Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Dritter Jahrgang, Nr. 118. Leipzig (Sachsen), 5. April 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

[Beginn Spaltensatz] noch irrthümlichen religiösen Gedanken zu einer so sinn-
reichen Götterlehre vereinigten, bis sie endlich auf die
Annahme eines höchsten, vollkommensten Wesens, des
Brahm, kamen, das sie sich über alles Jrdische erha-
ben und als unendlich glücklich dachten, von welchem
nach ihrer Meinung Alles ausging, zu welchem Alles
zurückkehrte, das die Welt beherrschte mit den von
ihm geschaffenen hohen und niedern Geistern!

War auch die Darstellung ihrer Götterbilder oft
recht sonderbar, streiften auch ihre Jdeen von Kämpfen
zwischen bösen und guten Wesen, von den Wanderun-
gen der Seele zu sehr in das Gebiet des Sinnlichen
hinüber, so tritt doch dabei der Glaube an einen Schö-
pfer und Erhalter schon deutlich hervor und ihre hei-
ligen Bücher sind reich an Mittheilungen über Stern-
kunde, Rechtswissenschaft und Sittenlehre sowie über
Arzneikunde und Anordnungen für den Cultus. Da
die Hindostaner aber, wie alle alten Völker, ihre my-
thologischen Vorstellungen zu verkörpern strebten, so
folgte daraus, daß sie ihre Götterbilder meist recht
eigenthümlich darstellten. So ließen sie den vom Brahm
ausgegangenen Brama oder Schöpfer mit vier Köpfen
auf einem im Wasser schwimmenden Schwane sitzend
abbilden, während sie dem Wischnu oder Erhalter nach
seinen verschiedenen Verwandlungen in Menschen= und
Thierkörper auch sehr verschiedene Gestaltungen gaben.
Jhr Schiwa, der Gott der Zerstörung, hatte drei Au-
gen und acht Arme und wurde von Blitzen umgeben
dargestellt. Außer Brahm und den nächsten Gotthei-
ten, Brahma, Wischnu und Schiwa, nahmen die Hin-
dus wenigstens noch 300 Millionen niederer Wesen
an, welche als Schutzgeister der Menschen oder auch
bei Krankheiten und andern Erscheinungen auf Erden
thätig waren, besonders aber Wissenschaften und Künste
sowie das sittliche Leben der Menschen leiteten. Unter
den sieben als heilig verehrten Flüssen stand der Gan-
ges obenan, in dessen Fluten zu baden als religiöser
Gebrauch erschien, dessen Wasser als heilbringend ver-
sendet ward, zu dessen Quellen auf den Himalaya man
wallfahrtete. Selbst Thiere und Pflanzen wurden hei-
lig gehalten.

