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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 35. Leipzig (Sachsen), 1843-09-02

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[Beginn Spaltensatz] Thürme in heller Beleuchtung aus dem dunkeln Hinter-
grunde vor, sich scharf abgrenzend gegen den dunkeln
Himmel. Gegen 12 Uhr, beim Einstürzen des Dachs,
erhob sich die Feuersäule zu fast doppelter Höhe, wol
fünf Mal die nächsten Thürme überragend und mit-
unter selbst entferntere Gebäude, die bis jetzt nicht her-
vorgetreten waren, beleuchtend. Eine ungeheure Rauch-
masse zog in dichtem Zusammenhalt mehre Meilen weit
von Berlin fort. Auf zwölf Meilen sah man den Feuer-
schein am Himmel. Den Schaden schätzt man auf
1 1 / 2 Million Thaler, worin die Kosten des Wiederauf-
baus begriffen sind.



Aus der Chronik des Monats Juli.

Am 1. fand bei der Rückkehr des Königs von Belgien
aus England auf dem Schiffe Camperdown, einem Li-
nienschiffe von 104 Kanonen, welches den König mit
seinem Geschütz salutirte, eine furchtbare Explosion statt.
Der Lieutenant, zwei Damen und mehre Matrosen wur-
den augenblicklich dadurch getödtet und das Schiff selbst
gerieth in Brand. Erst nach längern verzweifelten An-
strengungen gelang es der Mannschaft, Herr der Flam-
men zu werden.

An demselben Tage fand die Befestigung der Denk-
tafel Georg Christoph Lichtenberg's an dem Pfarrhause
in Oberramstadt, seinem Geburtshause, auf feierliche
Weise statt.

Am 1.--4. wurde in Merseburg das 300jährige
Jubelfest der Einführung der Reformation gefeiert. Die
Vorfeier fand am 1. statt und bestand in einem Schul-
acte im Locale des Gymnasiums, in welchem der Rector
eine der Bedeutung des Festes entsprechende Rede hielt.
Nachmittags versammelten sich die Elementarschüler in
den Parochialschulen und wurden dann von ihren Leh-
rern in die Schloß= und Domkirche geführt, wo der
Diakonus Langer über den Sinn des Festes zu ih-
nen sprach. Das Hauptfest war am 2. Um 5 Uhr
des Morgens ertönten alle Glocken und um 9 Uhr be-
gann in allen Kirchen der Gottesdienst mit einer Abend-
mahlsfeier; der eigentliche Festgottesdienst aber war Nach-
mittags in der Stadtkirche St.=Maximi, wo vor 300
Jahren die erste lutherische Predigt gehalten worden war.
Jn Procession zogen die Geistlichen und die Behörden
durch ein von den Bürgerschützen gebildetes Spalier vom
Rathhause in die Stadtkirche. Nach Beendigung des
Gottesdienstes zog die Gemeinde unter dem Vortritte der
Geistlichen und der Behörden auf den Marktplatz, wo
unter Musikbegleitung die Lieder: "Eine feste Burg ist
unser Gott" und "Nun danket Alle Gott" gesungen wur-
den. Abends war die Stadt aus freiem Antriebe der
Bürger illuminirt. Am 3. führte der Verein der Ge-
sangfreunde in der Stadtkirche das Oratorium "Pharao"
von Schneider auf und Abends war ein Fackelzug und
wieder Jllumination. Am 4. wurde die Jubelfeier mit
einem Kinderfeste geschlossen.

Am 2. wurde das Postdampfschiff "Columbia" durch
eine ungewöhnlich starke Strömung bei dichtem Nebel
auf das sogenannte Devils Limb ( Teufelsglied ) , eine der
Sealinseln, getrieben und gerieth dort so fest, daß es,
durch die Wellen hin und hergeworfen, schon am 4. so
wesentlich beschädigt war, daß das gänzliche Zerschellen
desselben vorauszusehen war. Von Halifax eilte der un-
glücklichen Mannschaft ein Dampfschiff zu Hülfe und
brachte sie nebst allen Passagieren sowie der ganzen
Bagage und den Briefbeuteln glücklich nach Halifax und
[Spaltenumbruch] von da nach Liverpool. Ein einziger Matrose wurde
vermißt.

