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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Dritter Jahrgang, Nr. 118. Leipzig (Sachsen), 5. April 1855.

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[Abbildung] Alte Abtei von Germain des=Pres.


Die Raspenburg.
[Beginn Spaltensatz]

Jn der thüringer Goldenen Aue ragt hinter dem
Städtchen Rastenberg auf der Mitternachtsseite ein
Berg empor, welcher geschichtlich merkwürdig geblieben
ist, da er die Ruinen trägt, die noch von der alten
Raspenburg vorhanden sind. Schon um 1070 wurde
dieselbe erbaut. Jhr Gründer war Heinrich Raspe,
ein Mann, dessen Stärke und rauhen Sinn sein Bei-
name bezeichnet. Wie er sich gegen seine Unterthanen
nicht eben lieb und hold zeigte, so verfuhren auch seine
Nachfolger. Unter diesen schien ihm, ziemlich 200
Jahre später, ein Heinrich Raspe nicht nur dem Na-
men, sondern auch in seinem ganzen Auftreten nach
am ähnlichsten zu sein. Derselbe war hart gegen sein
Volk wie gegen seine Anverwandten. So wohnte seine
sanfte Schwägerin Elisabeth mit ihren zwei Kindern,
Hermann und Sophie, auf der Wartburg; Heinrich
aber ruhte nicht, bis er sie von der Burg entfernt
hatte. Nur der Tod seines Bruders konnte ihn nach-
sichtiger stimmen. Als er in Reinhardsbrunn an dem
Sarge desselben stand und die verwitwete Elisabeth dem
Verblichenen den letzten Abschiedsgruß brachte, da fühlte
Heinrich Raspe sein Herz weich werden; er reichte sei-
ner Schwägerin die Hand zur Versöhnung und bat
sie, die Wartburg, von welcher er sie vertrieben hatte,
wieder zu beziehen.

Aerger noch verfuhr Heinrich Raspe mit seinen
[Spaltenumbruch] Unterthanen. Diese mußten sich vielerlei Unbill von
dem gestrengen Herrn gefallen lassen. Er schaltete mit
ihrem Eigenthume oft sehr willkürlich und soll es nicht
selten so weit getrieben haben, daß er ihnen eine oder
die andere schöne Tochter raubte, um sie auf seiner
Raspenburg festzuhalten. Die alte Raspenburg würde
viel erzählen, wenn sie reden könnte.

Auch nach Heinrich ging es in Thüringen nicht
besser her. Gewaltthätigkeiten aller Art wurden geübt
und die Klagen über Ungerechtigkeiten blieben meist un-
gehört, da die Raubritter die Oberhand hatten. End-
lich erschien Rudolf von Habsburg. Empört über die
Wirthschaft der Ritter, brachte er etwa sechszig Raub-
nestern den Untergang; doch war es ihm nicht vorbe-
halten, das Uebel ganz auszurotten, da er bald in
einen Krieg verwickelt wurde, der zu seinem Nachtheil
endigte. Albrecht der Unartige hatte nämlich das ganze
Land Thüringen für 160,000 Thlr. an Kaiser Adolf
verkauft, was Albert's Söhne, Friedrich und Diez-
mann, nicht genehmigen konnten und so entstand neue
Noth im Lande, denn die beiden Brüder griffen nach
dem Schwerte und der Kaiser rückte mit seinem wil-
den Heere in Thüringen ein. Bei Raspenburg kam
es zur Schlacht und Adolf wurde geschlagen. Fried-
rich erkannte das Krebsübel, das an dem Glück seines
Landes fraß, daher er es sofort zu unterdrücken suchte;
[Ende Spaltensatz]



[Abbildung] Alte Abtei von Germain des=Prés.


Die Raspenburg.
[Beginn Spaltensatz]

Jn der thüringer Goldenen Aue ragt hinter dem
Städtchen Rastenberg auf der Mitternachtsseite ein
Berg empor, welcher geschichtlich merkwürdig geblieben
ist, da er die Ruinen trägt, die noch von der alten
Raspenburg vorhanden sind. Schon um 1070 wurde
dieselbe erbaut. Jhr Gründer war Heinrich Raspe,
ein Mann, dessen Stärke und rauhen Sinn sein Bei-
name bezeichnet. Wie er sich gegen seine Unterthanen
nicht eben lieb und hold zeigte, so verfuhren auch seine
Nachfolger. Unter diesen schien ihm, ziemlich 200
Jahre später, ein Heinrich Raspe nicht nur dem Na-
men, sondern auch in seinem ganzen Auftreten nach
am ähnlichsten zu sein. Derselbe war hart gegen sein
Volk wie gegen seine Anverwandten. So wohnte seine
sanfte Schwägerin Elisabeth mit ihren zwei Kindern,
Hermann und Sophie, auf der Wartburg; Heinrich
aber ruhte nicht, bis er sie von der Burg entfernt
hatte. Nur der Tod seines Bruders konnte ihn nach-
sichtiger stimmen. Als er in Reinhardsbrunn an dem
Sarge desselben stand und die verwitwete Elisabeth dem
Verblichenen den letzten Abschiedsgruß brachte, da fühlte
Heinrich Raspe sein Herz weich werden; er reichte sei-
ner Schwägerin die Hand zur Versöhnung und bat
sie, die Wartburg, von welcher er sie vertrieben hatte,
wieder zu beziehen.

