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Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 13. Prag, 1836.

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Das wohlfeilste
Panorama des Universums

zur
erheiternden Belehrung für Jedermann und alle Länder.


N ro. 13.    Erscheint jeden Sonnabend.1836.


[Beginn Spaltensatz]
Prag.
( Mit einer Abbildung als Beilage. )

Die uralte Hauptstadt Böhmens, mit ihren
zahllosen Thürmen und Kuppeln, mit einem Um-
fange von beinahe 4 Stunden und dem längsten
Durchmesser, vom Spittelthor bis zum Reichsthore
von einer Stunde, schien bei ihrer Entstehung schon
selbst von der Natur dazu bestimmt, die Erste des
Reiches zu werden, da sie gerade im Herzen des
Landes ( 32° 5 / L. und 50° 5 / 18 // Br. ) in einem
Thale sich ausbreitet, dessen Klima zu den mildesten
Böhmens gehört; wenn aber gleich die Wärme schier
verhältnißmäßig einen höhern Grad als die Kälte
erreicht, so ist doch die Veränderung der Temperatur
oft schnell und heftig, und Personen von zarter Or-
ganisation müssen, selbst im Sommer, ihre Kleidung
darnach einrichten. Der Ursprung der Stadt ver-
liert sich im fabelhaften Alter der Geschichte Böh-
mens; doch war sie im 13. Jahrhundert schon fest
genug, um von den drohenden Horden der Tarta-
ren nichts mehr befürchten zu dürfen, und erhielt
ihre jetzige Gestalt und Ausdehnung großentheils
unter Karl IV. Die Kämpfe der Hussiten, die
Angriffe der Schweden im 30jährigen Kriege, so wie
die Belagerungen von 1744 und 1757 richteten
große Verwüstungen in Prag an; doch sind seitdem
bald zwei Jahrhunderte vergangen, und die Stadt
hat sich von dem Rost der Vorzeit vollkommen ge-
reinigt. Mit dem ehrfurchtgebietenden Ansehen ihres
hohen Alters verbindet sie die nothwendigen Be-
quemlichkeiten, welche mancher Residenzstadt fehlen.
Prag ist mit Kanälen durchzogen, welche Reinlich-
keit und Gesundheit so sehr befördern. Das Stra-
ßenpflaster ist an den meisten Stellen eben und gut.
Man hat sogar schon Versuche gemacht, Trottoirs
von Gußeisen zu legen, deren weitere Verbreitung
sehr zu wünschen wäre. Aus dunkeln Winkeln sind
durch Abreißung unansehnlicher Gebäude reinliche
Plätze geworden; die Wegschaffung der hölzernen
Vordächer an den Hausthüren und Gewölbern hat
die Straßen freundlicher und scheinbar breiter ge-
macht; Hügel sind abgegraben, Vertiefungen ausge-
füllt worden; auch die Hausbesitzer haben durch
einfache und geschmackvolle Bauten oder Renovirung
ihrer Häuser das Jhrige zur allgemeinen Verschöne-
rung beigetragen; die Beleuchtung ist reichlicher als
ehedem, und die vortheilhafte Einrichtung ( welche
man bei vielen großen Städten vermißt ) , daß an
allen Straßen und Plätzen der Name in deutscher
und böhmischer Sprache auf Zinkblechtafeln lakirte
weiß angeschrieben steht, ist beibehalten, und zwar
[Spaltenumbruch] so, daß nicht nur, wie in andern Städten, diese
Bezeichnung an den äußersten Enden geschieht, son-
dern man findet sie hier bei jeder Wegscheide oder
Mündung einer Nebenstraße, an manchen Stellen
fast häufiger, als es die Nothwendigkeit erfordert.
Ueberdieß haben alle Häuser ( für jedes Hauptviertel
besonders ) fortlaufende Nummern, was es dem Frem-
den, mit nur einigermaßen bestimmten Adressen, trotz
der weiten Ausdehnung, sehr erleichtert, Jemanden
aufzufinden. Vorzüglich schreiben sich die meisten
Verbesserungen und Verschönerungen Prags, so wie
die in großer Progression vorwärts schreitende Be-
völkerung und durch dieselbe erhöhte Lebhaftigkeit
der Stadt -- die man vor etwa dreißig Jahren
noch mit vollem Rechte eine stille Stadt nennen
konnte -- aus dem gegenwärtigen Jahrhundert. Wäh-
rend die hohe Landesregierung durch Straßen und Ei-
senbahnen, durch Beförderung der Elbeschifffahrt und
der böhmischen Heilquellen wie durch Gewerbsausstel-
lungen und den Schutz, den sie dem Verein zur Auf-
munterung
des Gewerbsgeistes gewährt, den
Flor und das Gedeihen des ganzen Reiches, und da-
mit zugleich den gemeinsamen Mittelpunkt aller Lan-
deskräfte, die Hauptstadt, mit einer seltenen Thatkraft
erhöht und vermehrt, ist ihr der Trost der Armen, wie
die Verschönerung der Städte und des Landes ein
nicht minder beachteter Gegenstand, der sich gleich-
falls des schönsten Fortschreitens rühmt.