Der von den Braminen geleitete Gottesdienst der
Hindus besteht in Opferungen, Räuchern, Waschun-
gen und Tänzen. Diese führten die Bajaderen aus,
welche theils von den Priestern erzogen und zum Tem-
peldienste heraufgebildet werden, theils auch bei den
Schmausereien der Vornehmen die Sinnenlust durch
ihre Tänze aufzureizen haben. Die Tempel der Hin-
dus heißen Pagoden. Sie sind Bauwerke aus längst
vergangenen Jahrhunderten, welche an Großartigkeit
und Dauerhaftigkeit alle andern Schöpfungen der Bau-
kunst übertreffen. Jm Jnnern derselben sind im hei-
ligen Dunkel die goldenen, kupfernen oder steinernen
Götterstatuen, mit kostbaren Gewändern umhüllt, auf-
gestellt. Ueber dem Heiligthume wölbt sich eine große,
mit Elefantenköpfen und andern Bildern überladene
Kuppel, die von außen pyramidenförmig überdeckt ist.
Die Pyramide steht auf einem freien Raume, welcher
von Wohnungen der Priester und Bajaderen, von
Bogengängen und Kapellen umgeben ist; diese sind
wieder mit Mauern umzogen, durch welche vier Ein-
gänge führen. Das Ganze bildet ein längliches Viereck,
das nach den vier Himmelsgegenden ausläuft und
allenthalben mit Götter= und Thierbildern in halb er-
habener Arbeit bedeckt ist. Alles ist aus Granit gear-
beitet und zwar in so riesenhafter Form, daß man
Quadern von 10,000 Kubikfuß Größe findet. Und
diese Kolosse mußten oft 30 Meilen weit herbeigeschafft
[Spaltenumbruch] werden und aller Granit an den Tempeln ist spiegel-
glatt polirt! Was sind unsere Riesenbaue gegen die
Pagoden der Hindus! Bedenkt man aber, daß in
einem Tempel zu Chalembron eine fein polirte Kette
von Granit als vierfache Guirlande aufgehangen war,
daß dieselbe in ihrer ganzen Länge 540 Fuß betrug,
daß jedes Glied drei Fuß Länge und zwei bis drei
Fuß Dicke hatte, daß dieser Tempelschmuck als geglie-
derte Kette also aus einem einzigen Granitblocke gear-
beitet sein mußte, dann möchte man vor den riesigen
Jdeen der alten Hindus ehrfurchtsvoll erstaunen. Nun
haben sie und ihre Stammesgenossen aber auch Höh-
lentempel, Grotten, Paläste, Säle und andere Räume
in die Granitfelsen von so ungeheurer Größe eingemei-
selt, daß viele Tausende von Menschen darin Platz
haben.

( Beschluß folgt. )



Eine Jugenderinnerung aus dem Leben Na-
poleon 's.

Aus seiner Kinderzeit erzählt Napoleon in den von
ihm selbst verfaßten Memoiren Folgendes:

Jch erinnere mich noch, unter den mancherlei Mär-
chen, womit mich meine Wärterin einzuschläfern suchte,
daß sie in einer Nacht, da ich durchaus nicht einschla-
fen konnte und sie nicht in Ruhe ließ, zu mir sagte:
"Napoleon, sei ruhig und still, und ich will dir das
Königreich Corsica geben, wenn du groß bist."

Und Frankreich! sagte ich.

Auch Frankreich dazu!

Und die ganze Welt?

Auch diese sollst du haben, aber nun sei still und
verlange nicht mehr, denn sonst müßtest du Gott den
Vater selbst entthronen wollen.

Jch war von diesem Gespräche so ergriffen, daß,
als sich meine Augen schlossen, ich noch immer für
mich wiederholte: "Jch werde König von Corsica, von
Frankreich und der Welt sein, so hat mir Saveria
( dies war der Name der Wärterin ) versprochen; aber
ich will nichts mehr verlangen, denn sonst müßte ich
Gott den Vater selbst entthronen wollen.

Hiermit steht noch Folgendes in Verbindung, was
dort ebenfalls erzählt wird:

Jch war außerordentlich wißbegierig; ich wollte die
Ursachen der Naturwunder, die mich umgaben, und
den Zustand des Landes kennenlernen. Meine Fragen
setzten meinen Großonkel Lucian oft in Erstaunen, der
sich übrigens darin gefiel, in mir ein künftiges Licht
der Kirche zu sehen. "Er wird", sagte er, " Archi-
diakonus werden, dieser kleine Napoleon; vielleicht auch
Bischof und Cardinal." Und dann, sich unterbrechend,
fragte er mich: "Willst du Papst werden?"

Jch aber erwiderte: Nein, aber König von Corsica
und Frankreich.

Nun, antwortete dann Lucian mit Lächeln, das ist
immer Etwas!



[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] noch irrthümlichen religiösen Gedanken zu einer so sinn-
reichen Götterlehre vereinigten, bis sie endlich auf die
Annahme eines höchsten, vollkommensten Wesens, des
Brahm, kamen, das sie sich über alles Jrdische erha-
ben und als unendlich glücklich dachten, von welchem
nach ihrer Meinung Alles ausging, zu welchem Alles
zurückkehrte, das die Welt beherrschte mit den von
ihm geschaffenen hohen und niedern Geistern!

