Das Pfennig=Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. Nr. 151. Leipzig (Sachsen), 20. Februar 18.Das Pfennig=Magazin. [Beginn Spaltensatz]
öffnen sich Alleen für die Fußgänger. Er hat nicht dienatürlichen Reize des Praters bei Wien, aber er ist einer der Orte, wo der Fremde die Bewohner Madrids in ihrer Eigenthümlichkeit sehen kann. "Als ich herein- trat ", sagt der Engländer Jnglis, der Spanien in den letzten Jahren bereiste, "war in allen Gängen schon ein lebendiges Gewühl, obgleich sich noch immer ein breiter Menschenstrom aus der Alcalastraße dahin wälzte. Jn dem für Fahrende bestimmten Raume fuhren bereits zwei Wa- genreihen, deren langsame Bewegung steife Fieerlichkeit ver- [Spaltenumbruch] rieth. Die Wagen zeigten ein sonderbares Gemisch von Zierlichkeit und Armseligkeit; einige waren so hübsch, als man sie im Hyde Park bei London sehen kann, andere echt spanisch, mit Vergoldung und Malereien überladen; viele sahen abgenutzten Postkutschen ähnlich, andere alt- fränkischen Familienwagen, wie man sie zuweilen in den entlegenen Gegenden Englands an Sonntagen vor den Kirchthüren sieht. Jch bemerkte einen höchst pos- sirlichen Contrast zwischen den Wagen und den Dienern; hinter manchem stattlichen, ja selbst schönen Wagen stand [Ende Spaltensatz] [Abbildung] Ansicht von Aranjuez. [Beginn Spaltensatz] ein Diener, den man für einen Landstreicher hätte hal- ten können, der unterwegs den leeren Platz eingenom- men, um eine Spazierfahrt mitzumachen. Jch sah ei- nen ziemlich hübschen Wegen, den ein strumpfloser Kut- scher fuhr, und einen andern, hinter welchem ein rheu- matischer Lakei stand, der den Kopf mit Flanell um- wickelt hatte." Madrid hat fast immer einen unbewölkten und Das Pfennig=Magazin. [Beginn Spaltensatz]
öffnen sich Alleen für die Fußgänger. Er hat nicht dienatürlichen Reize des Praters bei Wien, aber er ist einer der Orte, wo der Fremde die Bewohner Madrids in ihrer Eigenthümlichkeit sehen kann. „Als ich herein- trat “, sagt der Engländer Jnglis, der Spanien in den letzten Jahren bereiste, „war in allen Gängen schon ein lebendiges Gewühl, obgleich sich noch immer ein breiter Menschenstrom aus der Alcalastraße dahin wälzte. Jn dem für Fahrende bestimmten Raume fuhren bereits zwei Wa- genreihen, deren langsame Bewegung steife Fieerlichkeit ver- [Spaltenumbruch] rieth. Die Wagen zeigten ein sonderbares Gemisch von Zierlichkeit und Armseligkeit; einige waren so hübsch, als man sie im Hyde Park bei London sehen kann, andere echt spanisch, mit Vergoldung und Malereien überladen; viele sahen abgenutzten Postkutschen ähnlich, andere alt- fränkischen Familienwagen, wie man sie zuweilen in den entlegenen Gegenden Englands an Sonntagen vor den Kirchthüren sieht. Jch bemerkte einen höchst pos- sirlichen Contrast zwischen den Wagen und den Dienern; hinter manchem stattlichen, ja selbst schönen Wagen stand [Ende Spaltensatz] [Abbildung] Ansicht von Aranjuez. [Beginn Spaltensatz] ein Diener, den man für einen Landstreicher hätte hal- ten können, der unterwegs den leeren Platz eingenom- men, um eine Spazierfahrt mitzumachen. Jch sah ei- nen ziemlich hübschen Wegen, den ein strumpfloser Kut- scher fuhr, und einen andern, hinter welchem ein rheu- matischer Lakei stand, der den Kopf mit Flanell um- wickelt hatte.