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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 35. Leipzig (Sachsen), 1843-09-02

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[Beginn Spaltensatz]

Bridet. Man muß sich also die Ohren anbinden,
damit sie nicht in Paris herumlaufen.

Robin. So scheint's. Das geht mich nichts an.
Unschuldig und rein wie ein Lamm.

Trotz seiner Unschuld muß der Ohrenabbeißer Robin
auf vier Wochen ins Gefängniß wandern. Carton steckt
sein Ohr in die Tasche und verläßt mit seinem Freunde
Bridet den Gerichtssaal.



Das Schlangenthal im Kaukasus.

Der Kaukasus ist ein Gebirge zwischen dem Kaspischen
und Schwarzen Meere, von Nordwest nach Südost zie-
hend und mit der Halbinsel Abscharon in ersterm endend.
Die mittlere der drei parallelen Höhen, aus dem das
Gebirge besteht, ist die höchste und erhebt sich bis zu
11,000 Fuß, mit kahlen, steilen Felsengipfeln, zum
Theil mit ewigem Schnee bedeckt. Die höchsten Gipfel
sind der Elbrus ( 16,700 Fuß ) , der Kasbek ( 14,400
Fuß ) ; die Hauptpässe sind die Kaspische Pforte, auf der
Straße von Derbent nach Baku, und die Kaukasische
Pforte auf der Straße von Mosdok nach Tiflis. Ein
unabhängiges, freiheitsbegeistertes Volk wehrt seit lange
schon die versuchte russische Knechtschaft mit Erfolgen ab,
welche die höchste Bewunderung verdienen und finden.

Jn einer der zahllosen Schluchten dieses zerklüfteten
Gebirgs liegt das Schlangenthal, etwa zwei Quadrat-
meilen im Umfange, ringsum von hohen Bergen ein-
geschlossen, ewigen Frühlings sich erfreuend. Bäume,
Stauden und Gewächse der reichsten orientalischen Vege-
tation bedecken seinen Boden; schön gefiederte Vögel bauen
da ihre Nester, wie Silberstreifen rieseln krystallhelle Quel-
len vom Gebirge herab, und eine milde, mit Blumen-
düften erfüllte Luft herrscht hier unter einem ewig azur-
nen Himmel. Jm October, wenn die Weiden außerhalb
des Thals zu ersterben anfangen, ziehen die Nomaden-
stämme des Kaukasus sich für den Winter in dieses Eden
zurück. Aber ehe noch im März die Sonne ihre glü-
henden Strahlen über diese Gründe verbreitet, verlassen
sie mit ihren Heerden das Thal, um den gefährlichen
Bewohnern Platz zu machen, deren Namen es trägt.
Von dieser Zeit an ist das Thal jedem andern Wesen
verschlossen; Tausende von großen und kleinen Schlan-
gen haben dann ihren Wohnsitz hier aufgeschlagen, und
wehe dem Geschöpf, das sich dahin verirrt. Von den
Bergen herab hat man durch Fernröhre die gräßlichen
Scenen beobachtet, die hier vorgehen, wenn sich eins
der größern Raubthiere in dies Thal verirrt. Züngelnd
und zischend, wie seurige Pfeile, schwingen sich die scheuß-
lichen Nattern heran und umschlingen den ganzen Kör-
per des unglücklichen Thiers wie mit einem Netze. Ver-
gebens hallt sein Gebrüll durch die Lüfte, vergebens
streckt und reckt es sich, wälzt sich auf der Erde oder
jagt wüthend die Ebene hinunter: immer neue Feinde
nahen und schlingen Faden auf Faden um seinen Leib,
bis es dem fruchtlosen Kampfe erliegt.



Über einige dem Landwirthe nützliche
Thiere.

Die Beobachtung der uns zunächst umgebenden Natur
geschieht, vielleicht gerade aus diesem Grunde, oft so
mangelhaft, daß wir darüber noch lange nicht im Kla-
ren sind. Es muß daher Jedem willkommen sein, Be-
[Spaltenumbruch] lehrungen über diese Dinge zu erhalten, für richtig Ge-
glaubtes berichtigt zu sehen. Nachfolgende Zeilen, die
Worte eines scharfen Beobachters der Natur, werden
manche Jrrthümer, die bisher über manche Vögel und
andere dem Landwirthe nützliche Thiere bestanden, be-
richtigen und sollen das Jhrige beitragen, den Verfolgun-
gen abzuwehren, die diese Thiere bisher so hart und doch
so unverschuldet erlitten haben.