War auch die Darstellung ihrer Götterbilder oft
recht sonderbar, streiften auch ihre Jdeen von Kämpfen
zwischen bösen und guten Wesen, von den Wanderun-
gen der Seele zu sehr in das Gebiet des Sinnlichen
hinüber, so tritt doch dabei der Glaube an einen Schö-
pfer und Erhalter schon deutlich hervor und ihre hei-
ligen Bücher sind reich an Mittheilungen über Stern-
kunde, Rechtswissenschaft und Sittenlehre sowie über
Arzneikunde und Anordnungen für den Cultus. Da
die Hindostaner aber, wie alle alten Völker, ihre my-
thologischen Vorstellungen zu verkörpern strebten, so
folgte daraus, daß sie ihre Götterbilder meist recht
eigenthümlich darstellten. So ließen sie den vom Brahm
ausgegangenen Brama oder Schöpfer mit vier Köpfen
auf einem im Wasser schwimmenden Schwane sitzend
abbilden, während sie dem Wischnu oder Erhalter nach
seinen verschiedenen Verwandlungen in Menschen= und
Thierkörper auch sehr verschiedene Gestaltungen gaben.
Jhr Schiwa, der Gott der Zerstörung, hatte drei Au-
gen und acht Arme und wurde von Blitzen umgeben
dargestellt. Außer Brahm und den nächsten Gotthei-
ten, Brahma, Wischnu und Schiwa, nahmen die Hin-
dus wenigstens noch 300 Millionen niederer Wesen
an, welche als Schutzgeister der Menschen oder auch
bei Krankheiten und andern Erscheinungen auf Erden
thätig waren, besonders aber Wissenschaften und Künste
sowie das sittliche Leben der Menschen leiteten. Unter
den sieben als heilig verehrten Flüssen stand der Gan-
ges obenan, in dessen Fluten zu baden als religiöser
Gebrauch erschien, dessen Wasser als heilbringend ver-
sendet ward, zu dessen Quellen auf den Himalaya man
wallfahrtete. Selbst Thiere und Pflanzen wurden hei-
lig gehalten.

Der von den Braminen geleitete Gottesdienst der
Hindus besteht in Opferungen, Räuchern, Waschun-
gen und Tänzen. Diese führten die Bajaderen aus,
welche theils von den Priestern erzogen und zum Tem-
peldienste heraufgebildet werden, theils auch bei den
Schmausereien der Vornehmen die Sinnenlust durch
ihre Tänze aufzureizen haben. Die Tempel der Hin-
dus heißen Pagoden. Sie sind Bauwerke aus längst
vergangenen Jahrhunderten, welche an Großartigkeit
und Dauerhaftigkeit alle andern Schöpfungen der Bau-
kunst übertreffen. Jm Jnnern derselben sind im hei-
ligen Dunkel die goldenen, kupfernen oder steinernen
Götterstatuen, mit kostbaren Gewändern umhüllt, auf-
gestellt. Ueber dem Heiligthume wölbt sich eine große,
mit Elefantenköpfen und andern Bildern überladene
Kuppel, die von außen pyramidenförmig überdeckt ist.
Die Pyramide steht auf einem freien Raume, welcher
von Wohnungen der Priester und Bajaderen, von
Bogengängen und Kapellen umgeben ist; diese sind
wieder mit Mauern umzogen, durch welche vier Ein-
gänge führen. Das Ganze bildet ein längliches Viereck,
das nach den vier Himmelsgegenden ausläuft und
allenthalben mit Götter= und Thierbildern in halb er-
habener Arbeit bedeckt ist. Alles ist aus Granit gear-
beitet und zwar in so riesenhafter Form, daß man
Quadern von 10,000 Kubikfuß Größe findet. Und
diese Kolosse mußten oft 30 Meilen weit herbeigeschafft
[Spaltenumbruch] werden und aller Granit an den Tempeln ist spiegel-
glatt polirt! Was sind unsere Riesenbaue gegen die
Pagoden der Hindus! Bedenkt man aber, daß in
einem Tempel zu Chalembron eine fein polirte Kette
von Granit als vierfache Guirlande aufgehangen war,
daß dieselbe in ihrer ganzen Länge 540 Fuß betrug,
daß jedes Glied drei Fuß Länge und zwei bis drei
Fuß Dicke hatte, daß dieser Tempelschmuck als geglie-
derte Kette also aus einem einzigen Granitblocke gear-
beitet sein mußte, dann möchte man vor den riesigen
Jdeen der alten Hindus ehrfurchtsvoll erstaunen. Nun
haben sie und ihre Stammesgenossen aber auch Höh-
lentempel, Grotten, Paläste, Säle und andere Räume
in die Granitfelsen von so ungeheurer Größe eingemei-
selt, daß viele Tausende von Menschen darin Platz
haben.

