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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 83. Leipzig (Sachsen), 27. Juli 1854.

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Der Gaucho und der Jaguar.
[Beginn Spaltensatz]

Vor längern Jahren kamen drei Jaguars, kleine Ti-
ger von bräunlich gelber Farbe mit untermischten schwar-
zen Ringeln und Punkten, bei Nacht nach Monte-
video. Die Schildwachen dachten nicht daran, sie auf-
zuhalten, im Gegentheil, sie verschanzten sich in den
Wachthäusern und machten nicht eher Lärm, als bis
die Jaguars in den Straßen umherliefen. Die Ein-
wohner, die bereits im tiefsten Schlafe gelegen hat-
ten, wurden nach und nach aufgeweckt und es sam-
melte sich ein mit Heugabeln, Lanzen und Flinten be-
waffneter Haufe. Auch ein Gaucho, der sich gerade
in der Stadt befand, gesellte sich zu ihnen. Er war
zwar mehr daran gewöhnt, zu Pferde und auf freiem
Felde, den Lasso *) in der einen und das Messer in
der andern Hand, auf die Jaguarjagd zu gehen, aber
[Spaltenumbruch] auch in den engen Straßen der Stadt fürchtete er sich
nicht, einem solchen Feinde entgegenzutreten; er ließ
sich eine Flinte geben und ging unerschrocken vor den
Uebrigen her, um zuerst auf den Jaguar zu treffen.

Die Gefahr war allerdings groß, allein von den
erschrockenen, in ihrem Schlafe gestörten Einwohnern
wurde sie wie gewöhnlich auf das ärgste übertrieben.
Die Einen bildeten sich ein, sie hätten ein halbes
Dutzend Tiger mit blutigen Leichen im Rachen vorbei-
laufen sehen, die Andern erzählten, es wären wol 20
über die Mauern geklettert u. dgl. m. Während die-
ser Zeit eilte der Gaucho vorsichtig aber muthig wei-
ter, um zum Besten Aller der Gefahr zu trotzen. Zwei
von den Jaguars waren in die Citadelle gekommen,
hier über den Wall gestiegen und wieder ins Freie hin-
[Ende Spaltensatz] [Abbildung]
[Beginn Spaltensatz] ausgelangt, der dritte dagegen lief aus einer Straße in
die andere und schien sich eine Beute suchen zu wollen.
Der Gaucho folgte ihm auf dem Fuße nach. Er ging
einige Schritte vor den bewaffneten Leuten voraus,
von denen Keiner daran dachte, ihm diesen Platz strei-
tig zu machen. Da erblickt ihn der Tiger, und in
ängstlicher Erwartung machen die Andern Halt. Wuth
und Mordgier leuchten aus den Augen des Jaguars;
der Gaucho sieht ihn fest an und bleibt ohne sich zu
rühren auf der Stelle. Gleich bereit zum Angriff wie
zur Vertheidigung stehen Beide einander gegenüber,
wie zwei Feinde, die sich schon seit lange gesucht ha-
ben. Jmmer glühender werden die Augen des Ti-
gers; es ist, als ob Funken daraus sprühten; endlich
streckt er den Leib lang aus und duckt sich nieder; der
Gaucho stellt einen Fuß vor, legt die Flinte an, zielt
-- eben will er abdrücken, da öffnet sich seitwärts eine
Thür. Mit einem Satze springt der Jaguar hinein
und im nächsten Augenblicke blutet unter seinen Kral-
len die Brust einer Frau, die er niedergeworfen hat.
Die Unglückliche hatte, kaum aus dem Schlafe gestört,
[Spaltenumbruch] mit ihrem Kinde auf dem Arme fliehen wollen, als
sie der Jaguar im Sprunge erfaßt. Aber nur die
Mutter allein verwunden seine Krallen, denn durch
eine plötzliche, rasche Bewegung hat sie ihr Kind hin-
ter sich auf das Bett zurückgeworfen.

Vor Schrecken stehen Alle wie versteinert und wa-
gen sich kaum zu rühren, nur der Gaucho ist schnell
wie der Blitz dem Tiger nachgestürzt. Tief Athem
schöpfend stellt er sich mitten in die Thür und läßt
einen durchdringenden Schrei ertönen. Der Jaguar,
der eben die am Bette niedergesunkene Frau zerflei-
schen will, erschrickt, wendet sich um und stößt ein
dumpfes Wuthgeschrei aus. Aus seinem offenen Ra-
chen starrt dem Gaucho das furchtbare, glänzend weiße
Gebiß entgegen, aber selbst in diesem Augenblicke be-
sitzt dieser noch Kaltblütigkeit genug, den hinter ihm
Stehenden mit der Hand ein Zeichen zu geben, daß
sie sich ruhig verhalten sollen. Das unglückliche Weib,
das schon aus mehren Wunden blutet, ruft ihm mit
schwacher Stimme zu:

Schieß, schieß! Nimm keine Rücksicht auf mich,
rette nur mein Kind.

Bleib ruhig, mache keine Bewegung, erwiderte der
Gaucho.

