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Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 52. Prag, 1835.

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Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz] Personen, die eines Verbrechens beschuldigt worden,
wobei sein besonderes Jnteresse im Spiel war, ohne
vorangegangene Gerichtsprozedur zum Strange haben
verurtheilen lassen. Der Bischof entrüstet über diesen
Mißbrauch der Amtsgewalt, bewirkte, daß der Prä-
sident zu strenger Verantwortung gezogen, die Ge-
schwornen von Amiens aber, welche dieser Will-
kührlichkeit sich nicht widersetzt, zu einer Strafe von
1000 Mark Silbers verurtheilt wurden, außerdem
aber sechs Kapellen bauen und für jede eine Stif-
tung von jährlich 20 französischen Livres errichten
mußten.

Die Kathedrale wurde von verschiedenen berühm-
ten Personen besucht und war auch der Schauplatz
einiger wichtiger Ereignisse. Karl VII., Ludwig
XI., Karl VIII., Ludwig XII., Franz I.,
Heinrich II., Karl IX., Heinrich IV., Lud-
wig
XIII., Ludwig XIV. von Frankreich, Hein-
rich
V. von England und der unglückliche Jakob II.,
so wie Kaiser Paul I. von Rußland haben alle
der Kirche von Amiens Beweise ihrer Freigebigkeit
oder ihrer Andacht zurückgelassen.

Hier war es auch, wo Philipp August von
Frankreich mit Jngelbroja, die in demselben
Jahre hier gekrönt wurde, seine Vermählung feierte,
deßgleichen auch Karl VI. mit Jsabella von
Baiern.

Daselbst wurden auch verschiedene Verträge
zwischen Frankreich und England abgeschlossen und
es war in derselben Kirche, wo Eduard I. Kö-
nig von England, Philipp von Valois den
Huldigungseid leistete, als Vasall der französischen
Krone für die Landgebiete, welche er in Frank-
reich besaß.     S.



Das Lottospiel.

Die Heimath des Lottospieles ist Jtalien, und
es entstand daselbst im Mittelalter, zunächst durch
Kaufleute, welche ihre Waaren dadurch abzusetzen
suchten, daß sie jeden, der Lust hatte, eine Nummer
für geringen Einsatz aus einem Glückstopfe ziehen,
und eine damit bezeichnete Waare gewinnen ließen.
Begreiflich ist es, daß man die wachsende Neigung
zu derlei Glücksspielen sehr bald zu Finanzspekula-
tionen benützte und zu solchem Entzwecke läßt sich
schon im 16ten Jahrhunderte ein Lotto nachweisen,
welches zu Venedig unter obrigkeitlichem Schutze
bestand.

Aus Jtalien wanderten diese Waarenlotterien
in das Nachbarland Frankreich, und hier war es,
wo in der Mitte des 17ten Jahrhunderts, im Jahre
1657 der Jtaliener Laurentio Tonti zu Paris,
das Lotto zuerst in seiner wahren Form als Glücks-
spiel einführte. Durch die, schon im Jahre 1699
zu Nürnberg errichtete erste Klassenlotterie brei-
tete sich dasselbe immer mehr in Deutschland aus,
und seine verschiedenen Arten erhielten später in
Genua einen Zuwachs um Eine, die noch anzie-
hender und interessanter als alle Uebrigen war, und
mit ganz wenigen, unbedeutenden Abänderungen die-
selbe ist, welche noch heut zu Tage bei uns besteht.
Ueber den eigentlichen Ursprung dieser letztern Spiel-
art, welche lange Zeit nach der Stadt, wo sie ent-
stand, Lotto di Genova genannt wurde, sind die
verschiedenartigsten Gerüchte und Sagen verbreitet,
und eine derselben läßt sogar einen Jsraeliten ihren
Erfinder seyn, welcher wegen schwerer Verbrechen
[Spaltenumbruch] im Kerker sitzend, seiner nahen Hinrichtung mit
Schrecken entgegensah, und dem Gefangenwärter
eröffnete, wenn ihm sein Leben geschenkt würde, so
wolle er einen Vorschlag machen, bei dessen Befol-
gung die Stadt Genua gar bald solle von der
drückenden Last ihrer Schulden befreit seyn. Haschend
nach jedem Mittel, das Aushilfe zu versprechen
schien, ließen die Genueser Behörden den Vorschlag
des Gefangenen gegen seine Freiheitsversicherung
sich bekannt machen, prüften und fanden ihn wirk-
lich zur Leistung des angegebenen Dienstes so
überaus geeignet, daß sie alsbald seine Einführung
im Großen zu Stande brachten.