Was zuerst die Raubvögel betrifft, so wird mit Be-
stimmtheit behauptet, daß nicht sie es sind, welche die
Mehrzahl der Singvögel ausrotten. Allerdings fangen
Falken, Elstern, Nußheher, Würger, Neuntödter u. s. w.
manchen kleinen Vogel weg, zerstören auch wol Nester
( was besonders von Elstern und Hehern geschieht ) ; aber
häufig geschieht dies nicht, fast nur an recht kalten Ta-
gen, wo diese Vögel wenig Jnsekten zum Fraße finden.
Der Nutzen aber, den sie stiften, ist weit größer als der
Schaden, denn gerade die Vögel aus dem Krähenge-
schlechte sind die entschiedensten Feinde der Maikäferlar-
ven, und Raben und Reiher fangen unzählige Mäuse
weg, während von Raben kein Angriff auf einen kleinen
Vogel bekannt ist. Nur mit Falken ist er öfters im
Zwiespalt. Die Zahl der Hühner und jungen Gänse,
die einer Weihe zum Opfer fallen könnten, ist nur un-
beträchtlich. Und doch, wie vielen Verfolgungen sind
diese nützlichen Vögel ausgesetzt! Jhre leicht zu finden-
den Nester werden zur Hälfte von den Buben zerstört,
während unkundige Schützen einen beträchtlichen Theil
schießen, um Rache für ein paar junge Hasen zu neh-
men, die sie gefressen. So die Sperlinge. Es ist wahr,
daß sie in Garten und Feld eine Menge Samen und
Getreide auffressen, aber wie viele Maikäfer und Raupen
fangen sie dafür weg, besonders für ihre Jungen, die
nur von Jnsekten leben. Gerade die meisten Vögel,
welche die besten Freunde der Saaten, Obstbäume und
Wälder sind, werden wegen ihres schönen Gesangs so
gern für den Käfig gefangen. Jhrem natürlichen Kreise,
dessen Schutz und Schmuck sie waren, sind sie für die
Eigenlust eines Einzelnen entzogen. Wie viele Meisen
werden von den Knaben gefangen, während gerade diese
Vögel es sind, welche recht eigentlich dazu bestimmt schei-
nen, die Raupenbrut aus den Knospen der Bäume her-
auszuholen. Wie viele Amseln werden nicht ausgenom-
men, während gerade die Amseln durch die Zerstörung
der Puppe des Fichtenspinners besonders für Nadelhölzer
so nützlich werden. -- Füchse und Wiesel, welchen An-
feindungen sind diese Thiere ausgesetzt, und wie wahre
Freunde sind sie doch dem Landwirth, denn Stunden lang
kann man sehen, wie Füchse und Wiesel in ganzen Ge-
sellschaften auf Mäuse Jagd machen, welche die Frucht-
felder verheeren. -- Die Schlupfwespe ist der ärgste
Feind der Puppe des weißen Schmetterlings, der die
baumzerstörende Raupenbrut ins Laub setzt. Von Na-
tur sehen die Puppen hellbunt; wenn sie aber roth und
braun aussehen, so darf man glauben, daß eine Schlupf-
wespe ihr Ei mittels des Stachels in die Puppe gebracht
hat; auf diese Art werden Tausende von der gefährlichen
Schmetterlingsart zerstört. Die Feuerkäfer, an ihrem
goldgelben Glanze zu erkennen, leben fast nur von schäd-
lichen Larven, und doch werden sie zu Hunderten von
dem Fuße des Wanderers auf den Feldwegen, wo sie
so gern laufen, zertreten, in der vorgefaßten, durch nichts
gegründeten Meinung, daß derartigen Thiere ohne Wei-
teres todeswürdig seien.



[Ende Spaltensatz]
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Bridet. Man muß sich also die Ohren anbinden,
damit sie nicht in Paris herumlaufen.

Robin. So scheint's. Das geht mich nichts an.
Unschuldig und rein wie ein Lamm.