[Ende Spaltensatz]
*) Eine Schlinge von Leder, mit welcher der Gaucho
die wilden Pferde und Rinder zu fangen pflegt.

Der Gaucho und der Jaguar.
[Beginn Spaltensatz]

Vor längern Jahren kamen drei Jaguars, kleine Ti-
ger von bräunlich gelber Farbe mit untermischten schwar-
zen Ringeln und Punkten, bei Nacht nach Monte-
video. Die Schildwachen dachten nicht daran, sie auf-
zuhalten, im Gegentheil, sie verschanzten sich in den
Wachthäusern und machten nicht eher Lärm, als bis
die Jaguars in den Straßen umherliefen. Die Ein-
wohner, die bereits im tiefsten Schlafe gelegen hat-
ten, wurden nach und nach aufgeweckt und es sam-
melte sich ein mit Heugabeln, Lanzen und Flinten be-
waffneter Haufe. Auch ein Gaucho, der sich gerade
in der Stadt befand, gesellte sich zu ihnen. Er war
zwar mehr daran gewöhnt, zu Pferde und auf freiem
Felde, den Lasso *) in der einen und das Messer in
der andern Hand, auf die Jaguarjagd zu gehen, aber
[Spaltenumbruch] auch in den engen Straßen der Stadt fürchtete er sich
nicht, einem solchen Feinde entgegenzutreten; er ließ
sich eine Flinte geben und ging unerschrocken vor den
Uebrigen her, um zuerst auf den Jaguar zu treffen.

Die Gefahr war allerdings groß, allein von den
erschrockenen, in ihrem Schlafe gestörten Einwohnern
wurde sie wie gewöhnlich auf das ärgste übertrieben.
Die Einen bildeten sich ein, sie hätten ein halbes
Dutzend Tiger mit blutigen Leichen im Rachen vorbei-
laufen sehen, die Andern erzählten, es wären wol 20
über die Mauern geklettert u. dgl. m. Während die-
ser Zeit eilte der Gaucho vorsichtig aber muthig wei-
ter, um zum Besten Aller der Gefahr zu trotzen. Zwei
von den Jaguars waren in die Citadelle gekommen,
hier über den Wall gestiegen und wieder ins Freie hin-
[Ende Spaltensatz] [Abbildung]
[Beginn Spaltensatz] ausgelangt, der dritte dagegen lief aus einer Straße in
die andere und schien sich eine Beute suchen zu wollen.
Der Gaucho folgte ihm auf dem Fuße nach. Er ging
einige Schritte vor den bewaffneten Leuten voraus,
von denen Keiner daran dachte, ihm diesen Platz strei-
tig zu machen. Da erblickt ihn der Tiger, und in
ängstlicher Erwartung machen die Andern Halt. Wuth
und Mordgier leuchten aus den Augen des Jaguars;
der Gaucho sieht ihn fest an und bleibt ohne sich zu
rühren auf der Stelle. Gleich bereit zum Angriff wie
zur Vertheidigung stehen Beide einander gegenüber,
wie zwei Feinde, die sich schon seit lange gesucht ha-
ben. Jmmer glühender werden die Augen des Ti-
gers; es ist, als ob Funken daraus sprühten; endlich
streckt er den Leib lang aus und duckt sich nieder; der
Gaucho stellt einen Fuß vor, legt die Flinte an, zielt
— eben will er abdrücken, da öffnet sich seitwärts eine
Thür. Mit einem Satze springt der Jaguar hinein
und im nächsten Augenblicke blutet unter seinen Kral-
len die Brust einer Frau, die er niedergeworfen hat.
Die Unglückliche hatte, kaum aus dem Schlafe gestört,
[Spaltenumbruch] mit ihrem Kinde auf dem Arme fliehen wollen, als
sie der Jaguar im Sprunge erfaßt. Aber nur die
Mutter allein verwunden seine Krallen, denn durch
eine plötzliche, rasche Bewegung hat sie ihr Kind hin-
ter sich auf das Bett zurückgeworfen.

Vor Schrecken stehen Alle wie versteinert und wa-
gen sich kaum zu rühren, nur der Gaucho ist schnell
wie der Blitz dem Tiger nachgestürzt. Tief Athem
schöpfend stellt er sich mitten in die Thür und läßt
einen durchdringenden Schrei ertönen. Der Jaguar,
der eben die am Bette niedergesunkene Frau zerflei-
schen will, erschrickt, wendet sich um und stößt ein
dumpfes Wuthgeschrei aus. Aus seinem offenen Ra-
chen starrt dem Gaucho das furchtbare, glänzend weiße
Gebiß entgegen, aber selbst in diesem Augenblicke be-
sitzt dieser noch Kaltblütigkeit genug, den hinter ihm
Stehenden mit der Hand ein Zeichen zu geben, daß
sie sich ruhig verhalten sollen. Das unglückliche Weib,
das schon aus mehren Wunden blutet, ruft ihm mit
schwacher Stimme zu:

Schieß, schieß! Nimm keine Rücksicht auf mich,
rette nur mein Kind.

Bleib ruhig, mache keine Bewegung, erwiderte der
Gaucho.

