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Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 9. Prag, 1834.

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Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz] Schlachtordnung gereiht, und ein tiefes Stillschweigen
beobachten, das nur bisweilen durch die Gewohnheits-
frage: "finden Sie Jhren Thee gut, mein Herr?"
-- und durch die Antwort: "Jch finde ihn vortreff-
lich, Madam" -- unterbrochen wird. Jst aber der
Thee servirt, und steht irgend jemand von seinem
Sitze auf, dann folgt die ganze Gesellschaft schnell
dem gegebenen Beispiele, man läuft durcheinander,
man schwatzt, und ungemessenes Lachen tritt an die
Stelle der ächten Fröhlichkeit. Die Unordnung kann
für eine Weile anziehend seyn, aber sie wird bald
ermüdend.



Lesewuth in England.

Das Lesen wird in England wirklich zur Lächer-
lichkeit betrieben; der Pair, wenn er nach dem Ober-
hause fährt, das junge Mädchen, das eine Prome-
nade durch die Parks oder Einkäufe in einem Laden
zu machen hat, liest Zeitungen oder ein sonstiges
Buch im Wagen. Man liest auf und in den Post-
wagen, man liest, wenn man auf den Straßen geht
oder reitet. Man liest in Gesellschaft von Damen,
man liest beim Aufstehen und beim Schlafengehen,
auch hat man sogar angefangen, sich kleine Biblio-
theken in den Wagen anzulegen.



Sonderbare Erbfolge.

Bei vielen Tatarstämmen ist gewöhnlich der
jüngste Sohn Haupterbe, aus dem einfachen Grunde,
weil die ältern Söhne, sobald sie mündig sind, selbst
Haupt einer Nomaden = Familie werden, und mit so
viel Vieh, als ihnen der Vater von seinen Heerden
gibt, in die weite Welt hinaus ziehen. Der jüngste
Sohn, welcher bei dem Vater im Hause bleibt, ist
folglich der Erbe der ganzen Wirthschaft.

Jn einigen kleinen Distrikten von England soll
ebenfalls diese seltsame Erbfolge noch gelten. -- Man
fand sie auch noch vor der französischen Revolution
in Bretagne, und zwar im Herzogthum Rohan, bei
den untern Ständen des Volks.



Sätze aus der Lebensweisheit.

Es gibt keine wahren Güter als jene des Gei-
stes; man theilt sie mit, ohne sie zu verlieren, ja sie
vermehren sich, indem man sie verbreitet, und sie
allein sind unsterblich.

Nur, weil wir selbst Fehler besitzen, finden wir
so viel Vergnügen daran, die Fehler Anderer zu
belauschen.

Ein Menschenfeind ist ein Mann, der die Kunst
das Glück zu suchen nicht verstand, und ein Laster-
hafter ist ein ähnlicher Unglücklicher. Die Weisheit
siegt über die vergangenen, vielleicht auch über die
gegenwärtigen Uebel, aber die künftigen bemeistern sie
gewöhnlich.

Das Museum für Alterthümer und Kunst -
werke zu Berlin.

Dieses edle und geschmackvolle Gebäude, welches
auf Befehl des Königs von Preußen errichtet worden
ist, um die königlichen Sammlungen von Gemählden
und Antiken vereint in seine Räume aufzunehmen,
wurde im Jahre 1825 nach Schinkels Zeichnungen
[Spaltenumbruch] begonnen, und am 3. August 1830 fand die feierliche
Eröffnung dieses Musentempels zugleich mit dem
Geburtsfeste seines huldvollen Schöpfers zusammen
Statt, der durch dieses Werk dasjenige ergänzte, was
Berlin bis dahin noch gefehlt hatte.