Am 3. erhielten die Bestrebungen unsers berühmten
Landsmanns Liebig, die Wissenschaft praktisch zu machen,
fern vom Vaterlande, zu Edinburg die glänzendste An-
erkennung. Ein Verein von Landwirthen, welcher sich
der Förderung der Landwirthschaft durch Anwendung der
Resultate von Liebig's chemischen Untersuchungen zur
Aufgabe gestellt hat, hielt seine zweite öffentliche Sitzung
und brachte das jährliche Einkommen für seine Zwecke
bereits auf 645 Pf. St. ( über 4000 Thlr. ) . Man do-
tirte die Stelle eines Chemikers für die Gesellschaft mit
500 Pf. St. jährlichen Einkommens.

Am 6. und 7. wurde in Blasewitz das zweite säch-
sische Männergesangfest gefeiert, zu dem sich mehr als
1000 Sänger aus den sächsischen Gauen versammelt
hatten.

Am 8. scheiterte an der pesth=ofener Schiffbrücke ein
Schiff mit 34 Personen, wobei 18 umkamen, meist
arme Bauern, welche Obst auf den Markt brachten.

Am 10. verbrannte zu Bedarrieux das Schauspiel-
haus mit allen Schauspielern, ohne daß ein einziger
gerettet werden konnte. Die Schauspieler waren zum
Glück -- Marionetten.

Am 12. wurde zu Soer nahe bei Apenrade im
nördlichen Schleswig ein Volksfest gefeiert, welches für
das schönste aller dieses Jahr in Schleswig=Holstein ge-
feierten Feste gilt. Das Fest begann um 12 Uhr Mit-
tags auf einer waldbekränzten Höhe, von der man das
reizend gelegene Apenrade mit dessen schönem Hafen und
herrlicher Rhede übersehen kann. Um 1 Uhr Nachts
zog man, Liedertafeln und Musikcorps voran, unter Vor-
tragung von etwa 50 Fackeln in der schönsten Sommer-
nacht und durch eine der schönsten Waldungen in einem
zweistündigen Marsche nach Apenrade zurück. Das Fest
bewies, daß das Volk, welches es beging, deutscher
Art ist.

Als am 13. das die Elbe herab von Tetschen kom-
mende Dampfschiff in die Gegend von Herniskretschen
kam, fuhr zugleich der Fährkahn über den Fluß, in wel-
chem sich ein Brautpaar nebst Altern und Gästen be-
fand. Das Dampfschiff überfuhr den Kahn und von
20 Personen in demselben wurden nur vier gerettet.

An demselben Tage Abends trat in Freiburg plötz-
lich der Saanefluß aus. Ein Wolkenbruch in dem ober-
halb gelegenen Thale Peoraman und de la Roche hatte
das Flüßchen Gerine zum gewaltigen Strome angeschwellt,
sodaß der sonst oft trockne Waldbach mehr als 20 Fuß
hoch Wasser hatte. Auch an andern Orten der Schweiz
waren Wolkenbrüche gefallen.

Am 14. erschien zu Madrid ein Befehl des Stadt-
raths, in welchem unter Anderm bekannt gemacht wird,
daß, wer von Civilpersonen mit einem Schnurrbarte ge-
funden werde, die Aussicht habe, 50 Realen Strase zu
zahlen und auf dem Rathhause öffentlich rasirt zu
werden.

Am 16. wollte ein Luftschiffer eine Luftfahrt in
Nantes machen. Als der Ballon halb gefüllt war, riß
er sich los und trieb fort. Der aus der Gondel her-
aushängende Rettungsanker erfaßte einen Knaben von
zwölf Jahren und hakte sich, ohne ihn zu verletzen, in
seinen Hosenbund ein. Der Knabe, die Gefahr begrei-
fend, faßte das Seil fest und stieg so hoch in die Luft.
Nach einer Viertelstunde fiel der Ballon auf einer nahen
Wiese nieder. Der Knabe war nach der furchtbaren Luft-
fahrt gesund und unverletzt.

