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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 89. Leipzig (Sachsen), 7. September 1854.

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[Beginn Spaltensatz] Schnell raffte sie sich auf und eilte zu dem Manne hin.
Sie hatte sich nicht getäuscht; Eppelin war es. Jm
Übermaß der Freude konnte sie nicht sprechen, sondern
nur höchstens seinen Namen rufen. Sie sank zu seinen
Füßen nieder, umschlang seine Knie und hielt ihn fest,
hochbeglückt durch das Wonnegefühl des Wiedersehens.
Jhre Kinder gesellten sich zu ihr und drängten sich eben-
falls mit Freuden an den Vater an. Dieser aber er-
hielt zu gleicher Zeit das von der Müllerin Erbetene.

Kinder, sprach er, indem er sich von den Seinen
losmachte, Kinder, laßt mich! und haftig jagte er wie-
der der Waldung zu.

Dieses Benehmen war der Burgfrau höchst räthsel-
haft; sie rief ihm nach: "Eppelin, Eppelin! Willst du
Weib und Kind verlassen?"

Nein, nein! antwortete der Ritter und eilte unauf-
haltsam weiter. Hedwig und ihre Kinder folgten aber
seinen hastigen Schritten bis tief in den Wald hinein,
wo eine Straße vorüberführte. Hier sahen sie Eppelin
sich auf einem freien Grasplatze niederbeugen und mit
einem Körper ämsig beschäftigen. Als sie nahe hinzu-
traten, bemerkten sie ein schwarzes Roß unter den Hän-
den des Ritters, das eben verenden zu wollen schien.

Eppelin gab sich alle Mühe, dem Thiere das Leben
zu retten; denn es war ja sein treuer Rappe, welcher
ihn über den Burggraben zu Nürnberg und, der Frei-
heit entgegen, bis an die Stelle getragen hatte, wo er
eben niedergesunken war. Seine Füße bluteten und
seine Brust bewegte sich nur noch wenig, sodaß man
kaum noch sein Athmen bemerken konnte; die Augen
waren halb gebrochen.

Der Ritter hatte in seinen frühern Kämpfen durch
die erhaltenen Wunden so manchen Schmerz erlitten,
aber so tief war dieser ihm nicht ans Herz gegangen,
als der Schmerz des Mitleids beim Anblicke seines
Rosses. Er nahm Wein und bestrich den Rappen die
Nüstern und das Maul, er schob ihm benetzte Stück-
chen Brot zwischen die Zähne, er verband ihm mit be-
feuchteten Lappen die Füße, er klopfte und streichelte
seinen Hals und überhäufte es mit Liebkosungen; aber
Alles war umsonst, die Lebensgeister des Thieres wichen
immer mehr.

Da weinte der sonst so wilde Mann.

Hedwig und die Knaben hatten die Scene in der
Entfernung still betrachtet. Sie traten näher und die
Burgfrau sprach: "Eppelin! Wir sind da, wir, die dir
am treuesten sind auf Erden!"

Der Ritter sprang auf im Gefühle von Schmerz
und Freude, umhalste die Seinen und rief: "Ach, ver-
zeiht, wenn ich euch in dem ersten Augenblicke des
Wiedersehens nicht beachtete und die Minuten nützen
mußte, um hier für meinen Retter, mein liebes Roß,
das Möglichste zu thun! Jch sehe aber, ich soll mich
seiner nicht mehr freuen, denn bald wird es den letzten
Athemzug thun!"

Bei diesen Worten fielen Eppelin's Augen wieder
auf den Rappen. Er athmete noch einmal recht schwer;
er blickte noch mit seinen matten, gutmüthigen Augen
nach seinem Herrn, dann brachen ihm diese und der
Tod kam über ihn. Ein Zucken der Glieder noch, dann
war es mit dem Rosse vorbei.