( Beschluß folgt. )



Eine Jugenderinnerung aus dem Leben Na-
poleon 's.

Aus seiner Kinderzeit erzählt Napoleon in den von
ihm selbst verfaßten Memoiren Folgendes:

Jch erinnere mich noch, unter den mancherlei Mär-
chen, womit mich meine Wärterin einzuschläfern suchte,
daß sie in einer Nacht, da ich durchaus nicht einschla-
fen konnte und sie nicht in Ruhe ließ, zu mir sagte:
„Napoleon, sei ruhig und still, und ich will dir das
Königreich Corsica geben, wenn du groß bist.“

Und Frankreich! sagte ich.

Auch Frankreich dazu!

Und die ganze Welt?

Auch diese sollst du haben, aber nun sei still und
verlange nicht mehr, denn sonst müßtest du Gott den
Vater selbst entthronen wollen.

Jch war von diesem Gespräche so ergriffen, daß,
als sich meine Augen schlossen, ich noch immer für
mich wiederholte: „Jch werde König von Corsica, von
Frankreich und der Welt sein, so hat mir Saveria
( dies war der Name der Wärterin ) versprochen; aber
ich will nichts mehr verlangen, denn sonst müßte ich
Gott den Vater selbst entthronen wollen.

Hiermit steht noch Folgendes in Verbindung, was
dort ebenfalls erzählt wird:

Jch war außerordentlich wißbegierig; ich wollte die
Ursachen der Naturwunder, die mich umgaben, und
den Zustand des Landes kennenlernen. Meine Fragen
setzten meinen Großonkel Lucian oft in Erstaunen, der
sich übrigens darin gefiel, in mir ein künftiges Licht
der Kirche zu sehen. „Er wird“, sagte er, „ Archi-
diakonus werden, dieser kleine Napoleon; vielleicht auch
Bischof und Cardinal.“ Und dann, sich unterbrechend,
fragte er mich: „Willst du Papst werden?“

Jch aber erwiderte: Nein, aber König von Corsica
und Frankreich.

Nun, antwortete dann Lucian mit Lächeln, das ist
immer Etwas!



