Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Das Pfennig=Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. Nr. 156. Leipzig (Sachsen), 26. März 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Pfennig=Magazin.
[Beginn Spaltensatz] wenn dieser sich dem Walle näherte, einen Schild zum
Schutze gegen feindliche Waffen vorzutragen. Eine eigne
Art Geschütz des 14. Jahrhunderts waren die sogenann-
ten Handkanonen, von so geringer Schwere, daß zwei
Menschen dieselben bequem von einem Orte zum an-
dern tragen konnten. Beim Abfeuern wurden sie auf
den Boden gestützt. Die ersten gegossenen Geschütze
findet man in England um das Jahr 1521; allein
ungleich leichter wurden die Kanonen schon zu Anfange
des 15. Jahrhunderts.

Das auf unserer Abbildung IV. im Vordergrunde
stehende Geschütz hängt mittels eiserner Zapfen zwischen
den Armen einer großen eisernen Gabel. Am untern
Ende der Kanone ist ein breites, sensenförmiges Eisen
perpendicular angebracht, mit mehren gleichweit vonein-
ander stehenden Löchern. Ein in dieselben hineingescho-
bener Riegel erhält die Kanone in der gegebenen Rich-
tung. Die Grundlage der ganzen Maschine ist ein star-
kes Gerüste aus eichenen Pfosten. Von leichterm Ka-
liber ist das zweite Geschütz. Der hohe, in der Mitte
stehende hölzerne Thurm läßt einen Blick in das da-
malige Belagerungssystem thun. Mittels seiner Rä-
der wurde derselbe von einem Ort zum andern ge-
rollt. Aus den an den Seiten befindlichen dreieckigen
Löchern schoß man Pfeile oder schleuderte Steine und
ähnliche Dinge. Auf dem oben befindlichen freien Platze
standen Bogenschützen, welche sich durch die längs der
Brustwehr hinlaufenden und zum Auf= und Niederlas-
sen eingerichteten Schirme gegen feindliches Geschoß sichern
konnten. Das breite über dem Thurme auf zwei Bal-
ken ruhende Dach diente nicht blos als Schutz, son-
dern die Bogenschützen bestiegen dasselbe, wenn sich der
Thurm völlig dem Walle oder der Mauer genähert
hatte, und sprangen von ihm auf die Mauern der be-
lagerten Stadt.

Unter die bemerkenswerthesten militairischen Ge-
bräuche der Engländer im Mittelalter gehört das Feld-
geschrei. Sein Zweck war, sowol den Muth der Krieger
anzufeuern als vorzüglich auch den Freund vom Feinde
im Getümmel der Schlacht zu unterscheiden. Das
Feldgeschrei war gewöhnlich St.=Georg oder St.=Georg
und England! Die musikalischen Hauptinstrumente wa-
ren Trompeten, Querpfeifen, Trommeln und bei den
Schotten die Sackpfeife.

Die Kriegszucht scheint streng gewesen zu sein. Es
gab drei Hauptstrafen für militairische Verbrechen, das
Enthaupten, Erhängen und Ersäufen. König Richard Lö-
wenherz gab, als er nach dem heiligen Lande zog, seinem
Heere folgende Gesetze: "Wer am Bord eines Schiffes Je-
mand tödtet, soll an den Getödteten gebunden und mit die-
sem in das Meer geworfen werden. Wer Jemand am Ufer
tödtet, soll an den Getödteten gebunden und mit ihm be-
graben werden. Wer sein Messer zieht, um Jemand zu
erstechen oder ihn wirklich verwundet, verliert die rechte
Hand. Wer Jemand mit der Hand so schlägt, daß
der Geschlagene blutet, soll dreimal langsam ins Meer
niedergetaucht werden. Wer seinen Kameraden schimpft
oder verflucht, zahlt dem Beleidigten eine Unze Silber
als Genugthuung."

Gelinde körperliche Strafen kamen indeß seltener
vor und wurden gewöhnlich, weil jeder Krieger Ei-
genthum hatte, mit Geldstrafen abgebüßt. Viele Ver-
gehen wurden mit Verhaftung bestraft, bei Offizieren
mit Verweis oder Entsetzung. Ausreißen war unter
Heinrich IV. Capitalverbrechen, und jedem Gotteslästerer
ohne Ausnahme wurde die Zunge mit einem glühenden
Eisen durchbohrt. Die Trunkenheit scheint indeß ver-
hältnißmäßig weniger gerügt worden zu sein. Elisabeth
[Spaltenumbruch] verordnete, daß "ein Säufer bei Brot und Wasser so
lange eingesperrt werden sollte, als es der Grad des La-
sters verdiente". Diebstahl war ein Hauptverbrechen,
und wer Festungen, Magazine, Kriegsvorräthe dem Feinde
überlieferte, ward als Hochverräther bestraft.



