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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 95. Leipzig (Sachsen), 26. Oktober 1854.

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[Beginn Spaltensatz] dern führt auch den Freund der geschwätzigen Sage in
die Vergangenheit zurück, denn in der Nähe des be-
quemen Aussichtsthurms liegt auf dem Berge ein
Stück Land mit Steinblöcken besäet, wo einst die Teu-
felsmühle stand.

Heute noch heißt das Plätzchen die Teufelsmühle.
Vor vielen Jahrhunderten nämlich besaß ein Müller
am Fuße des Rambergs eine Windmühle, welche seit
undenklichen Zeiten immer wieder von dem Vater auf
den Sohn vererbt worden war. Nun lag aber die
Mühle nicht gut, denn sie wurde nur bewegt, wenn
der Wind aus Mittag oder Morgen kam. Das war
freilich für alle Müller recht schlimm gewesen, doch
hatten sie es nicht ändern können.

Bei dem jüngsten Besitzer der Mühle ging es aber
am schlechtesten. Die Winde bliesen immer aus Abend
oder Mitternacht, sodaß die Flügel nur selten einmal
in Bewegung gesetzt werden konnten.

Der arme Müller war untröstlich, denn seine Ver-
hältnisse verschlechterten sich täglich. Er machte Schul-
den, ohne sie wieder abstoßen zu können; er verkaufte,
was er entbehren konnte, doch die Noth wich nicht von
seiner Schwelle, da der rechte Wind nicht erscheinen
wollte.

Anfangs hatte der sorgende Mann oft um Hülfe
zum Himmel aufgeblickt; weil aber nicht gleich Ret-
tung kam, so verlor er auch das Vertrauen zu Gott
und zu sich selbst und nun setzte er sich oft stunden-
lang hin an den Berg, grübelte hin und her und
weinte wol auch.

Da fiel ihm denn gar oft ein, wie einfältig seine
Vorfahren doch gewesen waren, daß sie ihre Mühle
nicht hoch hinauf auf den Berg gesetzt hatten, wo ih-
nen der Wind von allen Seiten zu Theil geworden
wäre.

Hätte ich nur Geld, meinte er, ich wollte mich
schon herausreißen aus meiner Schuldenlast; ein reicher
Mann müßte ich werden, könnte ich meine Mühle auf
den Berg hinaufbauen!

Mit solchen und ähnlichen Gedanken trug sich der
Müller stets herum. Er durchstreifte Wald und Flur,
um die Sorgen loszuwerden; aber kein Freund fand
sich, der ihm half, seine Noth ward immer größer
und seine Kinder schrien immer lauter nach Brot. Der
arme Mann fühlte sich ganz und gar unglücklich; er
mochte lieber nicht mehr leben und kam auf gottes-
lästerliche Jdeen.

Einst saß der Müller unter einem Baume und
sann und sann und kam doch zu keinem Entschlusse.
Bis tief in die Nacht hinein hatte er gesonnen; seiner
Brust entstiegen schwere Seufzer. Der Mond schien
durch die Blätter in das geheimnißvolle Dunkel, wo
der Müller fast regungslos saß; es war still um ihn
herum. Da klopfte ihn Jemand auf die Schulter.
Erschrocken hob der arme, sorgenvolle Mann das ge-
senkte Haupt. Vor ihm stand ein kräftiger Hand-
werksmann, angethan mit Arbeitswamms und leder-
nem Schurz, doch gelb und braun wie ein Mensch
aus fremden Landen.

Dem Müller ward es fast unheimlich. Er redete
den Fremden an und sprach: "Was ist dein Begehr,
womit kann ich dienen? Mit der Hand helf' ich gern,
aber Geld hab' ich nicht; keinen Heller hab' ich, arme
Ritter back' ich mit Frau und Kind!"

Weiß wohl! antwortete der Fremde. Du lebst in
Noth und gehst unter, wenn nicht bald Hülfe kommt;
darum bin ich gekommen.

