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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 97. Leipzig (Sachsen), 9. November 1854.

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[Beginn Spaltensatz] jenem Abend die Flucht des Knaben gewahr geworden
und noch immer tief betrübt darüber, klagte er oft ge-
gen seine Frau über das traurige Geschick des armen
Buben, dem Andres aber, seinem Schwiegersohne,
machte er nicht selten die bittersten Vorwürfe über
seine Härte. Jn einer mondhellen Nacht, als ihn hef-
tige Gichtschmerzen, so häufig das Übel alter Fuhrleute,
quälten und er im Bett nicht auszudauern vermochte,
stand er traurig an seinem kleinen Kammerfenster, das
nach dem Hofe ging, und wieder weilten seine Gedan-
ken bei dem armen Knaben. Dieser war gerade in
jener Nacht dicht unter Jakob's Fenster bei dem Hunde
eingeschlafen und kaum hatte Müller den Schläfer be-
merkt und erkannt, als er auch schon hinausging, den
Knaben weckte und ihm sanfte Vorwürfe über seine
Flucht machte. Albert erschrak anfangs, dann aber
vergoß er Thränen, lehnte es indeß aufs bestimmteste
ab, seinen Aufenthalt im Walde zu verlassen und in
Jakob's Haus zu kommen. Die Furcht vor Andres,
das leuchtete deutlich aus Albert's Weigerung hervor,
war es, welche ihn nicht dazu kommen ließ, auf Ja-
kob 's Wunsch und Bitte einzugehen, und dieser, aus
gleich großem Widerwillen gegen den harten Mann
sowie nicht minder aus Mitleid mit dem geängsteten
Knaben, dessen abermaliges Entlaufen er zugleich be-
fürchten mußte, ließ ihn denn auch nach Verlauf einer
Stunde in sein Waldthal zurückkehren, wo er ihn zu
besuchen versprach.

Außer manchen Kleinigkeiten, die dem Knaben an-
genehm waren, brachte er ihm auch eine warme Decke
mit, weil der Winter schon sein eisiges Haupt über
die Gegend mächtig zu schütteln begann, und versah
ihn mit Speise für einige Zeit, da die Waldbeeren
und wilden Wurzeln schon im tiefen Schnee vergraben
waren. Albert's Höhle war indessen so trocken und
warm, das Thal, worin sie sich befand, durch einen
Kranz von hohen Bergen so geschützt gegen Sturm
und Wetter, daß ein anderes Klima in demselben zu
herrschen schien und Jakob, so oft er den Knaben be-
suchte, ihn auch beneidete, daß er, so ganz der Sohn
der Natur, in friedlicher Einsamkeit lebte und die reine
Luft des Himmels athmete. Da das Geschäft des
Fuhrmanns im Winter ruhte, so brachte der biedere
Alte manche Stunde heimlich bei dem Knaben zu,
dem er das Versprechen gegeben hatte, seinen Aufent-
halt Niemand zu verrathen, und versorgte ihn von
Zeit zu Zeit mit den nöthigen Bedürfnissen. Albert
besuchte dagegen nach wie vor während der Nacht oft-
mals die Hofstelle und unterhielt die treueste Freund-
schaft mit dem Hunde.

Endlich erwachte der Frühling und Jakob schickte
sich an, sein Gewerbe als Frachtfahrer wieder zu be-
treiben. Da er unterwegs einen flinken Burschen bei
den Gäulen gut gebrauchen konnte, so machte er Al-
bert den Vorschlag, mitzugehen, wozu dieser sich auch
bereiterklärte. Jn der Nacht vor der Abreise fand
sich Albert auf dem Hofe ein, verkroch sich auf Ja-
kob 's Rath mit dem Hunde im dichten Stroh des
Wagens und entschlief sanft. Unglücklicherweise war
jedoch dem alten Müller am Abend zuvor eine Krank-
heit plötzlich zugestoßen, sodaß Andres am Morgen der
Abreise seine Stelle übernehmen mußte. Dieser unter-
suchte noch einmal vorsorglich das ganze Geschirr und
namentlich den Wagen und -- fand bei dieser Gele-
genheit den Knaben schlafend neben dem Hunde. Hä-
misch, wie er war, langte er behende nach der Peit-
sche und weckte den armen Schläfer so unsanft damit
auf, daß dieser bis zum Tode erschreckt in die Höhe
[Spaltenumbruch] fuhr, mit einem wilden Satze vom Wagen sprang und
zum zweiten male entfloh. Der Hund folgte ihm in-
stinctmäßig, weil auch auf ihn eine Portion Schläge
von Andres kam und Beide erreichten bald darauf die
bekannte Waldhöhle.