Die allgemeine Armenversorgungs-
Anstalt,
welche kleine jährliche und freiwillige
Beiträge von den Bewohnern Prags in Empfang
nimmt, und durch zweckmäßige Vertheilung ge-
gen die lästige Haus = und Strassenbettelei wirkt,
ist ins Leben getreten, und hat bereits die schönsten
Früchte getragen. -- Eine neuerrichtete Realschule
eröffnete den Söhnen der böhmischen Bürger eine
neue Aussicht, sich zu nützlichen Gliedern des Staa-
tes auszubilden. -- Zwei Kinderwartanstalten
in den ärmsten und entlegensten Stadttheilen ver-
schaffen den Kindern dürftiger Bewohner Prags die
Wohlthat der Aufsicht und ersten Belehrung. --
Eine freiwillige Arbeitsanstalt gibt thätigen
und verschämten Armen Gelegenheit, sich ihr tägli-
ches Brot zu verdienen. -- Durch die Sorgfalt des
verstorbenen Professor Klar's ist eine Versor-
gungs- und Beschäftigungs=Anstalt
für
erwachsene Blinde begründet worden, ein frommes
Werk der Christenliebe, welches der Verewigte bei
seinem Hinübergange seiner sanften, menschenliebenden
Gattin und Sohne als das schönste Erbe hinterließ.
-- Selbst das leere Ceremoniell hat sich in eine
Handlung der Nächstenliebe verwandelt, indem der
Obristburggraf die Neujahrs=Gratulationen
[Ende Spaltensatz]

Das wohlfeilste
Panorama des Universums

zur
erheiternden Belehrung für Jedermann und alle Länder.


N ro. 13.    Erscheint jeden Sonnabend.1836.


[Beginn Spaltensatz]
Prag.
( Mit einer Abbildung als Beilage. )

