Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 13. Prag, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz] len. Die Männer sind in Wollentuch gekleidet, die
Weiber größtentheils weiß oder grau, mit knappen
weißen Hauben, die Kleider nach dem einfachsten
Schnitt, ohne Gürtel, mit hohen Absätzen an den
Schuhen, Brusttüchern und weißen Taschentüchern,
welche alle in gleicher Weise über einen ihrer Arme
hängen. Sie begeben sich in ihr Bethaus im feier-
lichen Zuge, paarweise, und jedes Geschlecht gehet
durch eine andere Thüre ein. Jn dem Bethaus setzt
sich jedes Geschlecht gleichfalls getrennt nieder. Es
ist sehr reinlich, und der Boden weißer als der
blankste Tisch in einer Haushaltung. Die Versamm-
lung hart in feierlicher Stille, und einer gänzlichen
bewegungslosen Haltung des Körpers, und besonders
sind es die Frauen, deren Mehrzahl schon bejahrt
ist, welche durch ihre magere, kränkliche und leichen-
hafte Gesichtsfarbe und in das gespenstische Weiß
gekleidet, wie Wesen aus einer andern Welt aus-
sehen. Man glaubt dem letzten Gerichte beizuwoh-
nen, und dieß seyen abgeschiedene Geister, welche
eben aus ihren Gräberu erwacht wären, und in
ihre Grabeskleider gehüllt, des letzten Urtheils
harren.

Endlich, nach einer langen, todtenähnlichen
Pause erhebt sich einer der Aeltern von seinem Sitze,
um eine kurze Rede zu halten, dann singt die Ver-
sammlung eine Art Hymne. Während dieses Gesan-
ges bewegen sich die Füsse unausgesetzt; abwechselnd
wird der rechte und linke Fuß in einer Art tanzen-
der Bewegung gehoben, ohne jedoch daß Jemand
seinen Platz veränderte; dazu kömmt eine possen-
hafte Neigung des Körpers von einer Seite anf
die andere, welches bei dem Ernste dieser Bewegung
sehr komisch für den Zuschauer sich ausnimmt. Nach
Beendigung eines zweiten Liedes setzen sich Alle
wieder nieder, und nach einer Pause ruft Einer:
"laßt uns arbeiten!" Plötzlich stehen Alle auf, tra-
gen ihre Bänke, auf welchen sie gesessen, bei Seite,
wo sie solche an den Wänden des Saales aufstel-
len. Hierauf gehen die Männer zu einer Reihe in
der Mauer befestigten Zapfen, ziehen ihre Röcke
aus, die sie an diese Zapfen aufhängen, und erschei-
nen in ihren Hemdeärmeln.

Auf ihre ersten Plätze zurückgekehrt, stellen sich
die Männer so wie die Frauen reihenweise auf, und
das Gesicht der Wand und den Rücken den Zu-
schauern zugewendet, fangen sie eine Art von Schlot-
tern und Wackeln mit den Füssen und ein Rühren
der Hände vor der Brust an, und schreiten in dieser
wunderlichen Bewegung abwechselnd zu und ab, dann
drehen sie sich herum und bewegen sich wieder in
der entgegengesetzten Richtung vorwärts und rück-
wärts, tänzelnd und gestikulierend, als seyen sie
etwas weniges toll geworden. Zu allen dem gesellt
sich ein unmusikalischer, näselnder Ton, welcher da-
zu dienen soll, den Takt und die Gleichförmigkeit
der Schritte einzuhalten.