Zur Geschichte des Tabackrauchens.*)

Es gibt schwerlich eine menschliche Gewohnheit, die zu
so vielfachen Betrachtungen Anlaß geben kann, als das
Tabackrauchen. Es ist weit mehr als irgend eine an-
dere, welche der Mensch angenommen hat, eine künst-
liche Gewohnheit, und nur wenige sind so abstoßend
für den natürlichen Geschmack. Sie ist meist unange-
nehm für Diejenigen, die ihr nicht ergeben sind, und
Diejenigen, die sie angenommen haben, sind nicht ohne
Überwindung von Schwierigkeiten dazu gekommen. Sie
ist über den größten Theil der Erde verbreitet, in alle
Volksclassen übergegangen, von dem Wilden auf der
tiefsten Stufe der Roheit bis zu dem Gebildetsten,
und herrscht unter jedem Klima, von Sibirien bis zum
Äquator und vom Äquator bis zum äußersten Süden.
Diese Verbreitung ist noch auffallender, wenn man an
den verhältnißmäßig neuen Zeitpunkt denkt, in welchem
diese Gewohnheit entstand; denn 250--300 Jahre sind
eine kurze Zeit für die allgemeine Verbreitung einer Ge-
wohnheit. Werfen wir einen Blick auf die Geschichte
derselben, so ist kein Grund, zu bezweifeln, daß Amerika
die Quelle ist, aus welcher sich diese Gewohnheit über
die Welt verbreitet hat. Sieht man, wie sehr die Be-
wohner der Türkei, Persiens und anderer östlichen Län-
der den Taback lieben, und welche Verfeinerungen sie
in der Kunst des Rauchens eingeführt haben, so möchte
man bezweifeln, ob diese Gewohnheit wirklich in Asien
so neu sei als sie, wie wir wissen, in Europa ist.
Man hat auch behauptet, daß Asien den Taback gekannt
habe, ehe er im 16. Jahrhundert aus Amerika nach
Europa kam; Andere aber haben dies für irrig erklärt.
Jn ältern morgenländischen Werken, welche die Ge-
wohnheiten des Volkes genau beschreiben, wird des Ta-
backrauchens nicht erwähnt, z. B. in der Märchensamm-
lung "Tausend und eine Nacht". Auch sagen uns die
ältesten europäischen Reisenden nichts davon. Die Chi-
nesen behaupten zwar, seit vielen Jahrhunderten Taback-
raucher gewesen zu sein, aber es scheint ein Misverständ-
niß obzuwalten, das entweder der europäische Gewährs-
mann, der davon spricht, verschuldet hat, oder auf Rech-
nung Derjenigen kommt, die ihm die Sache mittheil-
ten. Die Chinesen mögen zwar auch in frühern Zei-
ten, wie noch jetzt, andere Pflanzen geraucht haben, aber
nicht Taback, und Diejenigen, von welchen jene Be-
hauptung herrührte, mögen die Gewohnheit des Rau-
chens und den Gebrauch des Tabacks nicht genau un-
terschieden haben. Wahrscheinlich haben die Chinesen
den ersten Taback aus Jndien erhalten, wohin die Por-
tugiesen 1599 den Samen der Pflanze brachten. Bei-
nahe 30 Jahre lang hatten seit jener Zeit die Portu-
giesen Niederlassungen am persischen Meerbusen, und
während dieser Zeit wurde wahrscheinlich der Gebrauch
des Tabacks in Persien eingeführt. Die Portugiesen
brachten vermuthlich die Gewohnheit in Aufnahme und
lieferten den Taback aus Jndien, und überdies hatten
die Perser selbst häufigen Verkehr mit jenem Lande.
[Ende Spaltensatz]

*) Vergl. über den Taback noch Pfennig=Magazin Nr. 14,
wo auch eine Abbildung der Tabackspflanze gegeben ist.

Das Pfennig=Magazin.
[Beginn Spaltensatz] wenn dieser sich dem Walle näherte, einen Schild zum
Schutze gegen feindliche Waffen vorzutragen. Eine eigne
Art Geschütz des 14. Jahrhunderts waren die sogenann-
ten Handkanonen, von so geringer Schwere, daß zwei
Menschen dieselben bequem von einem Orte zum an-
dern tragen konnten. Beim Abfeuern wurden sie auf
den Boden gestützt. Die ersten gegossenen Geschütze
findet man in England um das Jahr 1521; allein
ungleich leichter wurden die Kanonen schon zu Anfange
des 15. Jahrhunderts.