An demselben Tage gingen drei Schiffe mit voller
Ladung britischer Fabrikate von Liverpool nach Hong-
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] Thürme in heller Beleuchtung aus dem dunkeln Hinter-
grunde vor, sich scharf abgrenzend gegen den dunkeln
Himmel. Gegen 12 Uhr, beim Einstürzen des Dachs,
erhob sich die Feuersäule zu fast doppelter Höhe, wol
fünf Mal die nächsten Thürme überragend und mit-
unter selbst entferntere Gebäude, die bis jetzt nicht her-
vorgetreten waren, beleuchtend. Eine ungeheure Rauch-
masse zog in dichtem Zusammenhalt mehre Meilen weit
von Berlin fort. Auf zwölf Meilen sah man den Feuer-
schein am Himmel. Den Schaden schätzt man auf
1 1 / 2 Million Thaler, worin die Kosten des Wiederauf-
baus begriffen sind.



Aus der Chronik des Monats Juli.

Am 1. fand bei der Rückkehr des Königs von Belgien
aus England auf dem Schiffe Camperdown, einem Li-
nienschiffe von 104 Kanonen, welches den König mit
seinem Geschütz salutirte, eine furchtbare Explosion statt.
Der Lieutenant, zwei Damen und mehre Matrosen wur-
den augenblicklich dadurch getödtet und das Schiff selbst
gerieth in Brand. Erst nach längern verzweifelten An-
strengungen gelang es der Mannschaft, Herr der Flam-
men zu werden.

An demselben Tage fand die Befestigung der Denk-
tafel Georg Christoph Lichtenberg's an dem Pfarrhause
in Oberramstadt, seinem Geburtshause, auf feierliche
Weise statt.

Am 1.—4. wurde in Merseburg das 300jährige
Jubelfest der Einführung der Reformation gefeiert. Die
Vorfeier fand am 1. statt und bestand in einem Schul-
acte im Locale des Gymnasiums, in welchem der Rector
eine der Bedeutung des Festes entsprechende Rede hielt.
Nachmittags versammelten sich die Elementarschüler in
den Parochialschulen und wurden dann von ihren Leh-
rern in die Schloß= und Domkirche geführt, wo der
Diakonus Langer über den Sinn des Festes zu ih-
nen sprach. Das Hauptfest war am 2. Um 5 Uhr
des Morgens ertönten alle Glocken und um 9 Uhr be-
gann in allen Kirchen der Gottesdienst mit einer Abend-
mahlsfeier; der eigentliche Festgottesdienst aber war Nach-
mittags in der Stadtkirche St.=Maximi, wo vor 300
Jahren die erste lutherische Predigt gehalten worden war.
Jn Procession zogen die Geistlichen und die Behörden
durch ein von den Bürgerschützen gebildetes Spalier vom
Rathhause in die Stadtkirche. Nach Beendigung des
Gottesdienstes zog die Gemeinde unter dem Vortritte der
Geistlichen und der Behörden auf den Marktplatz, wo
unter Musikbegleitung die Lieder: „Eine feste Burg ist
unser Gott“ und „Nun danket Alle Gott“ gesungen wur-
den. Abends war die Stadt aus freiem Antriebe der
Bürger illuminirt. Am 3. führte der Verein der Ge-
sangfreunde in der Stadtkirche das Oratorium „Pharao“
von Schneider auf und Abends war ein Fackelzug und
wieder Jllumination. Am 4. wurde die Jubelfeier mit
einem Kinderfeste geschlossen.

Am 2. wurde das Postdampfschiff „Columbia“ durch
eine ungewöhnlich starke Strömung bei dichtem Nebel
auf das sogenannte Devils Limb ( Teufelsglied ) , eine der
Sealinseln, getrieben und gerieth dort so fest, daß es,
durch die Wellen hin und hergeworfen, schon am 4. so
wesentlich beschädigt war, daß das gänzliche Zerschellen
desselben vorauszusehen war. Von Halifax eilte der un-
glücklichen Mannschaft ein Dampfschiff zu Hülfe und
brachte sie nebst allen Passagieren sowie der ganzen
Bagage und den Briefbeuteln glücklich nach Halifax und
[Spaltenumbruch] von da nach Liverpool. Ein einziger Matrose wurde
vermißt.

