie auf und
sprach: „Du hast für das Vaterland einen glücklichen,
für mich verderblichen Sieg gewonnen; von dir allein
überwunden, ziehe ich ab.“

Hierauf entließ er die Seinigen und führte das
Heer, das ihm willig folgte, von der Stadt zurück.
Die Volsker sollen ihn aber deshalb zur Verantwortung
gezogen und in der Versammlung ermordet haben. Fa-
bius, der älteste römische Geschichtschreiber, erzählt, Co-
riolan habe noch als Greis in der Verbannung gelebt
und im hohen Alter sein Schicksal bejammert.

[Ende Spaltensatz]

Die Besteigung des Giftbergs.
[Beginn Spaltensatz]

Jm Bezirk Clanwillam, am Vorgebirge der guten
Hoffnung, zieht sich am rechten Ufer des Elefantenflus-
ses eine Gebirgskette nordwärts, die mit dem Cederge-
birge in Verbindung steht und nur durch den großen
Doornfluß von demselben getrennt wird. Der nordwest-
lichste Vorsprung dieser Kette heißt der Maskama und
dessen höchster Berg der Giftberg, welcher seinen Na-
men von dem hier häufig wachsenden Giftstrauch *) hat.
Dieser wird bis 18 Fuß hoch, seine dunkelgrünen Blät-
ter sehen den Lorberblättern ähnlich, die rothe Blüte
hängt in Büscheln zwischen den Zweigen, und die nuß-
ähnliche Frucht, deren drei bis vier an einem Stengel
hangen, ist oben etwas eingedrückt. Sie enthält sechs
kleinere Kapseln, deren jede einen Kern in sich schließt.
Beinahe alle Theile dieses Strauches sind giftig. Mit
den getrockneten Früchten tödten die Colonisten, indem
sie dieselben in Fleischstücke verstecken, Hyänen, Leopar-
[Spaltenumbruch] den und wilde Hunde. Die Blätter sind allem Vieh ge-
fährlich, ja sogar der Rauch des verbrennenden Hol-
zes ist dem Menschen höchst nachtheilig. Nur zwei
Wege führen zu den Höhen des Giftberges, beide gleich
gefährlich und mühsam. Als ich das erste Mal ihn
bestieg, schlief ich die Nacht zuvor auf der schönen und
äußerst fruchtbaren Pflanzung des Herrn Nieuwoudt, ge-
nannt Windhoek ( Windecke ) , weil zu einer gewissen Jah-
reszeit der Westwind hier besonders stark weht. Mehre
Tagereisen in der Karrow hatten mich abgespannt, und
besonders der letzte Tag durch seine außerordentliche Hitze
mich erschöpft. Wie erquickend war da die erfrischende
Abendkühle in einem schönen Orangenwalde, wo der freund-
liche Besitzer mir die in Afrika so allgemein herrschende Gast-
freundschaft bewies. Nach dem Essen wanderte er mit mir
auf seiner Besitzung umher, um mir seine herrlichen An-
pflanzungen zu zeigen. Eine besonders große Dattelpalme,
die eben in voller Blüte stand, erregte meine Aufmerksam-
keit, da sie über 60 Fuß hoch und3 1 / 4 Fuß dick war.
Nach der Orangenanlage zurückgekehrt, erzählte mir mein
Wirth seine Jagdabenteuer. Noch im vergangenen Jahre
war er auf einer Leopardenjagd wunderbar errettet wor-
[Ende Spaltensatz]