Dieses Prachtgebäude, dessen Hauptfacade dem
Lustgarten zugekehrt, ist ein Oblong ( längliches Viereck )
von 276 Fuß Länge und 170 Fuß Tiefe, und besteht
aus einem Unterbau und einem Hauptbau, der die
Kuppel einer Rotunde umgibt. Eine 91 Fuß breite
Treppe von 21 Stufen führt zu der Vorhalle, welche
von 18 mächtigen freistehenden jonischen Säulen
( 39 Fuß 5 Zoll hoch und4 1 / 2 Fuß im Durchmesser )
ruht, die über beide Etagen hinauf ragen. Die Ge-
sammthöhe des Hauptgebäudes bis zum Gesimse be-
trägt 60 Fuß, davon gehen 12 Fuß auf den Unter-
bau, 20 F. auf das erste und 28 F. auf das zweite
Geschoß. Oberhalb des Frieses steht auf jeder Säule
ein Adler, gleichsam durch den Fries hindurch die
Säule ergänzend und abschließend; der Künstler wußte
denselben eine schöne und bedeutsame Form zu geben,
indem er sie mit oben ausgebreiteten, nach unten aber
etwas geschlossenen Flügeln vorstellte, je zwei und
zwei mit den Köpfen einander zugewandt. Auf dem
viereckigen Oberbau, welcher die Kuppel der Rotunde
bedeckt, und mit einem vergoldeten leicht geschwunge-
nen Gitter umgeben ist, wurden auf den beiden vor-
dern Ecken zwei Gruppen vou Rossebändigern aufge-
stellt, nach den trefflichen Vorbildern von Phidias
und Praxiteles, die sich in Rom auf dem Monte-
Cavallo befinden, von Friedrich Tieck modellirt,
und in der königlichen Eisengießerei im Jahre 1829
gegossen. Die männlichen Gestalten sind über der
Stirne durch goldene Sterne als lichtbringende We-
sen verkündet, und die ganzen Gruppen haben ein
besonders schönes Profil ( Seitenansicht ) , worauf es
zum Schmuck dieses Gebäudes großentheils ankam.
Für die beiden hintern Ecken des Ueberbaues waren
Kämpfergruppen bestimmt, sie sind aber bis jetzt noch
unbesetzt geblieben. Das untere, als Souterrain
( Kellergeschoß ) behandelte Stockwerk enthält nebst der
Wohnung des Kastellans die Gewölbe für alle nöthi-
gen Geräthschaften und die 4 Heitzkammern, welche
erwärmte Luft in alle Theile des Gebäudes leiten.
Rückwärts aber und zur Linken der Halle ist eine
Reihe niedriger, flach überwölbter Gemächer und ein
großer Saal der Aufstellung der prächtigen Samm-
lung von antiken Vasen, Glasgeschirren und Terra-
cotten ( alterthümliche Gefäße von gebrannter Erde )
und dem Münzkabinet gewidmet.

Die Rotunde hat 67 Fuß im Durchmesser, und
mißt bis zur Höhe der Kuppel, die über beide Stock-
werke empor ragt, und durch welche allein die Ro-
tunde ihre Beleuchtung erhält, 72 Fuß. Ein Kranz
von 20 korinthischen Säulen, welche das Ansehen
von gelbem Marmor ( giallo antico genannt ) haben,
trägt in der Höhe des ersten Stockwerkes eine Gal-
lerie. Jn dieser Rotunde sind 18 Bildsäulen von 5
bis 7 Fuß Höhe aufgestellt, und die Gallerie enthält
18 kleinere Statuen von 2 bis 4 Fuß Höhe. Jn
dem langen Mittelsaal findet man 130 Bildsäulen,
Büsten, Urnen, und andere Denkmahle der alten
Kunst von verschiedener Größe und Umfang, in zwei
andern Sälen zur Rechten und Linken sind kleinere
griechische Antiken aufgestellt, und in Gemächern von
geringerem Umfange werden die Broncearbeiten, Va-
sen u. s. w. bewahrt. Von den erwähnten 166 Kunst-
werken verdankt Berlin 40 den Erwerbungen König
[Ende Spaltensatz]

Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz] Schlachtordnung gereiht, und ein tiefes Stillschweigen
beobachten, das nur bisweilen durch die Gewohnheits-
frage: „finden Sie Jhren Thee gut, mein Herr?“
— und durch die Antwort: „Jch finde ihn vortreff-
lich, Madam“ — unterbrochen wird. Jst aber der
Thee servirt, und steht irgend jemand von seinem
Sitze auf, dann folgt die ganze Gesellschaft schnell
dem gegebenen Beispiele, man läuft durcheinander,
man schwatzt, und ungemessenes Lachen tritt an die
Stelle der ächten Fröhlichkeit. Die Unordnung kann
für eine Weile anziehend seyn, aber sie wird bald
ermüdend.