[Ende Spaltensatz]
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <p><pb facs="#f0003" n="107"/><fw type="pageNum" place="top">107</fw><cb type="start"/>
noch irrthümlichen religiösen Gedanken zu einer so sinn-<lb/>
reichen Götterlehre vereinigten, bis sie endlich auf die<lb/>
Annahme eines höchsten, vollkommensten Wesens, des<lb/>
Brahm, kamen, das sie sich über alles Jrdische erha-<lb/>
ben und als unendlich glücklich dachten, von welchem<lb/>
nach ihrer Meinung Alles ausging, zu welchem Alles<lb/>
zurückkehrte, das die Welt beherrschte mit den von<lb/>
ihm geschaffenen hohen und niedern Geistern!</p><lb/>
        <p>War auch die Darstellung ihrer Götterbilder oft<lb/>
recht sonderbar, streiften auch ihre Jdeen von Kämpfen<lb/>
zwischen bösen und guten Wesen, von den Wanderun-<lb/>
gen der Seele zu sehr in das Gebiet des Sinnlichen<lb/>
hinüber, so tritt doch dabei der Glaube an einen Schö-<lb/>
pfer und Erhalter schon deutlich hervor und ihre hei-<lb/>
ligen Bücher sind reich an Mittheilungen über Stern-<lb/>
kunde, Rechtswissenschaft und Sittenlehre sowie über<lb/>
Arzneikunde und Anordnungen für den Cultus. Da<lb/>
die Hindostaner aber, wie alle alten Völker, ihre my-<lb/>
thologischen Vorstellungen zu verkörpern strebten, so<lb/>
folgte daraus, daß sie ihre Götterbilder meist recht<lb/>
eigenthümlich darstellten. So ließen sie den vom Brahm<lb/>
ausgegangenen Brama oder Schöpfer mit vier Köpfen<lb/>
auf einem im Wasser schwimmenden Schwane sitzend<lb/>
abbilden, während sie dem Wischnu oder Erhalter nach<lb/>
seinen verschiedenen Verwandlungen in Menschen= und<lb/>
Thierkörper auch sehr verschiedene Gestaltungen gaben.<lb/>
Jhr Schiwa, der Gott der Zerstörung, hatte drei Au-<lb/>
gen und acht Arme und wurde von Blitzen umgeben<lb/>
dargestellt. Außer Brahm und den nächsten Gotthei-<lb/>
ten, Brahma, Wischnu und Schiwa, nahmen die Hin-<lb/>
dus wenigstens noch 300 Millionen niederer Wesen<lb/>
an, welche als Schutzgeister der Menschen oder auch<lb/>
bei Krankheiten und andern Erscheinungen auf Erden<lb/>
thätig waren, besonders aber Wissenschaften und Künste<lb/>
sowie das sittliche Leben der Menschen leiteten. Unter<lb/>
den sieben als heilig verehrten Flüssen stand der Gan-<lb/>
ges obenan, in dessen Fluten zu baden als religiöser<lb/>
Gebrauch erschien, dessen Wasser als heilbringend ver-<lb/>
sendet ward, zu dessen Quellen auf den Himalaya man<lb/>
wallfahrtete. Selbst Thiere und Pflanzen wurden hei-<lb/>
lig gehalten.</p><lb/>
        <p>Der von den Braminen geleitete Gottesdienst der<lb/>
Hindus besteht in Opferungen, Räuchern, Waschun-<lb/>
gen und Tänzen. Diese führten die Bajaderen aus,<lb/>
welche theils von den Priestern erzogen und zum Tem-<lb/>
peldienste heraufgebildet werden, theils auch bei den<lb/>
Schmausereien der Vornehmen die Sinnenlust durch<lb/>
ihre Tänze aufzureizen haben. Die Tempel der Hin-<lb/>
dus heißen Pagoden. Sie sind Bauwerke aus längst<lb/>
vergangenen Jahrhunderten, welche an Großartigkeit<lb/>
und Dauerhaftigkeit alle andern Schöpfungen der Bau-<lb/>
kunst übertreffen. Jm Jnnern derselben sind im hei-<lb/>
ligen Dunkel die goldenen, kupfernen oder steinernen<lb/>
Götterstatuen, mit kostbaren Gewändern umhüllt, auf-<lb/>
gestellt. Ueber dem Heiligthume wölbt sich eine große,<lb/>
mit Elefantenköpfen und andern Bildern überladene<lb/>
Kuppel, die von außen pyramidenförmig überdeckt ist.<lb/>
Die Pyramide steht auf einem freien Raume, welcher<lb/>