Albert war jedoch unschlüssig, ob er ferner darin
bleiben solle oder nicht. Da er kaum aus dem Schlafe
erwacht und im nächsten Augenblicke auch schon ent-
sprungen war, so hatte er durchaus nicht genau wahr-
nehmen können, wer ihn eigentlich geschlagen. Zwar
rieth er richtig auf Andres, doch wußte er von Ja-
kob 's plötzlicher Erkrankung nichts und mußte daher
glauben, daß Beide im Einverständnisse waren. Er
fürchtete mit Gewalt fortgeführt zu werden und suchte
darum lieber von freien Stücken das Weite mit sei-
nem Hunde, der ihm auch getreulich folgte. Ein
Übelstand erfüllte indeß den Knaben täglich mit immer
größerer Sorge. Die Nahrung, welche Albert genoß,
verschmähte nämlich der Hund, sodaß zuletzt dem Kna-
ben nichts Anderes übrigblieb, als Brot für denselben
zu betteln, was leider nicht immer glücken wollte.

Einst war der Abend schon hereingebrochen und der
Hund hatte noch keinen Bissen Brot erhalten können,
als Albert in einer Köhlerhütte einen letzten Versuch
machte, Brot zu erhalten. Da er aber sehr verwil-
dert und abgerissen aussah, drohte ihm ein altes Weib
mit dem Stocke, wenn er nicht auf der Stelle seiner
Wege gehen würde, und hieß ihn einen Galgenvogel.
Schon wollte er bekümmert der Hütte der Rücken
wenden, als er in einem Winkel derselben ein Kind
mit einem Butterbrote sitzen sah. Wie ein Stoßvogel
fuhr er darauf hin, entriß es dem Kinde und ent-
sprang. Der Hund bekam den ganzen Raub und ver-
gnügt wanderte er weiter. Sein Bett war überall ge-
macht, und so ruhig, wie er im Walde oder Felde
entschlief, so heiter und gestärkt erwachte er zu neuen
Beschwerden. Einmal bettelte er auch auf einem ein-
samen Bauernhofe um Brot. Der Hausherr schlug
ihm scheltend seine Bitte ab, doch gefiel ihm der Hund
und er fragte den Knaben, ob er ihn verkaufen wolle?
Dieser verneinte es trotzig und war schon im Begriff,
den Hof zu verlassen, als der Bauer seinen in der
Nähe arbeitenden Knechten zurief, das Thor zu sper-
ren. Albert ward gefangen, derb durchgeprügelt, der
Hund ihm abgenommen und er darauf, seiner Bitten
und Thränen ungeachtet, vom Hofe gejagt.