[Ende Spaltensatz]
*) Eine Schlinge von Leder, mit welcher der Gaucho
die wilden Pferde und Rinder zu fangen pflegt.
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[245/0005] 245 Der Gaucho und der Jaguar. Vor längern Jahren kamen drei Jaguars, kleine Ti- ger von bräunlich gelber Farbe mit untermischten schwar- zen Ringeln und Punkten, bei Nacht nach Monte- video. Die Schildwachen dachten nicht daran, sie auf- zuhalten, im Gegentheil, sie verschanzten sich in den Wachthäusern und machten nicht eher Lärm, als bis die Jaguars in den Straßen umherliefen. Die Ein- wohner, die bereits im tiefsten Schlafe gelegen hat- ten, wurden nach und nach aufgeweckt und es sam- melte sich ein mit Heugabeln, Lanzen und Flinten be- waffneter Haufe. Auch ein Gaucho, der sich gerade in der Stadt befand, gesellte sich zu ihnen. Er war zwar mehr daran gewöhnt, zu Pferde und auf freiem Felde, den Lasso *) in der einen und das Messer in der andern Hand, auf die Jaguarjagd zu gehen, aber auch in den engen Straßen der Stadt fürchtete er sich nicht, einem solchen Feinde entgegenzutreten; er ließ sich eine Flinte geben und ging unerschrocken vor den Uebrigen her, um zuerst auf den Jaguar zu treffen. Die Gefahr war allerdings groß, allein von den erschrockenen, in ihrem Schlafe gestörten Einwohnern wurde sie wie gewöhnlich auf das ärgste übertrieben. Die Einen bildeten sich ein, sie hätten ein halbes Dutzend Tiger mit blutigen Leichen im Rachen vorbei- laufen sehen, die Andern erzählten, es wären wol 20 über die Mauern geklettert u. dgl. m. Während die- ser Zeit eilte der Gaucho vorsichtig aber muthig wei- ter, um zum Besten Aller der Gefahr zu trotzen. Zwei von den Jaguars waren in die Citadelle gekommen, hier über den Wall gestiegen und wieder ins Freie hin- [Abbildung] ausgelangt, der dritte dagegen lief aus einer Straße in die andere und schien sich eine Beute suchen zu wollen. Der Gaucho folgte ihm auf dem Fuße nach. Er ging einige Schritte vor den bewaffneten Leuten voraus, von denen Keiner daran dachte, ihm diesen Platz strei- tig zu machen. Da erblickt ihn der Tiger, und in ängstlicher Erwartung machen die Andern Halt. Wuth und Mordgier leuchten aus den Augen des Jaguars; der Gaucho sieht ihn fest an und bleibt ohne sich zu rühren auf der Stelle. Gleich bereit zum Angriff wie zur Vertheidigung stehen Beide einander gegenüber, wie zwei Feinde, die sich schon seit lange gesucht ha- ben. Jmmer glühender werden die Augen des Ti- gers; es ist, als ob Funken daraus sprühten; endlich streckt er den Leib lang aus und duckt sich nieder; der Gaucho stellt einen Fuß vor, legt die Flinte an, zielt — eben will er abdrücken, da öffnet sich seitwärts eine Thür. Mit einem Satze springt der Jaguar hinein und im nächsten Augenblicke blutet unter seinen Kral- len die Brust einer Frau, die er niedergeworfen hat. Die Unglückliche hatte, kaum aus dem Schlafe gestört, mit ihrem Kinde auf dem Arme fliehen wollen, als sie der Jaguar im Sprunge erfaßt. Aber nur die Mutter allein verwunden seine Krallen, denn durch eine plötzliche, rasche Bewegung hat sie ihr Kind hin- ter sich auf das Bett zurückgeworfen. Vor Schrecken stehen Alle wie versteinert und wa- gen sich kaum zu rühren, nur der Gaucho ist schnell wie der Blitz dem Tiger nachgestürzt. Tief Athem schöpfend stellt er sich mitten in die Thür und läßt einen durchdringenden Schrei ertönen. Der Jaguar, der eben die am Bette niedergesunkene Frau zerflei- schen will, erschrickt, wendet sich um und stößt ein dumpfes Wuthgeschrei aus. Aus seinem offenen Ra- chen starrt dem Gaucho das furchtbare, glänzend weiße Gebiß entgegen, aber selbst in diesem Augenblicke be- sitzt dieser noch Kaltblütigkeit genug, den hinter ihm Stehenden mit der Hand ein Zeichen zu geben, daß sie sich ruhig verhalten sollen. Das unglückliche Weib, das schon aus mehren Wunden blutet, ruft ihm mit schwacher Stimme zu: Schieß, schieß! Nimm keine Rücksicht auf mich, rette nur mein Kind. Bleib ruhig, mache keine Bewegung, erwiderte der Gaucho. *) Eine Schlinge von Leder, mit welcher der Gaucho die wilden Pferde und Rinder zu fangen pflegt.

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 83. Leipzig (Sachsen), 27. Juli 1854, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig083_1854/5>, abgerufen am 24.11.2024.