Seht, er stirbt! jammerte Eppelin und setzte hinzu:
So wisset denn, meine Lieben, daß er mich über den
Burggraben von Nürnberg getragen und bis hierher zu
euch gebracht hat, daß er mein Lebensretter war in
demselben Augenblicke, als ich dem Henker überliefert
werden sollte! Seinesgleichen ist nicht mehr. Traure
mit mir, meine Hedwig, beklagt ihn mit mir, meine
[Spaltenumbruch] Söhne; er war mein treuester Freund auf Erden! Nie
wollen wir seiner vergessen; ein schönes Grab soll ihm
werden und ein würdiges Denkmal soll den Hügel zie-
ren, unter welchem mein liebes Roß schlafen wird!

Eppelin konnte sich schwer von dem todten Rappen
trennen. Er streichelte ihn noch lange, dann bedeckte
er ihn mit grünen Zweigen und wendete sich in Gesell-
schaft seines Weibes und seiner Söhne der Burg Gailen-
reuth zu, wo er sicher sein konnte vor der Verfolgung
seiner Feinde. Das Erste aber, was er that, war dies,
daß er Diener absendete nach dem Walde und dort ein
großes Grab, mit Tannenzweigen ausgeschlagen, machen
ließ, in welches das treue Roß gelegt wurde. Bald
darauf meiselte man einen großen Stein und setzte ihn
auf den Hügel, dem Rappen Eppelin's zum ewigen
Andenken.



Benjamin Franklin und die Pfeife.

Franklin war ein Knabe von sieben Jahren, als er
durch die Güte seiner Verwandten an einem Festtage
mit verschiedenen Geschenken erfreut wurde, welche er
in seine Tasche steckte, um sich in einem Kaufladen so-
gleich verschiedenes Spielzeug einzukaufen. Ehe Franklin
noch an dem Laden ankam, begegnete ihm ein Knabe,
welcher eine Pfeife in dem Munde hatte, der er ver-
schiedene Töne zu entlocken wußte. Die Pfeife und der
Ton derselben gefielen dem jungen Franklin so sehr, daß
er dem fremden Knaben sofort seine ganze Baarschaft
anbot, indem er diesen bat, ihm die schöne Pfeife zu
überlassen. Der schlaue Knabe fand den Handel höchst
angenehm, legte augenblicklich die Pfeife, die ihm nur
wenige Pfennige kostete, in Franklin's Hand und nahm
dafür schmunzelnd dessen ganze Baarschaft in Empfang,
welche das Vierfache des Werthes betrug. Franklin war
überglücklich mit seiner Pfeife. Er kam mit ihr nach
Hause und pfiff seinen Angehörigen die Ohren so voll,
daß man das Pfeifen bald sehr lästig fand. Natürlich
wurde der kleine Musikant mit seiner schrillenden Musik
von einem Orte zum andern geschickt, denn wo er musi-
cirte, da gellten den Zuhörern die Ohren. Zuletzt frag-
ten die Verwandten und Geschwister den kleinen Ben-
jamin, wie er zu seiner Pfeife gekommen sei, und der
Befragte erzählte treuherzig und mit einer gewissen
Selbstzufriedenheit, auf welche Weise er das in seinen
Augen so schätzbare Jnstrument erworben habe. Als
man ihm aber vorstellte, daß er für die werthlose, un-
nütze Pfeife dem fremden Knaben viel zu viel gezahlt
hätte, daß er betrogen worden sei, und als man ihn
deshalb tüchtig auslachte, da bereute Franklin den Han-
del; er fing an zu weinen und ärgerte sich, daß er für
so vieles Geld nicht besseres Spielzeug eingekauft hätte.
So schmerzlich anfangs der Handel für Franklin war,
so nützlich wurde er ihm für die Zukunft, denn die
Geschichte mit der Pfeife machte auf Franklin einen so
bleibenden Eindruck, daß er sich sein ganzes Leben lang
daran erinnerte und bei jeder Versuchung zu unnöthigem
Aufwande bei sich dachte: "Die Pfeife ist zu theuer!
Gib nicht zu viel für die Pfeife!" So lernte Franklin
frühzeitig sparsam sein. Sah er nun einen seiner Mit-
menschen Geld an unnütze Dinge verschwenden, dann
rief er aus: "Der gibt zu viel für seine Pfeife!"