Nach einiger Zeit ändert sich die Szene. Eine
größere Lebhaftigkeit tritt ein. Die Leute hüpfen
plötzlich in einem doppelten Kreis um den Saal;
die Frauen in dem inneren Ringe, die Männer in
dem Aeußern; darauf wechseln sie die Rollen, die
Männer schwingen sich in den innern Kreis, und
die Frauen in den Aeußern. Dann wandeln sich
die zwei Ringe in einen, und durch ein geschicktes
Manöver kehren die Männer plötzlich rechts um,
und treffen am entgegengesetzten Ende des Saales
auf die Frauen, und wirbeln und begegnen sich,
[Spaltenumbruch] und wendeu sich ab, und wogen mit den Händen,
den Köpfen, dem Körper und den Beinen, und sum-
men und brummen, lauter und lauter, wie der Tanz
sich mehr und mehr aufregt. Jn gewissen Zwischen-
räumen bleiben sie plötzlich stehen, und begrüßen
sich wechselweise, singen einige Strophen, und be-
ginnen dann diese beklagenswerthe Ceremonie von
neuem wieder. Am Ende des Ganzen bekomplimen-
tiren sie sich zu guter Letzt, worauf die Männer zu
den Zapfen gehen, an welchen ihre Röcke hängen,
sie ziehen diese an, und schreiten wieder zu den
Thüren heraus, durch welche sie hereingekommen
waren. Paar und Paar kehren sie Alle in ihre
Wohnungen zurück. -- Welche Narrheiten von ver-
nünftig seyn wollenden Wesen!     J. J. P



Das Fabrikswesen der österreichischen
Monarchie.
( Aus der österreichischen National = Encyclopädie. )

Fabriken und Manufakturen, diese erfreulichen
Beweise des Kunstfleißes, so wie des zunehmenden
Wohlstandes der Völker, sind in den österreichischen
Staaten seit einem Zeitraume von ungefähr 30 Jah-
ren zu einem Grade der Vollkommenheit gediehen,
auf welchem sie in den meisten Zweigen keine Kon-
kurrenz mit ausländischen Produkten zu scheuen haben,
ja viele derselben weit übertreffen, und in einigen
unerreichbar dastehen, zu welch' letzter Klasse die
berühmten Wiener Fortepiano, Wägen, so wie die
geschmackvollen Wiener Shawls und böhmischen Cat-
tun- ( Percail= ) Druckwaaren gehören, welche gewiß
den meisten französischen und englischen Produkten
dieser Art gleichzustellen, ja vorzuziehen sind. Jn
neuerer Zeit wurde auch an der Akademie der bil-
denden Künste in Wien eine Schule zur Anwendung
der Kunst auf Fabrikation gebildet, welche den Ge-
schmack sehr beförderte; es entstanden technische Lehr-
kanzeln an mehreren Orten; in Jtalien wurden die
von der französischen Regierung begründeten Preis-
vertheilungen beibehalten und jedes Jahr, abwech-
selnd zu Mailand und Venedig, fortgesetzt, um
den Erfindungsgeist zu wecken und verdienstvolle Un-
ternehmungen ehrenvoll auszuzeichnen. Es wurde
zuerst 1828 in Prag eine Ausstellung böhmischer
Jndustrieprodukte angeordnet, welche später auch in
Wien ihre Nachahmung gefunden, jedoch als Privat-
unternehmung sich nicht erhalten hat, Endlich wurde
auch durch das Patent von 1820 zur Ertheilung
von Privilegien über Erfindungen, ein neuer bedeu-
tender Schritt zur Gewerbsfreiheit gemacht, und
dadurch viele neue, mitunter sehr zweckmäßige Ein-
richtungen ins Leben gerufen, indem jeder Besitzer
eines solchen Privilegiums Fabrikant im ausgedehn-
testen Sinne des Wortes ist. So bildete sich denn
unter dem besonderen Schutz und durch die Munifi-
cenz weil. des Kaisers Franz in einem verhältniß-
mäßig sehr kurzen Zetraume jener hohe Stand der
Nationalindustrie, welche gegenwärtig, etwa England
und Frankreich ( und vielleicht größtentheils nur rück-
sichtlich des Materials ) ausgenommen, sicher keinem
andern Lande mehr nachsteht. Oesterreich steht nun
dadurch auf jener glücklichen Stufe, wo es, vom
Auslande beinahe gänzlich unabhängig, nicht nur
alle gewöhnlichen Hausbedürfnisse, und die meisten
Luxusgegenstände selbst, sondern viele sogar besser
[Ende Spaltensatz]

Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz] len. Die Männer sind in Wollentuch gekleidet, die
Weiber größtentheils weiß oder grau, mit knappen
weißen Hauben, die Kleider nach dem einfachsten
Schnitt, ohne Gürtel, mit hohen Absätzen an den
Schuhen, Brusttüchern und weißen Taschentüchern,
welche alle in gleicher Weise über einen ihrer Arme
hängen. Sie begeben sich in ihr Bethaus im feier-
lichen Zuge, paarweise, und jedes Geschlecht gehet
durch eine andere Thüre ein. Jn dem Bethaus setzt
sich jedes Geschlecht gleichfalls getrennt nieder. Es
ist sehr reinlich, und der Boden weißer als der
blankste Tisch in einer Haushaltung. Die Versamm-
lung hart in feierlicher Stille, und einer gänzlichen
bewegungslosen Haltung des Körpers, und besonders
sind es die Frauen, deren Mehrzahl schon bejahrt
ist, welche durch ihre magere, kränkliche und leichen-
hafte Gesichtsfarbe und in das gespenstische Weiß
gekleidet, wie Wesen aus einer andern Welt aus-
sehen. Man glaubt dem letzten Gerichte beizuwoh-
nen, und dieß seyen abgeschiedene Geister, welche
eben aus ihren Gräberu erwacht wären, und in
ihre Grabeskleider gehüllt, des letzten Urtheils
harren.