“ Madrid hat fast immer einen unbewölkten und <TEI> <text> <body> <div type="jArticle" n="1"> <p><pb facs="#f0004" n="60"/><fw type="header" place="top"><hi rendition="#g">Das Pfennig=Magazin.</hi></fw><cb type="start"/> öffnen sich Alleen für die Fußgänger. Er hat nicht die<lb/> natürlichen Reize des Praters bei Wien, aber er ist<lb/> einer der Orte, wo der Fremde die Bewohner Madrids<lb/> in ihrer Eigenthümlichkeit sehen kann. „Als ich herein-<lb/> trat “, sagt der Engländer Jnglis, der Spanien in den<lb/> letzten Jahren bereiste, „war in allen Gängen schon ein<lb/> lebendiges Gewühl, obgleich sich noch immer ein breiter<lb/> Menschenstrom aus der Alcalastraße dahin wälzte. Jn dem<lb/> für Fahrende bestimmten Raume fuhren bereits zwei Wa-<lb/> genreihen, deren langsame Bewegung steife Fieerlichkeit ver-<lb/><cb n="2"/> rieth. Die Wagen zeigten ein sonderbares Gemisch von<lb/> Zierlichkeit und Armseligkeit; einige waren so hübsch, als<lb/> man sie im Hyde Park bei London sehen kann, andere<lb/> echt spanisch, mit Vergoldung und Malereien überladen;<lb/> viele sahen abgenutzten Postkutschen ähnlich, andere alt-<lb/> fränkischen Familienwagen, wie man sie zuweilen in<lb/> den entlegenen Gegenden Englands an Sonntagen vor<lb/> den Kirchthüren sieht. Jch bemerkte einen höchst pos-<lb/> sirlichen Contrast zwischen den Wagen und den Dienern;<lb/> hinter manchem stattlichen, ja selbst schönen Wagen stand <cb type="end"/> <figure><head> Ansicht von Aranjuez. </head></figure><lb/><cb type="start"/> ein Diener, den man für einen Landstreicher hätte hal-<lb/> ten können, der unterwegs den leeren Platz eingenom-<lb/> men, um eine Spazierfahrt mitzumachen. Jch sah ei-<lb/> nen ziemlich hübschen Wegen, den ein strumpfloser Kut-<lb/> scher fuhr, und einen andern, hinter welchem ein rheu-<lb/> matischer Lakei stand, der den Kopf mit Flanell um-<lb/> wickelt hatte.“</p><lb/> <p>Madrid hat fast immer einen unbewölkten und<lb/> heitern Himmel, aber die Luft auf der Hochebene ist<lb/> ungemein scharf und schwächlichen Menschen nachtheilig,<lb/> wozu ohne Zweifel auch die Nähe der Guadarramage-<lb/> birge beiträgt, deren Gipfel mehre Monate mit Schnee<lb/> bedeckt sind. Diese nachtheiligen Wirkungen fühlt man<lb/> auch bei Windstille, und man sagt sprüchwörtlich: die<lb/> Luft von Madrid blase nicht ein Licht aus, tödte aber<lb/> einen Menschen. Selbst bei heißem Wetter fühlt man<lb/> einen Frostschauder, wenn man aus dem Sonnenschein<lb/> in den Schatten tritt. Jm Winter weht ein kalter,<lb/> trockener Nordwind, im Frühling ein warmer Südwind,<lb/> im Sommer aber ist es fast immer windstill. Regen-<lb/> güsse sind im Frühlinge häufig, in den übrigen Jahres-<lb/> zeiten aber regnet es selten und nie lange. Die Ein-<lb/> wohnerzahl der Stadt wird sehr verschieden von 115,000<lb/> — 170,000 angegeben, weil man keine genauen Zäh-<lb/> lungen hat. Unter mehren Bildungsanstalten nennen<lb/> wir die große Schule in dem Jesuitencollegium, eine<lb/> chemische Schule, den 1770 angelegten botanischen Gar-<lb/> ten, Lehranstalten für das Studium der Anatomie und<lb/> für praktische Medicin, und die Sternwarte. Außer der<lb/> bereits erwähnten Kunstakademie gibt