Trotz seiner Unschuld muß der Ohrenabbeißer Robin
auf vier Wochen ins Gefängniß wandern. Carton steckt
sein Ohr in die Tasche und verläßt mit seinem Freunde
Bridet den Gerichtssaal.



Das Schlangenthal im Kaukasus.

Der Kaukasus ist ein Gebirge zwischen dem Kaspischen
und Schwarzen Meere, von Nordwest nach Südost zie-
hend und mit der Halbinsel Abscharon in ersterm endend.
Die mittlere der drei parallelen Höhen, aus dem das
Gebirge besteht, ist die höchste und erhebt sich bis zu
11,000 Fuß, mit kahlen, steilen Felsengipfeln, zum
Theil mit ewigem Schnee bedeckt. Die höchsten Gipfel
sind der Elbrus ( 16,700 Fuß ) , der Kasbek ( 14,400
Fuß ) ; die Hauptpässe sind die Kaspische Pforte, auf der
Straße von Derbent nach Baku, und die Kaukasische
Pforte auf der Straße von Mosdok nach Tiflis. Ein
unabhängiges, freiheitsbegeistertes Volk wehrt seit lange
schon die versuchte russische Knechtschaft mit Erfolgen ab,
welche die höchste Bewunderung verdienen und finden.

Jn einer der zahllosen Schluchten dieses zerklüfteten
Gebirgs liegt das Schlangenthal, etwa zwei Quadrat-
meilen im Umfange, ringsum von hohen Bergen ein-
geschlossen, ewigen Frühlings sich erfreuend. Bäume,
Stauden und Gewächse der reichsten orientalischen Vege-
tation bedecken seinen Boden; schön gefiederte Vögel bauen
da ihre Nester, wie Silberstreifen rieseln krystallhelle Quel-
len vom Gebirge herab, und eine milde, mit Blumen-
düften erfüllte Luft herrscht hier unter einem ewig azur-
nen Himmel. Jm October, wenn die Weiden außerhalb
des Thals zu ersterben anfangen, ziehen die Nomaden-
stämme des Kaukasus sich für den Winter in dieses Eden
zurück. Aber ehe noch im März die Sonne ihre glü-
henden Strahlen über diese Gründe verbreitet, verlassen
sie mit ihren Heerden das Thal, um den gefährlichen
Bewohnern Platz zu machen, deren Namen es trägt.
Von dieser Zeit an ist das Thal jedem andern Wesen
verschlossen; Tausende von großen und kleinen Schlan-
gen haben dann ihren Wohnsitz hier aufgeschlagen, und
wehe dem Geschöpf, das sich dahin verirrt. Von den
Bergen herab hat man durch Fernröhre die gräßlichen
Scenen beobachtet, die hier vorgehen, wenn sich eins
der größern Raubthiere in dies Thal verirrt. Züngelnd
und zischend, wie seurige Pfeile, schwingen sich die scheuß-
lichen Nattern heran und umschlingen den ganzen Kör-
per des unglücklichen Thiers wie mit einem Netze. Ver-
gebens hallt sein Gebrüll durch die Lüfte, vergebens
streckt und reckt es sich, wälzt sich auf der Erde oder
jagt wüthend die Ebene hinunter: immer neue Feinde
nahen und schlingen Faden auf Faden um seinen Leib,
bis es dem fruchtlosen Kampfe erliegt.



Über einige dem Landwirthe nützliche
Thiere.

Die Beobachtung der uns zunächst umgebenden Natur
geschieht, vielleicht gerade aus diesem Grunde, oft so
mangelhaft, daß wir darüber noch lange nicht im Kla-
ren sind. Es muß daher Jedem willkommen sein, Be-
[Spaltenumbruch] lehrungen über diese Dinge zu erhalten, für richtig Ge-
glaubtes berichtigt zu sehen. Nachfolgende Zeilen, die
Worte eines scharfen Beobachters der Natur, werden
manche Jrrthümer, die bisher über manche Vögel und
andere dem Landwirthe nützliche Thiere bestanden, be-
richtigen und sollen das Jhrige beitragen, den Verfolgun-
gen abzuwehren, die diese Thiere bisher so hart und doch
so unverschuldet erlitten haben.