Das auf unserer Abbildung IV. im Vordergrunde
stehende Geschütz hängt mittels eiserner Zapfen zwischen
den Armen einer großen eisernen Gabel. Am untern
Ende der Kanone ist ein breites, sensenförmiges Eisen
perpendicular angebracht, mit mehren gleichweit vonein-
ander stehenden Löchern. Ein in dieselben hineingescho-
bener Riegel erhält die Kanone in der gegebenen Rich-
tung. Die Grundlage der ganzen Maschine ist ein star-
kes Gerüste aus eichenen Pfosten. Von leichterm Ka-
liber ist das zweite Geschütz. Der hohe, in der Mitte
stehende hölzerne Thurm läßt einen Blick in das da-
malige Belagerungssystem thun. Mittels seiner Rä-
der wurde derselbe von einem Ort zum andern ge-
rollt. Aus den an den Seiten befindlichen dreieckigen
Löchern schoß man Pfeile oder schleuderte Steine und
ähnliche Dinge. Auf dem oben befindlichen freien Platze
standen Bogenschützen, welche sich durch die längs der
Brustwehr hinlaufenden und zum Auf= und Niederlas-
sen eingerichteten Schirme gegen feindliches Geschoß sichern
konnten. Das breite über dem Thurme auf zwei Bal-
ken ruhende Dach diente nicht blos als Schutz, son-
dern die Bogenschützen bestiegen dasselbe, wenn sich der
Thurm völlig dem Walle oder der Mauer genähert
hatte, und sprangen von ihm auf die Mauern der be-
lagerten Stadt.

Unter die bemerkenswerthesten militairischen Ge-
bräuche der Engländer im Mittelalter gehört das Feld-
geschrei. Sein Zweck war, sowol den Muth der Krieger
anzufeuern als vorzüglich auch den Freund vom Feinde
im Getümmel der Schlacht zu unterscheiden. Das
Feldgeschrei war gewöhnlich St.=Georg oder St.=Georg
und England! Die musikalischen Hauptinstrumente wa-
ren Trompeten, Querpfeifen, Trommeln und bei den
Schotten die Sackpfeife.

Die Kriegszucht scheint streng gewesen zu sein. Es
gab drei Hauptstrafen für militairische Verbrechen, das
Enthaupten, Erhängen und Ersäufen. König Richard Lö-
wenherz gab, als er nach dem heiligen Lande zog, seinem
Heere folgende Gesetze: „Wer am Bord eines Schiffes Je-
mand tödtet, soll an den Getödteten gebunden und mit die-
sem in das Meer geworfen werden. Wer Jemand am Ufer
tödtet, soll an den Getödteten gebunden und mit ihm be-
graben werden. Wer sein Messer zieht, um Jemand zu
erstechen oder ihn wirklich verwundet, verliert die rechte
Hand. Wer Jemand mit der Hand so schlägt, daß
der Geschlagene blutet, soll dreimal langsam ins Meer
niedergetaucht werden. Wer seinen Kameraden schimpft
oder verflucht, zahlt dem Beleidigten eine Unze Silber
als Genugthuung.“

Gelinde körperliche Strafen kamen indeß seltener
vor und wurden gewöhnlich, weil jeder Krieger Ei-
genthum hatte, mit Geldstrafen abgebüßt. Viele Ver-
gehen wurden mit Verhaftung bestraft, bei Offizieren
mit Verweis oder Entsetzung. Ausreißen war unter
Heinrich IV. Capitalverbrechen, und jedem Gotteslästerer
ohne Ausnahme wurde die Zunge mit einem glühenden
Eisen durchbohrt. Die Trunkenheit scheint indeß ver-
hältnißmäßig weniger gerügt worden zu sein. Elisabeth
[Spaltenumbruch] verordnete, daß „ein Säufer bei Brot und Wasser so
lange eingesperrt werden sollte, als es der Grad des La-
sters verdiente“. Diebstahl war ein Hauptverbrechen,
und wer Festungen, Magazine, Kriegsvorräthe dem Feinde
überlieferte, ward als Hochverräther bestraft.