Jn Verzweiflung irrte er mehre Tage in der Ge-
gend umher. Kaum daß er ein wenig Trank und
Speise genoß, so sehr war all sein Dichten und Trach-
ten darauf gerichtet, wie er den Hund wiederbekomme.
Endlich entschloß er sich, bei Nacht den Versuch zu
wagen, ihn zu stehlen, da er sich die Kammer ge-
merkt hatte, in welche das Thier eingesperrt worden
war. Um Mitternacht schlich er sich auf den Hof, er-
spähte jenes Kämmerchen, nahm behende eine Scheibe
aus dem niedrigen Fenster, öffnete dann dasselbe vor-
sichtig und stieg ein. Unglücklicherweise aber schliefen
zwei Knechte in dem Zimmer, und da ihr Bett an
der Fensterwand stand, so ergriffen sie den Knaben bei
den Füßen, als sie von dem Geräusch erwachten, wel-
ches sein Einsteigen trotz aller Vorsicht verursachte.
Eine zweite, noch härtere Züchtigung von denselben
rohen Fäusten erging über den bedauernswürdigen Al-
bert. Dann aber ward er gebunden und am andern
Morgen dem Gericht in dem nächsten Orte als Dieb
überliefert. Weder seine Thränen noch die wiederhol-
ten Betheuerungen, daß er nur sich seines Hundes habe
bemächtigen wollen, rührten die Beamten des Gerichts.
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] jenem Abend die Flucht des Knaben gewahr geworden
und noch immer tief betrübt darüber, klagte er oft ge-
gen seine Frau über das traurige Geschick des armen
Buben, dem Andres aber, seinem Schwiegersohne,
machte er nicht selten die bittersten Vorwürfe über
seine Härte. Jn einer mondhellen Nacht, als ihn hef-
tige Gichtschmerzen, so häufig das Übel alter Fuhrleute,
quälten und er im Bett nicht auszudauern vermochte,
stand er traurig an seinem kleinen Kammerfenster, das
nach dem Hofe ging, und wieder weilten seine Gedan-
ken bei dem armen Knaben. Dieser war gerade in
jener Nacht dicht unter Jakob's Fenster bei dem Hunde
eingeschlafen und kaum hatte Müller den Schläfer be-
merkt und erkannt, als er auch schon hinausging, den
Knaben weckte und ihm sanfte Vorwürfe über seine
Flucht machte. Albert erschrak anfangs, dann aber
vergoß er Thränen, lehnte es indeß aufs bestimmteste
ab, seinen Aufenthalt im Walde zu verlassen und in
Jakob's Haus zu kommen. Die Furcht vor Andres,
das leuchtete deutlich aus Albert's Weigerung hervor,
war es, welche ihn nicht dazu kommen ließ, auf Ja-
kob 's Wunsch und Bitte einzugehen, und dieser, aus
gleich großem Widerwillen gegen den harten Mann
sowie nicht minder aus Mitleid mit dem geängsteten
Knaben, dessen abermaliges Entlaufen er zugleich be-
fürchten mußte, ließ ihn denn auch nach Verlauf einer
Stunde in sein Waldthal zurückkehren, wo er ihn zu
besuchen versprach.

Außer manchen Kleinigkeiten, die dem Knaben an-
genehm waren, brachte er ihm auch eine warme Decke
mit, weil der Winter schon sein eisiges Haupt über
die Gegend mächtig zu schütteln begann, und versah
ihn mit Speise für einige Zeit, da die Waldbeeren
und wilden Wurzeln schon im tiefen Schnee vergraben
waren. Albert's Höhle war indessen so trocken und
warm, das Thal, worin sie sich befand, durch einen
Kranz von hohen Bergen so geschützt gegen Sturm
und Wetter, daß ein anderes Klima in demselben zu
herrschen schien und Jakob, so oft er den Knaben be-
suchte, ihn auch beneidete, daß er, so ganz der Sohn
der Natur, in friedlicher Einsamkeit lebte und die reine
Luft des Himmels athmete. Da das Geschäft des
Fuhrmanns im Winter ruhte, so brachte der biedere
Alte manche Stunde heimlich bei dem Knaben zu,
dem er das Versprechen gegeben hatte, seinen Aufent-
halt Niemand zu verrathen, und versorgte ihn von
Zeit zu Zeit mit den nöthigen Bedürfnissen. Albert
besuchte dagegen nach wie vor während der Nacht oft-
mals die Hofstelle und unterhielt die treueste Freund-
schaft mit dem Hunde.

Endlich erwachte der Frühling und Jakob schickte
sich an, sein Gewerbe als Frachtfahrer wieder zu be-
treiben. Da er unterwegs einen flinken Burschen bei
den Gäulen gut gebrauchen konnte, so machte er Al-
bert den Vorschlag, mitzugehen, wozu dieser sich auch
bereiterklärte. Jn der Nacht vor der Abreise fand
sich Albert auf dem Hofe ein, verkroch sich auf Ja-
kob 's Rath mit dem Hunde im dichten Stroh des
Wagens und entschlief sanft. Unglücklicherweise war
jedoch dem alten Müller am Abend zuvor eine Krank-
heit plötzlich zugestoßen, sodaß Andres am Morgen der
Abreise seine Stelle übernehmen mußte. Dieser unter-
suchte noch einmal vorsorglich das ganze Geschirr und
namentlich den Wagen und — fand bei dieser Gele-
genheit den Knaben schlafend neben dem Hunde. Hä-
misch, wie er war, langte er behende nach der Peit-
sche und weckte den armen Schläfer so unsanft damit
auf, daß dieser bis zum Tode erschreckt in die Höhe
[Spaltenumbruch] fuhr, mit einem wilden Satze vom Wagen sprang und
zum zweiten male entfloh. Der Hund folgte ihm in-
stinctmäßig, weil auch auf ihn eine Portion Schläge
von Andres kam und Beide erreichten bald darauf die
bekannte Waldhöhle.