von Wohnungen der Priester und Bajaderen, von<lb/>
Bogengängen und Kapellen umgeben ist; diese sind<lb/>
wieder mit Mauern umzogen, durch welche vier Ein-<lb/>
gänge führen. Das Ganze bildet ein längliches Viereck,<lb/>
das nach den vier Himmelsgegenden ausläuft und<lb/>
allenthalben mit Götter= und Thierbildern in halb er-<lb/>
habener Arbeit bedeckt ist. Alles ist aus Granit gear-<lb/>
beitet und zwar in so riesenhafter Form, daß man<lb/>
Quadern von 10,000 Kubikfuß Größe findet. Und<lb/>
diese Kolosse mußten oft 30 Meilen weit herbeigeschafft<lb/><cb n="2"/>
werden und aller Granit an den Tempeln ist spiegel-<lb/>
glatt polirt! Was sind unsere Riesenbaue gegen die<lb/>
Pagoden der Hindus! Bedenkt man aber, daß in<lb/>
einem Tempel zu Chalembron eine fein polirte Kette<lb/>
von Granit als vierfache Guirlande aufgehangen war,<lb/>
daß dieselbe in ihrer ganzen Länge 540 Fuß betrug,<lb/>
daß jedes Glied drei Fuß Länge und zwei bis drei<lb/>
Fuß Dicke hatte, daß dieser Tempelschmuck als geglie-<lb/>
derte Kette also aus einem einzigen Granitblocke gear-<lb/>
beitet sein mußte, dann möchte man vor den riesigen<lb/>
Jdeen der alten Hindus ehrfurchtsvoll erstaunen. Nun<lb/>
haben sie und ihre Stammesgenossen aber auch Höh-<lb/>
lentempel, Grotten, Paläste, Säle und andere Räume<lb/>
in die Granitfelsen von so ungeheurer Größe eingemei-<lb/>
selt, daß viele Tausende von Menschen darin Platz<lb/>
haben.</p><lb/>
        <p> <hi rendition="#c">( Beschluß folgt. )</hi> </p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr">Eine Jugenderinnerung aus dem Leben Na-<lb/>
poleon 's.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">A</hi>us seiner Kinderzeit erzählt Napoleon in den von<lb/>
ihm selbst verfaßten Memoiren Folgendes:</p><lb/>
        <p>Jch erinnere mich noch, unter den mancherlei Mär-<lb/>
chen, womit mich meine Wärterin einzuschläfern suchte,<lb/>
daß sie in einer Nacht, da ich durchaus nicht einschla-<lb/>
fen konnte und sie nicht in Ruhe ließ, zu mir sagte:<lb/>
&#x201E;Napoleon, sei ruhig und still, und ich will dir das<lb/>
Königreich Corsica geben, wenn du groß bist.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Und Frankreich! sagte ich.</p><lb/>
        <p>Auch Frankreich dazu!</p><lb/>
        <p>Und die ganze Welt?</p><lb/>
        <p>Auch diese sollst du haben, aber nun sei still und<lb/>
verlange nicht mehr, denn sonst müßtest du Gott den<lb/>
Vater selbst entthronen wollen.</p><lb/>
        <p>Jch war von diesem Gespräche so ergriffen, daß,<lb/>
als sich meine Augen schlossen, ich noch immer für<lb/>
mich wiederholte: &#x201E;Jch werde König von Corsica, von<lb/>
Frankreich und der Welt sein, so hat mir Saveria<lb/>
( dies war der Name der Wärterin ) versprochen; aber<lb/>
ich will nichts mehr verlangen, denn sonst müßte ich<lb/>
Gott den Vater selbst entthronen wollen.</p><lb/>
        <p>Hiermit steht noch Folgendes in Verbindung, was<lb/>
dort ebenfalls erzählt wird:</p><lb/>
        <p>Jch war außerordentlich wißbegierig; ich wollte die<lb/>
Ursachen der Naturwunder, die mich umgaben, und<lb/>
den Zustand des Landes kennenlernen. Meine Fragen<lb/>
setzten meinen Großonkel Lucian oft in Erstaunen, der<lb/>
sich übrigens darin gefiel, in mir ein künftiges Licht<lb/>
der Kirche zu sehen. &#x201E;Er wird&#x201C;, sagte er, &#x201E; Archi-<lb/>
diakonus werden, dieser kleine Napoleon; vielleicht auch<lb/>