Zur Geschichte des Tabackrauchens.*)

Es gibt schwerlich eine menschliche Gewohnheit, die zu
so vielfachen Betrachtungen Anlaß geben kann, als das
Tabackrauchen. Es ist weit mehr als irgend eine an-
dere, welche der Mensch angenommen hat, eine künst-
liche Gewohnheit, und nur wenige sind so abstoßend
für den natürlichen Geschmack. Sie ist meist unange-
nehm für Diejenigen, die ihr nicht ergeben sind, und
Diejenigen, die sie angenommen haben, sind nicht ohne
Überwindung von Schwierigkeiten dazu gekommen. Sie
ist über den größten Theil der Erde verbreitet, in alle
Volksclassen übergegangen, von dem Wilden auf der
tiefsten Stufe der Roheit bis zu dem Gebildetsten,
und herrscht unter jedem Klima, von Sibirien bis zum
Äquator und vom Äquator bis zum äußersten Süden.
Diese Verbreitung ist noch auffallender, wenn man an
den verhältnißmäßig neuen Zeitpunkt denkt, in welchem
diese Gewohnheit entstand; denn 250—300 Jahre sind
eine kurze Zeit für die allgemeine Verbreitung einer Ge-
wohnheit. Werfen wir einen Blick auf die Geschichte
derselben, so ist kein Grund, zu bezweifeln, daß Amerika
die Quelle ist, aus welcher sich diese Gewohnheit über
die Welt verbreitet hat. Sieht man, wie sehr die Be-
wohner der Türkei, Persiens und anderer östlichen Län-
der den Taback lieben, und welche Verfeinerungen sie
in der Kunst des Rauchens eingeführt haben, so möchte
man bezweifeln, ob diese Gewohnheit wirklich in Asien
so neu sei als sie, wie wir wissen, in Europa ist.
Man hat auch behauptet, daß Asien den Taback gekannt
habe, ehe er im 16. Jahrhundert aus Amerika nach
Europa kam; Andere aber haben dies für irrig erklärt.
Jn ältern morgenländischen Werken, welche die Ge-
wohnheiten des Volkes genau beschreiben, wird des Ta-
backrauchens nicht erwähnt, z. B. in der Märchensamm-
lung „Tausend und eine Nacht“. Auch sagen uns die
ältesten europäischen Reisenden nichts davon. Die Chi-
nesen behaupten zwar, seit vielen Jahrhunderten Taback-
raucher gewesen zu sein, aber es scheint ein Misverständ-
niß obzuwalten, das entweder der europäische Gewährs-
mann, der davon spricht, verschuldet hat, oder auf Rech-
nung Derjenigen kommt, die ihm die Sache mittheil-
ten. Die Chinesen mögen zwar auch in frühern Zei-
ten, wie noch jetzt, andere Pflanzen geraucht haben, aber
nicht Taback, und Diejenigen, von welchen jene Be-
hauptung herrührte, mögen die Gewohnheit des Rau-
chens und den Gebrauch des Tabacks nicht genau un-
terschieden haben. Wahrscheinlich haben die Chinesen
den ersten Taback aus Jndien erhalten, wohin die Por-
tugiesen 1599 den Samen der Pflanze brachten. Bei-
nahe 30 Jahre lang hatten seit jener Zeit die Portu-
giesen Niederlassungen am persischen Meerbusen, und
während dieser Zeit wurde wahrscheinlich der Gebrauch
des Tabacks in Persien eingeführt. Die Portugiesen
brachten vermuthlich die Gewohnheit in Aufnahme und
lieferten den Taback aus Jndien, und überdies hatten
die Perser selbst häufigen Verkehr mit jenem Lande.
[Ende Spaltensatz]

