Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 38. Leipzig (Sachsen), 23. September 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

[Beginn Spaltensatz] W..." "Jhr heißt W... und seid aus Amsterdam?"
rief der Bediente, erstaunt, den Namen seines Herrn
zu hören. Er eilte ins Haus und erzählte es mehren
Personen. Herr W..., davon unterrichtet, wollte das
Geheimniß aufklären und ließ den Blinden holen. Ein
Mann in Lumpen erschien, aber Hr. W... erkannte so-
gleich die Züge seines Bruders. "Himmel! er ist's!"
rief er. "Das bist du, mein Bruder", rief in demsel-
ben Augenblicke der Blinde, welcher die Stimme des
Bankiers erkannt hatte.

Die beiden Brüder fielen sich in die Arme und hiel-
ten sich sprachlos umschlungen.

Als Hr. W... seinen Bruder in seine reiche Woh-
[Spaltenumbruch] nung führte, sagte er zu ihm: "Hier wirst du wohnen,
frei, ruhig, ohne Sorgen, du wirst den Reichthum
theilen, den mir der Himmel verliehen."

Mitten in einer Freude, die sein Herz trunken machte,
dachte der Blinde an seinen kleinen treuen Begleiter.
"Beunruhige dich nicht", sagte sein Bruder, "sein Platz
ist gefunden; du brauchst Jemanden, der dich leitet,
und wenn er bei dir bleiben will, so sollt ihr nicht ge-
trennt werden."

Noch heute leben die beiden Brüder in der Ruhe
und allen den Freuden, die eine ehrenhafte Stellung und
glänzendes Vermögen gewähren.

    G. A. van D...

[Ende Spaltensatz]

Nürnberg. *) [Abbildung] Die Lorenzkirche.
[Beginn Spaltensatz]

Es gibt wenig Städte in Deutschland, die sich in der
Geschichte so hohen Ruhm erworben haben wie Nürn-
berg, welches einst ein Mittelpunkt des europäischen Han-
dels war, sich durch Künste und Gewerbfleiß auszeich-
nete und die wohlhabendsten und kräftigsten Bürger in
[Spaltenumbruch] seinen Mauern einschloß. Die Stadt ist auch jetzt noch
eine berühmte Stadt, die man in allen Welttheilen kennt;
sie nimmt unter den angesehenen Städten Baierns den
ersten Rang ein und ist dessen erster Fabrik= und Han-
delsplatz.

Nürnberg liegt in einer ziemlich ebenen, sandigen,
aber trefflich angebauten Gegend. Die Pegnitz theilt die
Stadt in zwei fast ganz gleiche Theile, von denen der
nördliche die Sebaldus=, der südliche die Lorenzseite heißt.
[Ende Spaltensatz]

*) Vergl. Nr. 103 und 104 der Alten Folge des Pfen-
nig=Magazins, wo der Nassauische Hof und Albrecht Dürer's
Haus abgebildet sind.

[Beginn Spaltensatz] W...“ „Jhr heißt W... und seid aus Amsterdam?“
rief der Bediente, erstaunt, den Namen seines Herrn
zu hören. Er eilte ins Haus und erzählte es mehren
Personen. Herr W..., davon unterrichtet, wollte das
Geheimniß aufklären und ließ den Blinden holen. Ein
Mann in Lumpen erschien, aber Hr. W... erkannte so-
gleich die Züge seines Bruders. „Himmel! er ist's!“
rief er. „Das bist du, mein Bruder“, rief in demsel-
ben Augenblicke der Blinde, welcher die Stimme des
Bankiers erkannt hatte.

Die beiden Brüder fielen sich in die Arme und hiel-
ten sich sprachlos umschlungen.

Als Hr. W... seinen Bruder in seine reiche Woh-
[Spaltenumbruch] nung führte, sagte er zu ihm: „Hier wirst du wohnen,
frei, ruhig, ohne Sorgen, du wirst den Reichthum
theilen, den mir der Himmel verliehen.“

Mitten in einer Freude, die sein Herz trunken machte,
dachte der Blinde an seinen kleinen treuen Begleiter.
„Beunruhige dich nicht“, sagte sein Bruder, „sein Platz
ist gefunden; du brauchst Jemanden, der dich leitet,
und wenn er bei dir bleiben will, so sollt ihr nicht ge-
trennt werden.“

Noch heute leben die beiden Brüder in der Ruhe
und allen den Freuden, die eine ehrenhafte Stellung und
glänzendes Vermögen gewähren.