Der Müller wunderte sich nicht wenig, daß dieser
[Spaltenumbruch] fremde Mann alle seine Verhältnisse kannte und be-
trachtete ihn nun noch genauer im Mondscheine. Mit
Schrecken bemerkte er, daß die Hände des Fremdlings
den menschlichen Händen wenig ähnlich waren und
daß der räthselhafte Handwerksmann auf einem Fuße
lahm ging.

"Höllische Mächte wollen mich umstricken!" mur-
melte der Müller in den Bart und sein geängstigtes
Herz schlug hörbar. Aber der unheimliche Gast ließ
ihm nicht Zeit zum Nachdenken, sondern er spiegelte
ihm das Glück vor, was ihm zu Theil werden müsse,
wenn seine Mühle oben auf dem Berge stände, fest
wie ein Thurm auf den Burgen, gebaut aus Granit-
gestein und trotzend jedem Sturm und Wetter.

Diese Vorspiegelungen umnebelten die Sinne des
Müllers dermaßen, daß er selbst nicht recht wußte,
was er dachte, that und versprach. Er sah im Geiste
eine schöne Zukunft vor sich und rief aus: "O hätte
ich doch eine solche Mühle, ich gäbe Alles darum!"

Der Fremde sprach: "Jch will sie dir bauen und
zwar in einer einzigen Nacht. Wenn es die Mitter-
nachtsstunde schlägt, werde ich mit meinen Gesellen
das Werk beginnen und ehe der Hahn am andern
Morgen kräht, muß die Mühle fertig sein. Wird sie
bis dahin nicht fertig, so sollst du mir nichts schuldig
sein; haben wir aber den letzten Stein eingefügt vor
dem ersten Hahnenschrei, so erfüllst du mir Das, was
auf diesem Zettel steht!"

Der Schwarze reichte dabei dem Müller ein Pa-
pier hin und foderte ihn auf, sich die Haut aufzu-
ritzen und die wenigen Worte auf dem Papiere mit
seinem Blute zu unterschreiben.

Des Müllers ganzes Sinnen hing an den golde-
nen Bergen, welche eine Mühle auf der Höhe ihm
bringen würden, an dem Glück, mit den Seinen sor-
genlos zu leben, an der Freude, nach und nach der
geachtetste Müller der Umgegend zu werden und ver-
gaß dabei alles Übrige, selbst seiner Seele Seligkeit,
wie dies die hoffärtigen und habsüchtigen Menschen zu
thun pflegen. Er griff nach einem Dorn, ritzte sich
damit den Arm auf und kritzelte sein Namenszeichen
auf das ihm dargereichte Papier. Als er aber dieses
aus den Händen gegeben und der Fremde sich mit
Blitzesschnelle weggewendet hatte, da wurde ihm dop-
pelt weh um das Herz, die Sucht nach Reichthum
wurde von der Angst seiner Seele überwunden. Bleich
und verstört, wie er noch nie ausgesehen hatte, starrte
er nach dem Ramberge hinauf. Jm Thale fand er
nicht Ruhe, daher er in der stürmischer gewordenen
Nacht die Wälder am Abhange des Berges durch-
streifte. Es zog ihn höher und höher, die Wolken
brachen sich, der Mond trat wieder hervor und der
Müller stand um Mitternacht oben auf dem Berge,
gemartert von der Erwartung der letzten Stunde sei-
nes verfehlten Lebens.

Doch, was sah, was hörte er! Entsetzen er-
griff ihn.