Wie oft Franklin seiner Pfeife gedachte, davon er-
zählt er selbst in seinem Leben unter Anderm Folgendes:

[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] Schnell raffte sie sich auf und eilte zu dem Manne hin.
Sie hatte sich nicht getäuscht; Eppelin war es. Jm
Übermaß der Freude konnte sie nicht sprechen, sondern
nur höchstens seinen Namen rufen. Sie sank zu seinen
Füßen nieder, umschlang seine Knie und hielt ihn fest,
hochbeglückt durch das Wonnegefühl des Wiedersehens.
Jhre Kinder gesellten sich zu ihr und drängten sich eben-
falls mit Freuden an den Vater an. Dieser aber er-
hielt zu gleicher Zeit das von der Müllerin Erbetene.

Kinder, sprach er, indem er sich von den Seinen
losmachte, Kinder, laßt mich! und haftig jagte er wie-
der der Waldung zu.

Dieses Benehmen war der Burgfrau höchst räthsel-
haft; sie rief ihm nach: „Eppelin, Eppelin! Willst du
Weib und Kind verlassen?“

Nein, nein! antwortete der Ritter und eilte unauf-
haltsam weiter. Hedwig und ihre Kinder folgten aber
seinen hastigen Schritten bis tief in den Wald hinein,
wo eine Straße vorüberführte. Hier sahen sie Eppelin
sich auf einem freien Grasplatze niederbeugen und mit
einem Körper ämsig beschäftigen. Als sie nahe hinzu-
traten, bemerkten sie ein schwarzes Roß unter den Hän-
den des Ritters, das eben verenden zu wollen schien.

Eppelin gab sich alle Mühe, dem Thiere das Leben
zu retten; denn es war ja sein treuer Rappe, welcher
ihn über den Burggraben zu Nürnberg und, der Frei-
heit entgegen, bis an die Stelle getragen hatte, wo er
eben niedergesunken war. Seine Füße bluteten und
seine Brust bewegte sich nur noch wenig, sodaß man
kaum noch sein Athmen bemerken konnte; die Augen
waren halb gebrochen.

Der Ritter hatte in seinen frühern Kämpfen durch
die erhaltenen Wunden so manchen Schmerz erlitten,
aber so tief war dieser ihm nicht ans Herz gegangen,
als der Schmerz des Mitleids beim Anblicke seines
Rosses. Er nahm Wein und bestrich den Rappen die
Nüstern und das Maul, er schob ihm benetzte Stück-
chen Brot zwischen die Zähne, er verband ihm mit be-
feuchteten Lappen die Füße, er klopfte und streichelte
seinen Hals und überhäufte es mit Liebkosungen; aber
Alles war umsonst, die Lebensgeister des Thieres wichen
immer mehr.

Da weinte der sonst so wilde Mann.

Hedwig und die Knaben hatten die Scene in der
Entfernung still betrachtet. Sie traten näher und die
Burgfrau sprach: „Eppelin! Wir sind da, wir, die dir
am treuesten sind auf Erden!“

Der Ritter sprang auf im Gefühle von Schmerz
und Freude, umhalste die Seinen und rief: „Ach, ver-
zeiht, wenn ich euch in dem ersten Augenblicke des
Wiedersehens nicht beachtete und die Minuten nützen
mußte, um hier für meinen Retter, mein liebes Roß,
das Möglichste zu thun! Jch sehe aber, ich soll mich
seiner nicht mehr freuen, denn bald wird es den letzten
Athemzug thun!“

Bei diesen Worten fielen Eppelin's Augen wieder
auf den Rappen. Er athmete noch einmal recht schwer;
er blickte noch mit seinen matten, gutmüthigen Augen
nach seinem Herrn, dann brachen ihm diese und der
Tod kam über ihn. Ein Zucken der Glieder noch, dann
war es mit dem Rosse vorbei.