Albert war jedoch unschlüssig, ob er ferner darin
bleiben solle oder nicht. Da er kaum aus dem Schlafe
erwacht und im nächsten Augenblicke auch schon ent-
sprungen war, so hatte er durchaus nicht genau wahr-
nehmen können, wer ihn eigentlich geschlagen. Zwar
rieth er richtig auf Andres, doch wußte er von Ja-
kob 's plötzlicher Erkrankung nichts und mußte daher
glauben, daß Beide im Einverständnisse waren. Er
fürchtete mit Gewalt fortgeführt zu werden und suchte
darum lieber von freien Stücken das Weite mit sei-
nem Hunde, der ihm auch getreulich folgte. Ein
Übelstand erfüllte indeß den Knaben täglich mit immer
größerer Sorge. Die Nahrung, welche Albert genoß,
verschmähte nämlich der Hund, sodaß zuletzt dem Kna-
ben nichts Anderes übrigblieb, als Brot für denselben
zu betteln, was leider nicht immer glücken wollte.

Einst war der Abend schon hereingebrochen und der
Hund hatte noch keinen Bissen Brot erhalten können,
als Albert in einer Köhlerhütte einen letzten Versuch
machte, Brot zu erhalten. Da er aber sehr verwil-
dert und abgerissen aussah, drohte ihm ein altes Weib
mit dem Stocke, wenn er nicht auf der Stelle seiner
Wege gehen würde, und hieß ihn einen Galgenvogel.
Schon wollte er bekümmert der Hütte der Rücken
wenden, als er in einem Winkel derselben ein Kind
mit einem Butterbrote sitzen sah. Wie ein Stoßvogel
fuhr er darauf hin, entriß es dem Kinde und ent-
sprang. Der Hund bekam den ganzen Raub und ver-
gnügt wanderte er weiter. Sein Bett war überall ge-
macht, und so ruhig, wie er im Walde oder Felde
entschlief, so heiter und gestärkt erwachte er zu neuen
Beschwerden. Einmal bettelte er auch auf einem ein-
samen Bauernhofe um Brot. Der Hausherr schlug
ihm scheltend seine Bitte ab, doch gefiel ihm der Hund
und er fragte den Knaben, ob er ihn verkaufen wolle?
Dieser verneinte es trotzig und war schon im Begriff,
den Hof zu verlassen, als der Bauer seinen in der
Nähe arbeitenden Knechten zurief, das Thor zu sper-
ren. Albert ward gefangen, derb durchgeprügelt, der
Hund ihm abgenommen und er darauf, seiner Bitten
und Thränen ungeachtet, vom Hofe gejagt.

Jn Verzweiflung irrte er mehre Tage in der Ge-
gend umher. Kaum daß er ein wenig Trank und
Speise genoß, so sehr war all sein Dichten und Trach-
ten darauf gerichtet, wie er den Hund wiederbekomme.
Endlich entschloß er sich, bei Nacht den Versuch zu
wagen, ihn zu stehlen, da er sich die Kammer ge-
merkt hatte, in welche das Thier eingesperrt worden
war. Um Mitternacht schlich er sich auf den Hof, er-
spähte jenes Kämmerchen, nahm behende eine Scheibe
aus dem niedrigen Fenster, öffnete dann dasselbe vor-
sichtig und stieg ein. Unglücklicherweise aber schliefen
zwei Knechte in dem Zimmer, und da ihr Bett an
der Fensterwand stand, so ergriffen sie den Knaben bei
den Füßen, als sie von dem Geräusch erwachten, wel-
ches sein Einsteigen trotz aller Vorsicht verursachte.
Eine zweite, noch härtere Züchtigung von denselben
rohen Fäusten erging über den bedauernswürdigen Al-
bert. Dann aber ward er gebunden und am andern
Morgen dem Gericht in dem nächsten Orte als Dieb
überliefert. Weder seine Thränen noch die wiederhol-
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bemächtigen wollen, rührten die Beamten des Gerichts.
[Ende Spaltensatz]