Am 3. erhielten die Bestrebungen unsers berühmten
Landsmanns Liebig, die Wissenschaft praktisch zu machen,
fern vom Vaterlande, zu Edinburg die glänzendste An-
erkennung. Ein Verein von Landwirthen, welcher sich
der Förderung der Landwirthschaft durch Anwendung der
Resultate von Liebig's chemischen Untersuchungen zur
Aufgabe gestellt hat, hielt seine zweite öffentliche Sitzung
und brachte das jährliche Einkommen für seine Zwecke
bereits auf 645 Pf. St. ( über 4000 Thlr. ) . Man do-
tirte die Stelle eines Chemikers für die Gesellschaft mit
500 Pf. St. jährlichen Einkommens.

Am 6. und 7. wurde in Blasewitz das zweite säch-
sische Männergesangfest gefeiert, zu dem sich mehr als
1000 Sänger aus den sächsischen Gauen versammelt
hatten.

Am 8. scheiterte an der pesth=ofener Schiffbrücke ein
Schiff mit 34 Personen, wobei 18 umkamen, meist
arme Bauern, welche Obst auf den Markt brachten.

Am 10. verbrannte zu Bedarrieux das Schauspiel-
haus mit allen Schauspielern, ohne daß ein einziger
gerettet werden konnte. Die Schauspieler waren zum
Glück — Marionetten.

Am 12. wurde zu Soer nahe bei Apenrade im
nördlichen Schleswig ein Volksfest gefeiert, welches für
das schönste aller dieses Jahr in Schleswig=Holstein ge-
feierten Feste gilt. Das Fest begann um 12 Uhr Mit-
tags auf einer waldbekränzten Höhe, von der man das
reizend gelegene Apenrade mit dessen schönem Hafen und
herrlicher Rhede übersehen kann. Um 1 Uhr Nachts
zog man, Liedertafeln und Musikcorps voran, unter Vor-
tragung von etwa 50 Fackeln in der schönsten Sommer-
nacht und durch eine der schönsten Waldungen in einem
zweistündigen Marsche nach Apenrade zurück. Das Fest
bewies, daß das Volk, welches es beging, deutscher
Art ist.

Als am 13. das die Elbe herab von Tetschen kom-
mende Dampfschiff in die Gegend von Herniskretschen
kam, fuhr zugleich der Fährkahn über den Fluß, in wel-
chem sich ein Brautpaar nebst Altern und Gästen be-
fand. Das Dampfschiff überfuhr den Kahn und von
20 Personen in demselben wurden nur vier gerettet.

An demselben Tage Abends trat in Freiburg plötz-
lich der Saanefluß aus. Ein Wolkenbruch in dem ober-
halb gelegenen Thale Peoraman und de la Roche hatte
das Flüßchen Gerine zum gewaltigen Strome angeschwellt,
sodaß der sonst oft trockne Waldbach mehr als 20 Fuß
hoch Wasser hatte. Auch an andern Orten der Schweiz
waren Wolkenbrüche gefallen.

Am 14. erschien zu Madrid ein Befehl des Stadt-
raths, in welchem unter Anderm bekannt gemacht wird,
daß, wer von Civilpersonen mit einem Schnurrbarte ge-
funden werde, die Aussicht habe, 50 Realen Strase zu
zahlen und auf dem Rathhause öffentlich rasirt zu
werden.

Am 16. wollte ein Luftschiffer eine Luftfahrt in
Nantes machen. Als der Ballon halb gefüllt war, riß
er sich los und trieb fort. Der aus der Gondel her-
aushängende Rettungsanker erfaßte einen Knaben von
zwölf Jahren und hakte sich, ohne ihn zu verletzen, in
seinen Hosenbund ein. Der Knabe, die Gefahr begrei-
fend, faßte das Seil fest und stieg so hoch in die Luft.
Nach einer Viertelstunde fiel der Ballon auf einer nahen
Wiese nieder. Der Knabe war nach der furchtbaren Luft-
fahrt gesund und unverletzt.