Seht, er stirbt! jammerte Eppelin und setzte hinzu:
So wisset denn, meine Lieben, daß er mich über den
Burggraben von Nürnberg getragen und bis hierher zu
euch gebracht hat, daß er mein Lebensretter war in
demselben Augenblicke, als ich dem Henker überliefert
werden sollte! Seinesgleichen ist nicht mehr. Traure
mit mir, meine Hedwig, beklagt ihn mit mir, meine
[Spaltenumbruch] Söhne; er war mein treuester Freund auf Erden! Nie
wollen wir seiner vergessen; ein schönes Grab soll ihm
werden und ein würdiges Denkmal soll den Hügel zie-
ren, unter welchem mein liebes Roß schlafen wird!

Eppelin konnte sich schwer von dem todten Rappen
trennen. Er streichelte ihn noch lange, dann bedeckte
er ihn mit grünen Zweigen und wendete sich in Gesell-
schaft seines Weibes und seiner Söhne der Burg Gailen-
reuth zu, wo er sicher sein konnte vor der Verfolgung
seiner Feinde. Das Erste aber, was er that, war dies,
daß er Diener absendete nach dem Walde und dort ein
großes Grab, mit Tannenzweigen ausgeschlagen, machen
ließ, in welches das treue Roß gelegt wurde. Bald
darauf meiselte man einen großen Stein und setzte ihn
auf den Hügel, dem Rappen Eppelin's zum ewigen
Andenken.



Benjamin Franklin und die Pfeife.

Franklin war ein Knabe von sieben Jahren, als er
durch die Güte seiner Verwandten an einem Festtage
mit verschiedenen Geschenken erfreut wurde, welche er
in seine Tasche steckte, um sich in einem Kaufladen so-
gleich verschiedenes Spielzeug einzukaufen. Ehe Franklin
noch an dem Laden ankam, begegnete ihm ein Knabe,
welcher eine Pfeife in dem Munde hatte, der er ver-
schiedene Töne zu entlocken wußte. Die Pfeife und der
Ton derselben gefielen dem jungen Franklin so sehr, daß
er dem fremden Knaben sofort seine ganze Baarschaft
anbot, indem er diesen bat, ihm die schöne Pfeife zu
überlassen. Der schlaue Knabe fand den Handel höchst
angenehm, legte augenblicklich die Pfeife, die ihm nur
wenige Pfennige kostete, in Franklin's Hand und nahm
dafür schmunzelnd dessen ganze Baarschaft in Empfang,
welche das Vierfache des Werthes betrug. Franklin war
überglücklich mit seiner Pfeife. Er kam mit ihr nach
Hause und pfiff seinen Angehörigen die Ohren so voll,
daß man das Pfeifen bald sehr lästig fand. Natürlich
wurde der kleine Musikant mit seiner schrillenden Musik
von einem Orte zum andern geschickt, denn wo er musi-
cirte, da gellten den Zuhörern die Ohren. Zuletzt frag-
ten die Verwandten und Geschwister den kleinen Ben-
jamin, wie er zu seiner Pfeife gekommen sei, und der
Befragte erzählte treuherzig und mit einer gewissen
Selbstzufriedenheit, auf welche Weise er das in seinen
Augen so schätzbare Jnstrument erworben habe. Als
man ihm aber vorstellte, daß er für die werthlose, un-
nütze Pfeife dem fremden Knaben viel zu viel gezahlt
hätte, daß er betrogen worden sei, und als man ihn
deshalb tüchtig auslachte, da bereute Franklin den Han-
del; er fing an zu weinen und ärgerte sich, daß er für
so vieles Geld nicht besseres Spielzeug eingekauft hätte.
So schmerzlich anfangs der Handel für Franklin war,
so nützlich wurde er ihm für die Zukunft, denn die
Geschichte mit der Pfeife machte auf Franklin einen so
bleibenden Eindruck, daß er sich sein ganzes Leben lang
daran erinnerte und bei jeder Versuchung zu unnöthigem
Aufwande bei sich dachte: „Die Pfeife ist zu theuer!
Gib nicht zu viel für die Pfeife!“ So lernte Franklin
frühzeitig sparsam sein. Sah er nun einen seiner Mit-
menschen Geld an unnütze Dinge verschwenden, dann
rief er aus: „Der gibt zu viel für seine Pfeife!“

