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Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 13. Prag, 1834.

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Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz] Dichtkunst und Musik, besonders durch den Einfluß,
welchen seine erste Pflegerin, die geistreiche Frau
von Rocoulle, und sein frühester Lehrer Duhan
unter dem geheimen Schutz der Königin, die er sehr
liebte, auf ihn gewannen. Unter diesen Umgebungen
erwachte Friedrichs Neigung zur Lektüre franzö-
sischer Dichter und Historiker, wodurch er jene außer-
ordentliche Vorliebe für die Literatur dieses Volkes
erhielt, die ihn mitunter zur Ungerechtigkeit gegen die
deutschen Schriftsteller verleitete. Die Feinheit fran-
zösischer Natur bildete einen grellen Gegensatz zu dem
rauhen Ton, der an dem Hofe seines Vaters herrschte,
welcher, unzufrieden mit den Neigungen des Prinzen,
oft von ihm sagte, er sey nichts als ein Stutzer, ein
französischer Schöngeist, welcher sein begonnenes
Werk wieder zu Grunde richten würde. Friedrich
Wilhelm
ahnte nicht, daß dieser französische Schön-
geist das neue Königreich Preußen zu einer der be-
deutendsten Mächte Europens erheben werde. *) Das
Mißverständniß zwischen Vater und Sohn ging so
weit, daß es den Wunsch des Ersteren rege machte,
die Thronfolge dereinst auf den jüngern Prinzen,
August Wilhelm, übergehen zu lassen. Der Mi-
nister von Grumbkow und der Fürst Leopold
von Anhalt=Dessau nährten diese Spannung, um
gewisse Plane zu fördern. Tief ergriffen von der
lieblosen Behandlung seines Vaters, beschloß Fried-
rich
derselben durch die Flucht zu entgehen, und sich
nach England zu seinem mütterlichen Oheim,
Georg II. zu begeben. Zwei junge Lieutnants, des
Prinzen Freunde, Katt und Keith, waren die Ver-
trauten seines Unternehmens, und sollten ihn beglei-
ten; aber einige unvorsichtige Aeußerungen des erste-
ren hatten dem Könige die zur Flucht bestimmte
Stunde verrathen; er ließ seinen Sohn in dem Au-
genblicke, wo er das Pferd besteigen wollte, gefangen
nehmen und vor sich führen, ja er würde ihn mit
eignen Händen getödtet haben, wenn man ihn nicht
zurück gehalten hätte. Katt wurde mit dem Prinzen
verhaftet, während Keith entfloh, und sich theils in
England theils in Portugal aufhielt, bis er nach
Friedrichs Thronbesteigung nach Berlin zurück-
kehrte ( 1741 ) , und zum Obristlieutnant, Stallmeister
und Curator der Akademie der Wissenschaften er-
nannt wurde.

Friedrich wurde in die Citadelle von Küstrin
gebracht, wo er in einem Zimmer ohne Meublen
verwahrt wurde, auch war der strengste Befehl er-
theilt, ihm weder Licht noch Bücher zu geben, die
Bibel und ein Gebetbuch ausgenommen, gleich als
wolle man ihm den Tod vorher verkündigen, und ihn
ermuntern seine Seele Gott zu empfehlen. Als
Friedrich kurze Zeit in Küstrin gewesen war,
ließ ihm der König den Antrag machen, der Thron-
folge zu entsagen, wofür ihm Freiheit der Studien,
Reisen u. s. w. gewährt werden solle. "Jch nehme",
sagte der Prinz, "den Vorschlag an, wenn mein
Vater erklärt, daß ich nicht sein leiblicher Sohn sey!"
Auf diese Antwort entsagte der König, welchem ehe-
liche Treue Religionspflicht war, dergleichen Ansin-
nen auf immer.