An demselben Tage gingen drei Schiffe mit voller
Ladung britischer Fabrikate von Liverpool nach Hong-
[Ende Spaltensatz]

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[277/0005] 277 Thürme in heller Beleuchtung aus dem dunkeln Hinter- grunde vor, sich scharf abgrenzend gegen den dunkeln Himmel. Gegen 12 Uhr, beim Einstürzen des Dachs, erhob sich die Feuersäule zu fast doppelter Höhe, wol fünf Mal die nächsten Thürme überragend und mit- unter selbst entferntere Gebäude, die bis jetzt nicht her- vorgetreten waren, beleuchtend. Eine ungeheure Rauch- masse zog in dichtem Zusammenhalt mehre Meilen weit von Berlin fort. Auf zwölf Meilen sah man den Feuer- schein am Himmel. Den Schaden schätzt man auf 1 1 / 2 Million Thaler, worin die Kosten des Wiederauf- baus begriffen sind. Aus der Chronik des Monats Juli. Am 1. fand bei der Rückkehr des Königs von Belgien aus England auf dem Schiffe Camperdown, einem Li- nienschiffe von 104 Kanonen, welches den König mit seinem Geschütz salutirte, eine furchtbare Explosion statt. Der Lieutenant, zwei Damen und mehre Matrosen wur- den augenblicklich dadurch getödtet und das Schiff selbst gerieth in Brand. 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Um 5 Uhr des Morgens ertönten alle Glocken und um 9 Uhr be- gann in allen Kirchen der Gottesdienst mit einer Abend- mahlsfeier; der eigentliche Festgottesdienst aber war Nach- mittags in der Stadtkirche St.=Maximi, wo vor 300 Jahren die erste lutherische Predigt gehalten worden war. Jn Procession zogen die Geistlichen und die Behörden durch ein von den Bürgerschützen gebildetes Spalier vom Rathhause in die Stadtkirche. Nach Beendigung des Gottesdienstes zog die Gemeinde unter dem Vortritte der Geistlichen und der Behörden auf den Marktplatz, wo unter Musikbegleitung die Lieder: „Eine feste Burg ist unser Gott“ und „Nun danket Alle Gott“ gesungen wur- den. Abends war die Stadt aus freiem Antriebe der Bürger illuminirt. Am 3. führte der Verein der Ge- sangfreunde in der Stadtkirche das Oratorium „Pharao“ von Schneider auf und Abends war ein Fackelzug und wieder Jllumination. Am 4. wurde die Jubelfeier mit einem Kinderfeste geschlossen. 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An demselben Tage Abends trat in Freiburg plötz- lich der Saanefluß aus. Ein Wolkenbruch in dem ober- halb gelegenen Thale Peoraman und de la Roche hatte das Flüßchen Gerine zum gewaltigen Strome angeschwellt, sodaß der sonst oft trockne Waldbach mehr als 20 Fuß hoch Wasser hatte. Auch an andern Orten der Schweiz waren Wolkenbrüche gefallen. Am 14. erschien zu Madrid ein Befehl des Stadt- raths, in welchem unter Anderm bekannt gemacht wird, daß, wer von Civilpersonen mit einem Schnurrbarte ge- funden werde, die Aussicht habe, 50 Realen Strase zu zahlen und auf dem Rathhause öffentlich rasirt zu werden. Am 16. wollte ein Luftschiffer eine Luftfahrt in Nantes machen. Als der Ballon halb gefüllt war, riß er sich los und trieb fort. Der aus der Gondel her- aushängende Rettungsanker erfaßte einen Knaben von zwölf Jahren und hakte sich, ohne ihn zu verletzen, in seinen Hosenbund ein. Der Knabe, die Gefahr begrei- fend, faßte das Seil fest und stieg so hoch in die Luft. Nach einer Viertelstunde fiel der Ballon auf einer nahen Wiese nieder. Der Knabe war nach der furchtbaren Luft- fahrt gesund und unverletzt. An demselben Tage gingen drei Schiffe mit voller Ladung britischer Fabrikate von Liverpool nach Hong-

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription
Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

Weitere Informationen:

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 35. Leipzig (Sachsen), 1843-09-02, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig035_1843/5>, abgerufen am 21.11.2024.