Seit dieser Zeit wanderte das Lotto di Genova
bald in seiner ursprünglichen Gestalt als Schulden-
rettungsmittel, bald als Gesellschaftsspiel durch
Länder und Städte, und langte um die Mitte des
18ten Jahrhunderts, auch in der Kaiserstadt Wien
an. Von welchem Gesichtspunkte man es gleich da-
mals dort betrachtete, davon gibt uns ein im Jahre
1756 bei Georg Bauer herausgegebenes Werk
Kunde, welches den Titel führt: "Die Kunst die
Welt mitzunehmen in den verschiedenen Arten der
Spiele" u. s. w. Wir führen daraus wörtlich fol-
gende Stelle an:

"Seit vielen Jahren her, hat das Spiel Lotto
di Genova
sich schon vor vielen andern, ja fast
vor allen Lotterien wegen seiner innerlichen Treff-
lichkeit und Schönheit erhoben. Der Röm. Kais.
und Königl. Ungarische und Böhmische Hof, hat es
vor etlichen kurzen Jahren für wohlersprießlich, und
als eines unter den erlaubten, allgemeinen Landes-
Ergötzungen vollkommenes Spiel angesehen, daß er
es in den k. k. Deutschen Erblanden einführen ließ."

Ueber die Art und Weise dieser Einführung
sagt das genannte Werk ferner: "Vor Allem ging
die preiswürdigste Sorgfalt dahin, bei Errichtung
eines so ausnehmenden Werkes, an dem so viele
Jnwohner Theil nehmen sollten, einen ansehnlichen,
und der Sachen am besten kündigen Directorem
generalem
anzusetzen, der nicht nur durch weise
Veranstaltung eines wohleingerichteten Bureau, son-
dern auch durch eigene Sicherheits = Stellung den
allgemeinen Landes=Credit bestens in diesem Spiele
unterstützen, wie auch insbesondere dieses blos auf
die Liebe und Milde gegen des Unterthans und Jn-
wohners Ergötzungen gegründete Werk befördern
möchte. Der S. T. des Heil. Röm. Reichs Ritter
Octavio, Edler von Cataldi, wurde als erster,
privilegirter Verpachter und General = Direktor auf-
gestellt, ( der zu mehrerer Sicherheit der Mitspielen-
den in der Wiener Stadtbank dreimalhunderttausend
Gulden erlegen mußte ) der durch seinen unermüde-
ten Fleiß, auserlesene Wahl der, zu glücklicher und
ordentlicher Besorgung der Lotterie erforderlichen
Gehilfen und Personen, und durch seine bekannte
genaue Aufmerksamkeit, dem Publiko alle mögliche
Gewährschaft zu leisten, zur allerhöchsten Approba-
tion, Bewunderung und Vergnügen aller Kenner bis
dahero diesem großen Werke eine wahre und bestän-
dige Stärke gegeben."

Diesen Notitzen folgt ein Spielplan, den wir
übergehen und mit der Bemerkung schließen, daß
das Lotto di Genova im Verlaufe des Jahres 1752
auch in unserm Vaterlande eingeführt wurde, und
durch lebendige Theilnahme bis auf den heutigen
Tag sich erhalten hat.     P.



[Ende Spaltensatz]

Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz] Personen, die eines Verbrechens beschuldigt worden,
wobei sein besonderes Jnteresse im Spiel war, ohne
vorangegangene Gerichtsprozedur zum Strange haben
verurtheilen lassen. Der Bischof entrüstet über diesen
Mißbrauch der Amtsgewalt, bewirkte, daß der Prä-
sident zu strenger Verantwortung gezogen, die Ge-
schwornen von Amiens aber, welche dieser Will-
kührlichkeit sich nicht widersetzt, zu einer Strafe von
1000 Mark Silbers verurtheilt wurden, außerdem
aber sechs Kapellen bauen und für jede eine Stif-
tung von jährlich 20 französischen Livres errichten
mußten.

Die Kathedrale wurde von verschiedenen berühm-
ten Personen besucht und war auch der Schauplatz
einiger wichtiger Ereignisse. Karl VII., Ludwig
XI., Karl VIII., Ludwig XII., Franz I.,
Heinrich II., Karl IX., Heinrich IV., Lud-
wig
XIII., Ludwig XIV. von Frankreich, Hein-
rich
V. von England und der unglückliche Jakob II.,
so wie Kaiser Paul I. von Rußland haben alle
der Kirche von Amiens Beweise ihrer Freigebigkeit
oder ihrer Andacht zurückgelassen.