Während dieser Zeit überlegte Friedrich Wil-
helm
über die Art, wie er ein Gericht über seinen
Sohn halten solle, und da die Minister ihm vorstell-
[Spaltenumbruch] ten, kein Tribunal des Landes sey befugt, ein Urtheil
über den Kronerben zu sprechen, beschloß er, ihn bloß
als Obristen der Armee vor ein Kriegsgericht zu
stellen, welches den Prinzen und Katt zum Tode
durch das Schwert verurtheilte. Friedrich sah
durch die Gitter seines Kerkers, wie das Schaffot
aufgerichtet wurde, und zweifelte nicht, daß seine
letzte Stunde gekommen sey, als der Commandant
der Citadelle am folgenden Morgen in sein Zimmer
trat; doch sollte seine Strafe darin bestehen, der
Hinrichtung seines getreuen Katt beizuwohnen, der
bald herbeigeführt wurde. Sein Haupt fiel, Fried-
rich
sank ohnmächtig nieder, und verfiel, als er zu
sich kam, in eine gefährliche Krankheit.

[Abbildung] ( FriedrichII.König von Preußen. )

Man hat später erfahren, daß der Prinz
sein Leben bloß der Vermittlung fremder Mächte,
vorzüglich des deutschen Kaisers verdankte, welcher
das Recht geltend machte, daß es ihm allein zukom-
me, einen königlichen Prinzen zu richten. Der grau-
same Vater, taub für die Stimme des Blutes, hatte
nur der Politik nachgegeben, indem er seinen Sohn
verschonte. Als Friedrich das Gefängniß verließ,
arbeitete er auf Befehl des Königs als jüngster
Kriegsrath bei der Domainenkammer, und erhielt erst
lange nachher wieder die Erlaubniß, am Hofe zu
erscheinen; doch erkaufte er die väterliche Vergebung
durch ein Opfer seines Herzens. Er mußte seine
Hand der Prinzessin Elisabeth Christine von
Braunschweig=Bevern reichen, die er nicht
liebte, obschon sie dessen würdig war, und mit wel-
cher er zu leben sich streng weigerte, wenn er sie
gleich stets mit ausgezeichneter Hochachtung behandelte.
Friedrich lebte durch mehrere Jahre in der Ein-
samkeit des Schlosses Rheinsberg, welches er den
"Sitz der Musen" nannte, blos den Wissenschaften
und der Kunst.

Seine nächste Umgebung bestand aus Gelehrten
( Bielefeld, Chazot, Suhm, Fouquet, Kno-
belsdorf, Kaiserling, Jordan
) , Tonkünstlern
( Graun, Benda ) und Mahlern ( Pesne ) , und
er unterhielt eine zahlreiche Correspondenz mit Mau-
pertius, Algarotti
u. v. a., vorzüglich aber
[Ende Spaltensatz]

*) Friedrich II. fand beim Antritt seiner Regierung
( 1740 ) eine Zahl von 2,240,000 Unterthanen, und hin-
terließ deren bei seinem Tode ( 1786 ) 6,000,000.

Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz] Dichtkunst und Musik, besonders durch den Einfluß,
welchen seine erste Pflegerin, die geistreiche Frau
von Rocoulle, und sein frühester Lehrer Duhan
unter dem geheimen Schutz der Königin, die er sehr
liebte, auf ihn gewannen. Unter diesen Umgebungen
erwachte Friedrichs Neigung zur Lektüre franzö-
sischer Dichter und Historiker, wodurch er jene außer-
ordentliche Vorliebe für die Literatur dieses Volkes
erhielt, die ihn mitunter zur Ungerechtigkeit gegen die
deutschen Schriftsteller verleitete. Die Feinheit fran-
zösischer Natur bildete einen grellen Gegensatz zu dem
rauhen Ton, der an dem Hofe seines Vaters herrschte,
welcher, unzufrieden mit den Neigungen des Prinzen,
oft von ihm sagte, er sey nichts als ein Stutzer, ein
französischer Schöngeist, welcher sein begonnenes
Werk wieder zu Grunde richten würde. Friedrich
Wilhelm
ahnte nicht, daß dieser französische Schön-
geist das neue Königreich Preußen zu einer der be-
deutendsten Mächte Europens erheben werde. *) Das
Mißverständniß zwischen Vater und Sohn ging so
weit, daß es den Wunsch des Ersteren rege machte,
die Thronfolge dereinst auf den jüngern Prinzen,
August Wilhelm, übergehen zu lassen. Der Mi-
nister von Grumbkow und der Fürst Leopold
von Anhalt=Dessau nährten diese Spannung, um
gewisse Plane zu fördern. Tief ergriffen von der
lieblosen Behandlung seines Vaters, beschloß Fried-
rich
derselben durch die Flucht zu entgehen, und sich
nach England zu seinem mütterlichen Oheim,
Georg II. zu begeben. Zwei junge Lieutnants, des
Prinzen Freunde, Katt und Keith, waren die Ver-
trauten seines Unternehmens, und sollten ihn beglei-
ten; aber einige unvorsichtige Aeußerungen des erste-
ren hatten dem Könige die zur Flucht bestimmte
Stunde verrathen; er ließ seinen Sohn in dem Au-
genblicke, wo er das Pferd besteigen wollte, gefangen
nehmen und vor sich führen, ja er würde ihn mit
eignen Händen getödtet haben, wenn man ihn nicht
zurück gehalten hätte. Katt wurde mit dem Prinzen
verhaftet, während Keith entfloh, und sich theils in
England theils in Portugal aufhielt, bis er nach
Friedrichs Thronbesteigung nach Berlin zurück-
kehrte ( 1741 ) , und zum Obristlieutnant, Stallmeister
und Curator der Akademie der Wissenschaften er-
nannt wurde.

Friedrich wurde in die Citadelle von Küstrin
gebracht, wo er in einem Zimmer ohne Meublen
verwahrt wurde, auch war der strengste Befehl er-
theilt, ihm weder Licht noch Bücher zu geben, die
Bibel und ein Gebetbuch ausgenommen, gleich als
wolle man ihm den Tod vorher verkündigen, und ihn
ermuntern seine Seele Gott zu empfehlen. Als
Friedrich kurze Zeit in Küstrin gewesen war,
ließ ihm der König den Antrag machen, der Thron-
folge zu entsagen, wofür ihm Freiheit der Studien,
Reisen u. s. w. gewährt werden solle. „Jch nehme“,
sagte der Prinz, „den Vorschlag an, wenn mein
Vater erklärt, daß ich nicht sein leiblicher Sohn sey!“
Auf diese Antwort entsagte der König, welchem ehe-
liche Treue Religionspflicht war, dergleichen Ansin-
nen auf immer.

Während dieser Zeit überlegte Friedrich Wil-
helm
über die Art, wie er ein Gericht über seinen
Sohn halten solle, und da die Minister ihm vorstell-
[Spaltenumbruch] ten, kein Tribunal des Landes sey befugt, ein Urtheil
über den Kronerben zu sprechen, beschloß er, ihn bloß
als Obristen der Armee vor ein Kriegsgericht zu
stellen, welches den Prinzen und Katt zum Tode
durch das Schwert verurtheilte. Friedrich sah
durch die Gitter seines Kerkers, wie das Schaffot
aufgerichtet wurde, und zweifelte nicht, daß seine
letzte Stunde gekommen sey, als der Commandant
der Citadelle am folgenden Morgen in sein Zimmer
trat; doch sollte seine Strafe darin bestehen, der
Hinrichtung seines getreuen Katt beizuwohnen, der
bald herbeigeführt wurde. Sein Haupt fiel, Fried-
rich
sank ohnmächtig nieder, und verfiel, als er zu
sich kam, in eine gefährliche Krankheit.