es auch eine hi-<lb/><cb n="2"/> storische Akademie und eine ähnliche Anstalt für die<lb/> Ausbildung der spanischen Sprache, welche in neuern Zei-<lb/> ten ein treffliches Wörterbuch herausgegeben hat. Die<lb/> königliche Bibliothek hat gegen 130,000 Bände, und<lb/> die naturhistorische Sammlung ist reich an Seltenhei-<lb/> ten, besonders aus den ehemaligen spanischen Colonien<lb/> in Amerika. Die beiden Theater werden schlecht gelei-<lb/> tet und wenig besucht. Stiergefechte sind noch immer<lb/> die Lieblingsbelustigungen aller Volksclassen. Die Stadt<lb/> ist reich an milden Stiftungen. Außer den allgemeinen<lb/> Krankenanstalten gab es hier früher eigne Hospitäler für<lb/> Dürftige verschiedener Länder, z. B. Frankreichs, Flan-<lb/> derns, Jtaliens, Jrlands, selbst für einzelne spanische<lb/> Provinzen, aber viele dieser Anstalten sind jetzt ihrem<lb/> ursprünglichen Zwecke entfremdet worden. Die spanische<lb/> Regierung hat durch schwere Auflagen von manchen<lb/> Culturzweigen, z. B. dem Weinbau, in der Nähe der<lb/> Hauptstadt abgeschreckt. Ähnliche Beschränkungen haben<lb/> die Fabrikthätigkeit niedergehalten. Die bedeutendsten<lb/> Fabrikanstalten, die Mosaikfabrik, die Tapetenmanufac-<lb/> tur, die Porzellanfabrik wurden für Rechnung des Kö-<lb/> nigs angelegt und ihre Erzeugnisse zum Gebrauche der<lb/> königlichen Familie oder zu Geschenken bestimmt. Der<lb/> Handel der Hauptstadt ist fast blos Einfuhrhandel, da<gap reason="illegible"/>die Umgegend nicht so viel Lebensmittel erzeugt, als<lb/> auf drei Wochen für den Bedarf der Einwohner genü-<lb/> gen würden. Die entfernten Provinzen des Reichs lie-<lb/> fern ihnen ihre Nahrungsmittel; die Fische, die in den<lb/> Straßen verkauft werden, kommen auf Maulthieren<lb/> vom atlantischen und mittelländischen Meere; Schlacht-<lb/><cb type="end"/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [60/0004]
Das Pfennig=Magazin.
öffnen sich Alleen für die Fußgänger. Er hat nicht die
natürlichen Reize des Praters bei Wien, aber er ist
einer der Orte, wo der Fremde die Bewohner Madrids
in ihrer Eigenthümlichkeit sehen kann. „Als ich herein-
trat “, sagt der Engländer Jnglis, der Spanien in den
letzten Jahren bereiste, „war in allen Gängen schon ein
lebendiges Gewühl, obgleich sich noch immer ein breiter
Menschenstrom aus der Alcalastraße dahin wälzte. Jn dem
für Fahrende bestimmten Raume fuhren bereits zwei Wa-
genreihen, deren langsame Bewegung steife Fieerlichkeit ver-
rieth. Die Wagen zeigten ein sonderbares Gemisch von
Zierlichkeit und Armseligkeit; einige waren so hübsch, als
man sie im Hyde Park bei London sehen kann, andere
echt spanisch, mit Vergoldung und Malereien überladen;
viele sahen abgenutzten Postkutschen ähnlich, andere alt-
fränkischen Familienwagen, wie man sie zuweilen in
den entlegenen Gegenden Englands an Sonntagen vor
den Kirchthüren sieht. Jch bemerkte einen höchst pos-
sirlichen Contrast zwischen den Wagen und den Dienern;
hinter manchem stattlichen, ja selbst schönen Wagen stand
[Abbildung Ansicht von Aranjuez. ]
ein Diener, den man für einen Landstreicher hätte hal-
ten können, der unterwegs den leeren Platz eingenom-
men, um eine Spazierfahrt mitzumachen. Jch sah ei-
nen ziemlich hübschen Wegen, den ein strumpfloser Kut-