Endlich, nach einer langen, todtenähnlichen
Pause erhebt sich einer der Aeltern von seinem Sitze,
um eine kurze Rede zu halten, dann singt die Ver-
sammlung eine Art Hymne. Während dieses Gesan-
ges bewegen sich die Füsse unausgesetzt; abwechselnd
wird der rechte und linke Fuß in einer Art tanzen-
der Bewegung gehoben, ohne jedoch daß Jemand
seinen Platz veränderte; dazu kömmt eine possen-
hafte Neigung des Körpers von einer Seite anf
die andere, welches bei dem Ernste dieser Bewegung
sehr komisch für den Zuschauer sich ausnimmt. Nach
Beendigung eines zweiten Liedes setzen sich Alle
wieder nieder, und nach einer Pause ruft Einer:
„laßt uns arbeiten!“ Plötzlich stehen Alle auf, tra-
gen ihre Bänke, auf welchen sie gesessen, bei Seite,
wo sie solche an den Wänden des Saales aufstel-
len. Hierauf gehen die Männer zu einer Reihe in
der Mauer befestigten Zapfen, ziehen ihre Röcke
aus, die sie an diese Zapfen aufhängen, und erschei-
nen in ihren Hemdeärmeln.

Auf ihre ersten Plätze zurückgekehrt, stellen sich
die Männer so wie die Frauen reihenweise auf, und
das Gesicht der Wand und den Rücken den Zu-
schauern zugewendet, fangen sie eine Art von Schlot-
tern und Wackeln mit den Füssen und ein Rühren
der Hände vor der Brust an, und schreiten in dieser
wunderlichen Bewegung abwechselnd zu und ab, dann
drehen sie sich herum und bewegen sich wieder in
der entgegengesetzten Richtung vorwärts und rück-
wärts, tänzelnd und gestikulierend, als seyen sie
etwas weniges toll geworden. Zu allen dem gesellt
sich ein unmusikalischer, näselnder Ton, welcher da-
zu dienen soll, den Takt und die Gleichförmigkeit
der Schritte einzuhalten.

Nach einiger Zeit ändert sich die Szene. Eine
größere Lebhaftigkeit tritt ein. Die Leute hüpfen
plötzlich in einem doppelten Kreis um den Saal;
die Frauen in dem inneren Ringe, die Männer in
dem Aeußern; darauf wechseln sie die Rollen, die
Männer schwingen sich in den innern Kreis, und
die Frauen in den Aeußern. Dann wandeln sich
die zwei Ringe in einen, und durch ein geschicktes
Manöver kehren die Männer plötzlich rechts um,
und treffen am entgegengesetzten Ende des Saales
auf die Frauen, und wirbeln und begegnen sich,
[Spaltenumbruch] und wendeu sich ab, und wogen mit den Händen,
den Köpfen, dem Körper und den Beinen, und sum-
men und brummen, lauter und lauter, wie der Tanz
sich mehr und mehr aufregt. Jn gewissen Zwischen-
räumen bleiben sie plötzlich stehen, und begrüßen
sich wechselweise, singen einige Strophen, und be-
ginnen dann diese beklagenswerthe Ceremonie von
neuem wieder. Am Ende des Ganzen bekomplimen-
tiren sie sich zu guter Letzt, worauf die Männer zu
den Zapfen gehen, an welchen ihre Röcke hängen,
sie ziehen diese an, und schreiten wieder zu den
Thüren heraus, durch welche sie hereingekommen
waren. Paar und Paar kehren sie Alle in ihre
Wohnungen zurück. — Welche Narrheiten von ver-
nünftig seyn wollenden Wesen!     J. J. P



Das Fabrikswesen der österreichischen
Monarchie.