[Abbildung] ( FriedrichII.König von Preußen. )

Man hat später erfahren, daß der Prinz
sein Leben bloß der Vermittlung fremder Mächte,
vorzüglich des deutschen Kaisers verdankte, welcher
das Recht geltend machte, daß es ihm allein zukom-
me, einen königlichen Prinzen zu richten. Der grau-
same Vater, taub für die Stimme des Blutes, hatte
nur der Politik nachgegeben, indem er seinen Sohn
verschonte. Als Friedrich das Gefängniß verließ,
arbeitete er auf Befehl des Königs als jüngster
Kriegsrath bei der Domainenkammer, und erhielt erst
lange nachher wieder die Erlaubniß, am Hofe zu
erscheinen; doch erkaufte er die väterliche Vergebung
durch ein Opfer seines Herzens. Er mußte seine
Hand der Prinzessin Elisabeth Christine von
Braunschweig=Bevern reichen, die er nicht
liebte, obschon sie dessen würdig war, und mit wel-
cher er zu leben sich streng weigerte, wenn er sie
gleich stets mit ausgezeichneter Hochachtung behandelte.
Friedrich lebte durch mehrere Jahre in der Ein-
samkeit des Schlosses Rheinsberg, welches er den
„Sitz der Musen“ nannte, blos den Wissenschaften
und der Kunst.

Seine nächste Umgebung bestand aus Gelehrten
( Bielefeld, Chazot, Suhm, Fouquet, Kno-
belsdorf, Kaiserling, Jordan
) , Tonkünstlern
( Graun, Benda ) und Mahlern ( Pesne ) , und
er unterhielt eine zahlreiche Correspondenz mit Mau-
pertius, Algarotti
u. v. a., vorzüglich aber
[Ende Spaltensatz]

*) Friedrich II. fand beim Antritt seiner Regierung
( 1740 ) eine Zahl von 2,240,000 Unterthanen, und hin-
terließ deren bei seinem Tode ( 1786 ) 6,000,000.
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Friedrich Wilhelm ahnte nicht, daß dieser französische Schön- geist das neue Königreich Preußen zu einer der be- deutendsten Mächte Europens erheben werde. *) Das Mißverständniß zwischen Vater und Sohn ging so weit, daß es den Wunsch des Ersteren rege machte, die Thronfolge dereinst auf den jüngern Prinzen, August Wilhelm, übergehen zu lassen. Der Mi- nister von Grumbkow und der Fürst Leopold von Anhalt=Dessau nährten diese Spannung, um gewisse Plane zu fördern. Tief ergriffen von der lieblosen Behandlung seines Vaters, beschloß Fried- rich derselben durch die Flucht zu entgehen, und sich nach England zu seinem mütterlichen Oheim, Georg II. zu begeben. 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[Abbildung ( FriedrichII.König von Preußen. ) ] Man hat später erfahren, daß der Prinz sein Leben bloß der Vermittlung fremder Mächte, vorzüglich des deutschen Kaisers verdankte, welcher das Recht geltend machte, daß es ihm allein zukom- me, einen königlichen Prinzen zu richten. Der grau- same Vater, taub für die Stimme des Blutes, hatte nur der Politik nachgegeben, indem er seinen Sohn verschonte. Als Friedrich das Gefängniß verließ, arbeitete er auf Befehl des Königs als jüngster Kriegsrath bei der Domainenkammer, und erhielt erst lange nachher wieder die Erlaubniß, am Hofe zu erscheinen; doch erkaufte er die väterliche Vergebung durch ein Opfer seines Herzens. Er mußte seine Hand der Prinzessin Elisabeth Christine von Braunschweig=Bevern reichen, die er nicht liebte, obschon sie dessen würdig war, und mit wel- cher er zu leben sich streng weigerte, wenn er sie gleich stets mit ausgezeichneter Hochachtung behandelte. 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Zitationshilfe: Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 13. Prag, 1834, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_panorama13_1834/5>, abgerufen am 22.11.2024.