Aerger noch verfuhr Heinrich Raspe mit seinen
[Spaltenumbruch] Unterthanen. Diese mußten sich vielerlei Unbill von
dem gestrengen Herrn gefallen lassen. Er schaltete mit
ihrem Eigenthume oft sehr willkürlich und soll es nicht
selten so weit getrieben haben, daß er ihnen eine oder
die andere schöne Tochter raubte, um sie auf seiner
Raspenburg festzuhalten. Die alte Raspenburg würde
viel erzählen, wenn sie reden könnte.

Auch nach Heinrich ging es in Thüringen nicht
besser her. Gewaltthätigkeiten aller Art wurden geübt
und die Klagen über Ungerechtigkeiten blieben meist un-
gehört, da die Raubritter die Oberhand hatten. End-
lich erschien Rudolf von Habsburg. Empört über die
Wirthschaft der Ritter, brachte er etwa sechszig Raub-
nestern den Untergang; doch war es ihm nicht vorbe-
halten, das Uebel ganz auszurotten, da er bald in
einen Krieg verwickelt wurde, der zu seinem Nachtheil
endigte. Albrecht der Unartige hatte nämlich das ganze
Land Thüringen für 160,000 Thlr. an Kaiser Adolf
verkauft, was Albert's Söhne, Friedrich und Diez-
mann, nicht genehmigen konnten und so entstand neue
Noth im Lande, denn die beiden Brüder griffen nach
dem Schwerte und der Kaiser rückte mit seinem wil-
den Heere in Thüringen ein. Bei Raspenburg kam
es zur Schlacht und Adolf wurde geschlagen. Fried-
rich erkannte das Krebsübel, das an dem Glück seines
Landes fraß, daher er es sofort zu unterdrücken suchte;
[Ende Spaltensatz]

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[109/0005] 109 [Abbildung Alte Abtei von Germain des=Prés.] Die Raspenburg. Jn der thüringer Goldenen Aue ragt hinter dem Städtchen Rastenberg auf der Mitternachtsseite ein Berg empor, welcher geschichtlich merkwürdig geblieben ist, da er die Ruinen trägt, die noch von der alten Raspenburg vorhanden sind. Schon um 1070 wurde dieselbe erbaut. Jhr Gründer war Heinrich Raspe, ein Mann, dessen Stärke und rauhen Sinn sein Bei- name bezeichnet. Wie er sich gegen seine Unterthanen nicht eben lieb und hold zeigte, so verfuhren auch seine Nachfolger. Unter diesen schien ihm, ziemlich 200 Jahre später, ein Heinrich Raspe nicht nur dem Na- men, sondern auch in seinem ganzen Auftreten nach am ähnlichsten zu sein. Derselbe war hart gegen sein Volk wie gegen seine Anverwandten. So wohnte seine sanfte Schwägerin Elisabeth mit ihren zwei Kindern, Hermann und Sophie, auf der Wartburg; Heinrich aber ruhte nicht, bis er sie von der Burg entfernt hatte. Nur der Tod seines Bruders konnte ihn nach- sichtiger stimmen. Als er in Reinhardsbrunn an dem Sarge desselben stand und die verwitwete Elisabeth dem Verblichenen den letzten Abschiedsgruß brachte, da fühlte Heinrich Raspe sein Herz weich werden; er reichte sei- ner Schwägerin die Hand zur Versöhnung und bat sie, die Wartburg, von welcher er sie vertrieben hatte, wieder zu beziehen. Aerger noch verfuhr Heinrich Raspe mit seinen Unterthanen. Diese mußten sich vielerlei Unbill von dem gestrengen Herrn gefallen lassen. Er schaltete mit ihrem Eigenthume oft sehr willkürlich und soll es nicht selten so weit getrieben haben, daß er ihnen eine oder die andere schöne Tochter raubte, um sie auf seiner Raspenburg festzuhalten. Die alte Raspenburg würde viel erzählen, wenn sie reden könnte. Auch nach Heinrich ging es in Thüringen nicht besser her. Gewaltthätigkeiten aller Art wurden geübt und die Klagen über Ungerechtigkeiten blieben meist un- gehört, da die Raubritter die Oberhand hatten. End- lich erschien Rudolf von Habsburg. Empört über die Wirthschaft der Ritter, brachte er etwa sechszig Raub- nestern den Untergang; doch war es ihm nicht vorbe- halten, das Uebel ganz auszurotten, da er bald in einen Krieg verwickelt wurde, der zu seinem Nachtheil endigte. Albrecht der Unartige hatte nämlich das ganze Land Thüringen für 160,000 Thlr. an Kaiser Adolf verkauft, was Albert's Söhne, Friedrich und Diez- mann, nicht genehmigen konnten und so entstand neue Noth im Lande, denn die beiden Brüder griffen nach dem Schwerte und der Kaiser rückte mit seinem wil- den Heere in Thüringen ein. Bei Raspenburg kam es zur Schlacht und Adolf wurde geschlagen. Fried- rich erkannte das Krebsübel, das an dem Glück seines Landes fraß, daher er es sofort zu unterdrücken suchte;

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Dritter Jahrgang, Nr. 118. Leipzig (Sachsen), 5. April 1855, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig118_1855/5>, abgerufen am 24.11.2024.