( Aus der österreichischen National = Encyclopädie. )

Fabriken und Manufakturen, diese erfreulichen
Beweise des Kunstfleißes, so wie des zunehmenden
Wohlstandes der Völker, sind in den österreichischen
Staaten seit einem Zeitraume von ungefähr 30 Jah-
ren zu einem Grade der Vollkommenheit gediehen,
auf welchem sie in den meisten Zweigen keine Kon-
kurrenz mit ausländischen Produkten zu scheuen haben,
ja viele derselben weit übertreffen, und in einigen
unerreichbar dastehen, zu welch' letzter Klasse die
berühmten Wiener Fortepiano, Wägen, so wie die
geschmackvollen Wiener Shawls und böhmischen Cat-
tun- ( Percail= ) Druckwaaren gehören, welche gewiß
den meisten französischen und englischen Produkten
dieser Art gleichzustellen, ja vorzuziehen sind. Jn
neuerer Zeit wurde auch an der Akademie der bil-
denden Künste in Wien eine Schule zur Anwendung
der Kunst auf Fabrikation gebildet, welche den Ge-
schmack sehr beförderte; es entstanden technische Lehr-
kanzeln an mehreren Orten; in Jtalien wurden die
von der französischen Regierung begründeten Preis-
vertheilungen beibehalten und jedes Jahr, abwech-
selnd zu Mailand und Venedig, fortgesetzt, um
den Erfindungsgeist zu wecken und verdienstvolle Un-
ternehmungen ehrenvoll auszuzeichnen. Es wurde
zuerst 1828 in Prag eine Ausstellung böhmischer
Jndustrieprodukte angeordnet, welche später auch in
Wien ihre Nachahmung gefunden, jedoch als Privat-
unternehmung sich nicht erhalten hat, Endlich wurde
auch durch das Patent von 1820 zur Ertheilung
von Privilegien über Erfindungen, ein neuer bedeu-
tender Schritt zur Gewerbsfreiheit gemacht, und
dadurch viele neue, mitunter sehr zweckmäßige Ein-
richtungen ins Leben gerufen, indem jeder Besitzer
eines solchen Privilegiums Fabrikant im ausgedehn-
testen Sinne des Wortes ist. So bildete sich denn
unter dem besonderen Schutz und durch die Munifi-
cenz weil. des Kaisers Franz in einem verhältniß-
mäßig sehr kurzen Zetraume jener hohe Stand der
Nationalindustrie, welche gegenwärtig, etwa England
und Frankreich ( und vielleicht größtentheils nur rück-
sichtlich des Materials ) ausgenommen, sicher keinem
andern Lande mehr nachsteht. Oesterreich steht nun
dadurch auf jener glücklichen Stufe, wo es, vom
Auslande beinahe gänzlich unabhängig, nicht nur
alle gewöhnlichen Hausbedürfnisse, und die meisten
Luxusgegenstände selbst, sondern viele sogar besser
[Ende Spaltensatz]

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <p><pb facs="#f0007" n="103"/><fw type="header" place="top"><hi rendition="#g">Panorama des Universums.</hi></fw><cb type="start"/>
len. Die Männer sind in Wollentuch gekleidet, die<lb/>
Weiber größtentheils weiß oder grau, mit knappen<lb/>
weißen Hauben, die Kleider nach dem einfachsten<lb/>
Schnitt, ohne Gürtel, mit hohen Absätzen an den<lb/>
Schuhen, Brusttüchern und weißen Taschentüchern,<lb/>
welche alle in gleicher Weise über einen ihrer Arme<lb/>
hängen. Sie begeben sich in ihr Bethaus im feier-<lb/>
lichen Zuge, paarweise, und jedes Geschlecht gehet<lb/>
durch eine andere Thüre ein. Jn dem Bethaus setzt<lb/>
sich jedes Geschlecht gleichfalls getrennt nieder. Es<lb/>
ist sehr reinlich, und der Boden weißer als der<lb/>
blankste Tisch in einer Haushaltung. Die Versamm-<lb/>
lung hart in feierlicher Stille, und einer gänzlichen<lb/>
bewegungslosen Haltung des Körpers, und besonders<lb/>