Hier war es auch, wo Philipp August von
Frankreich mit Jngelbroja, die in demselben
Jahre hier gekrönt wurde, seine Vermählung feierte,
deßgleichen auch Karl VI. mit Jsabella von
Baiern.

Daselbst wurden auch verschiedene Verträge
zwischen Frankreich und England abgeschlossen und
es war in derselben Kirche, wo Eduard I. Kö-
nig von England, Philipp von Valois den
Huldigungseid leistete, als Vasall der französischen
Krone für die Landgebiete, welche er in Frank-
reich besaß.     S.



Das Lottospiel.

Die Heimath des Lottospieles ist Jtalien, und
es entstand daselbst im Mittelalter, zunächst durch
Kaufleute, welche ihre Waaren dadurch abzusetzen
suchten, daß sie jeden, der Lust hatte, eine Nummer
für geringen Einsatz aus einem Glückstopfe ziehen,
und eine damit bezeichnete Waare gewinnen ließen.
Begreiflich ist es, daß man die wachsende Neigung
zu derlei Glücksspielen sehr bald zu Finanzspekula-
tionen benützte und zu solchem Entzwecke läßt sich
schon im 16ten Jahrhunderte ein Lotto nachweisen,
welches zu Venedig unter obrigkeitlichem Schutze
bestand.

Aus Jtalien wanderten diese Waarenlotterien
in das Nachbarland Frankreich, und hier war es,
wo in der Mitte des 17ten Jahrhunderts, im Jahre
1657 der Jtaliener Laurentio Tonti zu Paris,
das Lotto zuerst in seiner wahren Form als Glücks-
spiel einführte. Durch die, schon im Jahre 1699
zu Nürnberg errichtete erste Klassenlotterie brei-
tete sich dasselbe immer mehr in Deutschland aus,
und seine verschiedenen Arten erhielten später in
Genua einen Zuwachs um Eine, die noch anzie-
hender und interessanter als alle Uebrigen war, und
mit ganz wenigen, unbedeutenden Abänderungen die-
selbe ist, welche noch heut zu Tage bei uns besteht.
Ueber den eigentlichen Ursprung dieser letztern Spiel-
art, welche lange Zeit nach der Stadt, wo sie ent-
stand, Lotto di Genova genannt wurde, sind die
verschiedenartigsten Gerüchte und Sagen verbreitet,
und eine derselben läßt sogar einen Jsraeliten ihren
Erfinder seyn, welcher wegen schwerer Verbrechen
[Spaltenumbruch] im Kerker sitzend, seiner nahen Hinrichtung mit
Schrecken entgegensah, und dem Gefangenwärter
eröffnete, wenn ihm sein Leben geschenkt würde, so
wolle er einen Vorschlag machen, bei dessen Befol-
gung die Stadt Genua gar bald solle von der
drückenden Last ihrer Schulden befreit seyn. Haschend
nach jedem Mittel, das Aushilfe zu versprechen
schien, ließen die Genueser Behörden den Vorschlag
des Gefangenen gegen seine Freiheitsversicherung
sich bekannt machen, prüften und fanden ihn wirk-
lich zur Leistung des angegebenen Dienstes so
überaus geeignet, daß sie alsbald seine Einführung
im Großen zu Stande brachten.

Seit dieser Zeit wanderte das Lotto di Genova
bald in seiner ursprünglichen Gestalt als Schulden-
rettungsmittel, bald als Gesellschaftsspiel durch
Länder und Städte, und langte um die Mitte des
18ten Jahrhunderts, auch in der Kaiserstadt Wien
an. Von welchem Gesichtspunkte man es gleich da-
mals dort betrachtete, davon gibt uns ein im Jahre
1756 bei Georg Bauer herausgegebenes Werk
Kunde, welches den Titel führt: „Die Kunst die
Welt mitzunehmen in den verschiedenen Arten der
Spiele“ u. s. w. Wir führen daraus wörtlich fol-
gende Stelle an:

„Seit vielen Jahren her, hat das Spiel Lotto
di Genova
sich schon vor vielen andern, ja fast
vor allen Lotterien wegen seiner innerlichen Treff-
lichkeit und Schönheit erhoben. Der Röm. Kais.
und Königl. Ungarische und Böhmische Hof, hat es
vor etlichen kurzen Jahren für wohlersprießlich, und
als eines unter den erlaubten, allgemeinen Landes-
Ergötzungen vollkommenes Spiel angesehen, daß er
es in den k. k. Deutschen Erblanden einführen ließ.“