*) Er ist nicht mit andern Giftsträuchern in der Colonie
zu verwechseln, die allerdings schon von Thunberg, Burchel,
und Andern beschrieben sind.
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[133/0005] Das Pfennig=Magazin. [Abbildung Coriolan entdeckt sich dem Attius Tullus. ] vor, eroberte viele mit Rom verbundene latinische Städte und schlug bei dem sogenannten Cluilischen Graben eine Meile von Rom ein Lager auf. Schrecken verbreitete sich in Rom bei der Nachricht von des siegreichen Fein- des drohender Nähe. Der Senat beschloß, eine Ge- sandtschaft an ihn abzuschicken und ihm die Rückkehr ins Vaterland anzubieten. Er aber wies sie vornehm und finster ab, mit der Foderung, alle Eroberungen herauszugeben und den Volskern staatsbürgerliche Gleich- stellung, wie die Latiner sie hatten, einzuräumen. Er gestattete dreißig Tage Bedenkzeit. Da er seine Fode- rung wiederholt erklärt hatte, zogen aus dem hart be- drängten Rom alle Priester in heiligem Schmuck in das Lager; aber auch sie beugten nicht des rachsüchtigen Heerführers Herz. Zuletzt ging des Verbannten Gattin Volumnia mit zwei Knaben, seine alte Mutter Veturia und andere edle Frauen nach dem Lager. Jhr Aufzug rührte auch den Feind zu mitleidiger Ehrerbietung und Stille, und Marcius, vom Gefühl übermannt, lief ih- nen entgegen, küßte die Mutter, Gattin und Kinder unter Thränen und freundlicher Begrüßung. Dann hörte er still, in Gegenwart der volskischen Hauptleute, die eindringliche Rede der Volumnia an. Als sie aber geendet und ihm den Undank gegen die Mutter vorge- worfen hatte, fiel sie ihm zugleich mit seiner Gattin und den Kindern zu Füßen. Da rief Marcius: „Ach Mutter, was hast du mir angethan!“ hob sie auf und sprach: „Du hast für das Vaterland einen glücklichen, für mich verderblichen Sieg gewonnen; von dir allein überwunden, ziehe ich ab.“ Hierauf entließ er die Seinigen und führte das Heer, das ihm willig folgte, von der Stadt zurück. Die Volsker sollen ihn aber deshalb zur Verantwortung gezogen und in der Versammlung ermordet haben. Fa- bius, der älteste römische Geschichtschreiber, erzählt, Co- riolan habe noch als Greis in der Verbannung gelebt und im hohen Alter sein Schicksal bejammert. Die Besteigung des Giftbergs. Jm Bezirk Clanwillam, am Vorgebirge der guten Hoffnung, zieht sich am rechten Ufer des Elefantenflus- ses eine Gebirgskette nordwärts, die mit dem Cederge- birge in Verbindung steht und nur durch den großen Doornfluß von demselben getrennt wird. Der nordwest- lichste Vorsprung dieser Kette heißt der Maskama und dessen höchster Berg der Giftberg, welcher seinen Na- men von dem hier häufig wachsenden Giftstrauch *) hat. Dieser wird bis 18 Fuß hoch, seine dunkelgrünen Blät- ter sehen den Lorberblättern ähnlich, die rothe Blüte hängt in Büscheln zwischen den Zweigen, und die nuß- ähnliche Frucht, deren drei bis vier an einem Stengel hangen, ist oben etwas eingedrückt. Sie enthält sechs kleinere Kapseln, deren jede einen Kern in sich schließt. Beinahe alle Theile dieses Strauches sind giftig. Mit den getrockneten Früchten tödten die Colonisten, indem sie dieselben in Fleischstücke verstecken, Hyänen, Leopar- den und wilde Hunde. Die Blätter sind allem Vieh ge- fährlich, ja sogar der Rauch des verbrennenden Hol- zes ist dem Menschen höchst nachtheilig. Nur zwei Wege führen zu den Höhen des Giftberges, beide gleich gefährlich und mühsam. Als ich das erste Mal ihn bestieg, schlief ich die Nacht zuvor auf der schönen und äußerst fruchtbaren Pflanzung des Herrn Nieuwoudt, ge- nannt Windhoek ( Windecke ) , weil zu einer gewissen Jah- reszeit der Westwind hier besonders stark weht. Mehre Tagereisen in der Karrow hatten mich abgespannt, und besonders der letzte Tag durch seine außerordentliche Hitze mich erschöpft. Wie erquickend war da die erfrischende Abendkühle in einem schönen Orangenwalde, wo der freund- liche Besitzer mir die in Afrika so allgemein herrschende Gast- freundschaft bewies. Nach dem Essen wanderte er mit mir auf seiner Besitzung umher, um mir seine herrlichen An- pflanzungen zu zeigen. Eine besonders große Dattelpalme, die eben in voller Blüte stand, erregte meine Aufmerksam- keit, da sie über 60 Fuß hoch und3 1 / 4 Fuß dick war. Nach der Orangenanlage zurückgekehrt, erzählte mir mein Wirth seine Jagdabenteuer. Noch im vergangenen Jahre war er auf einer Leopardenjagd wunderbar errettet wor- *) Er ist nicht mit andern Giftsträuchern in der Colonie zu verwechseln, die allerdings schon von Thunberg, Burchel, und Andern beschrieben sind.

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. Nr. 160. Leipzig (Sachsen), 23. April 1836, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig160_1836/5>, abgerufen am 21.11.2024.