Lesewuth in England.

Das Lesen wird in England wirklich zur Lächer-
lichkeit betrieben; der Pair, wenn er nach dem Ober-
hause fährt, das junge Mädchen, das eine Prome-
nade durch die Parks oder Einkäufe in einem Laden
zu machen hat, liest Zeitungen oder ein sonstiges
Buch im Wagen. Man liest auf und in den Post-
wagen, man liest, wenn man auf den Straßen geht
oder reitet. Man liest in Gesellschaft von Damen,
man liest beim Aufstehen und beim Schlafengehen,
auch hat man sogar angefangen, sich kleine Biblio-
theken in den Wagen anzulegen.



Sonderbare Erbfolge.

Bei vielen Tatarstämmen ist gewöhnlich der
jüngste Sohn Haupterbe, aus dem einfachen Grunde,
weil die ältern Söhne, sobald sie mündig sind, selbst
Haupt einer Nomaden = Familie werden, und mit so
viel Vieh, als ihnen der Vater von seinen Heerden
gibt, in die weite Welt hinaus ziehen. Der jüngste
Sohn, welcher bei dem Vater im Hause bleibt, ist
folglich der Erbe der ganzen Wirthschaft.

Jn einigen kleinen Distrikten von England soll
ebenfalls diese seltsame Erbfolge noch gelten. — Man
fand sie auch noch vor der französischen Revolution
in Bretagne, und zwar im Herzogthum Rohan, bei
den untern Ständen des Volks.



Sätze aus der Lebensweisheit.

Es gibt keine wahren Güter als jene des Gei-
stes; man theilt sie mit, ohne sie zu verlieren, ja sie
vermehren sich, indem man sie verbreitet, und sie
allein sind unsterblich.

Nur, weil wir selbst Fehler besitzen, finden wir
so viel Vergnügen daran, die Fehler Anderer zu
belauschen.

Ein Menschenfeind ist ein Mann, der die Kunst
das Glück zu suchen nicht verstand, und ein Laster-
hafter ist ein ähnlicher Unglücklicher. Die Weisheit
siegt über die vergangenen, vielleicht auch über die
gegenwärtigen Uebel, aber die künftigen bemeistern sie
gewöhnlich.

Das Museum für Alterthümer und Kunst -
werke zu Berlin.

Dieses edle und geschmackvolle Gebäude, welches
auf Befehl des Königs von Preußen errichtet worden
ist, um die königlichen Sammlungen von Gemählden
und Antiken vereint in seine Räume aufzunehmen,
wurde im Jahre 1825 nach Schinkels Zeichnungen
[Spaltenumbruch] begonnen, und am 3. August 1830 fand die feierliche
Eröffnung dieses Musentempels zugleich mit dem
Geburtsfeste seines huldvollen Schöpfers zusammen
Statt, der durch dieses Werk dasjenige ergänzte, was
Berlin bis dahin noch gefehlt hatte.