Ueber die Art und Weise dieser Einführung
sagt das genannte Werk ferner: „Vor Allem ging
die preiswürdigste Sorgfalt dahin, bei Errichtung
eines so ausnehmenden Werkes, an dem so viele
Jnwohner Theil nehmen sollten, einen ansehnlichen,
und der Sachen am besten kündigen Directorem
generalem
anzusetzen, der nicht nur durch weise
Veranstaltung eines wohleingerichteten Bureau, son-
dern auch durch eigene Sicherheits = Stellung den
allgemeinen Landes=Credit bestens in diesem Spiele
unterstützen, wie auch insbesondere dieses blos auf
die Liebe und Milde gegen des Unterthans und Jn-
wohners Ergötzungen gegründete Werk befördern
möchte. Der S. T. des Heil. Röm. Reichs Ritter
Octavio, Edler von Cataldi, wurde als erster,
privilegirter Verpachter und General = Direktor auf-
gestellt, ( der zu mehrerer Sicherheit der Mitspielen-
den in der Wiener Stadtbank dreimalhunderttausend
Gulden erlegen mußte ) der durch seinen unermüde-
ten Fleiß, auserlesene Wahl der, zu glücklicher und
ordentlicher Besorgung der Lotterie erforderlichen
Gehilfen und Personen, und durch seine bekannte
genaue Aufmerksamkeit, dem Publiko alle mögliche
Gewährschaft zu leisten, zur allerhöchsten Approba-
tion, Bewunderung und Vergnügen aller Kenner bis
dahero diesem großen Werke eine wahre und bestän-
dige Stärke gegeben.“

Diesen Notitzen folgt ein Spielplan, den wir
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das Lotto di Genova im Verlaufe des Jahres 1752
auch in unserm Vaterlande eingeführt wurde, und
durch lebendige Theilnahme bis auf den heutigen
Tag sich erhalten hat.     P.



[Ende Spaltensatz]
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Karl VII., Ludwig XI., Karl VIII., Ludwig XII., Franz I., Heinrich II., Karl IX., Heinrich IV., Lud- wig XIII., Ludwig XIV. von Frankreich, Hein- rich V. von England und der unglückliche Jakob II., so wie Kaiser Paul I. von Rußland haben alle der Kirche von Amiens Beweise ihrer Freigebigkeit oder ihrer Andacht zurückgelassen. Hier war es auch, wo Philipp August von Frankreich mit Jngelbroja, die in demselben Jahre hier gekrönt wurde, seine Vermählung feierte, deßgleichen auch Karl VI. mit Jsabella von Baiern. Daselbst wurden auch verschiedene Verträge zwischen Frankreich und England abgeschlossen und es war in derselben Kirche, wo Eduard I. Kö- nig von England, Philipp von Valois den Huldigungseid leistete, als Vasall der französischen Krone für die Landgebiete, welche er in Frank- reich besaß. S. Das Lottospiel. 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Wir führen daraus wörtlich fol- gende Stelle an: „Seit vielen Jahren her, hat das Spiel Lotto di Genova sich schon vor vielen andern, ja fast vor allen Lotterien wegen seiner innerlichen Treff- lichkeit und Schönheit erhoben. Der Röm. Kais. und Königl. Ungarische und Böhmische Hof, hat es vor etlichen kurzen Jahren für wohlersprießlich, und als eines unter den erlaubten, allgemeinen Landes- Ergötzungen vollkommenes Spiel angesehen, daß er es in den k. k. Deutschen Erblanden einführen ließ.“ Ueber die Art und Weise dieser Einführung sagt das genannte Werk ferner: „Vor Allem ging die preiswürdigste Sorgfalt dahin, bei Errichtung eines so ausnehmenden Werkes, an dem so viele Jnwohner Theil nehmen sollten, einen ansehnlichen, und der Sachen am besten kündigen Directorem generalem anzusetzen, der nicht nur durch weise Veranstaltung eines wohleingerichteten Bureau, son- dern auch durch eigene Sicherheits = Stellung den allgemeinen Landes=Credit bestens in diesem Spiele unterstützen, wie auch insbesondere dieses blos auf die Liebe und Milde gegen des Unterthans und Jn- wohners Ergötzungen gegründete Werk befördern möchte. Der S. T. des Heil. Röm. 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Zitationshilfe: Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 52. Prag, 1835, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_panorama52_1835/3>, abgerufen am 23.11.2024.