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Albert's Höhle war indessen so trocken und warm, das Thal, worin sie sich befand, durch einen Kranz von hohen Bergen so geschützt gegen Sturm und Wetter, daß ein anderes Klima in demselben zu herrschen schien und Jakob, so oft er den Knaben be- suchte, ihn auch beneidete, daß er, so ganz der Sohn der Natur, in friedlicher Einsamkeit lebte und die reine Luft des Himmels athmete. Da das Geschäft des Fuhrmanns im Winter ruhte, so brachte der biedere Alte manche Stunde heimlich bei dem Knaben zu, dem er das Versprechen gegeben hatte, seinen Aufent- halt Niemand zu verrathen, und versorgte ihn von Zeit zu Zeit mit den nöthigen Bedürfnissen. Albert besuchte dagegen nach wie vor während der Nacht oft- mals die Hofstelle und unterhielt die treueste Freund- schaft mit dem Hunde. Endlich erwachte der Frühling und Jakob schickte sich an, sein Gewerbe als Frachtfahrer wieder zu be- treiben. Da er unterwegs einen flinken Burschen bei den Gäulen gut gebrauchen konnte, so machte er Al- bert den Vorschlag, mitzugehen, wozu dieser sich auch bereiterklärte. Jn der Nacht vor der Abreise fand sich Albert auf dem Hofe ein, verkroch sich auf Ja- kob 's Rath mit dem Hunde im dichten Stroh des Wagens und entschlief sanft. Unglücklicherweise war jedoch dem alten Müller am Abend zuvor eine Krank- heit plötzlich zugestoßen, sodaß Andres am Morgen der Abreise seine Stelle übernehmen mußte. Dieser unter- suchte noch einmal vorsorglich das ganze Geschirr und namentlich den Wagen und — fand bei dieser Gele- genheit den Knaben schlafend neben dem Hunde. Hä- misch, wie er war, langte er behende nach der Peit- sche und weckte den armen Schläfer so unsanft damit auf, daß dieser bis zum Tode erschreckt in die Höhe fuhr, mit einem wilden Satze vom Wagen sprang und zum zweiten male entfloh. 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Dieser verneinte es trotzig und war schon im Begriff, den Hof zu verlassen, als der Bauer seinen in der Nähe arbeitenden Knechten zurief, das Thor zu sper- ren. Albert ward gefangen, derb durchgeprügelt, der Hund ihm abgenommen und er darauf, seiner Bitten und Thränen ungeachtet, vom Hofe gejagt. Jn Verzweiflung irrte er mehre Tage in der Ge- gend umher. Kaum daß er ein wenig Trank und Speise genoß, so sehr war all sein Dichten und Trach- ten darauf gerichtet, wie er den Hund wiederbekomme. Endlich entschloß er sich, bei Nacht den Versuch zu wagen, ihn zu stehlen, da er sich die Kammer ge- merkt hatte, in welche das Thier eingesperrt worden war. Um Mitternacht schlich er sich auf den Hof, er- spähte jenes Kämmerchen, nahm behende eine Scheibe aus dem niedrigen Fenster, öffnete dann dasselbe vor- sichtig und stieg ein. Unglücklicherweise aber schliefen zwei Knechte in dem Zimmer, und da ihr Bett an der Fensterwand stand, so ergriffen sie den Knaben bei den Füßen, als sie von dem Geräusch erwachten, wel- ches sein Einsteigen trotz aller Vorsicht verursachte. Eine zweite, noch härtere Züchtigung von denselben rohen Fäusten erging über den bedauernswürdigen Al- bert. Dann aber ward er gebunden und am andern Morgen dem Gericht in dem nächsten Orte als Dieb überliefert. Weder seine Thränen noch die wiederhol- ten Betheuerungen, daß er nur sich seines Hundes habe bemächtigen wollen, rührten die Beamten des Gerichts.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription
Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

Weitere Informationen:

Siehe Dokumentation




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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 97. Leipzig (Sachsen), 9. November 1854, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig097_1854/2>, abgerufen am 24.11.2024.