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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 31. Leipzig (Sachsen). 5. August 1843.

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[Beginn Spaltensatz]
Kinderraub.

Es findet häufig statt, daß Zigeuner und Bettler Kin-
der stehlen, um diese zu Erwerbsmitteln zu benutzen.
Die Zigeuner und Seiltänzer lehren die Kinder ihre ge-
fährlichen Künste, die Bettler verstümmeln entweder das
Kind, um das Mitleid zu erregen, oder suchen sonst
einen Vortheil mit ihrer unglücklichen Beute zu erreichen.
Ein solcher Fall kam ganz neuerlich in Berlin vor, wo
das zweijährige Töchterchen eines dortigen Bürgers ge-
stohlen wurde. Vergebens suchten die betrübten Ältern
das Kind, und schon hatten sie sich entschlossen, die Po-
licei von ihrem Verluste zu benachrichtigen, als zwei
Mädchen ihnen das Kind zuführten. Nur das Zusam-
mentreffen der glücklichsten Zufälle aber war es, was den
Ältern die Thränen einer langen, vielleicht gänzlichen
Trennung von ihrem Kinde ersparte. Durch die Rosen-
straße am neuen Markt ging nämlich an diesem Abende
ein zerlumptes Weib mit einem Kinde auf dem Arme,
um sich nach ihrer Behausung im Voigtlande, dem ver-
rufenen Stadttheile Berlins, zu begeben. Glücklicher-
weise fiel dies einem Dienstmädchen auf, die das Kind
vor einigen Tagen, wo es in der Rosenstraße zum Be-
suche war und vor der Thür spielte, sah, und sie hatte
den Muth, das Weib anzuhalten und zu fragen, wie
es zu dem Kinde komme. Das Weib behauptete, es
sei das ihre und sie wolle damit nach Hause gehen. Das
muthige Mädchen war hierdurch jedoch nicht zu beschwich-
tigen, sondern [unleserliches Material - 4 Zeichen fehlen]ließ das Weib nicht von der Stelle, so-
daß sich bald viele Menschen um sie sammelten. Ob-
gleich das Dienstmädchen nicht anzugeben wußte, wessen
Kind es sei, so behauptete sie doch bestimmt und ent-
schieden, dasselbe vor einigen Tagen in dieser Straße
spielen gesehen zu haben, und blieb dabei, das Kind sei
von dem Weibe gestohlen worden. Zum Glück erinnerte
sie sich der Herrschaft, wo das Kind zum Besuch gewe-
sen war; man ging zu derselben und diese gab denn
nun die Ältern des Kindes an. Sofort entriß man dem
Weibe das Kind und brachte es zu den Seinigen. Trotz-
dem lief das Weib dem ganzen Schwarme, der das
Mädchen begleitete, bis zu dem neuen Markte nach und
schrie, daß man ihr das Kind nehmen wolle. Hier aber
verschwand sie plötzlich und entzog sich so der wohlver-
dienten Strafe.



Maiszucker.

Um den Maiszucker zu gewinnen, pflanzt man den
Mais zwei Fuß voneinander in langen Reihen an und
zwar so, daß die Pflanzen derselben Reihe drei Zoll von-
einander abstehen. Jm Anfang August bricht man die
jungen Samenkolben, noch ehe sie blühen, sorgfältig ab,
eine Operation, die unerlaßlich ist, und im September
werden die Stengel an der Erde abgeschnitten, die Blät-
ter abgestreift und die abgeschnittenen Stengel unter eine
eiserne Walze gebracht. Der gewonnene Saft wird mit
etwas Kalkwasser ( einem Eßlöffel voll auf jede Gallone )
vermischt nach einer Stunde in den Kessel gefüllt und
darin bis zur Syrupsdicke eingekocht, wobei der obenauf
kommende Schaum sorgfältig weggenommen werden muß.
Jst die Flüssigkeit bis auf das Sechstel ihrer Masse ein-
gekocht, so wird sie in Abkühlgefäße gethan[unleserliches Material] und der Kry-
stallisation überlassen. Jst diese vollendet, so trennt man
den Zucker vom Syrup und raffinirt ihn weiter. Ein
Acker mit Mais, auf die angegebene Weise bepflanzt,
soll 1000 Pf. Rohzucker geben.



[Spaltenumbruch]
Die Armenier.
[Abbildung] Ein armenischer Krieger.

Die heutigen Armenier sind ein stilles, ernstes und
mäßiges Volk. Man findet sie über ganz Asien und
einen großen Theil Europas und zwar in solcher Menge
ausgebreitet, daß man fast glauben möchte, sie hätten
wie die Juden kein Vaterland mehr und wohnten überall,
nur nicht in Armenien; aber dem ist nicht so: es gibt
Armenier genug, die in Armenien ansässig sind, aber
diese treiben nur Ackerbau und Viehzucht, während die in
andern Ländern wohnenden nur Handel treiben und als
Kaufleute zwar einen jüdischen Geist zeigen, im Übrigen
aber durch Fleiß, Sparsamkeit und strenge Sitten sich
auszeichnen.

Sie nennen sich übrigens nicht Armenier, sondern
Haikan von ihrem Stammvater Haik, und ihr Vaterland
Haikia, und halten sich für Abkömmlinge Noah's. Sie
traten sehr frühzeitig zum Christenthume über, trennten
sich jedoch schon um die Mitte des 5. Jahrhunderts in
katholische und schismatische; die letztern nahmen in Chri-
stus blos eine Natur an, die göttliche, während jene zwei
Naturen, die menschliche und die göttliche, vertheidigten.
Diese Trennung hatte für sie die traurigsten Folgen, denn
sie führte zu der bittersten Feindschaft. Die katholischen
Armenier waren an Zahl die schwächern und mußten
Jahrhunderte lang ihren Glauben verheimlichen. Viel-
leicht entstanden durch die lange Unterdrückung auch die
Schattenseiten des armenischen Charakters. Besonders
hatten sie unter der Herrschaft der Türken viele Verfol-
gungen zu erdulden, die meist durch die schismatischen Ar-
menier herbeigeführt wurden. Sie haben jetzt einen ei-
genen Patriarchen, der in Konstantinopel lebt. Der größte
Theil der Armenier aber ist schismatisch. Die schismati-
schen Armenier stimmen in kirchlicher Verfassung, in
religiösen Gebräuchen und selbst in der Lehre mit den
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Kinderraub.

Es findet häufig statt, daß Zigeuner und Bettler Kin-
der stehlen, um diese zu Erwerbsmitteln zu benutzen.
Die Zigeuner und Seiltänzer lehren die Kinder ihre ge-
fährlichen Künste, die Bettler verstümmeln entweder das
Kind, um das Mitleid zu erregen, oder suchen sonst
einen Vortheil mit ihrer unglücklichen Beute zu erreichen.
Ein solcher Fall kam ganz neuerlich in Berlin vor, wo
das zweijährige Töchterchen eines dortigen Bürgers ge-
stohlen wurde. Vergebens suchten die betrübten Ältern
das Kind, und schon hatten sie sich entschlossen, die Po-
licei von ihrem Verluste zu benachrichtigen, als zwei
Mädchen ihnen das Kind zuführten. Nur das Zusam-
mentreffen der glücklichsten Zufälle aber war es, was den
Ältern die Thränen einer langen, vielleicht gänzlichen
Trennung von ihrem Kinde ersparte. Durch die Rosen-
straße am neuen Markt ging nämlich an diesem Abende
ein zerlumptes Weib mit einem Kinde auf dem Arme,
um sich nach ihrer Behausung im Voigtlande, dem ver-
rufenen Stadttheile Berlins, zu begeben. Glücklicher-
weise fiel dies einem Dienstmädchen auf, die das Kind
vor einigen Tagen, wo es in der Rosenstraße zum Be-
suche war und vor der Thür spielte, sah, und sie hatte
den Muth, das Weib anzuhalten und zu fragen, wie
es zu dem Kinde komme. Das Weib behauptete, es
sei das ihre und sie wolle damit nach Hause gehen. Das
muthige Mädchen war hierdurch jedoch nicht zu beschwich-
tigen, sondern [unleserliches Material – 4 Zeichen fehlen]ließ das Weib nicht von der Stelle, so-
daß sich bald viele Menschen um sie sammelten. Ob-
gleich das Dienstmädchen nicht anzugeben wußte, wessen
Kind es sei, so behauptete sie doch bestimmt und ent-
schieden, dasselbe vor einigen Tagen in dieser Straße
spielen gesehen zu haben, und blieb dabei, das Kind sei
von dem Weibe gestohlen worden. Zum Glück erinnerte
sie sich der Herrschaft, wo das Kind zum Besuch gewe-
sen war; man ging zu derselben und diese gab denn
nun die Ältern des Kindes an. Sofort entriß man dem
Weibe das Kind und brachte es zu den Seinigen. Trotz-
dem lief das Weib dem ganzen Schwarme, der das
Mädchen begleitete, bis zu dem neuen Markte nach und
schrie, daß man ihr das Kind nehmen wolle. Hier aber
verschwand sie plötzlich und entzog sich so der wohlver-
dienten Strafe.



Maiszucker.

Um den Maiszucker zu gewinnen, pflanzt man den
Mais zwei Fuß voneinander in langen Reihen an und
zwar so, daß die Pflanzen derselben Reihe drei Zoll von-
einander abstehen. Jm Anfang August bricht man die
jungen Samenkolben, noch ehe sie blühen, sorgfältig ab,
eine Operation, die unerlaßlich ist, und im September
werden die Stengel an der Erde abgeschnitten, die Blät-
ter abgestreift und die abgeschnittenen Stengel unter eine
eiserne Walze gebracht. Der gewonnene Saft wird mit
etwas Kalkwasser ( einem Eßlöffel voll auf jede Gallone )
vermischt nach einer Stunde in den Kessel gefüllt und
darin bis zur Syrupsdicke eingekocht, wobei der obenauf
kommende Schaum sorgfältig weggenommen werden muß.
Jst die Flüssigkeit bis auf das Sechstel ihrer Masse ein-
gekocht, so wird sie in Abkühlgefäße gethan[unleserliches Material] und der Kry-
stallisation überlassen. Jst diese vollendet, so trennt man
den Zucker vom Syrup und raffinirt ihn weiter. Ein
Acker mit Mais, auf die angegebene Weise bepflanzt,
soll 1000 Pf. Rohzucker geben.



[Spaltenumbruch]
Die Armenier.
[Abbildung] Ein armenischer Krieger.

Die heutigen Armenier sind ein stilles, ernstes und
mäßiges Volk. Man findet sie über ganz Asien und
einen großen Theil Europas und zwar in solcher Menge
ausgebreitet, daß man fast glauben möchte, sie hätten
wie die Juden kein Vaterland mehr und wohnten überall,
nur nicht in Armenien; aber dem ist nicht so: es gibt
Armenier genug, die in Armenien ansässig sind, aber
diese treiben nur Ackerbau und Viehzucht, während die in
andern Ländern wohnenden nur Handel treiben und als
Kaufleute zwar einen jüdischen Geist zeigen, im Übrigen
aber durch Fleiß, Sparsamkeit und strenge Sitten sich
auszeichnen.