*) Vergl. über den Taback noch Pfennig=Magazin Nr. 14,
wo auch eine Abbildung der Tabackspflanze gegeben ist.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <p><pb facs="#f0006" n="102"/><fw type="header" place="top"><hi rendition="#g">Das Pfennig=Magazin.</hi></fw><cb type="start"/>
wenn dieser sich dem Walle näherte, einen Schild zum<lb/>
Schutze gegen feindliche Waffen vorzutragen. Eine eigne<lb/>
Art Geschütz des 14. Jahrhunderts waren die sogenann-<lb/>
ten Handkanonen, von so geringer Schwere, daß zwei<lb/>
Menschen dieselben bequem von einem Orte zum an-<lb/>
dern tragen konnten. Beim Abfeuern wurden sie auf<lb/>
den Boden gestützt. Die ersten gegossenen Geschütze<lb/>
findet man in England um das Jahr 1521; allein<lb/>
ungleich leichter wurden die Kanonen schon zu Anfange<lb/>
des 15. Jahrhunderts.</p><lb/>
        <p>Das auf unserer Abbildung <hi rendition="#aq">IV</hi>. im Vordergrunde<lb/>
stehende Geschütz hängt mittels eiserner Zapfen zwischen<lb/>
den Armen einer großen eisernen Gabel. Am untern<lb/>
Ende der Kanone ist ein breites, sensenförmiges Eisen<lb/>
perpendicular angebracht, mit mehren gleichweit vonein-<lb/>
ander stehenden Löchern. Ein in dieselben hineingescho-<lb/>
bener Riegel erhält die Kanone in der gegebenen Rich-<lb/>
tung. Die Grundlage der ganzen Maschine ist ein star-<lb/>
kes Gerüste aus eichenen Pfosten. Von leichterm Ka-<lb/>
liber ist das zweite Geschütz. Der hohe, in der Mitte<lb/>
stehende hölzerne Thurm läßt einen Blick in das da-<lb/>
malige Belagerungssystem thun. Mittels seiner Rä-<lb/>
der wurde derselbe von einem Ort zum andern ge-<lb/>
rollt. Aus den an den Seiten befindlichen dreieckigen<lb/>
Löchern schoß man Pfeile oder schleuderte Steine und<lb/>
ähnliche Dinge. Auf dem oben befindlichen freien Platze<lb/>
standen Bogenschützen, welche sich durch die längs der<lb/>
Brustwehr hinlaufenden und zum Auf= und Niederlas-<lb/>
sen eingerichteten Schirme gegen feindliches Geschoß sichern<lb/>
konnten. Das breite über dem Thurme auf zwei Bal-<lb/>
ken ruhende Dach diente nicht blos als Schutz, son-<lb/>
dern die Bogenschützen bestiegen dasselbe, wenn sich der<lb/>
Thurm völlig dem Walle oder der Mauer genähert<lb/>
hatte, und sprangen von ihm auf die Mauern der be-<lb/>
lagerten Stadt.</p><lb/>
        <p>Unter die bemerkenswerthesten militairischen Ge-<lb/>
bräuche der Engländer im Mittelalter gehört das Feld-<lb/>
geschrei. Sein Zweck war, sowol den Muth der Krieger<lb/>
anzufeuern als vorzüglich auch den Freund vom Feinde<lb/>
im Getümmel der Schlacht zu unterscheiden. Das<lb/>
Feldgeschrei war gewöhnlich St.=Georg oder St.=Georg<lb/>
und England! Die musikalischen Hauptinstrumente wa-<lb/>
ren Trompeten, Querpfeifen, Trommeln und bei den<lb/>
Schotten die Sackpfeife.</p><lb/>
        <p>Die Kriegszucht scheint streng gewesen zu sein. Es<lb/>
gab drei Hauptstrafen für militairische Verbrechen, das<lb/>
Enthaupten, Erhängen und Ersäufen. König Richard Lö-<lb/>
wenherz gab, als er nach dem heiligen Lande zog, seinem<lb/>
Heere folgende Gesetze: &#x201E;Wer am Bord eines Schiffes Je-<lb/>
mand tödtet, soll an den Getödteten gebunden und mit die-<lb/>
sem in das Meer geworfen werden. Wer Jemand am Ufer<lb/>
tödtet, soll an den Getödteten gebunden und mit ihm be-<lb/>
graben werden. Wer sein Messer zieht, um Jemand zu<lb/>
erstechen oder ihn wirklich verwundet, verliert die rechte<lb/>
Hand. Wer Jemand mit der Hand so schlägt, daß<lb/>
der Geschlagene blutet, soll dreimal langsam ins Meer<lb/>
niedergetaucht werden. Wer seinen Kameraden schimpft<lb/>
oder verflucht, zahlt dem Beleidigten eine Unze Silber<lb/>
als Genugthuung.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Gelinde körperliche Strafen kamen indeß seltener<lb/>
vor und wurden gewöhnlich, weil jeder Krieger Ei-<lb/>
genthum hatte, mit Geldstrafen abgebüßt. Viele Ver-<lb/>