Die uralte Hauptstadt Böhmens, mit ihren
zahllosen Thürmen und Kuppeln, mit einem Um-
fange von beinahe 4 Stunden und dem längsten
Durchmesser, vom Spittelthor bis zum Reichsthore
von einer Stunde, schien bei ihrer Entstehung schon
selbst von der Natur dazu bestimmt, die Erste des
Reiches zu werden, da sie gerade im Herzen des
Landes ( 32° 5 / L. und 50° 5 / 18 // Br. ) in einem
Thale sich ausbreitet, dessen Klima zu den mildesten
Böhmens gehört; wenn aber gleich die Wärme schier
verhältnißmäßig einen höhern Grad als die Kälte
erreicht, so ist doch die Veränderung der Temperatur
oft schnell und heftig, und Personen von zarter Or-
ganisation müssen, selbst im Sommer, ihre Kleidung
darnach einrichten. Der Ursprung der Stadt ver-
liert sich im fabelhaften Alter der Geschichte Böh-
mens; doch war sie im 13. Jahrhundert schon fest
genug, um von den drohenden Horden der Tarta-
ren nichts mehr befürchten zu dürfen, und erhielt
ihre jetzige Gestalt und Ausdehnung großentheils
unter Karl IV. Die Kämpfe der Hussiten, die
Angriffe der Schweden im 30jährigen Kriege, so wie
die Belagerungen von 1744 und 1757 richteten
große Verwüstungen in Prag an; doch sind seitdem
bald zwei Jahrhunderte vergangen, und die Stadt
hat sich von dem Rost der Vorzeit vollkommen ge-
reinigt. Mit dem ehrfurchtgebietenden Ansehen ihres
hohen Alters verbindet sie die nothwendigen Be-
quemlichkeiten, welche mancher Residenzstadt fehlen.
Prag ist mit Kanälen durchzogen, welche Reinlich-
keit und Gesundheit so sehr befördern. Das Stra-
ßenpflaster ist an den meisten Stellen eben und gut.
Man hat sogar schon Versuche gemacht, Trottoirs
von Gußeisen zu legen, deren weitere Verbreitung
sehr zu wünschen wäre. Aus dunkeln Winkeln sind
durch Abreißung unansehnlicher Gebäude reinliche
Plätze geworden; die Wegschaffung der hölzernen
Vordächer an den Hausthüren und Gewölbern hat
die Straßen freundlicher und scheinbar breiter ge-
macht; Hügel sind abgegraben, Vertiefungen ausge-
füllt worden; auch die Hausbesitzer haben durch
einfache und geschmackvolle Bauten oder Renovirung
ihrer Häuser das Jhrige zur allgemeinen Verschöne-
rung beigetragen; die Beleuchtung ist reichlicher als
ehedem, und die vortheilhafte Einrichtung ( welche
man bei vielen großen Städten vermißt ) , daß an
allen Straßen und Plätzen der Name in deutscher
und böhmischer Sprache auf Zinkblechtafeln lakirte
weiß angeschrieben steht, ist beibehalten, und zwar
[Spaltenumbruch] so, daß nicht nur, wie in andern Städten, diese
Bezeichnung an den äußersten Enden geschieht, son-
dern man findet sie hier bei jeder Wegscheide oder
Mündung einer Nebenstraße, an manchen Stellen
fast häufiger, als es die Nothwendigkeit erfordert.
Ueberdieß haben alle Häuser ( für jedes Hauptviertel
besonders ) fortlaufende Nummern, was es dem Frem-
den, mit nur einigermaßen bestimmten Adressen, trotz
der weiten Ausdehnung, sehr erleichtert, Jemanden
aufzufinden. Vorzüglich schreiben sich die meisten
Verbesserungen und Verschönerungen Prags, so wie
die in großer Progression vorwärts schreitende Be-
völkerung und durch dieselbe erhöhte Lebhaftigkeit
der Stadt — die man vor etwa dreißig Jahren
noch mit vollem Rechte eine stille Stadt nennen
konnte — aus dem gegenwärtigen Jahrhundert. Wäh-
rend die hohe Landesregierung durch Straßen und Ei-
senbahnen, durch Beförderung der Elbeschifffahrt und
der böhmischen Heilquellen wie durch Gewerbsausstel-
lungen und den Schutz, den sie dem Verein zur Auf-
munterung
des Gewerbsgeistes gewährt, den
Flor und das Gedeihen des ganzen Reiches, und da-
mit zugleich den gemeinsamen Mittelpunkt aller Lan-
deskräfte, die Hauptstadt, mit einer seltenen Thatkraft
erhöht und vermehrt, ist ihr der Trost der Armen, wie
die Verschönerung der Städte und des Landes ein
nicht minder beachteter Gegenstand, der sich gleich-
falls des schönsten Fortschreitens rühmt.

Die allgemeine Armenversorgungs-
Anstalt,
welche kleine jährliche und freiwillige
Beiträge von den Bewohnern Prags in Empfang
nimmt, und durch zweckmäßige Vertheilung ge-
gen die lästige Haus = und Strassenbettelei wirkt,
ist ins Leben getreten, und hat bereits die schönsten
Früchte getragen. — Eine neuerrichtete Realschule
eröffnete den Söhnen der böhmischen Bürger eine
neue Aussicht, sich zu nützlichen Gliedern des Staa-
tes auszubilden. — Zwei Kinderwartanstalten
in den ärmsten und entlegensten Stadttheilen ver-
schaffen den Kindern dürftiger Bewohner Prags die
Wohlthat der Aufsicht und ersten Belehrung. —
Eine freiwillige Arbeitsanstalt gibt thätigen
und verschämten Armen Gelegenheit, sich ihr tägli-
ches Brot zu verdienen. — Durch die Sorgfalt des
verstorbenen Professor Klar's ist eine Versor-
gungs- und Beschäftigungs=Anstalt
für
erwachsene Blinde begründet worden, ein frommes
Werk der Christenliebe, welches der Verewigte bei
seinem Hinübergange seiner sanften, menschenliebenden
Gattin und Sohne als das schönste Erbe hinterließ.
— Selbst das leere Ceremoniell hat sich in eine
Handlung der Nächstenliebe verwandelt, indem der
Obristburggraf die Neujahrs=Gratulationen
[Ende Spaltensatz]

