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Das Pfennig=Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. Nr. 160. Leipzig (Sachsen), 23. April 1836.

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Das Pfennig=Magazin.
Cajus Marcius Coriolanus und der Krieg gegen die Volsker. [Abbildung] Cajus Marcius wird nach dem Siege von Corioli gekrönt.
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Eine natürliche Folge des während der Kriege mit den
Volskern vernachlässigten Ackerbaues war Theurung der
Lebensmittel, dann Hungersnoth; ansteckende Krankhei-
ten herrschten im Volskerlande. Die Consuln ließen
daher Getreide in Hetrurien und Sicilien aufkaufen und
der edle Tyrann von Syrakus, Gelon, schenkte den
Preis des in seinen Häfen gekauften Getreides. Jm
Senate aber stritt man darüber, zu welchem Preise den
Bürgern dasselbe gelassen werden solle. Viele Patricier
wollten diese Zeit der Noth benutzen, um die Plebejer
zu zwingen, für wohlfeiles Brot ihren errungenen Rech-
ten und Freiheiten zu entsagen. Dazu rieth besonders
der adelstolze Patricier Cajus Marcius. Schon unter
dem Dictator Aulus Posthumius hatte er sich in der
Schlacht am See Regillus ausgezeichnet und war mit
einem Eichenkranze bekränzt worden, weil er einen Mit-
bürger mit seinem Schilde gedeckt hatte. Während der
innern Unruhen zog er in den Krieg gegen die Volsker
und belagerte die Stadt Corioli. Als das römische Heer
von einem aus Antium aufgebrochenen Volskerheere in
demselben Augenblicke angegriffen wurde, als die Bela-
gerten einen Ausfall machten, so schlug Marcius diese
nicht blos zurück, sondern drang auch mit ihnen zu-
gleich in das Thor ein, vergrößerte die Bestürzung durch
Mord und Brand und eroberte so Corioli. Der Con-
sul Posthumius Cominius versammelte des andern Ta-
ges das Heer, dankte den Göttern für das Glück der
Waffen, erhob mit dem höchsten Lobe den Marcius
und schenkte ihm außer vieler andern Beute ein Pferd
mit schönem Zeuge als Siegesdank. Da er nun das
Pferd annahm, die Beute aber ausschlug, so erklärte
der Consul, daß er von nun an den Ehrennamen Co-
riolanus tragen solle.

Man kann jedoch mit Recht einigen Zweifel in
diese Erzählung setzen, da die Sitte, den Feldherren
Beinamen von ihren Siegen und Eroberungen zu ge-
ben, erst mit des großen Scipio afrikanischem Triumph
begann und nachher herrschend ward. Vor ihm kommt
außer Marcius kein ähnliches Beispiel vor. Wahrschein-
lich hatte er schon früher diesen Zunamen von dem ur-
sprünglichen Wohnorte seines Geschlechts, wie Collati-
nus, Camerinus, Medullinus, Regillensis und andere.
Corioli war aber ursprünglich eine latinische Stadt, aber
[Spaltenumbruch] in dem großen volskischen Kriege den Latinern entrissen
worden. Auch die übrige Geschichte von des Coriola-
nus Schicksalen ist von der Dichtung ausgeschmückt
worden, und römischer Nationalstolz suchte die Schmach
jenes für Rom und Latium nachtheiligen Krieges mit
den Volskern zu mindern, indem die Sage einen ver-
bannten Helden verherrlichte, der von allen als ein
frommer und gerechter Mann besungen und gepriesen
ward.

Als nun Coriolan, ein Feind der tribunicischen
Macht, trotzig gegen die Plebejer gesprochen hatte,
foderten ihn die Tribunen vor das Bürgergericht
zur Rechtfertigung. Jn diesem stimmte die Volks-
gemeinde nach Köpfen, sodaß die Plebejer das Über-
gewicht hatten. Vergebens suchten die Patricier die
Klage rückgängig zu machen. Als daher Marcius an
dem bestimmten Tage nicht erschien, wurde er abwesend
verurtheilt. Voll Rache ging er zu den Volskern nach
Antium, wo Attius Tullus, ein erbitterter Feind der
Römer, in königlichem Ansehen stand. Er war eigent-
lich Prätor von Antium, und nicht, wie die spätere
Sage ihn nennt, König. Jn dessen Haus ging, im
Dunkel von Niemand erkannt, Marcius und setzte
sich mit verhülltem Haupte still an den Herd, wie
Schutzflehende zu thun pflegten. Als er sich aber dem
Tullus zu erkennen gegeben, da war dieser hoch erfreut
und nahm ihn gastlich auf.