gehen wurden mit Verhaftung bestraft, bei Offizieren<lb/>
mit Verweis oder Entsetzung. Ausreißen war unter<lb/>
Heinrich <hi rendition="#aq">IV</hi>. Capitalverbrechen, und jedem Gotteslästerer<lb/>
ohne Ausnahme wurde die Zunge mit einem glühenden<lb/>
Eisen durchbohrt. Die Trunkenheit scheint indeß ver-<lb/>
hältnißmäßig weniger gerügt worden zu sein. Elisabeth<lb/><cb n="2"/>
verordnete, daß &#x201E;ein Säufer bei Brot und Wasser so<lb/>
lange eingesperrt werden sollte, als es der Grad des La-<lb/>
sters verdiente&#x201C;. Diebstahl war ein Hauptverbrechen,<lb/>
und wer Festungen, Magazine, Kriegsvorräthe dem Feinde<lb/>
überlieferte, ward als Hochverräther bestraft.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head><hi rendition="#fr">Zur Geschichte des Tabackrauchens</hi>.<note place="foot" n="*)">Vergl. über den Taback noch Pfennig=Magazin Nr. 14,<lb/>
wo auch eine Abbildung der Tabackspflanze gegeben ist.</note></head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">E</hi>s gibt schwerlich eine menschliche Gewohnheit, die zu<lb/>
so vielfachen Betrachtungen Anlaß geben kann, als das<lb/>
Tabackrauchen. Es ist weit mehr als irgend eine an-<lb/>
dere, welche der Mensch angenommen hat, eine künst-<lb/>
liche Gewohnheit, und nur wenige sind so abstoßend<lb/>
für den natürlichen Geschmack. Sie ist meist unange-<lb/>
nehm für Diejenigen, die ihr nicht ergeben sind, und<lb/>
Diejenigen, die sie angenommen haben, sind nicht ohne<lb/>
Überwindung von Schwierigkeiten dazu gekommen. Sie<lb/>
ist über den größten Theil der Erde verbreitet, in alle<lb/>
Volksclassen übergegangen, von dem Wilden auf der<lb/>
tiefsten Stufe der Roheit bis zu dem Gebildetsten,<lb/>
und herrscht unter jedem Klima, von Sibirien bis zum<lb/>
Äquator und vom Äquator bis zum äußersten Süden.<lb/>
Diese Verbreitung ist noch auffallender, wenn man an<lb/>
den verhältnißmäßig neuen Zeitpunkt denkt, in welchem<lb/>
diese Gewohnheit entstand; denn 250&#x2014;300 Jahre sind<lb/>
eine kurze Zeit für die allgemeine Verbreitung einer Ge-<lb/>
wohnheit. Werfen wir einen Blick auf die Geschichte<lb/>
derselben, so ist kein Grund, zu bezweifeln, daß Amerika<lb/>
die Quelle ist, aus welcher sich diese Gewohnheit über<lb/>
die Welt verbreitet hat. Sieht man, wie sehr die Be-<lb/>
wohner der Türkei, Persiens und anderer östlichen Län-<lb/>
der den Taback lieben, und welche Verfeinerungen sie<lb/>
in der Kunst des Rauchens eingeführt haben, so möchte<lb/>
man bezweifeln, ob diese Gewohnheit wirklich in Asien<lb/>
so neu sei als sie, wie wir wissen, in Europa ist.<lb/>
Man hat auch behauptet, daß Asien den Taback gekannt<lb/>
habe, ehe er im 16. Jahrhundert aus Amerika nach<lb/>
Europa kam; Andere aber haben dies für irrig erklärt.<lb/>
Jn ältern morgenländischen Werken, welche die Ge-<lb/>
wohnheiten des Volkes genau beschreiben, wird des Ta-<lb/>
backrauchens nicht erwähnt, z. B. in der Märchensamm-<lb/>
lung &#x201E;Tausend und eine Nacht&#x201C;. Auch sagen uns die<lb/>
ältesten europäischen Reisenden nichts davon. Die Chi-<lb/>
nesen behaupten zwar, seit vielen Jahrhunderten Taback-<lb/>
raucher gewesen zu sein, aber es scheint ein Misverständ-<lb/>
niß obzuwalten, das entweder der europäische Gewährs-<lb/>
mann, der davon spricht, verschuldet hat, oder auf Rech-<lb/>
nung Derjenigen kommt, die ihm die Sache mittheil-<lb/>
ten. Die Chinesen mögen zwar auch in frühern Zei-<lb/>
ten, wie noch jetzt, andere Pflanzen geraucht haben, aber<lb/>
nicht Taback, und Diejenigen, von welchen jene Be-<lb/>
hauptung herrührte, mögen die Gewohnheit des Rau-<lb/>
chens und den Gebrauch des Tabacks nicht genau un-<lb/>
terschieden haben. Wahrscheinlich haben die Chinesen<lb/>
den ersten Taback aus Jndien erhalten, wohin die Por-<lb/>
tugiesen 1599 den Samen der Pflanze brachten. Bei-<lb/>
nahe 30 Jahre lang hatten seit jener Zeit die Portu-<lb/>
