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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 74. Leipzig (Sachsen), 25. Mai 1854.

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[Beginn Spaltensatz] war Rudolf mit den Hungerigen und Darbenden be-
schäftigt und dabei ergriff ihn die Noth seiner Lands-
leute so sehr, daß er der Theurungszeit nie wieder ver-
gaß und in seinen spätern Lebensjahren das Bild des
Volkselendes recht oft vor seine Seele trat.

Die geistigen Kräfte Rudolf's entwickelten sich zu-
sehends und seine Neigung zu den Wissenschaften
drängte ihn zum unausgesetzten Studiren. Sein Va-
ter war mit ihm im Jahre 1775 nach Schneeberg ge-
zogen, wo Rudolf Gelegenheit fand, im dortigen Ly-
ceum seine Kenntnisse zu erweitern. Bis in sein 15.
Lebensjahr besuchte er diese Anstalt, konnte aber sei-
nen Plan, zu studiren, nicht weiter verfolgen, da
einer seiner Brüder schon die wissenschaftliche Laufbahn
betreten und dem Vater, dessen Vermögensverhältnissen
nach, zu viel gekostet hatte.

Mit schwerem Herzen wendete sich Rudolf zu sei-
nem ältesten Bruder Friedrich, um bei ihm das Satt-
lerhandwerk zu erlernen. Friedrich nahm sich seines
jüngern Bruders mit aller Liebe an. Er merkte gar
bald, daß dieser sich in der Werkstatt nicht eben sehr
wohl befinden konnte und da er in früherer Zeit Zeich-
neunterricht gehabt hatte, so bemühte er sich, Rudolf
in geschäftsfreien Stunden seine mittelmäßigen Fertig-
keiten beizubringen. Rudolf entwickelte seine Anlagen
zum Zeichnen sehr schnell und mit solchem Fleiße, daß
er seinen Lehrmeister bald übertraf. Nun wurde das
Zeichnen nach Mustern und nach eigener Erfindung
sein Steckenpferd.

Rudolf's Lehrzeit war vorüber. Was er sonst so
oft geträumt, wonach er sich so oft gesehnt hatte, das
führte er nun aus: er ging auf die Wanderschaft. Es
war im Januar des Jahres 1782, als er der schönen
Residenz Sachsens zusteuerte, in welcher er sofort Be-
schäftigung fand. Der Hofwagenbauer Vogler nahm
sich des jungen Mannes ganz besonders an, um ihn
durch allerhand Gefälligkeiten nützlich zu werden und
seine seltenen Anlagen zur Zeichnenkunst vervollkomm-
nen zu helfen. So sehr es ihm auch in dem schönen,
gemüthlichen Dresden gefiel, so ließ er sich dadurch
doch nicht in seinem Plane stören, recht viel berühmte
Städte zu besuchen, damit seine Anschauungen sich
läutern und sein künstlerischer Geschmack sich bilden
sollten. Nach einem Vierteljahre wendete sich Rudolf
nach Leipzig, blieb dort nur kurze Zeit und reiste dann
dem Süden zu. Überall gab es für ihn zu beobach-
ten und zu lernen.

Jn der Stadt Basel fühlte sich Rudolf ganz be-
sonders gefesselt. Hier führte ihn sein Glück mit dem
allgemein geschätzten Wagenbauer Marter in Hüningen
zusammen. Dieser verstand nicht nur das Lackiren
und Vergolden nach vorzüglicher Manier, sondern er
hatte sich seit Jahren auch durch Zeichnungen und
Malereien in seinem Fache berühmt gemacht. Einen
bessern Meister konnte Rudolf nach seiner Ansicht nicht
finden, daher er auch zwei Jahre lang mit Marter in
Verbindung blieb, theils um sich dessen Vollkommen-
heiten im Wappenschildmalen und Wagenzeichnen an-
zueignen, theils auch um der französischen Sprache
mächtig zu werden.

Nachdem Rudolf noch die wichtigsten Städte der
Schweiz gesehen hatte, machte er sich im Jahre 1784
nach Paris auf, wo er bald erwünschte Gelegenheit
zur Beschäftigung in seinem Fache fand. So sehr er
sich geübt zu haben, so weit er vorgeschritten zu sein
glaubte, so lernte er in Paris doch nur zu bald er-
kennen, wie viel ihm noch fehlte. Sein strebsamer
Geist gönnte sich keine Ruhe. Er brach sich sofort
[Spaltenumbruch] Alles am Leben ab, um eine kleine Summe Unter-
richtsgeld zu ersparen und dann bei dem berühmten
Carrossi die Zeichnenkunst noch besser zu studiren. Es
gelang ihm. Über ein halbes Jahr lang zeichnete er
für den genannten Meister mit unbeschreiblichem Fleiße,
ohne auch nur eine kleine Entschädigung für seine Ar-
beiten zu bekommen; er lebte blos von seinen gerin-
gen Ersparnissen.