Bischof und Cardinal.&#x201C; Und dann, sich unterbrechend,<lb/>
fragte er mich: &#x201E;Willst du Papst werden?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Jch aber erwiderte: Nein, aber König von Corsica<lb/>
und Frankreich.</p><lb/>
        <p>Nun, antwortete dann Lucian mit Lächeln, das ist<lb/>
immer Etwas!</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <cb type="end"/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[107/0003] 107 noch irrthümlichen religiösen Gedanken zu einer so sinn- reichen Götterlehre vereinigten, bis sie endlich auf die Annahme eines höchsten, vollkommensten Wesens, des Brahm, kamen, das sie sich über alles Jrdische erha- ben und als unendlich glücklich dachten, von welchem nach ihrer Meinung Alles ausging, zu welchem Alles zurückkehrte, das die Welt beherrschte mit den von ihm geschaffenen hohen und niedern Geistern! War auch die Darstellung ihrer Götterbilder oft recht sonderbar, streiften auch ihre Jdeen von Kämpfen zwischen bösen und guten Wesen, von den Wanderun- gen der Seele zu sehr in das Gebiet des Sinnlichen hinüber, so tritt doch dabei der Glaube an einen Schö- pfer und Erhalter schon deutlich hervor und ihre hei- ligen Bücher sind reich an Mittheilungen über Stern- kunde, Rechtswissenschaft und Sittenlehre sowie über Arzneikunde und Anordnungen für den Cultus. Da die Hindostaner aber, wie alle alten Völker, ihre my- thologischen Vorstellungen zu verkörpern strebten, so folgte daraus, daß sie ihre Götterbilder meist recht eigenthümlich darstellten. So ließen sie den vom Brahm ausgegangenen Brama oder Schöpfer mit vier Köpfen auf einem im Wasser schwimmenden Schwane sitzend abbilden, während sie dem Wischnu oder Erhalter nach seinen verschiedenen Verwandlungen in Menschen= und Thierkörper auch sehr verschiedene Gestaltungen gaben. Jhr Schiwa, der Gott der Zerstörung, hatte drei Au- gen und acht Arme und wurde von Blitzen umgeben dargestellt. Außer Brahm und den nächsten Gotthei- ten, Brahma, Wischnu und Schiwa, nahmen die Hin- dus wenigstens noch 300 Millionen niederer Wesen an, welche als Schutzgeister der Menschen oder auch bei Krankheiten und andern Erscheinungen auf Erden thätig waren, besonders aber Wissenschaften und Künste sowie das sittliche Leben der Menschen leiteten. Unter den sieben als heilig verehrten Flüssen stand der Gan- ges obenan, in dessen Fluten zu baden als religiöser Gebrauch erschien, dessen Wasser als heilbringend ver- sendet ward, zu dessen Quellen auf den Himalaya man wallfahrtete. Selbst Thiere und Pflanzen wurden hei- lig gehalten. Der von den Braminen geleitete Gottesdienst der Hindus besteht in Opferungen, Räuchern, Waschun- gen und Tänzen. Diese führten die Bajaderen aus, welche theils von den Priestern erzogen und zum Tem- peldienste heraufgebildet werden, theils auch bei den Schmausereien der Vornehmen die Sinnenlust durch ihre Tänze aufzureizen haben. Die Tempel der Hin- dus heißen Pagoden. Sie sind Bauwerke aus längst vergangenen Jahrhunderten, welche an Großartigkeit und Dauerhaftigkeit alle andern Schöpfungen der Bau- kunst übertreffen. Jm Jnnern derselben sind im hei- ligen Dunkel die goldenen, kupfernen oder steinernen Götterstatuen, mit kostbaren Gewändern umhüllt, auf- gestellt. Ueber dem Heiligthume wölbt sich eine große, mit Elefantenköpfen und andern Bildern überladene Kuppel, die von außen pyramidenförmig überdeckt ist. Die Pyramide steht auf einem freien Raume, welcher von Wohnungen der Priester und