Wie oft Franklin seiner Pfeife gedachte, davon er-
zählt er selbst in seinem Leben unter Anderm Folgendes:

[Ende Spaltensatz]
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[291/0003] 291 Schnell raffte sie sich auf und eilte zu dem Manne hin. Sie hatte sich nicht getäuscht; Eppelin war es. Jm Übermaß der Freude konnte sie nicht sprechen, sondern nur höchstens seinen Namen rufen. Sie sank zu seinen Füßen nieder, umschlang seine Knie und hielt ihn fest, hochbeglückt durch das Wonnegefühl des Wiedersehens. Jhre Kinder gesellten sich zu ihr und drängten sich eben- falls mit Freuden an den Vater an. Dieser aber er- hielt zu gleicher Zeit das von der Müllerin Erbetene. Kinder, sprach er, indem er sich von den Seinen losmachte, Kinder, laßt mich! und haftig jagte er wie- der der Waldung zu. Dieses Benehmen war der Burgfrau höchst räthsel- haft; sie rief ihm nach: „Eppelin, Eppelin! Willst du Weib und Kind verlassen?“ Nein, nein! antwortete der Ritter und eilte unauf- haltsam weiter. Hedwig und ihre Kinder folgten aber seinen hastigen Schritten bis tief in den Wald hinein, wo eine Straße vorüberführte. 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Die Pfeife und der Ton derselben gefielen dem jungen Franklin so sehr, daß er dem fremden Knaben sofort seine ganze Baarschaft anbot, indem er diesen bat, ihm die schöne Pfeife zu überlassen. Der schlaue Knabe fand den Handel höchst angenehm, legte augenblicklich die Pfeife, die ihm nur wenige Pfennige kostete, in Franklin's Hand und nahm dafür schmunzelnd dessen ganze Baarschaft in Empfang, welche das Vierfache des Werthes betrug. Franklin war überglücklich mit seiner Pfeife. Er kam mit ihr nach Hause und pfiff seinen Angehörigen die Ohren so voll, daß man das Pfeifen bald sehr lästig fand. Natürlich wurde der kleine Musikant mit seiner schrillenden Musik von einem Orte zum andern geschickt, denn wo er musi- cirte, da gellten den Zuhörern die Ohren. Zuletzt frag- ten die Verwandten und Geschwister den kleinen Ben- jamin, wie er zu seiner Pfeife gekommen sei, und der Befragte erzählte treuherzig und mit einer gewissen Selbstzufriedenheit, auf welche Weise er das in seinen Augen so schätzbare Jnstrument erworben habe. Als man ihm aber vorstellte, daß er für die werthlose, un- nütze Pfeife dem fremden Knaben viel zu viel gezahlt hätte, daß er betrogen worden sei, und als man ihn deshalb tüchtig auslachte, da bereute Franklin den Han- del; er fing an zu weinen und ärgerte sich, daß er für so vieles Geld nicht besseres Spielzeug eingekauft hätte. So schmerzlich anfangs der Handel für Franklin war, so nützlich wurde er ihm für die Zukunft, denn die Geschichte mit der Pfeife machte auf Franklin einen so bleibenden Eindruck, daß er sich sein ganzes Leben lang daran erinnerte und bei jeder Versuchung zu unnöthigem Aufwande bei sich dachte: „Die Pfeife ist zu theuer! 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Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription
Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 89. Leipzig (Sachsen), 7. September 1854, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig089_1854/3>, abgerufen am 24.11.2024.