    G. A. van D...

[Ende Spaltensatz]

Nürnberg. *) [Abbildung] Die Lorenzkirche.
[Beginn Spaltensatz]

Es gibt wenig Städte in Deutschland, die sich in der
Geschichte so hohen Ruhm erworben haben wie Nürn-
berg, welches einst ein Mittelpunkt des europäischen Han-
dels war, sich durch Künste und Gewerbfleiß auszeich-
nete und die wohlhabendsten und kräftigsten Bürger in
[Spaltenumbruch] seinen Mauern einschloß. Die Stadt ist auch jetzt noch
eine berühmte Stadt, die man in allen Welttheilen kennt;
sie nimmt unter den angesehenen Städten Baierns den
ersten Rang ein und ist dessen erster Fabrik= und Han-
delsplatz.

Nürnberg liegt in einer ziemlich ebenen, sandigen,
aber trefflich angebauten Gegend. Die Pegnitz theilt die
Stadt in zwei fast ganz gleiche Theile, von denen der
nördliche die Sebaldus=, der südliche die Lorenzseite heißt.
[Ende Spaltensatz]

*) Vergl. Nr. 103 und 104 der Alten Folge des Pfen-
nig=Magazins, wo der Nassauische Hof und Albrecht Dürer's
Haus abgebildet sind.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <p><pb facs="#f0004" n="300"/><fw type="pageNum" place="top">300</fw><cb type="start"/>
W...&#x201C; &#x201E;Jhr heißt W... und seid aus Amsterdam?&#x201C;<lb/>
rief der Bediente, erstaunt, den Namen seines Herrn<lb/>
zu hören. Er eilte ins Haus und erzählte es mehren<lb/>
Personen. Herr W..., davon unterrichtet, wollte das<lb/>
Geheimniß aufklären und ließ den Blinden holen. Ein<lb/>
Mann in Lumpen erschien, aber Hr. W... erkannte so-<lb/>
gleich die Züge seines Bruders. &#x201E;Himmel! er ist's!&#x201C;<lb/>
rief er. &#x201E;Das bist du, mein Bruder&#x201C;, rief in demsel-<lb/>
ben Augenblicke der Blinde, welcher die Stimme des<lb/>
Bankiers erkannt hatte.</p><lb/>
        <p>Die beiden Brüder fielen sich in die Arme und hiel-<lb/>
ten sich sprachlos umschlungen.</p><lb/>
        <p>Als Hr. W... seinen Bruder in seine reiche Woh-<lb/><cb n="2"/>
nung führte, sagte er zu ihm: &#x201E;Hier wirst du wohnen,<lb/>
frei, ruhig, ohne Sorgen, du wirst den Reichthum<lb/>
theilen, den mir der Himmel verliehen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Mitten in einer Freude, die sein Herz trunken machte,<lb/>
dachte der Blinde an seinen kleinen treuen Begleiter.<lb/>
&#x201E;Beunruhige dich nicht&#x201C;, sagte sein Bruder, &#x201E;sein Platz<lb/>
ist gefunden; du brauchst Jemanden, der dich leitet,<lb/>
und wenn er bei dir bleiben will, so sollt ihr nicht ge-<lb/>
trennt werden.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Noch heute leben die beiden Brüder in der Ruhe<lb/>
und allen den Freuden, die eine ehrenhafte Stellung und<lb/>
glänzendes Vermögen gewähren.</p><lb/>
        <p><space dim="horizontal"/>  G. A. van D...</p>
      </div><lb/>
      <cb type="end"/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head><hi rendition="#fr">Nürnberg</hi>. <note place="foot" n="*)"> Vergl. Nr. 103 und 104 der Alten Folge des Pfen-<lb/>
nig=Magazins, wo der Nassauische Hof und Albrecht Dürer's<lb/>
Haus abgebildet sind.</note></head>
        <figure>
          <head>  Die Lorenzkirche.  </head>
        </figure><lb/>
        <cb type="start"/>
        <p><hi rendition="#in">E</hi>s gibt wenig Städte in Deutschland, die sich in der<lb/>
Geschichte so hohen Ruhm erworben haben wie Nürn-<lb/>
berg, welches einst ein Mittelpunkt des europäischen Han-<lb/>