Der zwölfte Glockenschlag war eben erklungen, da
wurde auf dem stillen, öden Berge plötzlich Leben.
Der höllische Baumeister erschien und mit ihm viele
schwarze, grauenerregende Gehülfen. Jm Nu began-
nen dieselben ihr Werk. Wenige Minuten vergingen
nur, da waren mächtige Steinblöcke mit Riesengewalt
unter Prasseln und Rasseln auf die Seite geworfen
und ein schöner freier Platz lag geebnet vor des Mül-
lers Augen. Jetzt erklangen die Schläge der Äxte aus
dem Walde heraus; überall hämmerte, meißelte und
klopfte es, als wären alle Bauleute der Welt versam-
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] dern führt auch den Freund der geschwätzigen Sage in
die Vergangenheit zurück, denn in der Nähe des be-
quemen Aussichtsthurms liegt auf dem Berge ein
Stück Land mit Steinblöcken besäet, wo einst die Teu-
felsmühle stand.

Heute noch heißt das Plätzchen die Teufelsmühle.
Vor vielen Jahrhunderten nämlich besaß ein Müller
am Fuße des Rambergs eine Windmühle, welche seit
undenklichen Zeiten immer wieder von dem Vater auf
den Sohn vererbt worden war. Nun lag aber die
Mühle nicht gut, denn sie wurde nur bewegt, wenn
der Wind aus Mittag oder Morgen kam. Das war
freilich für alle Müller recht schlimm gewesen, doch
hatten sie es nicht ändern können.

Bei dem jüngsten Besitzer der Mühle ging es aber
am schlechtesten. Die Winde bliesen immer aus Abend
oder Mitternacht, sodaß die Flügel nur selten einmal
in Bewegung gesetzt werden konnten.

Der arme Müller war untröstlich, denn seine Ver-
hältnisse verschlechterten sich täglich. Er machte Schul-
den, ohne sie wieder abstoßen zu können; er verkaufte,
was er entbehren konnte, doch die Noth wich nicht von
seiner Schwelle, da der rechte Wind nicht erscheinen
wollte.

Anfangs hatte der sorgende Mann oft um Hülfe
zum Himmel aufgeblickt; weil aber nicht gleich Ret-
tung kam, so verlor er auch das Vertrauen zu Gott
und zu sich selbst und nun setzte er sich oft stunden-
lang hin an den Berg, grübelte hin und her und
weinte wol auch.

Da fiel ihm denn gar oft ein, wie einfältig seine
Vorfahren doch gewesen waren, daß sie ihre Mühle
nicht hoch hinauf auf den Berg gesetzt hatten, wo ih-
nen der Wind von allen Seiten zu Theil geworden
wäre.

Hätte ich nur Geld, meinte er, ich wollte mich
schon herausreißen aus meiner Schuldenlast; ein reicher
Mann müßte ich werden, könnte ich meine Mühle auf
den Berg hinaufbauen!

Mit solchen und ähnlichen Gedanken trug sich der
Müller stets herum. Er durchstreifte Wald und Flur,
um die Sorgen loszuwerden; aber kein Freund fand
sich, der ihm half, seine Noth ward immer größer
und seine Kinder schrien immer lauter nach Brot. Der
arme Mann fühlte sich ganz und gar unglücklich; er
mochte lieber nicht mehr leben und kam auf gottes-
lästerliche Jdeen.

Einst saß der Müller unter einem Baume und
sann und sann und kam doch zu keinem Entschlusse.
Bis tief in die Nacht hinein hatte er gesonnen; seiner
Brust entstiegen schwere Seufzer. Der Mond schien
durch die Blätter in das geheimnißvolle Dunkel, wo
der Müller fast regungslos saß; es war still um ihn
herum. Da klopfte ihn Jemand auf die Schulter.
Erschrocken hob der arme, sorgenvolle Mann das ge-
senkte Haupt. Vor ihm stand ein kräftiger Hand-
werksmann, angethan mit Arbeitswamms und leder-
nem Schurz, doch gelb und braun wie ein Mensch
aus fremden Landen.