scher fuhr, und einen andern, hinter welchem ein rheu-
matischer Lakei stand, der den Kopf mit Flanell um-
wickelt hatte.“
Madrid hat fast immer einen unbewölkten und
heitern Himmel, aber die Luft auf der Hochebene ist
ungemein scharf und schwächlichen Menschen nachtheilig,
wozu ohne Zweifel auch die Nähe der Guadarramage-
birge beiträgt, deren Gipfel mehre Monate mit Schnee
bedeckt sind. Diese nachtheiligen Wirkungen fühlt man
auch bei Windstille, und man sagt sprüchwörtlich: die
Luft von Madrid blase nicht ein Licht aus, tödte aber
einen Menschen. Selbst bei heißem Wetter fühlt man
einen Frostschauder, wenn man aus dem Sonnenschein
in den Schatten tritt. Jm Winter weht ein kalter,
trockener Nordwind, im Frühling ein warmer Südwind,
im Sommer aber ist es fast immer windstill. Regen-
güsse sind im Frühlinge häufig, in den übrigen Jahres-
zeiten aber regnet es selten und nie lange. Die Ein-
wohnerzahl der Stadt wird sehr verschieden von 115,000
— 170,000 angegeben, weil man keine genauen Zäh-
lungen hat. Unter mehren Bildungsanstalten nennen
wir die große Schule in dem Jesuitencollegium, eine
chemische Schule, den 1770 angelegten botanischen Gar-
ten, Lehranstalten für das Studium der Anatomie und
für praktische Medicin, und die Sternwarte. Außer der
bereits erwähnten Kunstakademie gibt es auch eine hi-
storische Akademie und eine ähnliche Anstalt für die
Ausbildung der spanischen Sprache, welche in neuern Zei-
ten ein treffliches Wörterbuch herausgegeben hat. Die
königliche Bibliothek hat gegen 130,000 Bände, und
die naturhistorische Sammlung ist reich an Seltenhei-
ten, besonders aus den ehemaligen spanischen Colonien
in Amerika. Die beiden Theater werden schlecht gelei-
tet und wenig besucht. Stiergefechte sind noch immer
die Lieblingsbelustigungen aller Volksclassen. Die Stadt
ist reich an milden Stiftungen. Außer den allgemeinen
Krankenanstalten gab es hier früher eigne Hospitäler für
Dürftige verschiedener Länder, z. B. Frankreichs, Flan-
derns, Jtaliens, Jrlands, selbst für einzelne spanische
Provinzen, aber viele dieser Anstalten sind jetzt ihrem
ursprünglichen Zwecke entfremdet worden. Die spanische
Regierung hat durch schwere Auflagen von manchen
Culturzweigen, z. B. dem Weinbau, in der Nähe der
Hauptstadt abgeschreckt. Ähnliche Beschränkungen haben
die Fabrikthätigkeit niedergehalten. Die bedeutendsten
Fabrikanstalten, die Mosaikfabrik, die Tapetenmanufac-
tur, die Porzellanfabrik wurden für Rechnung des Kö-
nigs angelegt und ihre Erzeugnisse zum Gebrauche der
königlichen Familie oder zu Geschenken bestimmt. Der
Handel der Hauptstadt ist fast blos Einfuhrhandel, da_ die Umgegend nicht so viel Lebensmittel erzeugt, als
auf drei Wochen für den Bedarf der Einwohner genü-
gen würden. Die entfernten Provinzen des Reichs lie-
fern ihnen ihre Nahrungsmittel; die Fische, die in den
Straßen verkauft werden, kommen auf Maulthieren
vom atlantischen und mittelländischen Meere; Schlacht-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI
Transkription
Peter Fankhauser:
Transformation von TUSTEP nach TEI P5.
Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.
Weitere Informationen:Siehe Dokumentation
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |