Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 24. Leipzig (Sachsen), 17. Juni 1843.

Bild:
<< vorherige Seite
letzte Seite

[Beginn Spaltensatz] die Kunst seit dem 16. Jahrh. ausgeartet ist. Das
Chor ist im gothischen Style gebaut und dermaßen ver-
ziert, daß die Einbildungskraft über der Masse der Ver-
zierungen in Verwirrung geräth.

Der Versuch, die Reichthümer der Kathedrale nach
einander zu beschreiben, wäre eine auffallende Thorheit,
denn könnte man auch ein ganzes Jahr auf ihre Be-
sichtigung verwenden und besichtigte vom Morgen bis
Abend, so hätte man am Ende desselben doch noch nicht
Alles gesehen. Ganze Bände reichten nicht hin, um die
Merkwürdigkeiten darin nur aufzuzählen. Die Schnitz-
werke und Gemälde der größten Meister haben kaum
Platz in den vielen Sakristeien, Kapellen u. s. w.

Man erliegt unter den Herrlichkeiten und Meister-
werken, mit denen jeder Winkel vollgestopft ist; man
weiß nicht, wo man den Kopf hinwenden soll; das Ver-
langen und die Unmöglichkeit, Alles zu sehen, verursa-
chen einem eine Art Fieberschwindel; man will nichts
vergessen und man fühlt in jeder Minute, daß hier ein
Name dem Gedächtniß entfallen, dort ein Zug in der
Einbildung verwischt oder ein Gemälde an die Stelle
eines andern getreten ist. Man zerbricht sich das Ge-
hirn, empfiehlt den Augen, keinen Blick zu verlieren
und gibt der Einbildungskraft mehr zu tragen als sie
tragen kann. Die geringste Ruhe, die Stunden der
Mahlzeit und des Schlafens scheinen ein Diebstahl
an sich selbst; denn die gebieterische Nothwendigkeit reißt
einen fort und bald muß man abreisen.

Da ich nicht von Allem sprechen kann, will ich mich
auf die Erwähnung des heiligen Antonius von Padua
von Murillo beschränken. Dieses Gemälde, das an Magie
der Wirkung nicht seines Gleichen haben kann, schmückt
die Taufkapelle. Der Heilige liegt in Verzückung auf
den Knieen, mitten in seiner Zelle, deren Einzelnheiten
alle mit jener kräftigen Wahrheit wiedergegeben sind,
durch welche sich die spanische Schule auszeichnet. Durch
die halbgeöffnete Thüre sieht man einen jener zur Träu-
merei so einladenden langen weißen, auf Arkaden ruhen-
den Kreuzgänge. Den obern in ein weißes, durchsich-
tiges, duftiges Licht getauchten Theil des Gemäldes neh-
men Engelgruppen von wahrhaft idealer Schönheit ein.
Durch die Macht des Gebets angezogen, steigt das Je-
suskind von Wolke zu Wolke in die Arme des Heiligen
herab, dessen Haupt mit strahlendem Lichte umgeben und
zum Himmel erhoben ist.



Der Regenbogen.

Der Regenbogen ist in Jndien der Bogen des Regen-
gottes Jndra; in China die Stütze des Himmelsgewöl-
bes. Jn Peru ist ihm ein Tempel geweiht, bei den
Karaiben besteht aus ihm das Diadem des Meergottes,
bei den Esthen die Sichel des Donnergottes, bei den
Litthauern der bunte Gürtel der Göttin Laima. Die
Deutschen machten daraus eine Brücke zwischen Him-
mel und Erde, die Griechen eine Götterbotin. Nach
biblischen Vorstellungen ist der Regenbogen ein Bundes-
zeichen, in der katholischen Kirche ein Sinnbild der
Dreieinigkeit auch der Jungfrau Maria.



Miscellen.

Sidi=Ben=Aissa, Sohn des ehemaligen Khalifen des Sa-
hel, der seinem zu den Galeeren verurtheilten Vater nach
[Spaltenumbruch] Frankreich folgte und durch unermüdete Anstrengung endlich
die Freilassung desselben bewirkte, macht gegenwärtig viel Auf-
sehen in Paris. Seit einem Jahre daselbst, spricht er das
Französische mit einer bewundernswürdigen Geläufigkeit; er
hat die arabische Tracht abgelegt und trägt lackirte Stiefeln
und Glacehandschuhe, einen Paletot und einen Kastorhut, stu-
dirt aber auch mit großem Erfolge Mathematik, Geographie,
Geschichte, Ökonomie u. s. w. Jn den Soirees umringt man
ihn als das Wunder des Tages, besonders werden die Damen
nicht müde, Fragen an ihn zu stellen und sich an seinen tref-
fenden Antworten zu ergötzen. So fragte ihn neulich die Grä-
fin Montalivet, was er von Frankreich denke? Die Musel-
männer, antwortete er rasch, haben ein Paradies im Himmel,
die Franzosen haben es schon auf Erden. Als man ihn fragte,
was er mehr liebe, Afrika oder Paris? sagte er mit geistrei-
chem Lächeln: Afrika ist meine Mutter, Paris meine Geliebte.



Lieutenant M'Mundo hat vom Capitain Roß, der sich
bekanntlich auf einer Südpolexpedition befindet, gute Nachrich-
ten nach London gebracht. Die Schiffe Terror und Erebus
unter Capitain Crozier gingen auf ihrer zweiten Fahrt süd-
wärts und untersuchten, sich wie früher zwischen 177° und
180° L. haltend, noch einmal das früher entdeckte Land, das
in einen hohen Berg ausläuft. Man vermuthet, daß sie da
den magnetischen Pol entdeckten und eine Breite von 80°
südl. Br. erreichten.



Jn Norwegen ist die Consumtion des Kaffees seit 1825
von einer Million auf vier Millionen gestiegen.



Der berühmte Fußreisende Mensen Ernst, der sich vorge-
nommen hatte, die Quellen des weißen Nils aufzusuchen,
wurde von der Ruhr befallen und starb zu Ende Januars
in Syene.



Gußeiserne Eisenbahn. Die beabsichtigte Verbin-
dung der liverpool=manchester Eisenbahn bei Hunts=Bank legt
der Bolton=Eisenbahngesellschaft die Verbindlichkeit auf, eine
2--300 Ellen lange Strecke auszuführen. Sie wird durchaus
von Gußeisen hergestellt, und zwar wird die Bahn 18 Fuß
hoch über dem Pflaster gelegt, zu welchem Behufe man 51
gußeiserne Balken, jeden von 7 Tonnen, und eine gleiche An-
zahl Säulen, jede von 5 Tonnen Last, nöthig hat. Überdies
erhält die Straße in ihrer ganzen Länge und Breite einen
gußeisernen Boden. Das Ganze wird ein Gewicht von 1030
Tonnen haben, ohne die Schienen und das Stabeisen. Die
Eisenbahn soll die Mitte der Straße einnehmen und läßt auf
jeder Seite einen Fahrweg frei.



Während den Dampfschiffen nachgesagt wurde, daß sie
die Fische auf ihrem Fahrwasser vertreiben, gehen die Vögel
den Locomotiven zu Liebe. Auf dem berlin=anhaltschen Bahn-
hofe hat sich ein Haubenlerchenpaar hart an der innern Seite
einer Bahnschiene ein Nest erbaut. Trotz der fortwährend
darüber hindonnernden und brausenden Locomotiven hat das
Weibchen vier Eier ausgebrütet und die Jungen wachsen und
gedeihen.



Literarische Anzeige.

Bei August Hirschwald in Berlin ist soeben er-
schienen und in allen Buchhandlungen zu haben:

Schwimm= und Sprung-
Gymnastik.

Beschrieben und bildlich dargestellt
von
Herm. Otto Kluge.
Mit 53 Tafeln Abbildungen.
Gr. 12. Velinpapier. Cartonnirt. Preis 1 Thlr. 10 Sgr.

[Ende Spaltensatz]

Herausgegeben unter Verantwortlichkeit der Verlagshandlung F. A. Brockhaus in Leipzig.

[Beginn Spaltensatz] die Kunst seit dem 16. Jahrh. ausgeartet ist. Das
Chor ist im gothischen Style gebaut und dermaßen ver-
ziert, daß die Einbildungskraft über der Masse der Ver-
zierungen in Verwirrung geräth.

Der Versuch, die Reichthümer der Kathedrale nach
einander zu beschreiben, wäre eine auffallende Thorheit,
denn könnte man auch ein ganzes Jahr auf ihre Be-
sichtigung verwenden und besichtigte vom Morgen bis
Abend, so hätte man am Ende desselben doch noch nicht
Alles gesehen. Ganze Bände reichten nicht hin, um die
Merkwürdigkeiten darin nur aufzuzählen. Die Schnitz-
werke und Gemälde der größten Meister haben kaum
Platz in den vielen Sakristeien, Kapellen u. s. w.

Man erliegt unter den Herrlichkeiten und Meister-
werken, mit denen jeder Winkel vollgestopft ist; man
weiß nicht, wo man den Kopf hinwenden soll; das Ver-
langen und die Unmöglichkeit, Alles zu sehen, verursa-
chen einem eine Art Fieberschwindel; man will nichts
vergessen und man fühlt in jeder Minute, daß hier ein
Name dem Gedächtniß entfallen, dort ein Zug in der
Einbildung verwischt oder ein Gemälde an die Stelle
eines andern getreten ist. Man zerbricht sich das Ge-
hirn, empfiehlt den Augen, keinen Blick zu verlieren
und gibt der Einbildungskraft mehr zu tragen als sie
tragen kann. Die geringste Ruhe, die Stunden der
Mahlzeit und des Schlafens scheinen ein Diebstahl
an sich selbst; denn die gebieterische Nothwendigkeit reißt
einen fort und bald muß man abreisen.

Da ich nicht von Allem sprechen kann, will ich mich
auf die Erwähnung des heiligen Antonius von Padua
von Murillo beschränken. Dieses Gemälde, das an Magie
der Wirkung nicht seines Gleichen haben kann, schmückt
die Taufkapelle. Der Heilige liegt in Verzückung auf
den Knieen, mitten in seiner Zelle, deren Einzelnheiten
alle mit jener kräftigen Wahrheit wiedergegeben sind,
durch welche sich die spanische Schule auszeichnet. Durch
die halbgeöffnete Thüre sieht man einen jener zur Träu-
merei so einladenden langen weißen, auf Arkaden ruhen-
den Kreuzgänge. Den obern in ein weißes, durchsich-
tiges, duftiges Licht getauchten Theil des Gemäldes neh-
men Engelgruppen von wahrhaft idealer Schönheit ein.
Durch die Macht des Gebets angezogen, steigt das Je-
suskind von Wolke zu Wolke in die Arme des Heiligen
herab, dessen Haupt mit strahlendem Lichte umgeben und
zum Himmel erhoben ist.



Der Regenbogen.

Der Regenbogen ist in Jndien der Bogen des Regen-
gottes Jndra; in China die Stütze des Himmelsgewöl-
bes. Jn Peru ist ihm ein Tempel geweiht, bei den
Karaiben besteht aus ihm das Diadem des Meergottes,
bei den Esthen die Sichel des Donnergottes, bei den
Litthauern der bunte Gürtel der Göttin Laima. Die
Deutschen machten daraus eine Brücke zwischen Him-
mel und Erde, die Griechen eine Götterbotin. Nach
biblischen Vorstellungen ist der Regenbogen ein Bundes-
zeichen, in der katholischen Kirche ein Sinnbild der
Dreieinigkeit auch der Jungfrau Maria.



Miscellen.

Sidi=Ben=Aissa, Sohn des ehemaligen Khalifen des Sa-
hel, der seinem zu den Galeeren verurtheilten Vater nach
[Spaltenumbruch] Frankreich folgte und durch unermüdete Anstrengung endlich
die Freilassung desselben bewirkte, macht gegenwärtig viel Auf-
sehen in Paris. Seit einem Jahre daselbst, spricht er das
Französische mit einer bewundernswürdigen Geläufigkeit; er
hat die arabische Tracht abgelegt und trägt lackirte Stiefeln
und Glacéhandschuhe, einen Paletot und einen Kastorhut, stu-
dirt aber auch mit großem Erfolge Mathematik, Geographie,
Geschichte, Ökonomie u. s. w. Jn den Soirées umringt man
ihn als das Wunder des Tages, besonders werden die Damen
nicht müde, Fragen an ihn zu stellen und sich an seinen tref-
fenden Antworten zu ergötzen. So fragte ihn neulich die Grä-
fin Montalivet, was er von Frankreich denke? Die Musel-
männer, antwortete er rasch, haben ein Paradies im Himmel,
die Franzosen haben es schon auf Erden. Als man ihn fragte,
was er mehr liebe, Afrika oder Paris? sagte er mit geistrei-
chem Lächeln: Afrika ist meine Mutter, Paris meine Geliebte.



Lieutenant M'Mundo hat vom Capitain Roß, der sich
bekanntlich auf einer Südpolexpedition befindet, gute Nachrich-
ten nach London gebracht. Die Schiffe Terror und Erebus
unter Capitain Crozier gingen auf ihrer zweiten Fahrt süd-
wärts und untersuchten, sich wie früher zwischen 177° und
180° L. haltend, noch einmal das früher entdeckte Land, das
in einen hohen Berg ausläuft. Man vermuthet, daß sie da
den magnetischen Pol entdeckten und eine Breite von 80°
südl. Br. erreichten.



Jn Norwegen ist die Consumtion des Kaffees seit 1825
von einer Million auf vier Millionen gestiegen.



Der berühmte Fußreisende Mensen Ernst, der sich vorge-
nommen hatte, die Quellen des weißen Nils aufzusuchen,
wurde von der Ruhr befallen und starb zu Ende Januars
in Syene.



Gußeiserne Eisenbahn. Die beabsichtigte Verbin-
dung der liverpool=manchester Eisenbahn bei Hunts=Bank legt
der Bolton=Eisenbahngesellschaft die Verbindlichkeit auf, eine
2—300 Ellen lange Strecke auszuführen. Sie wird durchaus
von Gußeisen hergestellt, und zwar wird die Bahn 18 Fuß
hoch über dem Pflaster gelegt, zu welchem Behufe man 51
gußeiserne Balken, jeden von 7 Tonnen, und eine gleiche An-
zahl Säulen, jede von 5 Tonnen Last, nöthig hat. Überdies
erhält die Straße in ihrer ganzen Länge und Breite einen
gußeisernen Boden. Das Ganze wird ein Gewicht von 1030
Tonnen haben, ohne die Schienen und das Stabeisen. Die
Eisenbahn soll die Mitte der Straße einnehmen und läßt auf
jeder Seite einen Fahrweg frei.



Während den Dampfschiffen nachgesagt wurde, daß sie
die Fische auf ihrem Fahrwasser vertreiben, gehen die Vögel
den Locomotiven zu Liebe. Auf dem berlin=anhaltschen Bahn-
hofe hat sich ein Haubenlerchenpaar hart an der innern Seite
einer Bahnschiene ein Nest erbaut. Trotz der fortwährend
darüber hindonnernden und brausenden Locomotiven hat das
Weibchen vier Eier ausgebrütet und die Jungen wachsen und
gedeihen.



Literarische Anzeige.

Bei August Hirschwald in Berlin ist soeben er-
schienen und in allen Buchhandlungen zu haben:

Schwimm= und Sprung-
Gymnastik.

Beschrieben und bildlich dargestellt
von
Herm. Otto Kluge.
Mit 53 Tafeln Abbildungen.
Gr. 12. Velinpapier. Cartonnirt. Preis 1 Thlr. 10 Sgr.

[Ende Spaltensatz]

Herausgegeben unter Verantwortlichkeit der Verlagshandlung F. A. Brockhaus in Leipzig.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <p><pb facs="#f0008" n="192"/><fw type="pageNum" place="top">192</fw><cb type="start"/>
die Kunst seit dem 16. Jahrh. ausgeartet ist. Das<lb/>
Chor ist im gothischen Style gebaut und dermaßen ver-<lb/>
ziert, daß die Einbildungskraft über der Masse der Ver-<lb/>
zierungen in Verwirrung geräth.</p><lb/>
        <p>Der Versuch, die Reichthümer der Kathedrale nach<lb/>
einander zu beschreiben, wäre eine auffallende Thorheit,<lb/>
denn könnte man auch ein ganzes Jahr auf ihre Be-<lb/>
sichtigung verwenden und besichtigte vom Morgen bis<lb/>
Abend, so hätte man am Ende desselben doch noch nicht<lb/>
Alles gesehen. Ganze Bände reichten nicht hin, um die<lb/>
Merkwürdigkeiten darin nur aufzuzählen. Die Schnitz-<lb/>
werke und Gemälde der größten Meister haben kaum<lb/>
Platz in den vielen Sakristeien, Kapellen u. s. w.</p><lb/>
        <p>Man erliegt unter den Herrlichkeiten und Meister-<lb/>
werken, mit denen jeder Winkel vollgestopft ist; man<lb/>
weiß nicht, wo man den Kopf hinwenden soll; das Ver-<lb/>
langen und die Unmöglichkeit, Alles zu sehen, verursa-<lb/>
chen einem eine Art Fieberschwindel; man will nichts<lb/>
vergessen und man fühlt in jeder Minute, daß hier ein<lb/>
Name dem Gedächtniß entfallen, dort ein Zug in der<lb/>
Einbildung verwischt oder ein Gemälde an die Stelle<lb/>
eines andern getreten ist. Man zerbricht sich das Ge-<lb/>
hirn, empfiehlt den Augen, keinen Blick zu verlieren<lb/>
und gibt der Einbildungskraft mehr zu tragen als sie<lb/>
tragen kann. Die geringste Ruhe, die Stunden der<lb/>
Mahlzeit und des Schlafens scheinen ein Diebstahl<lb/>
an sich selbst; denn die gebieterische Nothwendigkeit reißt<lb/>
einen fort und bald muß man abreisen.</p><lb/>
        <p>Da ich nicht von Allem sprechen kann, will ich mich<lb/>
auf die Erwähnung des heiligen Antonius von Padua<lb/>
von Murillo beschränken. Dieses Gemälde, das an Magie<lb/>
der Wirkung nicht seines Gleichen haben kann, schmückt<lb/>
die Taufkapelle. Der Heilige liegt in Verzückung auf<lb/>
den Knieen, mitten in seiner Zelle, deren Einzelnheiten<lb/>
alle mit jener kräftigen Wahrheit wiedergegeben sind,<lb/>
durch welche sich die spanische Schule auszeichnet. Durch<lb/>
die halbgeöffnete Thüre sieht man einen jener zur Träu-<lb/>
merei so einladenden langen weißen, auf Arkaden ruhen-<lb/>
den Kreuzgänge. Den obern in ein weißes, durchsich-<lb/>
tiges, duftiges Licht getauchten Theil des Gemäldes neh-<lb/>
men Engelgruppen von wahrhaft idealer Schönheit ein.<lb/>
Durch die Macht des Gebets angezogen, steigt das Je-<lb/>
suskind von Wolke zu Wolke in die Arme des Heiligen<lb/>
herab, dessen Haupt mit strahlendem Lichte umgeben und<lb/>
zum Himmel erhoben ist.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr">Der Regenbogen.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">D</hi>er Regenbogen ist in Jndien der Bogen des Regen-<lb/>
gottes Jndra; in China die Stütze des Himmelsgewöl-<lb/>
bes. Jn Peru ist ihm ein Tempel geweiht, bei den<lb/>
Karaiben besteht aus ihm das Diadem des Meergottes,<lb/>
bei den Esthen die Sichel des Donnergottes, bei den<lb/>
Litthauern der bunte Gürtel der Göttin Laima. Die<lb/>
Deutschen machten daraus eine Brücke zwischen Him-<lb/>
mel und Erde, die Griechen eine Götterbotin. Nach<lb/>
biblischen Vorstellungen ist der Regenbogen ein Bundes-<lb/>
zeichen, in der katholischen Kirche ein Sinnbild der<lb/>
Dreieinigkeit auch der Jungfrau Maria.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jVarious" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr">Miscellen.</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <p>Sidi=Ben=Aissa, Sohn des ehemaligen Khalifen des Sa-<lb/>
hel, der seinem zu den Galeeren verurtheilten Vater nach<lb/><cb n="2"/>
Frankreich folgte und durch unermüdete Anstrengung endlich<lb/>
die Freilassung desselben bewirkte, macht gegenwärtig viel Auf-<lb/>
sehen in Paris. Seit einem Jahre daselbst, spricht er das<lb/>
Französische mit einer bewundernswürdigen Geläufigkeit; er<lb/>
hat die arabische Tracht abgelegt und trägt lackirte Stiefeln<lb/>
und Glacéhandschuhe, einen Paletot und einen Kastorhut, stu-<lb/>
dirt aber auch mit großem Erfolge Mathematik, Geographie,<lb/>
Geschichte, Ökonomie u. s. w. Jn den Soirées umringt man<lb/>
ihn als das Wunder des Tages, besonders werden die Damen<lb/>
nicht müde, Fragen an ihn zu stellen und sich an seinen tref-<lb/>
fenden Antworten zu ergötzen. So fragte ihn neulich die Grä-<lb/>
fin Montalivet, was er von Frankreich denke? Die Musel-<lb/>
männer, antwortete er rasch, haben ein Paradies im Himmel,<lb/>
die Franzosen haben es schon auf Erden. Als man ihn fragte,<lb/>
was er mehr liebe, Afrika oder Paris? sagte er mit geistrei-<lb/>
chem Lächeln: Afrika ist meine Mutter, Paris meine Geliebte.   </p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <p>Lieutenant M'Mundo hat vom Capitain Roß, der sich<lb/>
bekanntlich auf einer Südpolexpedition befindet, gute Nachrich-<lb/>
ten nach London gebracht. Die Schiffe Terror und Erebus<lb/>
unter Capitain Crozier gingen auf ihrer zweiten Fahrt süd-<lb/>
wärts und untersuchten, sich wie früher zwischen 177° und<lb/>
180° L. haltend, noch einmal das früher entdeckte Land, das<lb/>
in einen hohen Berg ausläuft. Man vermuthet, daß sie da<lb/>
den magnetischen Pol entdeckten und eine Breite von 80°<lb/>
südl. Br. erreichten.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <p>Jn Norwegen ist die Consumtion des Kaffees seit 1825<lb/>
von einer Million auf vier Millionen gestiegen.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <p>Der berühmte Fußreisende Mensen Ernst, der sich vorge-<lb/>
nommen hatte, die Quellen des weißen Nils aufzusuchen,<lb/>
wurde von der Ruhr befallen und starb zu Ende Januars<lb/>
in Syene.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <p><hi rendition="#g">Gußeiserne Eisenbahn.</hi> Die beabsichtigte Verbin-<lb/>
dung der liverpool=manchester Eisenbahn bei Hunts=Bank legt<lb/>
der Bolton=Eisenbahngesellschaft die Verbindlichkeit auf, eine<lb/>
2&#x2014;300 Ellen lange Strecke auszuführen. Sie wird durchaus<lb/>
von Gußeisen hergestellt, und zwar wird die Bahn 18 Fuß<lb/>
hoch über dem Pflaster gelegt, zu welchem Behufe man 51<lb/>
gußeiserne Balken, jeden von 7 Tonnen, und eine gleiche An-<lb/>
zahl Säulen, jede von 5 Tonnen Last, nöthig hat. Überdies<lb/>
erhält die Straße in ihrer ganzen Länge und Breite einen<lb/>
gußeisernen Boden. Das Ganze wird ein Gewicht von 1030<lb/>
Tonnen haben, ohne die Schienen und das Stabeisen. Die<lb/>
Eisenbahn soll die Mitte der Straße einnehmen und läßt auf<lb/>
jeder Seite einen Fahrweg frei.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <p>Während den Dampfschiffen nachgesagt wurde, daß sie<lb/>
die Fische auf ihrem Fahrwasser vertreiben, gehen die Vögel<lb/>
den Locomotiven zu Liebe. Auf dem berlin=anhaltschen Bahn-<lb/>
hofe hat sich ein Haubenlerchenpaar hart an der innern Seite<lb/>
einer Bahnschiene ein Nest erbaut. Trotz der fortwährend<lb/>
darüber hindonnernden und brausenden Locomotiven hat das<lb/>
Weibchen vier Eier ausgebrütet und die Jungen wachsen und<lb/>
gedeihen.</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jAn" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr">Literarische Anzeige.</hi> </head><lb/>
        <p>Bei August Hirschwald in Berlin ist soeben er-<lb/>
schienen und in allen Buchhandlungen zu haben:   </p><lb/>
        <p> <hi rendition="#fr #b #larger #c">Schwimm= und Sprung-<lb/>
Gymnastik.</hi><lb/> <hi rendition="#c"><hi rendition="#fr">Beschrieben und bildlich dargestellt</hi><lb/>
von<lb/><hi rendition="#aq">Herm. Otto Kluge.</hi><lb/><hi rendition="#fr">Mit 53 Tafeln Abbildungen.</hi><lb/>
Gr. 12. Velinpapier. Cartonnirt. Preis 1 Thlr. 10 Sgr.</hi> </p>
      </div><lb/>
      <cb type="end"/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
    </body>
    <back>
      <div type="imprint" n="1">
        <p> <hi rendition="#c">Herausgegeben unter Verantwortlichkeit der Verlagshandlung F. A. <hi rendition="#g">Brockhaus</hi> in <hi rendition="#g">Leipzig</hi>.</hi> </p>
      </div>
    </back>
  </text>
</TEI>
[192/0008] 192 die Kunst seit dem 16. Jahrh. ausgeartet ist. Das Chor ist im gothischen Style gebaut und dermaßen ver- ziert, daß die Einbildungskraft über der Masse der Ver- zierungen in Verwirrung geräth. Der Versuch, die Reichthümer der Kathedrale nach einander zu beschreiben, wäre eine auffallende Thorheit, denn könnte man auch ein ganzes Jahr auf ihre Be- sichtigung verwenden und besichtigte vom Morgen bis Abend, so hätte man am Ende desselben doch noch nicht Alles gesehen. Ganze Bände reichten nicht hin, um die Merkwürdigkeiten darin nur aufzuzählen. Die Schnitz- werke und Gemälde der größten Meister haben kaum Platz in den vielen Sakristeien, Kapellen u. s. w. Man erliegt unter den Herrlichkeiten und Meister- werken, mit denen jeder Winkel vollgestopft ist; man weiß nicht, wo man den Kopf hinwenden soll; das Ver- langen und die Unmöglichkeit, Alles zu sehen, verursa- chen einem eine Art Fieberschwindel; man will nichts vergessen und man fühlt in jeder Minute, daß hier ein Name dem Gedächtniß entfallen, dort ein Zug in der Einbildung verwischt oder ein Gemälde an die Stelle eines andern getreten ist. Man zerbricht sich das Ge- hirn, empfiehlt den Augen, keinen Blick zu verlieren und gibt der Einbildungskraft mehr zu tragen als sie tragen kann. Die geringste Ruhe, die Stunden der Mahlzeit und des Schlafens scheinen ein Diebstahl an sich selbst; denn die gebieterische Nothwendigkeit reißt einen fort und bald muß man abreisen. Da ich nicht von Allem sprechen kann, will ich mich auf die Erwähnung des heiligen Antonius von Padua von Murillo beschränken. Dieses Gemälde, das an Magie der Wirkung nicht seines Gleichen haben kann, schmückt die Taufkapelle. Der Heilige liegt in Verzückung auf den Knieen, mitten in seiner Zelle, deren Einzelnheiten alle mit jener kräftigen Wahrheit wiedergegeben sind, durch welche sich die spanische Schule auszeichnet. Durch die halbgeöffnete Thüre sieht man einen jener zur Träu- merei so einladenden langen weißen, auf Arkaden ruhen- den Kreuzgänge. Den obern in ein weißes, durchsich- tiges, duftiges Licht getauchten Theil des Gemäldes neh- men Engelgruppen von wahrhaft idealer Schönheit ein. Durch die Macht des Gebets angezogen, steigt das Je- suskind von Wolke zu Wolke in die Arme des Heiligen herab, dessen Haupt mit strahlendem Lichte umgeben und zum Himmel erhoben ist. Der Regenbogen. Der Regenbogen ist in Jndien der Bogen des Regen- gottes Jndra; in China die Stütze des Himmelsgewöl- bes. Jn Peru ist ihm ein Tempel geweiht, bei den Karaiben besteht aus ihm das Diadem des Meergottes, bei den Esthen die Sichel des Donnergottes, bei den Litthauern der bunte Gürtel der Göttin Laima. Die Deutschen machten daraus eine Brücke zwischen Him- mel und Erde, die Griechen eine Götterbotin. Nach biblischen Vorstellungen ist der Regenbogen ein Bundes- zeichen, in der katholischen Kirche ein Sinnbild der Dreieinigkeit auch der Jungfrau Maria. Miscellen. Sidi=Ben=Aissa, Sohn des ehemaligen Khalifen des