sind es die Frauen, deren Mehrzahl schon bejahrt<lb/>
ist, welche durch ihre magere, kränkliche und leichen-<lb/>
hafte Gesichtsfarbe und in das gespenstische Weiß<lb/>
gekleidet, wie Wesen aus einer andern Welt aus-<lb/>
sehen. Man glaubt dem letzten Gerichte beizuwoh-<lb/>
nen, und dieß seyen abgeschiedene Geister, welche<lb/>
eben aus ihren Gräberu erwacht wären, und in<lb/>
ihre Grabeskleider gehüllt, des letzten Urtheils<lb/>
harren.</p><lb/>
        <p>Endlich, nach einer langen, todtenähnlichen<lb/>
Pause erhebt sich einer der Aeltern von seinem Sitze,<lb/>
um eine kurze Rede zu halten, dann singt die Ver-<lb/>
sammlung eine Art Hymne. Während dieses Gesan-<lb/>
ges bewegen sich die Füsse unausgesetzt; abwechselnd<lb/>
wird der rechte und linke Fuß in einer Art tanzen-<lb/>
der Bewegung gehoben, ohne jedoch daß Jemand<lb/>
seinen Platz veränderte; dazu kömmt eine possen-<lb/>
hafte Neigung des Körpers von einer Seite anf<lb/>
die andere, welches bei dem Ernste dieser Bewegung<lb/>
sehr komisch für den Zuschauer sich ausnimmt. Nach<lb/>
Beendigung eines zweiten Liedes setzen sich Alle<lb/>
wieder nieder, und nach einer Pause ruft Einer:<lb/>
&#x201E;laßt uns arbeiten!&#x201C; Plötzlich stehen Alle auf, tra-<lb/>
gen ihre Bänke, auf welchen sie gesessen, bei Seite,<lb/>
wo sie solche an den Wänden des Saales aufstel-<lb/>
len. Hierauf gehen die Männer zu einer Reihe in<lb/>
der Mauer befestigten Zapfen, ziehen ihre Röcke<lb/>
aus, die sie an diese Zapfen aufhängen, und erschei-<lb/>
nen in ihren Hemdeärmeln.</p><lb/>
        <p>Auf ihre ersten Plätze zurückgekehrt, stellen sich<lb/>
die Männer so wie die Frauen reihenweise auf, und<lb/>
das Gesicht der Wand und den Rücken den Zu-<lb/>
schauern zugewendet, fangen sie eine Art von Schlot-<lb/>
tern und Wackeln mit den Füssen und ein Rühren<lb/>
der Hände vor der Brust an, und schreiten in dieser<lb/>
wunderlichen Bewegung abwechselnd zu und ab, dann<lb/>
drehen sie sich herum und bewegen sich wieder in<lb/>
der entgegengesetzten Richtung vorwärts und rück-<lb/>
wärts, tänzelnd und gestikulierend, als seyen sie<lb/>
etwas weniges toll geworden. Zu allen dem gesellt<lb/>
sich ein unmusikalischer, näselnder Ton, welcher da-<lb/>
zu dienen soll, den Takt und die Gleichförmigkeit<lb/>
der Schritte einzuhalten.</p><lb/>
        <p>Nach einiger Zeit ändert sich die Szene. Eine<lb/>
größere Lebhaftigkeit tritt ein. Die Leute hüpfen<lb/>
plötzlich in einem doppelten Kreis um den Saal;<lb/>
die Frauen in dem inneren Ringe, die Männer in<lb/>
dem Aeußern; darauf wechseln sie die Rollen, die<lb/>
Männer schwingen sich in den innern Kreis, und<lb/>
die Frauen in den Aeußern. Dann wandeln sich<lb/>
die zwei Ringe in einen, und durch ein geschicktes<lb/>
Manöver kehren die Männer plötzlich rechts um,<lb/>
und treffen am entgegengesetzten Ende des Saales<lb/>
auf die Frauen, und wirbeln und begegnen sich,<lb/><cb n="2"/>
und wendeu sich ab, und wogen mit den Händen,<lb/>
den Köpfen, dem Körper und den Beinen, und sum-<lb/>
men und brummen, lauter und lauter, wie der Tanz<lb/>
sich mehr und mehr aufregt. Jn gewissen Zwischen-<lb/>
räumen bleiben sie plötzlich stehen, und begrüßen<lb/>
sich wechselweise, singen einige Strophen, und be-<lb/>
ginnen dann diese beklagenswerthe Ceremonie von<lb/>
neuem wieder. Am Ende des Ganzen bekomplimen-<lb/>
tiren sie sich zu guter Letzt, worauf die Männer zu<lb/>