Was zuerst die Raubvögel betrifft, so wird mit Be-
stimmtheit behauptet, daß nicht sie es sind, welche die
Mehrzahl der Singvögel ausrotten. Allerdings fangen
Falken, Elstern, Nußheher, Würger, Neuntödter u. s. w.
manchen kleinen Vogel weg, zerstören auch wol Nester
( was besonders von Elstern und Hehern geschieht ) ; aber
häufig geschieht dies nicht, fast nur an recht kalten Ta-
gen, wo diese Vögel wenig Jnsekten zum Fraße finden.
Der Nutzen aber, den sie stiften, ist weit größer als der
Schaden, denn gerade die Vögel aus dem Krähenge-
schlechte sind die entschiedensten Feinde der Maikäferlar-
ven, und Raben und Reiher fangen unzählige Mäuse
weg, während von Raben kein Angriff auf einen kleinen
Vogel bekannt ist. Nur mit Falken ist er öfters im
Zwiespalt. Die Zahl der Hühner und jungen Gänse,
die einer Weihe zum Opfer fallen könnten, ist nur un-
beträchtlich. Und doch, wie vielen Verfolgungen sind
diese nützlichen Vögel ausgesetzt! Jhre leicht zu finden-
den Nester werden zur Hälfte von den Buben zerstört,
während unkundige Schützen einen beträchtlichen Theil
schießen, um Rache für ein paar junge Hasen zu neh-
men, die sie gefressen. So die Sperlinge. Es ist wahr,
daß sie in Garten und Feld eine Menge Samen und
Getreide auffressen, aber wie viele Maikäfer und Raupen
fangen sie dafür weg, besonders für ihre Jungen, die
nur von Jnsekten leben. Gerade die meisten Vögel,
welche die besten Freunde der Saaten, Obstbäume und
Wälder sind, werden wegen ihres schönen Gesangs so
gern für den Käfig gefangen. Jhrem natürlichen Kreise,
dessen Schutz und Schmuck sie waren, sind sie für die
Eigenlust eines Einzelnen entzogen. Wie viele Meisen
werden von den Knaben gefangen, während gerade diese
Vögel es sind, welche recht eigentlich dazu bestimmt schei-
nen, die Raupenbrut aus den Knospen der Bäume her-
auszuholen. Wie viele Amseln werden nicht ausgenom-
men, während gerade die Amseln durch die Zerstörung
der Puppe des Fichtenspinners besonders für Nadelhölzer
so nützlich werden. — Füchse und Wiesel, welchen An-
feindungen sind diese Thiere ausgesetzt, und wie wahre
Freunde sind sie doch dem Landwirth, denn Stunden lang
kann man sehen, wie Füchse und Wiesel in ganzen Ge-
sellschaften auf Mäuse Jagd machen, welche die Frucht-
felder verheeren. — Die Schlupfwespe ist der ärgste
Feind der Puppe des weißen Schmetterlings, der die
baumzerstörende Raupenbrut ins Laub setzt. Von Na-
tur sehen die Puppen hellbunt; wenn sie aber roth und
braun aussehen, so darf man glauben, daß eine Schlupf-
wespe ihr Ei mittels des Stachels in die Puppe gebracht
hat; auf diese Art werden Tausende von der gefährlichen
Schmetterlingsart zerstört. Die Feuerkäfer, an ihrem
goldgelben Glanze zu erkennen, leben fast nur von schäd-
lichen Larven, und doch werden sie zu Hunderten von
dem Fuße des Wanderers auf den Feldwegen, wo sie
so gern laufen, zertreten, in der vorgefaßten, durch nichts
gegründeten Meinung, daß derartigen Thiere ohne Wei-
teres todeswürdig seien.