Obgleich damals Waffenstillstand war, so suchte
doch Coriolan die Volsker zum Wiederanfange der Feind-
seligkeiten zu bewegen, und die Römer gaben dazu selbst
Gelegenheit, indem sie, auf einen absichtlich erregten
Verdacht hin, bei einem Volksfeste alle Volsker vor
Sonnenuntergang aus der Stadt gehen hießen, weil die
Consuln nämlich argwöhnten, die Fremden möchten über
die Römer unversehens herfallen und die Stadt anzün-
den. Die dadurch entstandene Erbitterung wurde von
Tullus und Marcius noch mehr angeregt und der Krieg
beschlossen, worauf Marcius, mit Tullus zum Heerfüh-
rer ernannt, plötzlich in das römische Gebiet einfiel. Um
die Patricier den Plebejern noch mehr zu verfeinden,
verbrannte und verwüstete er die plebejischen Landgüter,
während er die Besitzungen der Patricier gegen alle Ver-
heerung sicherte. Darauf rückte er mit verstärkter Macht
[Ende Spaltensatz]

Das Pfennig=Magazin.
Cajus Marcius Coriolanus und der Krieg gegen die Volsker. [Abbildung] Cajus Marcius wird nach dem Siege von Corioli gekrönt.
[Beginn Spaltensatz]

Eine natürliche Folge des während der Kriege mit den
Volskern vernachlässigten Ackerbaues war Theurung der
Lebensmittel, dann Hungersnoth; ansteckende Krankhei-
ten herrschten im Volskerlande. Die Consuln ließen
daher Getreide in Hetrurien und Sicilien aufkaufen und
der edle Tyrann von Syrakus, Gelon, schenkte den
Preis des in seinen Häfen gekauften Getreides. Jm
Senate aber stritt man darüber, zu welchem Preise den
Bürgern dasselbe gelassen werden solle. Viele Patricier
wollten diese Zeit der Noth benutzen, um die Plebejer
zu zwingen, für wohlfeiles Brot ihren errungenen Rech-
ten und Freiheiten zu entsagen. Dazu rieth besonders
der adelstolze Patricier Cajus Marcius. Schon unter
dem Dictator Aulus Posthumius hatte er sich in der
Schlacht am See Regillus ausgezeichnet und war mit
einem Eichenkranze bekränzt worden, weil er einen Mit-
bürger mit seinem Schilde gedeckt hatte. Während der
innern Unruhen zog er in den Krieg gegen die Volsker
und belagerte die Stadt Corioli. Als das römische Heer
von einem aus Antium aufgebrochenen Volskerheere in
demselben Augenblicke angegriffen wurde, als die Bela-
gerten einen Ausfall machten, so schlug Marcius diese
nicht blos zurück, sondern drang auch mit ihnen zu-
gleich in das Thor ein, vergrößerte die Bestürzung durch
Mord und Brand und eroberte so Corioli. Der Con-
sul Posthumius Cominius versammelte des andern Ta-
ges das Heer, dankte den Göttern für das Glück der
Waffen, erhob mit dem höchsten Lobe den Marcius
und schenkte ihm außer vieler andern Beute ein Pferd
mit schönem Zeuge als Siegesdank. Da er nun das
Pferd annahm, die Beute aber ausschlug, so erklärte
der Consul, daß er von nun an den Ehrennamen Co-
riolanus tragen solle.