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Der Ursprung der Stadt ver- liert sich im fabelhaften Alter der Geschichte Böh- mens; doch war sie im 13. Jahrhundert schon fest genug, um von den drohenden Horden der Tarta- ren nichts mehr befürchten zu dürfen, und erhielt ihre jetzige Gestalt und Ausdehnung großentheils unter Karl IV. Die Kämpfe der Hussiten, die Angriffe der Schweden im 30jährigen Kriege, so wie die Belagerungen von 1744 und 1757 richteten große Verwüstungen in Prag an; doch sind seitdem bald zwei Jahrhunderte vergangen, und die Stadt hat sich von dem Rost der Vorzeit vollkommen ge- reinigt. Mit dem ehrfurchtgebietenden Ansehen ihres hohen Alters verbindet sie die nothwendigen Be- quemlichkeiten, welche mancher Residenzstadt fehlen. Prag ist mit Kanälen durchzogen, welche Reinlich- keit und Gesundheit so sehr befördern. Das Stra- ßenpflaster ist an den meisten Stellen eben und gut. Man hat sogar schon Versuche gemacht, Trottoirs von Gußeisen zu legen, deren weitere Verbreitung sehr zu wünschen wäre. 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Ueberdieß haben alle Häuser ( für jedes Hauptviertel besonders ) fortlaufende Nummern, was es dem Frem- den, mit nur einigermaßen bestimmten Adressen, trotz der weiten Ausdehnung, sehr erleichtert, Jemanden aufzufinden. Vorzüglich schreiben sich die meisten Verbesserungen und Verschönerungen Prags, so wie die in großer Progression vorwärts schreitende Be- völkerung und durch dieselbe erhöhte Lebhaftigkeit der Stadt — die man vor etwa dreißig Jahren noch mit vollem Rechte eine stille Stadt nennen konnte — aus dem gegenwärtigen Jahrhundert. Wäh- rend die hohe Landesregierung durch Straßen und Ei- senbahnen, durch Beförderung der Elbeschifffahrt und der böhmischen Heilquellen wie durch Gewerbsausstel- lungen und den Schutz, den sie dem Verein zur Auf- munterung des Gewerbsgeistes gewährt, den Flor und das Gedeihen des ganzen Reiches, und da- mit zugleich den gemeinsamen Mittelpunkt aller Lan- deskräfte, die Hauptstadt, mit einer seltenen Thatkraft erhöht und vermehrt, ist ihr der Trost der Armen, wie die Verschönerung der Städte und des Landes ein nicht minder beachteter Gegenstand, der sich gleich- falls des schönsten Fortschreitens rühmt. Die allgemeine Armenversorgungs- Anstalt, welche kleine jährliche und freiwillige Beiträge von den Bewohnern Prags in Empfang nimmt, und durch zweckmäßige Vertheilung ge- gen die lästige Haus = und Strassenbettelei wirkt, ist ins Leben getreten, und hat bereits die schönsten Früchte getragen. — Eine neuerrichtete Realschule eröffnete den Söhnen der böhmischen Bürger eine neue Aussicht, sich zu nützlichen Gliedern des Staa- tes auszubilden. — Zwei Kinderwartanstalten in den ärmsten und entlegensten Stadttheilen ver- schaffen den Kindern dürftiger Bewohner Prags die Wohlthat der Aufsicht und ersten Belehrung. — Eine freiwillige Arbeitsanstalt gibt thätigen und verschämten Armen Gelegenheit, sich ihr tägli- ches Brot zu verdienen. — Durch die Sorgfalt des verstorbenen Professor Klar's ist eine Versor- gungs- und Beschäftigungs=Anstalt für erwachsene Blinde begründet worden, ein frommes Werk der Christenliebe, welches der Verewigte bei seinem Hinübergange seiner sanften, menschenliebenden Gattin und Sohne als das schönste Erbe hinterließ. — Selbst das leere Ceremoniell hat sich in eine Handlung der Nächstenliebe verwandelt, indem der Obristburggraf die Neujahrs=Gratulationen

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Zitationshilfe: Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 13. Prag, 1836, S. [97]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_panorama13_1836/1>, abgerufen am 23.11.2024.