den Zapfen gehen, an welchen ihre Röcke hängen,<lb/>
sie ziehen diese an, und schreiten wieder zu den<lb/>
Thüren heraus, durch welche sie hereingekommen<lb/>
waren. Paar und Paar kehren sie Alle in ihre<lb/>
Wohnungen zurück. &#x2014; Welche Narrheiten von ver-<lb/>
nünftig seyn wollenden Wesen!  <space dim="horizontal"/>  J. J. P</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head><hi rendition="#fr">Das Fabrikswesen der österreichischen</hi><lb/><hi rendition="#g">Monarchie.</hi><lb/>
( Aus der österreichischen National = Encyclopädie. )</head><lb/>
        <p>Fabriken und Manufakturen, diese erfreulichen<lb/>
Beweise des Kunstfleißes, so wie des zunehmenden<lb/>
Wohlstandes der Völker, sind in den österreichischen<lb/>
Staaten seit einem Zeitraume von ungefähr 30 Jah-<lb/>
ren zu einem Grade der Vollkommenheit gediehen,<lb/>
auf welchem sie in den meisten Zweigen keine Kon-<lb/>
kurrenz mit ausländischen Produkten zu scheuen haben,<lb/>
ja viele derselben weit übertreffen, und in einigen<lb/>
unerreichbar dastehen, zu welch' letzter Klasse die<lb/>
berühmten Wiener Fortepiano, Wägen, so wie die<lb/>
geschmackvollen Wiener Shawls und böhmischen Cat-<lb/>
tun- ( Percail= ) Druckwaaren gehören, welche gewiß<lb/>
den meisten französischen und englischen Produkten<lb/>
dieser Art gleichzustellen, ja vorzuziehen sind. Jn<lb/>
neuerer Zeit wurde auch an der Akademie der bil-<lb/>
denden Künste in <hi rendition="#g">Wien</hi> eine Schule zur Anwendung<lb/>
der Kunst auf Fabrikation gebildet, welche den Ge-<lb/>
schmack sehr beförderte; es entstanden technische Lehr-<lb/>
kanzeln an mehreren Orten; in Jtalien wurden die<lb/>
von der französischen Regierung begründeten Preis-<lb/>
vertheilungen beibehalten und jedes Jahr, abwech-<lb/>
selnd zu <hi rendition="#g">Mailand</hi> und <hi rendition="#g">Venedig,</hi> fortgesetzt, um<lb/>
den Erfindungsgeist zu wecken und verdienstvolle Un-<lb/>
ternehmungen ehrenvoll auszuzeichnen. Es wurde<lb/>
zuerst 1828 in <hi rendition="#g">Prag</hi> eine Ausstellung böhmischer<lb/>
Jndustrieprodukte angeordnet, welche später auch in<lb/><hi rendition="#g">Wien</hi> ihre Nachahmung gefunden, jedoch als Privat-<lb/>
unternehmung sich nicht erhalten hat, Endlich wurde<lb/>
auch durch das Patent von 1820 zur Ertheilung<lb/>
von Privilegien über Erfindungen, ein neuer bedeu-<lb/>
tender Schritt zur Gewerbsfreiheit gemacht, und<lb/>
dadurch viele neue, mitunter sehr zweckmäßige Ein-<lb/>
richtungen ins Leben gerufen, indem jeder Besitzer<lb/>
eines solchen Privilegiums Fabrikant im ausgedehn-<lb/>
testen Sinne des Wortes ist. So bildete sich denn<lb/>
unter dem besonderen Schutz und durch die Munifi-<lb/>
cenz weil. des Kaisers <hi rendition="#g">Franz</hi> in einem verhältniß-<lb/>
mäßig sehr kurzen Zetraume jener hohe Stand der<lb/>
Nationalindustrie, welche gegenwärtig, etwa England<lb/>
und Frankreich ( und vielleicht größtentheils nur rück-<lb/>
sichtlich des Materials ) ausgenommen, sicher keinem<lb/>
andern Lande mehr nachsteht. Oesterreich steht nun<lb/>
dadurch auf jener glücklichen Stufe, wo es, vom<lb/>
Auslande beinahe gänzlich unabhängig, nicht nur<lb/>
alle gewöhnlichen Hausbedürfnisse, und die meisten<lb/>