Sie nennen sich übrigens nicht Armenier, sondern
Haikan von ihrem Stammvater Haik, und ihr Vaterland
Haikia, und halten sich für Abkömmlinge Noah's. Sie
traten sehr frühzeitig zum Christenthume über, trennten
sich jedoch schon um die Mitte des 5. Jahrhunderts in
katholische und schismatische; die letztern nahmen in Chri-
stus blos eine Natur an, die göttliche, während jene zwei
Naturen, die menschliche und die göttliche, vertheidigten.
Diese Trennung hatte für sie die traurigsten Folgen, denn
sie führte zu der bittersten Feindschaft. Die katholischen
Armenier waren an Zahl die schwächern und mußten
Jahrhunderte lang ihren Glauben verheimlichen. Viel-
leicht entstanden durch die lange Unterdrückung auch die
Schattenseiten des armenischen Charakters. Besonders
hatten sie unter der Herrschaft der Türken viele Verfol-
gungen zu erdulden, die meist durch die schismatischen Ar-
menier herbeigeführt wurden. Sie haben jetzt einen ei-
genen Patriarchen, der in Konstantinopel lebt. Der größte
Theil der Armenier aber ist schismatisch. Die schismati-
schen Armenier stimmen in kirchlicher Verfassung, in
religiösen Gebräuchen und selbst in der Lehre mit den
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[244/0004] 244 Kinderraub. Es findet häufig statt, daß Zigeuner und Bettler Kin- der stehlen, um diese zu Erwerbsmitteln zu benutzen. Die Zigeuner und Seiltänzer lehren die Kinder ihre ge- fährlichen Künste, die Bettler verstümmeln entweder das Kind, um das Mitleid zu erregen, oder suchen sonst einen Vortheil mit ihrer unglücklichen Beute zu erreichen. Ein solcher Fall kam ganz neuerlich in Berlin vor, wo das zweijährige Töchterchen eines dortigen Bürgers ge- stohlen wurde. Vergebens suchten die betrübten Ältern das Kind, und schon hatten sie sich entschlossen, die Po- licei von ihrem Verluste zu benachrichtigen, als zwei Mädchen ihnen das Kind zuführten. Nur das Zusam- mentreffen der glücklichsten Zufälle aber war es, was den Ältern die Thränen einer langen, vielleicht gänzlichen Trennung von ihrem Kinde ersparte. 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Der gewonnene Saft wird mit etwas Kalkwasser ( einem Eßlöffel voll auf jede Gallone ) vermischt nach einer Stunde in den Kessel gefüllt und darin bis zur Syrupsdicke eingekocht, wobei der obenauf kommende Schaum sorgfältig weggenommen werden muß. Jst die Flüssigkeit bis auf das Sechstel ihrer Masse ein- gekocht, so wird sie in Abkühlgefäße gethan_ und der Kry- stallisation überlassen. Jst diese vollendet, so trennt man den Zucker vom Syrup und raffinirt ihn weiter. Ein Acker mit Mais, auf die angegebene Weise bepflanzt, soll 1000 Pf. Rohzucker geben. Die Armenier. [Abbildung Ein armenischer Krieger. ] Die heutigen Armenier sind ein stilles, ernstes und mäßiges Volk. Man findet sie über ganz Asien und einen großen Theil Europas und zwar in solcher Menge ausgebreitet, daß man fast glauben möchte, sie hätten wie die Juden kein Vaterland mehr und wohnten überall, nur nicht in Armenien; aber dem ist nicht so: es gibt Armenier genug, die in Armenien ansässig sind, aber diese treiben nur Ackerbau und Viehzucht, während die in andern Ländern wohnenden nur Handel treiben und als Kaufleute zwar einen jüdischen Geist zeigen, im Übrigen aber durch Fleiß, Sparsamkeit und strenge Sitten sich auszeichnen. Sie nennen sich übrigens nicht Armenier, sondern Haikan von ihrem Stammvater Haik, und ihr Vaterland Haikia, und halten sich für Abkömmlinge Noah's. Sie traten sehr frühzeitig zum Christenthume über, trennten sich jedoch schon um die Mitte des 5. Jahrhunderts in katholische und schismatische; die letztern nahmen in Chri- stus blos eine Natur an, die göttliche, während jene zwei Naturen, die menschliche und die göttliche, vertheidigten. Diese Trennung hatte für sie die traurigsten Folgen, denn sie führte zu der bittersten Feindschaft. Die katholischen Armenier waren an Zahl die schwächern und mußten Jahrhunderte lang ihren Glauben verheimlichen. Viel- leicht entstanden durch die lange Unterdrückung auch die Schattenseiten des armenischen Charakters. Besonders hatten sie unter der Herrschaft der Türken viele Verfol- gungen zu erdulden, die meist durch die schismatischen Ar- menier herbeigeführt wurden. Sie haben jetzt einen ei- genen Patriarchen, der in Konstantinopel lebt. Der größte Theil der Armenier aber ist schismatisch. Die schismati- schen Armenier stimmen in kirchlicher Verfassung, in religiösen Gebräuchen und selbst in der Lehre mit den

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 31. Leipzig (Sachsen). 5. August 1843, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig031_1843/4>, abgerufen am 24.11.2024.