Dem Müller ward es fast unheimlich. Er redete
den Fremden an und sprach: „Was ist dein Begehr,
womit kann ich dienen? Mit der Hand helf' ich gern,
aber Geld hab' ich nicht; keinen Heller hab' ich, arme
Ritter back' ich mit Frau und Kind!“

Weiß wohl! antwortete der Fremde. Du lebst in
Noth und gehst unter, wenn nicht bald Hülfe kommt;
darum bin ich gekommen.

Der Müller wunderte sich nicht wenig, daß dieser
[Spaltenumbruch] fremde Mann alle seine Verhältnisse kannte und be-
trachtete ihn nun noch genauer im Mondscheine. Mit
Schrecken bemerkte er, daß die Hände des Fremdlings
den menschlichen Händen wenig ähnlich waren und
daß der räthselhafte Handwerksmann auf einem Fuße
lahm ging.

„Höllische Mächte wollen mich umstricken!“ mur-
melte der Müller in den Bart und sein geängstigtes
Herz schlug hörbar. Aber der unheimliche Gast ließ
ihm nicht Zeit zum Nachdenken, sondern er spiegelte
ihm das Glück vor, was ihm zu Theil werden müsse,
wenn seine Mühle oben auf dem Berge stände, fest
wie ein Thurm auf den Burgen, gebaut aus Granit-
gestein und trotzend jedem Sturm und Wetter.

Diese Vorspiegelungen umnebelten die Sinne des
Müllers dermaßen, daß er selbst nicht recht wußte,
was er dachte, that und versprach. Er sah im Geiste
eine schöne Zukunft vor sich und rief aus: „O hätte
ich doch eine solche Mühle, ich gäbe Alles darum!“

Der Fremde sprach: „Jch will sie dir bauen und
zwar in einer einzigen Nacht. Wenn es die Mitter-
nachtsstunde schlägt, werde ich mit meinen Gesellen
das Werk beginnen und ehe der Hahn am andern
Morgen kräht, muß die Mühle fertig sein. Wird sie
bis dahin nicht fertig, so sollst du mir nichts schuldig
sein; haben wir aber den letzten Stein eingefügt vor
dem ersten Hahnenschrei, so erfüllst du mir Das, was
auf diesem Zettel steht!“

Der Schwarze reichte dabei dem Müller ein Pa-
pier hin und foderte ihn auf, sich die Haut aufzu-
ritzen und die wenigen Worte auf dem Papiere mit
seinem Blute zu unterschreiben.

Des Müllers ganzes Sinnen hing an den golde-
nen Bergen, welche eine Mühle auf der Höhe ihm
bringen würden, an dem Glück, mit den Seinen sor-
genlos zu leben, an der Freude, nach und nach der
geachtetste Müller der Umgegend zu werden und ver-
gaß dabei alles Übrige, selbst seiner Seele Seligkeit,
wie dies die hoffärtigen und habsüchtigen Menschen zu
thun pflegen. Er griff nach einem Dorn, ritzte sich
damit den Arm auf und kritzelte sein Namenszeichen
auf das ihm dargereichte Papier. Als er aber dieses
aus den Händen gegeben und der Fremde sich mit
Blitzesschnelle weggewendet hatte, da wurde ihm dop-
pelt weh um das Herz, die Sucht nach Reichthum
wurde von der Angst seiner Seele überwunden. Bleich
und verstört, wie er noch nie ausgesehen hatte, starrte
er nach dem Ramberge hinauf. Jm Thale fand er
nicht Ruhe, daher er in der stürmischer gewordenen
Nacht die Wälder am Abhange des Berges durch-
streifte. Es zog ihn höher und höher, die Wolken
brachen sich, der Mond trat wieder hervor und der
Müller stand um Mitternacht oben auf dem Berge,
gemartert von der Erwartung der letzten Stunde sei-
nes verfehlten Lebens.

Doch, was sah, was hörte er! Entsetzen er-
griff ihn.