Luxusgegenstände selbst, sondern viele sogar besser<lb/><cb type="end"/>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[103/0007] Panorama des Universums. len. Die Männer sind in Wollentuch gekleidet, die Weiber größtentheils weiß oder grau, mit knappen weißen Hauben, die Kleider nach dem einfachsten Schnitt, ohne Gürtel, mit hohen Absätzen an den Schuhen, Brusttüchern und weißen Taschentüchern, welche alle in gleicher Weise über einen ihrer Arme hängen. Sie begeben sich in ihr Bethaus im feier- lichen Zuge, paarweise, und jedes Geschlecht gehet durch eine andere Thüre ein. Jn dem Bethaus setzt sich jedes Geschlecht gleichfalls getrennt nieder. Es ist sehr reinlich, und der Boden weißer als der blankste Tisch in einer Haushaltung. Die Versamm- lung hart in feierlicher Stille, und einer gänzlichen bewegungslosen Haltung des Körpers, und besonders sind es die Frauen, deren Mehrzahl schon bejahrt ist, welche durch ihre magere, kränkliche und leichen- hafte Gesichtsfarbe und in das gespenstische Weiß gekleidet, wie Wesen aus einer andern Welt aus- sehen. Man glaubt dem letzten Gerichte beizuwoh- nen, und dieß seyen abgeschiedene Geister, welche eben aus ihren Gräberu erwacht wären, und in ihre Grabeskleider gehüllt, des letzten Urtheils harren. Endlich, nach einer langen, todtenähnlichen Pause erhebt sich einer der Aeltern von seinem Sitze, um eine kurze Rede zu halten, dann singt die Ver- sammlung eine Art Hymne. Während dieses Gesan- ges bewegen sich die Füsse unausgesetzt; abwechselnd wird der rechte und linke Fuß in einer Art tanzen- der Bewegung gehoben, ohne jedoch daß Jemand seinen Platz veränderte; dazu kömmt eine possen- hafte Neigung des Körpers von einer Seite anf die andere, welches bei dem Ernste dieser Bewegung sehr komisch für den Zuschauer sich ausnimmt. Nach Beendigung eines zweiten Liedes setzen sich Alle wieder nieder, und nach einer Pause ruft Einer: „laßt uns arbeiten!“ Plötzlich stehen Alle auf, tra- gen ihre Bänke, auf welchen sie gesessen, bei Seite, wo sie solche an den Wänden des Saales aufstel- len. Hierauf gehen die Männer zu einer Reihe in der Mauer befestigten Zapfen, ziehen ihre Röcke aus, die sie an diese Zapfen aufhängen, und erschei- nen in ihren Hemdeärmeln. Auf ihre ersten Plätze zurückgekehrt, stellen sich die Männer so wie die Frauen reihenweise auf, und das Gesicht der Wand und den Rücken den Zu- schauern zugewendet, fangen sie eine Art von Schlot- tern und Wackeln mit den Füssen und ein Rühren der Hände vor der Brust an, und schreiten in dieser wunderlichen Bewegung abwechselnd zu und ab, dann drehen sie sich herum und bewegen sich wieder in der entgegengesetzten Richtung vorwärts und rück- wärts, tänzelnd und gestikulierend, als seyen sie etwas weniges toll geworden. Zu allen dem gesellt sich ein unmusikalischer, näselnder Ton, welcher da- zu dienen soll, den Takt und die Gleichförmigkeit der Schritte einzuhalten. Nach einiger Zeit ändert sich die Szene. Eine größere Lebhaftigkeit tritt ein. Die Leute hüpfen plötzlich in einem doppelten Kreis um den Saal; die Frauen in dem inneren Ringe, die Männer in dem Aeußern; darauf wechseln sie die Rollen, die Männer schwingen sich in den innern Kreis, und die Frauen in den Aeußern. Dann wandeln sich die zwei Ringe in einen, und durch ein geschicktes Manöver kehren die Männer plötzlich rechts um, und treffen am entgegengesetzten Ende des Saales auf die Frauen, und wirbeln und begegnen sich, und wendeu sich ab, und wogen mit den Händen, den Köpfen, dem Körper und den Beinen, und