Bajaderen, von Bogengängen und Kapellen umgeben ist; diese sind wieder mit Mauern umzogen, durch welche vier Ein- gänge führen. Das Ganze bildet ein längliches Viereck, das nach den vier Himmelsgegenden ausläuft und allenthalben mit Götter= und Thierbildern in halb er- habener Arbeit bedeckt ist. Alles ist aus Granit gear- beitet und zwar in so riesenhafter Form, daß man Quadern von 10,000 Kubikfuß Größe findet. Und diese Kolosse mußten oft 30 Meilen weit herbeigeschafft werden und aller Granit an den Tempeln ist spiegel- glatt polirt! Was sind unsere Riesenbaue gegen die Pagoden der Hindus! Bedenkt man aber, daß in einem Tempel zu Chalembron eine fein polirte Kette von Granit als vierfache Guirlande aufgehangen war, daß dieselbe in ihrer ganzen Länge 540 Fuß betrug, daß jedes Glied drei Fuß Länge und zwei bis drei Fuß Dicke hatte, daß dieser Tempelschmuck als geglie- derte Kette also aus einem einzigen Granitblocke gear- beitet sein mußte, dann möchte man vor den riesigen Jdeen der alten Hindus ehrfurchtsvoll erstaunen. Nun haben sie und ihre Stammesgenossen aber auch Höh- lentempel, Grotten, Paläste, Säle und andere Räume in die Granitfelsen von so ungeheurer Größe eingemei- selt, daß viele Tausende von Menschen darin Platz haben. ( Beschluß folgt. ) Eine Jugenderinnerung aus dem Leben Na- poleon 's. Aus seiner Kinderzeit erzählt Napoleon in den von ihm selbst verfaßten Memoiren Folgendes: Jch erinnere mich noch, unter den mancherlei Mär- chen, womit mich meine Wärterin einzuschläfern suchte, daß sie in einer Nacht, da ich durchaus nicht einschla- fen konnte und sie nicht in Ruhe ließ, zu mir sagte: „Napoleon, sei ruhig und still, und ich will dir das Königreich Corsica geben, wenn du groß bist.“ Und Frankreich! sagte ich. Auch Frankreich dazu! Und die ganze Welt? Auch diese sollst du haben, aber nun sei still und verlange nicht mehr, denn sonst müßtest du Gott den Vater selbst entthronen wollen. Jch war von diesem Gespräche so ergriffen, daß, als sich meine Augen schlossen, ich noch immer für mich wiederholte: „Jch werde König von Corsica, von Frankreich und der Welt sein, so hat mir Saveria ( dies war der Name der Wärterin ) versprochen; aber ich will nichts mehr verlangen, denn sonst müßte ich Gott den Vater selbst entthronen wollen. Hiermit steht noch Folgendes in Verbindung, was dort ebenfalls erzählt wird: Jch war außerordentlich wißbegierig; ich wollte die Ursachen der Naturwunder, die mich umgaben, und den Zustand des Landes kennenlernen. Meine Fragen setzten meinen Großonkel Lucian oft in Erstaunen, der sich übrigens darin gefiel, in mir ein künftiges Licht der Kirche zu sehen. „Er wird“, sagte er, „ Archi- diakonus werden, dieser kleine Napoleon; vielleicht auch Bischof und Cardinal.“ Und dann, sich unterbrechend, fragte er mich: „Willst du Papst werden?“ Jch aber erwiderte: Nein, aber König von Corsica und Frankreich. Nun, antwortete dann Lucian mit Lächeln, das ist immer Etwas!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription
Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

Weitere Informationen:

Siehe Dokumentation




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig118_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig118_1855/3
Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Dritter Jahrgang, Nr. 118. Leipzig (Sachsen), 5. April 1855, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig118_1855/3>, abgerufen am 11.12.2024.