Carrossi erkannte gar bald, welch schöpferisches
Talent in Rudolf wohnte, daher trat er mit dem jun-
gen Künstler in fast freundschaftlichen Verkehr, der
sich freilich nicht bis zur größten Jnnigkeit steigerte,
da sich Carrossi einer gewissen Eifersucht gegen seinen
Schüler nicht entschlagen konnte.

Schon war Rudolf entschlossen, nach London zu
reisen, da wurde sein Reiseplan plötzlich geändert. Er
hatte nämlich in Paris den Sohn des berühmtesten
Wagenbauers in Brüssel, Namens Simons, kennen
gelernt und wurde von diesem ganz unerwartet einge-
laden, nach Brüssel zu kommen. Die Einladung kam
ihm ganz erwünscht; er folgte ihr sofort. Simons
war nicht wenig erfreut, an Rudolf einen begabten
und geschickten Mann kennen zu lernen und er nahm
ihn darum sogleich in seine Werkstatt auf, in welcher
über 150 Personen beschäftigt waren. Je länger der
junge Künstler bei Simons arbeitete, desto höher stieg
dessen Achtung vor jenem. Ackermann wurde für seine
künstlerischen Leistungen nicht nur ausgezeichnet belohnt,
sondern er erhielt bald auch ein besonderes Arbeitszim-
mer angewiesen, damit er in Ausführung seiner Jdeen
beim Zeichnen und Malen durch nichts gestört wurde,
ja zuletzt betraute ihn Simons gar noch mit einer eh-
renden Aufseherstelle.

Ackermann befand sich in Brüssel sehr wohl und
würde gewiß noch Jahre lang in seiner Stellung ge-
blieben sein, hätten sich nicht die Wogen der Revolu-
tion über das Land ergossen, die Thätigkeit des fried-
lichen Gewerbebetriebs unterbrochen und den Aufflug
künstlerischer Bestrebungen, wie immer, gestört. Die
Wirren der Empörung taugten nicht für die edeln,
reinen Weltanschauungen des Rudolf Ackermann und
seine Bestrebungen für Menschenwohl ruhten auf ganz
anderer Basis; daher nahm er wehmüthigen Herzens
von seinem lieben Simons Abschied und begab sich
nach Londou.

Verschiedenen Standesgenossen ersten Ranges glän-
zend empfohlen, fand Rudolf in der Weltstadt nach
wenigen Wochen die ehrenvollste Aufnahme, so, daß
er selbst sich nicht geträumt hatte, daß man seine Ar-
beiten mit so großem Beifalle aufnehmen werde. Alle
seine Zeichnungen und Malereien wurden ihm aus den
Händen gerissen; er konnte die Massen von Aufträgen
oft gar nicht ausführen, so viel man ihm auch Geld
bot, und dies Alles gab Veranlassung, daß er sich
bald zu Verfolgung höherer Pläne begeistert fühlte.
Dazu kam, daß ihm das Leben in England außeror-
dentlich zusagte und sein biederer, offener Charakter
sich leicht mit dem ehrenwerthen Sinne des Engländers
verschmolz, dessen Sitten ihn fesselten. Wo sich Alles
so ganz nach Ackermann's Wünschen gestaltete, da
mußte ja mit jedem Jahre sein Wohlstand sich mehren
und sein Ansehen bei den Gewerbsgenossen sich steigern.

( Fortsetzung folgt. )



[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] war Rudolf mit den Hungerigen und Darbenden be-
schäftigt und dabei ergriff ihn die Noth seiner Lands-
leute so sehr, daß er der Theurungszeit nie wieder ver-
gaß und in seinen spätern Lebensjahren das Bild des
Volkselendes recht oft vor seine Seele trat.

Die geistigen Kräfte Rudolf's entwickelten sich zu-
sehends und seine Neigung zu den Wissenschaften
drängte ihn zum unausgesetzten Studiren. Sein Va-
ter war mit ihm im Jahre 1775 nach Schneeberg ge-
zogen, wo Rudolf Gelegenheit fand, im dortigen Ly-
ceum seine Kenntnisse zu erweitern. Bis in sein 15.
Lebensjahr besuchte er diese Anstalt, konnte aber sei-
nen Plan, zu studiren, nicht weiter verfolgen, da
einer seiner Brüder schon die wissenschaftliche Laufbahn
betreten und dem Vater, dessen Vermögensverhältnissen
nach, zu viel gekostet hatte.