[Ende Spaltensatz]
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Ein unabhängiges, freiheitsbegeistertes Volk wehrt seit lange schon die versuchte russische Knechtschaft mit Erfolgen ab, welche die höchste Bewunderung verdienen und finden. Jn einer der zahllosen Schluchten dieses zerklüfteten Gebirgs liegt das Schlangenthal, etwa zwei Quadrat- meilen im Umfange, ringsum von hohen Bergen ein- geschlossen, ewigen Frühlings sich erfreuend. Bäume, Stauden und Gewächse der reichsten orientalischen Vege- tation bedecken seinen Boden; schön gefiederte Vögel bauen da ihre Nester, wie Silberstreifen rieseln krystallhelle Quel- len vom Gebirge herab, und eine milde, mit Blumen- düften erfüllte Luft herrscht hier unter einem ewig azur- nen Himmel. Jm October, wenn die Weiden außerhalb des Thals zu ersterben anfangen, ziehen die Nomaden- stämme des Kaukasus sich für den Winter in dieses Eden zurück. Aber ehe noch im März die Sonne ihre glü- henden Strahlen über diese Gründe verbreitet, verlassen sie mit ihren Heerden das Thal, um den gefährlichen Bewohnern Platz zu machen, deren Namen es trägt. Von dieser Zeit an ist das Thal jedem andern Wesen verschlossen; Tausende von großen und kleinen Schlan- gen haben dann ihren Wohnsitz hier aufgeschlagen, und wehe dem Geschöpf, das sich dahin verirrt. Von den Bergen herab hat man durch Fernröhre die gräßlichen Scenen beobachtet, die hier vorgehen, wenn sich eins der größern Raubthiere in dies Thal verirrt. Züngelnd und zischend, wie seurige Pfeile, schwingen sich die scheuß- lichen Nattern heran und umschlingen den ganzen Kör- per des unglücklichen Thiers wie mit einem Netze. Ver- gebens hallt sein Gebrüll durch die Lüfte, vergebens streckt und reckt es sich, wälzt sich auf der Erde oder jagt wüthend die Ebene hinunter: immer neue Feinde nahen und schlingen Faden auf Faden um seinen Leib, bis es dem fruchtlosen Kampfe erliegt. Über einige dem Landwirthe nützliche Thiere. Die Beobachtung der uns zunächst umgebenden Natur geschieht, vielleicht gerade aus diesem Grunde, oft so mangelhaft, daß wir darüber noch lange nicht im Kla- ren sind. Es muß daher Jedem willkommen sein, Be- lehrungen über diese Dinge zu erhalten, für richtig Ge- glaubtes berichtigt zu sehen. Nachfolgende Zeilen, die Worte eines scharfen Beobachters der Natur, werden manche Jrrthümer, die bisher über manche Vögel und andere dem Landwirthe nützliche Thiere bestanden, be- richtigen und sollen das Jhrige beitragen, den Verfolgun- gen abzuwehren, die diese Thiere bisher so hart und doch so unverschuldet erlitten haben. Was zuerst die Raubvögel betrifft, so wird mit Be- stimmtheit behauptet, daß nicht sie es sind, welche die Mehrzahl der Singvögel ausrotten. 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Wie viele Amseln werden nicht ausgenom- men, während gerade die Amseln durch die Zerstörung der Puppe des Fichtenspinners besonders für Nadelhölzer so nützlich werden. — Füchse und Wiesel, welchen An- feindungen sind diese Thiere ausgesetzt, und wie wahre Freunde sind sie doch dem Landwirth, denn Stunden lang kann man sehen, wie Füchse und Wiesel in ganzen Ge- sellschaften auf Mäuse Jagd machen, welche die Frucht- felder verheeren. — Die Schlupfwespe ist der ärgste Feind der Puppe des weißen Schmetterlings, der die baumzerstörende Raupenbrut ins Laub setzt. Von Na- tur sehen die Puppen hellbunt; wenn sie aber roth und braun aussehen, so darf man glauben, daß eine Schlupf- wespe ihr Ei mittels des Stachels in die Puppe gebracht hat; auf diese Art werden Tausende von der gefährlichen Schmetterlingsart zerstört. Die Feuerkäfer, an ihrem goldgelben Glanze zu erkennen, leben fast nur von schäd- lichen Larven, und doch werden sie zu Hunderten von dem Fuße des Wanderers auf den Feldwegen, wo sie so gern laufen, zertreten, in der vorgefaßten, durch nichts gegründeten Meinung, daß derartigen Thiere ohne Wei- teres todeswürdig seien.

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Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 35. Leipzig (Sachsen), 1843-09-02, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig035_1843/3>, abgerufen am 24.11.2024.