Man kann jedoch mit Recht einigen Zweifel in
diese Erzählung setzen, da die Sitte, den Feldherren
Beinamen von ihren Siegen und Eroberungen zu ge-
ben, erst mit des großen Scipio afrikanischem Triumph
begann und nachher herrschend ward. Vor ihm kommt
außer Marcius kein ähnliches Beispiel vor. Wahrschein-
lich hatte er schon früher diesen Zunamen von dem ur-
sprünglichen Wohnorte seines Geschlechts, wie Collati-
nus, Camerinus, Medullinus, Regillensis und andere.
Corioli war aber ursprünglich eine latinische Stadt, aber
[Spaltenumbruch] in dem großen volskischen Kriege den Latinern entrissen
worden. Auch die übrige Geschichte von des Coriola-
nus Schicksalen ist von der Dichtung ausgeschmückt
worden, und römischer Nationalstolz suchte die Schmach
jenes für Rom und Latium nachtheiligen Krieges mit
den Volskern zu mindern, indem die Sage einen ver-
bannten Helden verherrlichte, der von allen als ein
frommer und gerechter Mann besungen und gepriesen
ward.

Als nun Coriolan, ein Feind der tribunicischen
Macht, trotzig gegen die Plebejer gesprochen hatte,
foderten ihn die Tribunen vor das Bürgergericht
zur Rechtfertigung. Jn diesem stimmte die Volks-
gemeinde nach Köpfen, sodaß die Plebejer das Über-
gewicht hatten. Vergebens suchten die Patricier die
Klage rückgängig zu machen. Als daher Marcius an
dem bestimmten Tage nicht erschien, wurde er abwesend
verurtheilt. Voll Rache ging er zu den Volskern nach
Antium, wo Attius Tullus, ein erbitterter Feind der
Römer, in königlichem Ansehen stand. Er war eigent-
lich Prätor von Antium, und nicht, wie die spätere
Sage ihn nennt, König. Jn dessen Haus ging, im
Dunkel von Niemand erkannt, Marcius und setzte
sich mit verhülltem Haupte still an den Herd, wie
Schutzflehende zu thun pflegten. Als er sich aber dem
Tullus zu erkennen gegeben, da war dieser hoch erfreut
und nahm ihn gastlich auf.

Obgleich damals Waffenstillstand war, so suchte
doch Coriolan die Volsker zum Wiederanfange der Feind-
seligkeiten zu bewegen, und die Römer gaben dazu selbst
Gelegenheit, indem sie, auf einen absichtlich erregten
Verdacht hin, bei einem Volksfeste alle Volsker vor
Sonnenuntergang aus der Stadt gehen hießen, weil die
Consuln nämlich argwöhnten, die Fremden möchten über
die Römer unversehens herfallen und die Stadt anzün-
den. Die dadurch entstandene Erbitterung wurde von
Tullus und Marcius noch mehr angeregt und der Krieg
beschlossen, worauf Marcius, mit Tullus zum Heerfüh-
rer ernannt, plötzlich in das römische Gebiet einfiel. Um
die Patricier den Plebejern noch mehr zu verfeinden,
verbrannte und verwüstete er die plebejischen Landgüter,
während er die Besitzungen der Patricier gegen alle Ver-
heerung sicherte. Darauf rückte er mit verstärkter Macht
[Ende Spaltensatz]