Mit schwerem Herzen wendete sich Rudolf zu sei-
nem ältesten Bruder Friedrich, um bei ihm das Satt-
lerhandwerk zu erlernen. Friedrich nahm sich seines
jüngern Bruders mit aller Liebe an. Er merkte gar
bald, daß dieser sich in der Werkstatt nicht eben sehr
wohl befinden konnte und da er in früherer Zeit Zeich-
neunterricht gehabt hatte, so bemühte er sich, Rudolf
in geschäftsfreien Stunden seine mittelmäßigen Fertig-
keiten beizubringen. Rudolf entwickelte seine Anlagen
zum Zeichnen sehr schnell und mit solchem Fleiße, daß
er seinen Lehrmeister bald übertraf. Nun wurde das
Zeichnen nach Mustern und nach eigener Erfindung
sein Steckenpferd.

Rudolf's Lehrzeit war vorüber. Was er sonst so
oft geträumt, wonach er sich so oft gesehnt hatte, das
führte er nun aus: er ging auf die Wanderschaft. Es
war im Januar des Jahres 1782, als er der schönen
Residenz Sachsens zusteuerte, in welcher er sofort Be-
schäftigung fand. Der Hofwagenbauer Vogler nahm
sich des jungen Mannes ganz besonders an, um ihn
durch allerhand Gefälligkeiten nützlich zu werden und
seine seltenen Anlagen zur Zeichnenkunst vervollkomm-
nen zu helfen. So sehr es ihm auch in dem schönen,
gemüthlichen Dresden gefiel, so ließ er sich dadurch
doch nicht in seinem Plane stören, recht viel berühmte
Städte zu besuchen, damit seine Anschauungen sich
läutern und sein künstlerischer Geschmack sich bilden
sollten. Nach einem Vierteljahre wendete sich Rudolf
nach Leipzig, blieb dort nur kurze Zeit und reiste dann
dem Süden zu. Überall gab es für ihn zu beobach-
ten und zu lernen.

Jn der Stadt Basel fühlte sich Rudolf ganz be-
sonders gefesselt. Hier führte ihn sein Glück mit dem
allgemein geschätzten Wagenbauer Marter in Hüningen
zusammen. Dieser verstand nicht nur das Lackiren
und Vergolden nach vorzüglicher Manier, sondern er
hatte sich seit Jahren auch durch Zeichnungen und
Malereien in seinem Fache berühmt gemacht. Einen
bessern Meister konnte Rudolf nach seiner Ansicht nicht
finden, daher er auch zwei Jahre lang mit Marter in
Verbindung blieb, theils um sich dessen Vollkommen-
heiten im Wappenschildmalen und Wagenzeichnen an-
zueignen, theils auch um der französischen Sprache
mächtig zu werden.

Nachdem Rudolf noch die wichtigsten Städte der
Schweiz gesehen hatte, machte er sich im Jahre 1784
nach Paris auf, wo er bald erwünschte Gelegenheit
zur Beschäftigung in seinem Fache fand. So sehr er
sich geübt zu haben, so weit er vorgeschritten zu sein
glaubte, so lernte er in Paris doch nur zu bald er-
kennen, wie viel ihm noch fehlte. Sein strebsamer
Geist gönnte sich keine Ruhe. Er brach sich sofort
[Spaltenumbruch] Alles am Leben ab, um eine kleine Summe Unter-
richtsgeld zu ersparen und dann bei dem berühmten
Carrossi die Zeichnenkunst noch besser zu studiren. Es
gelang ihm. Über ein halbes Jahr lang zeichnete er
für den genannten Meister mit unbeschreiblichem Fleiße,
ohne auch nur eine kleine Entschädigung für seine Ar-
beiten zu bekommen; er lebte blos von seinen gerin-
gen Ersparnissen.

Carrossi erkannte gar bald, welch schöpferisches
Talent in Rudolf wohnte, daher trat er mit dem jun-
gen Künstler in fast freundschaftlichen Verkehr, der
sich freilich nicht bis zur größten Jnnigkeit steigerte,
da sich Carrossi einer gewissen Eifersucht gegen seinen
Schüler nicht entschlagen konnte.