dels war, sich durch Künste und Gewerbfleiß auszeich-<lb/>
nete und die wohlhabendsten und kräftigsten Bürger in<lb/><cb n="2"/>
seinen Mauern einschloß. Die Stadt ist auch jetzt noch<lb/>
eine berühmte Stadt, die man in allen Welttheilen kennt;<lb/>
sie nimmt unter den angesehenen Städten Baierns den<lb/>
ersten Rang ein und ist dessen erster Fabrik= und Han-<lb/>
delsplatz.</p><lb/>
        <p>Nürnberg liegt in einer ziemlich ebenen, sandigen,<lb/>
aber trefflich angebauten Gegend. Die Pegnitz theilt die<lb/>
Stadt in zwei fast ganz gleiche Theile, von denen der<lb/>
nördliche die Sebaldus=, der südliche die Lorenzseite heißt.<lb/><cb type="end"/>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[300/0004] 300 W...“ „Jhr heißt W... und seid aus Amsterdam?“ rief der Bediente, erstaunt, den Namen seines Herrn zu hören. Er eilte ins Haus und erzählte es mehren Personen. Herr W..., davon unterrichtet, wollte das Geheimniß aufklären und ließ den Blinden holen. Ein Mann in Lumpen erschien, aber Hr. W... erkannte so- gleich die Züge seines Bruders. „Himmel! er ist's!“ rief er. „Das bist du, mein Bruder“, rief in demsel- ben Augenblicke der Blinde, welcher die Stimme des Bankiers erkannt hatte. Die beiden Brüder fielen sich in die Arme und hiel- ten sich sprachlos umschlungen. Als Hr. W... seinen Bruder in seine reiche Woh- nung führte, sagte er zu ihm: „Hier wirst du wohnen, frei, ruhig, ohne Sorgen, du wirst den Reichthum theilen, den mir der Himmel verliehen.“ Mitten in einer Freude, die sein Herz trunken machte, dachte der Blinde an seinen kleinen treuen Begleiter. „Beunruhige dich nicht“, sagte sein Bruder, „sein Platz ist gefunden; du brauchst Jemanden, der dich leitet, und wenn er bei dir bleiben will, so sollt ihr nicht ge- trennt werden.“ Noch heute leben die beiden Brüder in der Ruhe und allen den Freuden, die eine ehrenhafte Stellung und glänzendes Vermögen gewähren. G. A. van D... Nürnberg. *) [Abbildung Die Lorenzkirche. ] Es gibt wenig Städte in Deutschland, die sich in der Geschichte so hohen Ruhm erworben haben wie Nürn- berg, welches einst ein Mittelpunkt des europäischen Han- dels war, sich durch Künste und Gewerbfleiß auszeich- nete und die wohlhabendsten und kräftigsten Bürger in seinen Mauern einschloß. Die Stadt ist auch jetzt noch eine berühmte Stadt, die man in allen Welttheilen kennt; sie nimmt unter den angesehenen Städten Baierns den ersten Rang ein und ist dessen erster Fabrik= und Han- delsplatz. Nürnberg liegt in einer ziemlich ebenen, sandigen, aber trefflich angebauten Gegend. Die Pegnitz theilt die Stadt in zwei fast ganz gleiche Theile, von denen der nördliche die Sebaldus=, der südliche die Lorenzseite heißt. *) Vergl. Nr. 103 und 104 der Alten Folge des Pfen- nig=Magazins, wo der Nassauische Hof und Albrecht Dürer's Haus abgebildet sind.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription
Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

Weitere Informationen:

Siehe Dokumentation




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig038_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig038_1843/4
Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 38. Leipzig (Sachsen), 23. September 1843, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig038_1843/4>, abgerufen am 18.12.2024.