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[132/0004] Das Pfennig=Magazin. Cajus Marcius Coriolanus und der Krieg gegen die Volsker. [Abbildung Cajus Marcius wird nach dem Siege von Corioli gekrönt. ] Eine natürliche Folge des während der Kriege mit den Volskern vernachlässigten Ackerbaues war Theurung der Lebensmittel, dann Hungersnoth; ansteckende Krankhei- ten herrschten im Volskerlande. Die Consuln ließen daher Getreide in Hetrurien und Sicilien aufkaufen und der edle Tyrann von Syrakus, Gelon, schenkte den Preis des in seinen Häfen gekauften Getreides. Jm Senate aber stritt man darüber, zu welchem Preise den Bürgern dasselbe gelassen werden solle. Viele Patricier wollten diese Zeit der Noth benutzen, um die Plebejer zu zwingen, für wohlfeiles Brot ihren errungenen Rech- ten und Freiheiten zu entsagen. Dazu rieth besonders der adelstolze Patricier Cajus Marcius. Schon unter dem Dictator Aulus Posthumius hatte er sich in der Schlacht am See Regillus ausgezeichnet und war mit einem Eichenkranze bekränzt worden, weil er einen Mit- bürger mit seinem Schilde gedeckt hatte. Während der innern Unruhen zog er in den Krieg gegen die Volsker und belagerte die Stadt Corioli. Als das römische Heer von einem aus Antium aufgebrochenen Volskerheere in demselben Augenblicke angegriffen wurde, als die Bela- gerten einen Ausfall machten, so schlug Marcius diese nicht blos zurück, sondern drang auch mit ihnen zu- gleich in das Thor ein, vergrößerte die Bestürzung durch Mord und Brand und eroberte so Corioli. Der Con- sul Posthumius Cominius versammelte des andern Ta- ges das Heer, dankte den Göttern für das Glück der Waffen, erhob mit dem höchsten Lobe den Marcius und schenkte ihm außer vieler andern Beute ein Pferd mit schönem Zeuge als Siegesdank. Da er nun das Pferd annahm, die Beute aber ausschlug, so erklärte der Consul, daß er von nun an den Ehrennamen Co- riolanus tragen solle. Man kann jedoch mit Recht einigen Zweifel in diese Erzählung setzen, da die Sitte, den Feldherren Beinamen von ihren Siegen und Eroberungen zu ge- ben, erst mit des großen Scipio afrikanischem Triumph begann und nachher herrschend ward. Vor ihm kommt außer Marcius kein ähnliches Beispiel vor. Wahrschein- lich hatte er schon früher diesen Zunamen von dem ur- sprünglichen Wohnorte seines Geschlechts, wie Collati- nus, Camerinus, Medullinus, Regillensis und andere. Corioli war aber ursprünglich eine latinische Stadt, aber in dem großen volskischen Kriege den Latinern entrissen worden. Auch die übrige Geschichte von des Coriola- nus Schicksalen ist von der Dichtung ausgeschmückt worden, und römischer Nationalstolz suchte die Schmach jenes für Rom und Latium nachtheiligen Krieges mit den Volskern zu mindern, indem die Sage einen ver- bannten Helden verherrlichte, der von allen als ein frommer und gerechter Mann besungen und gepriesen ward. Als nun Coriolan, ein Feind der tribunicischen Macht, trotzig gegen die Plebejer gesprochen hatte, foderten ihn die Tribunen vor das Bürgergericht zur Rechtfertigung. Jn diesem stimmte die Volks- gemeinde nach Köpfen, sodaß die Plebejer das Über- gewicht hatten. Vergebens suchten die Patricier die Klage rückgängig zu machen. Als daher Marcius an dem bestimmten Tage nicht erschien, wurde er abwesend verurtheilt. Voll Rache ging er zu den Volskern nach Antium, wo Attius Tullus, ein erbitterter Feind der Römer, in königlichem Ansehen stand. Er war eigent- lich Prätor von Antium, und nicht, wie die spätere Sage ihn nennt, König. Jn dessen Haus ging, im Dunkel von Niemand erkannt, Marcius und setzte sich mit verhülltem Haupte still an den Herd, wie Schutzflehende zu thun pflegten. Als er sich aber dem Tullus zu erkennen gegeben, da war dieser hoch erfreut und nahm ihn gastlich auf. Obgleich damals Waffenstillstand war, so suchte doch Coriolan die Volsker zum Wiederanfange der Feind- seligkeiten zu bewegen, und die Römer gaben dazu selbst Gelegenheit, indem sie, auf einen absichtlich erregten Verdacht hin, bei einem Volksfeste alle Volsker vor Sonnenuntergang aus der Stadt gehen hießen, weil die Consuln nämlich argwöhnten, die Fremden möchten über die Römer unversehens herfallen und die Stadt anzün- den. Die dadurch entstandene Erbitterung wurde von Tullus und Marcius noch mehr angeregt und der Krieg beschlossen, worauf Marcius, mit Tullus zum Heerfüh- rer ernannt, plötzlich in das römische Gebiet einfiel. Um die Patricier den Plebejern noch mehr zu verfeinden, verbrannte und verwüstete er die plebejischen Landgüter, während er die Besitzungen der Patricier gegen alle Ver- heerung sicherte. Darauf rückte er mit verstärkter Macht

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. Nr. 160. Leipzig (Sachsen), 23. April 1836, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig160_1836/4>, abgerufen am 27.11.2024.