giesen Niederlassungen am persischen Meerbusen, und<lb/>
während dieser Zeit wurde wahrscheinlich der Gebrauch<lb/>
des Tabacks in Persien eingeführt. Die Portugiesen<lb/>
brachten vermuthlich die Gewohnheit in Aufnahme und<lb/>
lieferten den Taback aus Jndien, und überdies hatten<lb/>
die Perser selbst häufigen Verkehr mit jenem Lande.<lb/><cb type="end"/>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[102/0006] Das Pfennig=Magazin. wenn dieser sich dem Walle näherte, einen Schild zum Schutze gegen feindliche Waffen vorzutragen. Eine eigne Art Geschütz des 14. Jahrhunderts waren die sogenann- ten Handkanonen, von so geringer Schwere, daß zwei Menschen dieselben bequem von einem Orte zum an- dern tragen konnten. Beim Abfeuern wurden sie auf den Boden gestützt. Die ersten gegossenen Geschütze findet man in England um das Jahr 1521; allein ungleich leichter wurden die Kanonen schon zu Anfange des 15. Jahrhunderts. Das auf unserer Abbildung IV. im Vordergrunde stehende Geschütz hängt mittels eiserner Zapfen zwischen den Armen einer großen eisernen Gabel. Am untern Ende der Kanone ist ein breites, sensenförmiges Eisen perpendicular angebracht, mit mehren gleichweit vonein- ander stehenden Löchern. Ein in dieselben hineingescho- bener Riegel erhält die Kanone in der gegebenen Rich- tung. Die Grundlage der ganzen Maschine ist ein star- kes Gerüste aus eichenen Pfosten. Von leichterm Ka- liber ist das zweite Geschütz. Der hohe, in der Mitte stehende hölzerne Thurm läßt einen Blick in das da- malige Belagerungssystem thun. Mittels seiner Rä- der wurde derselbe von einem Ort zum andern ge- rollt. Aus den an den Seiten befindlichen dreieckigen Löchern schoß man Pfeile oder schleuderte Steine und ähnliche Dinge. Auf dem oben befindlichen freien Platze standen Bogenschützen, welche sich durch die längs der Brustwehr hinlaufenden und zum Auf= und Niederlas- sen eingerichteten Schirme gegen feindliches Geschoß sichern konnten. Das breite über dem Thurme auf zwei Bal- ken ruhende Dach diente nicht blos als Schutz, son- dern die Bogenschützen bestiegen dasselbe, wenn sich der Thurm völlig dem Walle oder der Mauer genähert hatte, und sprangen von ihm auf die Mauern der be- lagerten Stadt. Unter die bemerkenswerthesten militairischen Ge- bräuche der Engländer im Mittelalter gehört das Feld- geschrei. Sein Zweck war, sowol den Muth der Krieger anzufeuern als vorzüglich auch den Freund vom Feinde im Getümmel der Schlacht zu unterscheiden. Das Feldgeschrei war gewöhnlich St.=Georg oder St.=Georg und England! Die musikalischen Hauptinstrumente wa- ren Trompeten, Querpfeifen, Trommeln und bei den Schotten die Sackpfeife. Die Kriegszucht scheint streng gewesen zu sein. Es gab drei Hauptstrafen für militairische Verbrechen, das Enthaupten, Erhängen und Ersäufen. König Richard Lö- wenherz gab, als er nach dem heiligen Lande zog, seinem Heere folgende Gesetze: „Wer am Bord eines Schiffes Je- mand tödtet, soll an den Getödteten gebunden und mit die- sem in das Meer geworfen werden. Wer Jemand am Ufer tödtet, soll an den Getödteten gebunden und mit ihm be- graben werden. Wer sein Messer zieht, um Jemand zu erstechen oder ihn wirklich verwundet, verliert die rechte Hand. Wer Jemand mit der Hand so schlägt, daß der Geschlagene blutet, soll dreimal langsam ins Meer niedergetaucht werden. Wer seinen Kameraden schimpft oder verflucht, zahlt dem Beleidigten eine Unze Silber als Genugthuung.