Sa- hel, der seinem zu den Galeeren verurtheilten Vater nach Frankreich folgte und durch unermüdete Anstrengung endlich die Freilassung desselben bewirkte, macht gegenwärtig viel Auf- sehen in Paris. Seit einem Jahre daselbst, spricht er das Französische mit einer bewundernswürdigen Geläufigkeit; er hat die arabische Tracht abgelegt und trägt lackirte Stiefeln und Glacéhandschuhe, einen Paletot und einen Kastorhut, stu- dirt aber auch mit großem Erfolge Mathematik, Geographie, Geschichte, Ökonomie u. s. w. Jn den Soirées umringt man ihn als das Wunder des Tages, besonders werden die Damen nicht müde, Fragen an ihn zu stellen und sich an seinen tref- fenden Antworten zu ergötzen. So fragte ihn neulich die Grä- fin Montalivet, was er von Frankreich denke? Die Musel- männer, antwortete er rasch, haben ein Paradies im Himmel, die Franzosen haben es schon auf Erden. Als man ihn fragte, was er mehr liebe, Afrika oder Paris? sagte er mit geistrei- chem Lächeln: Afrika ist meine Mutter, Paris meine Geliebte. Lieutenant M'Mundo hat vom Capitain Roß, der sich bekanntlich auf einer Südpolexpedition befindet, gute Nachrich- ten nach London gebracht. Die Schiffe Terror und Erebus unter Capitain Crozier gingen auf ihrer zweiten Fahrt süd- wärts und untersuchten, sich wie früher zwischen 177° und 180° L. haltend, noch einmal das früher entdeckte Land, das in einen hohen Berg ausläuft. Man vermuthet, daß sie da den magnetischen Pol entdeckten und eine Breite von 80° südl. Br. erreichten. Jn Norwegen ist die Consumtion des Kaffees seit 1825 von einer Million auf vier Millionen gestiegen. Der berühmte Fußreisende Mensen Ernst, der sich vorge- nommen hatte, die Quellen des weißen Nils aufzusuchen, wurde von der Ruhr befallen und starb zu Ende Januars in Syene. Gußeiserne Eisenbahn. Die beabsichtigte Verbin- dung der liverpool=manchester Eisenbahn bei Hunts=Bank legt der Bolton=Eisenbahngesellschaft die Verbindlichkeit auf, eine 2—300 Ellen lange Strecke auszuführen. Sie wird durchaus von Gußeisen hergestellt, und zwar wird die Bahn 18 Fuß hoch über dem Pflaster gelegt, zu welchem Behufe man 51 gußeiserne Balken, jeden von 7 Tonnen, und eine gleiche An- zahl Säulen, jede von 5 Tonnen Last, nöthig hat. Überdies erhält die Straße in ihrer ganzen Länge und Breite einen gußeisernen Boden. Das Ganze wird ein Gewicht von 1030 Tonnen haben, ohne die Schienen und das Stabeisen. Die Eisenbahn soll die Mitte der Straße einnehmen und läßt auf jeder Seite einen Fahrweg frei. Während den Dampfschiffen nachgesagt wurde, daß sie die Fische auf ihrem Fahrwasser vertreiben, gehen die Vögel den Locomotiven zu Liebe. Auf dem berlin=anhaltschen Bahn- hofe hat sich ein Haubenlerchenpaar hart an der innern Seite einer Bahnschiene ein Nest erbaut. Trotz der fortwährend darüber hindonnernden und brausenden Locomotiven hat das Weibchen vier Eier ausgebrütet und die Jungen wachsen und gedeihen. Literarische Anzeige. Bei August Hirschwald in Berlin ist soeben er- schienen und in allen Buchhandlungen zu haben: Schwimm= und Sprung- Gymnastik. Beschrieben und bildlich dargestellt von Herm. Otto Kluge. Mit 53 Tafeln Abbildungen. Gr. 12. Velinpapier. Cartonnirt. Preis 1 Thlr. 10 Sgr. Herausgegeben unter Verantwortlichkeit der Verlagshandlung F. A. Brockhaus in Leipzig.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription
Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

Weitere Informationen:

Siehe Dokumentation




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig024_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig024_1843/8
Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 24. Leipzig (Sachsen), 17. Juni 1843, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig024_1843/8>, abgerufen am 21.11.2024.