Schon war Rudolf entschlossen, nach London zu
reisen, da wurde sein Reiseplan plötzlich geändert. Er
hatte nämlich in Paris den Sohn des berühmtesten
Wagenbauers in Brüssel, Namens Simons, kennen
gelernt und wurde von diesem ganz unerwartet einge-
laden, nach Brüssel zu kommen. Die Einladung kam
ihm ganz erwünscht; er folgte ihr sofort. Simons
war nicht wenig erfreut, an Rudolf einen begabten
und geschickten Mann kennen zu lernen und er nahm
ihn darum sogleich in seine Werkstatt auf, in welcher
über 150 Personen beschäftigt waren. Je länger der
junge Künstler bei Simons arbeitete, desto höher stieg
dessen Achtung vor jenem. Ackermann wurde für seine
künstlerischen Leistungen nicht nur ausgezeichnet belohnt,
sondern er erhielt bald auch ein besonderes Arbeitszim-
mer angewiesen, damit er in Ausführung seiner Jdeen
beim Zeichnen und Malen durch nichts gestört wurde,
ja zuletzt betraute ihn Simons gar noch mit einer eh-
renden Aufseherstelle.

Ackermann befand sich in Brüssel sehr wohl und
würde gewiß noch Jahre lang in seiner Stellung ge-
blieben sein, hätten sich nicht die Wogen der Revolu-
tion über das Land ergossen, die Thätigkeit des fried-
lichen Gewerbebetriebs unterbrochen und den Aufflug
künstlerischer Bestrebungen, wie immer, gestört. Die
Wirren der Empörung taugten nicht für die edeln,
reinen Weltanschauungen des Rudolf Ackermann und
seine Bestrebungen für Menschenwohl ruhten auf ganz
anderer Basis; daher nahm er wehmüthigen Herzens
von seinem lieben Simons Abschied und begab sich
nach Londou.

Verschiedenen Standesgenossen ersten Ranges glän-
zend empfohlen, fand Rudolf in der Weltstadt nach
wenigen Wochen die ehrenvollste Aufnahme, so, daß
er selbst sich nicht geträumt hatte, daß man seine Ar-
beiten mit so großem Beifalle aufnehmen werde. Alle
seine Zeichnungen und Malereien wurden ihm aus den
Händen gerissen; er konnte die Massen von Aufträgen
oft gar nicht ausführen, so viel man ihm auch Geld
bot, und dies Alles gab Veranlassung, daß er sich
bald zu Verfolgung höherer Pläne begeistert fühlte.
Dazu kam, daß ihm das Leben in England außeror-
dentlich zusagte und sein biederer, offener Charakter
sich leicht mit dem ehrenwerthen Sinne des Engländers
verschmolz, dessen Sitten ihn fesselten. Wo sich Alles
so ganz nach Ackermann's Wünschen gestaltete, da
mußte ja mit jedem Jahre sein Wohlstand sich mehren
und sein Ansehen bei den Gewerbsgenossen sich steigern.

( Fortsetzung folgt. )



[Ende Spaltensatz]
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Die Wirren der Empörung taugten nicht für die edeln, reinen Weltanschauungen des Rudolf Ackermann und seine Bestrebungen für Menschenwohl ruhten auf ganz anderer Basis; daher nahm er wehmüthigen Herzens von seinem lieben Simons Abschied und begab sich nach Londou. Verschiedenen Standesgenossen ersten Ranges glän- zend empfohlen, fand Rudolf in der Weltstadt nach wenigen Wochen die ehrenvollste Aufnahme, so, daß er selbst sich nicht geträumt hatte, daß man seine Ar- beiten mit so großem Beifalle aufnehmen werde. Alle seine Zeichnungen und Malereien wurden ihm aus den Händen gerissen; er konnte die Massen von Aufträgen oft gar nicht ausführen, so viel man ihm auch Geld bot, und dies Alles gab Veranlassung, daß er sich bald zu Verfolgung höherer Pläne begeistert fühlte. Dazu kam, daß ihm das Leben in England außeror- dentlich zusagte und sein biederer, offener Charakter sich leicht mit dem ehrenwerthen Sinne des Engländers verschmolz, dessen Sitten ihn fesselten. Wo sich Alles so ganz nach Ackermann's Wünschen gestaltete, da mußte ja mit jedem Jahre sein Wohlstand sich mehren und sein Ansehen bei den Gewerbsgenossen sich steigern. ( Fortsetzung folgt. )

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 74. Leipzig (Sachsen), 25. Mai 1854, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig074_1854/6>, abgerufen am 24.11.2024.