Der zwölfte Glockenschlag war eben erklungen, da
wurde auf dem stillen, öden Berge plötzlich Leben.
Der höllische Baumeister erschien und mit ihm viele
schwarze, grauenerregende Gehülfen. Jm Nu began-
nen dieselben ihr Werk. Wenige Minuten vergingen
nur, da waren mächtige Steinblöcke mit Riesengewalt
unter Prasseln und Rasseln auf die Seite geworfen
und ein schöner freier Platz lag geebnet vor des Mül-
lers Augen. Jetzt erklangen die Schläge der Äxte aus
dem Walde heraus; überall hämmerte, meißelte und
klopfte es, als wären alle Bauleute der Welt versam-
[Ende Spaltensatz]

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[338/0002] 338 dern führt auch den Freund der geschwätzigen Sage in die Vergangenheit zurück, denn in der Nähe des be- quemen Aussichtsthurms liegt auf dem Berge ein Stück Land mit Steinblöcken besäet, wo einst die Teu- felsmühle stand. Heute noch heißt das Plätzchen die Teufelsmühle. Vor vielen Jahrhunderten nämlich besaß ein Müller am Fuße des Rambergs eine Windmühle, welche seit undenklichen Zeiten immer wieder von dem Vater auf den Sohn vererbt worden war. Nun lag aber die Mühle nicht gut, denn sie wurde nur bewegt, wenn der Wind aus Mittag oder Morgen kam. Das war freilich für alle Müller recht schlimm gewesen, doch hatten sie es nicht ändern können. Bei dem jüngsten Besitzer der Mühle ging es aber am schlechtesten. Die Winde bliesen immer aus Abend oder Mitternacht, sodaß die Flügel nur selten einmal in Bewegung gesetzt werden konnten. Der arme Müller war untröstlich, denn seine Ver- hältnisse verschlechterten sich täglich. 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Des Müllers ganzes Sinnen hing an den golde- nen Bergen, welche eine Mühle auf der Höhe ihm bringen würden, an dem Glück, mit den Seinen sor- genlos zu leben, an der Freude, nach und nach der geachtetste Müller der Umgegend zu werden und ver- gaß dabei alles Übrige, selbst seiner Seele Seligkeit, wie dies die hoffärtigen und habsüchtigen Menschen zu thun pflegen. Er griff nach einem Dorn, ritzte sich damit den Arm auf und kritzelte sein Namenszeichen auf das ihm dargereichte Papier. Als er aber dieses aus den Händen gegeben und der Fremde sich mit Blitzesschnelle weggewendet hatte, da wurde ihm dop- pelt weh um das Herz, die Sucht nach Reichthum wurde von der Angst seiner Seele überwunden. Bleich und verstört, wie er noch nie ausgesehen hatte, starrte er nach dem Ramberge hinauf. Jm Thale fand er nicht Ruhe, daher er in der stürmischer gewordenen Nacht die Wälder am Abhange des Berges durch- streifte. Es zog ihn höher und höher, die Wolken brachen sich, der Mond trat wieder hervor und der Müller stand um Mitternacht oben auf dem Berge, gemartert von der Erwartung der letzten Stunde sei- nes verfehlten Lebens. Doch, was sah, was hörte er! Entsetzen er- griff ihn. Der zwölfte Glockenschlag war eben erklungen, da wurde auf dem stillen, öden Berge plötzlich Leben. Der höllische Baumeister erschien und mit ihm viele schwarze, grauenerregende Gehülfen. Jm Nu began- nen dieselben ihr Werk. Wenige Minuten vergingen nur, da waren mächtige Steinblöcke mit Riesengewalt unter Prasseln und Rasseln auf die Seite geworfen und ein schöner freier Platz lag geebnet vor des Mül- lers Augen. Jetzt erklangen die Schläge der Äxte aus dem Walde heraus; überall hämmerte, meißelte und klopfte es, als wären alle Bauleute der Welt versam-

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 95. Leipzig (Sachsen), 26. Oktober 1854, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig095_1854/2>, abgerufen am 17.09.2024.