“ Gelinde körperliche Strafen kamen indeß seltener vor und wurden gewöhnlich, weil jeder Krieger Ei- genthum hatte, mit Geldstrafen abgebüßt. Viele Ver- gehen wurden mit Verhaftung bestraft, bei Offizieren mit Verweis oder Entsetzung. Ausreißen war unter Heinrich IV. Capitalverbrechen, und jedem Gotteslästerer ohne Ausnahme wurde die Zunge mit einem glühenden Eisen durchbohrt. Die Trunkenheit scheint indeß ver- hältnißmäßig weniger gerügt worden zu sein. Elisabeth verordnete, daß „ein Säufer bei Brot und Wasser so lange eingesperrt werden sollte, als es der Grad des La- sters verdiente“. Diebstahl war ein Hauptverbrechen, und wer Festungen, Magazine, Kriegsvorräthe dem Feinde überlieferte, ward als Hochverräther bestraft. Zur Geschichte des Tabackrauchens. *) Es gibt schwerlich eine menschliche Gewohnheit, die zu so vielfachen Betrachtungen Anlaß geben kann, als das Tabackrauchen. Es ist weit mehr als irgend eine an- dere, welche der Mensch angenommen hat, eine künst- liche Gewohnheit, und nur wenige sind so abstoßend für den natürlichen Geschmack. Sie ist meist unange- nehm für Diejenigen, die ihr nicht ergeben sind, und Diejenigen, die sie angenommen haben, sind nicht ohne Überwindung von Schwierigkeiten dazu gekommen. Sie ist über den größten Theil der Erde verbreitet, in alle Volksclassen übergegangen, von dem Wilden auf der tiefsten Stufe der Roheit bis zu dem Gebildetsten, und herrscht unter jedem Klima, von Sibirien bis zum Äquator und vom Äquator bis zum äußersten Süden. Diese Verbreitung ist noch auffallender, wenn man an den verhältnißmäßig neuen Zeitpunkt denkt, in welchem diese Gewohnheit entstand; denn 250—300 Jahre sind eine kurze Zeit für die allgemeine Verbreitung einer Ge- wohnheit. Werfen wir einen Blick auf die Geschichte derselben, so ist kein Grund, zu bezweifeln, daß Amerika die Quelle ist, aus welcher sich diese Gewohnheit über die Welt verbreitet hat. Sieht man, wie sehr die Be- wohner der Türkei, Persiens und anderer östlichen Län- der den Taback lieben, und welche Verfeinerungen sie in der Kunst des Rauchens eingeführt haben, so möchte man bezweifeln, ob diese Gewohnheit wirklich in Asien so neu sei als sie, wie wir wissen, in Europa ist. Man hat auch behauptet, daß Asien den Taback gekannt habe, ehe er im 16. Jahrhundert aus Amerika nach Europa kam; Andere aber haben dies für irrig erklärt. Jn ältern morgenländischen Werken, welche die Ge- wohnheiten des Volkes genau beschreiben, wird des Ta- backrauchens nicht erwähnt, z. B. in der Märchensamm- lung „Tausend und eine Nacht“. Auch sagen uns die ältesten europäischen Reisenden nichts davon. Die Chi- nesen behaupten zwar, seit vielen Jahrhunderten Taback- raucher gewesen zu sein, aber es scheint ein Misverständ- niß obzuwalten, das entweder der europäische Gewährs- mann, der davon spricht, verschuldet hat, oder auf Rech- nung Derjenigen kommt, die ihm die Sache mittheil- ten. Die Chinesen mögen zwar auch in frühern Zei- ten, wie noch jetzt, andere Pflanzen geraucht haben, aber nicht Taback, und Diejenigen, von welchen jene Be- hauptung herrührte, mögen die Gewohnheit des Rau- chens und den Gebrauch des Tabacks nicht genau un- terschieden haben. Wahrscheinlich haben die Chinesen den ersten Taback aus Jndien erhalten, wohin die Por- tugiesen 1599 den Samen der Pflanze brachten. Bei- nahe 30 Jahre lang hatten seit jener Zeit die Portu- giesen Niederlassungen am persischen Meerbusen, und während dieser Zeit wurde wahrscheinlich der Gebrauch des Tabacks in Persien eingeführt. Die Portugiesen brachten vermuthlich die Gewohnheit in Aufnahme und lieferten den Taback aus Jndien, und überdies hatten die Perser selbst häufigen Verkehr mit jenem Lande. *) Vergl. über den Taback noch Pfennig=Magazin Nr. 14, wo auch eine Abbildung der Tabackspflanze gegeben ist.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription
Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

Weitere Informationen:

Siehe Dokumentation




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig156_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig156_1836/6
Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. Nr. 156. Leipzig (Sachsen), 26. März 1836, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig156_1836/6>, abgerufen am 23.11.2024.