sum- men und brummen, lauter und lauter, wie der Tanz sich mehr und mehr aufregt. Jn gewissen Zwischen- räumen bleiben sie plötzlich stehen, und begrüßen sich wechselweise, singen einige Strophen, und be- ginnen dann diese beklagenswerthe Ceremonie von neuem wieder. Am Ende des Ganzen bekomplimen- tiren sie sich zu guter Letzt, worauf die Männer zu den Zapfen gehen, an welchen ihre Röcke hängen, sie ziehen diese an, und schreiten wieder zu den Thüren heraus, durch welche sie hereingekommen waren. Paar und Paar kehren sie Alle in ihre Wohnungen zurück. — Welche Narrheiten von ver- nünftig seyn wollenden Wesen! J. J. P Das Fabrikswesen der österreichischen Monarchie. ( Aus der österreichischen National = Encyclopädie. ) Fabriken und Manufakturen, diese erfreulichen Beweise des Kunstfleißes, so wie des zunehmenden Wohlstandes der Völker, sind in den österreichischen Staaten seit einem Zeitraume von ungefähr 30 Jah- ren zu einem Grade der Vollkommenheit gediehen, auf welchem sie in den meisten Zweigen keine Kon- kurrenz mit ausländischen Produkten zu scheuen haben, ja viele derselben weit übertreffen, und in einigen unerreichbar dastehen, zu welch' letzter Klasse die berühmten Wiener Fortepiano, Wägen, so wie die geschmackvollen Wiener Shawls und böhmischen Cat- tun- ( Percail= ) Druckwaaren gehören, welche gewiß den meisten französischen und englischen Produkten dieser Art gleichzustellen, ja vorzuziehen sind. Jn neuerer Zeit wurde auch an der Akademie der bil- denden Künste in Wien eine Schule zur Anwendung der Kunst auf Fabrikation gebildet, welche den Ge- schmack sehr beförderte; es entstanden technische Lehr- kanzeln an mehreren Orten; in Jtalien wurden die von der französischen Regierung begründeten Preis- vertheilungen beibehalten und jedes Jahr, abwech- selnd zu Mailand und Venedig, fortgesetzt, um den Erfindungsgeist zu wecken und verdienstvolle Un- ternehmungen ehrenvoll auszuzeichnen. Es wurde zuerst 1828 in Prag eine Ausstellung böhmischer Jndustrieprodukte angeordnet, welche später auch in Wien ihre Nachahmung gefunden, jedoch als Privat- unternehmung sich nicht erhalten hat, Endlich wurde auch durch das Patent von 1820 zur Ertheilung von Privilegien über Erfindungen, ein neuer bedeu- tender Schritt zur Gewerbsfreiheit gemacht, und dadurch viele neue, mitunter sehr zweckmäßige Ein- richtungen ins Leben gerufen, indem jeder Besitzer eines solchen Privilegiums Fabrikant im ausgedehn- testen Sinne des Wortes ist. So bildete sich denn unter dem besonderen Schutz und durch die Munifi- cenz weil. des Kaisers Franz in einem verhältniß- mäßig sehr kurzen Zetraume jener hohe Stand der Nationalindustrie, welche gegenwärtig, etwa England und Frankreich ( und vielleicht größtentheils nur rück- sichtlich des Materials ) ausgenommen, sicher keinem andern Lande mehr nachsteht. Oesterreich steht nun dadurch auf jener glücklichen Stufe, wo es, vom Auslande beinahe gänzlich unabhängig, nicht nur alle gewöhnlichen Hausbedürfnisse, und die meisten Luxusgegenstände selbst, sondern viele sogar besser

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_panorama13_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_panorama13_1836/7
Zitationshilfe: Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 13. Prag, 1836, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_panorama13_1836/7>, abgerufen am 24.11.2024.