Dieses Prachtgebäude, dessen Hauptfacade dem
Lustgarten zugekehrt, ist ein Oblong ( längliches Viereck )
von 276 Fuß Länge und 170 Fuß Tiefe, und besteht
aus einem Unterbau und einem Hauptbau, der die
Kuppel einer Rotunde umgibt. Eine 91 Fuß breite
Treppe von 21 Stufen führt zu der Vorhalle, welche
von 18 mächtigen freistehenden jonischen Säulen
( 39 Fuß 5 Zoll hoch und4 1 / 2 Fuß im Durchmesser )
ruht, die über beide Etagen hinauf ragen. Die Ge-
sammthöhe des Hauptgebäudes bis zum Gesimse be-
trägt 60 Fuß, davon gehen 12 Fuß auf den Unter-
bau, 20 F. auf das erste und 28 F. auf das zweite
Geschoß. Oberhalb des Frieses steht auf jeder Säule
ein Adler, gleichsam durch den Fries hindurch die
Säule ergänzend und abschließend; der Künstler wußte
denselben eine schöne und bedeutsame Form zu geben,
indem er sie mit oben ausgebreiteten, nach unten aber
etwas geschlossenen Flügeln vorstellte, je zwei und
zwei mit den Köpfen einander zugewandt. Auf dem
viereckigen Oberbau, welcher die Kuppel der Rotunde
bedeckt, und mit einem vergoldeten leicht geschwunge-
nen Gitter umgeben ist, wurden auf den beiden vor-
dern Ecken zwei Gruppen vou Rossebändigern aufge-
stellt, nach den trefflichen Vorbildern von Phidias
und Praxiteles, die sich in Rom auf dem Monte-
Cavallo befinden, von Friedrich Tieck modellirt,
und in der königlichen Eisengießerei im Jahre 1829
gegossen. Die männlichen Gestalten sind über der
Stirne durch goldene Sterne als lichtbringende We-
sen verkündet, und die ganzen Gruppen haben ein
besonders schönes Profil ( Seitenansicht ) , worauf es
zum Schmuck dieses Gebäudes großentheils ankam.
Für die beiden hintern Ecken des Ueberbaues waren
Kämpfergruppen bestimmt, sie sind aber bis jetzt noch
unbesetzt geblieben. Das untere, als Souterrain
( Kellergeschoß ) behandelte Stockwerk enthält nebst der
Wohnung des Kastellans die Gewölbe für alle nöthi-
gen Geräthschaften und die 4 Heitzkammern, welche
erwärmte Luft in alle Theile des Gebäudes leiten.
Rückwärts aber und zur Linken der Halle ist eine
Reihe niedriger, flach überwölbter Gemächer und ein
großer Saal der Aufstellung der prächtigen Samm-
lung von antiken Vasen, Glasgeschirren und Terra-
cotten ( alterthümliche Gefäße von gebrannter Erde )
und dem Münzkabinet gewidmet.

Die Rotunde hat 67 Fuß im Durchmesser, und
mißt bis zur Höhe der Kuppel, die über beide Stock-
werke empor ragt, und durch welche allein die Ro-
tunde ihre Beleuchtung erhält, 72 Fuß. Ein Kranz
von 20 korinthischen Säulen, welche das Ansehen
von gelbem Marmor ( giallo antico genannt ) haben,
trägt in der Höhe des ersten Stockwerkes eine Gal-
lerie. Jn dieser Rotunde sind 18 Bildsäulen von 5
bis 7 Fuß Höhe aufgestellt, und die Gallerie enthält
18 kleinere Statuen von 2 bis 4 Fuß Höhe. Jn
dem langen Mittelsaal findet man 130 Bildsäulen,
Büsten, Urnen, und andere Denkmahle der alten
Kunst von verschiedener Größe und Umfang, in zwei
andern Sälen zur Rechten und Linken sind kleinere
griechische Antiken aufgestellt, und in Gemächern von
geringerem Umfange werden die Broncearbeiten, Va-
sen u. s. w. bewahrt. Von den erwähnten 166 Kunst-
werken verdankt Berlin 40 den Erwerbungen König
[Ende Spaltensatz]

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Man liest in Gesellschaft von Damen, man liest beim Aufstehen und beim Schlafengehen, auch hat man sogar angefangen, sich kleine Biblio- theken in den Wagen anzulegen. Sonderbare Erbfolge. Bei vielen Tatarstämmen ist gewöhnlich der jüngste Sohn Haupterbe, aus dem einfachen Grunde, weil die ältern Söhne, sobald sie mündig sind, selbst Haupt einer Nomaden = Familie werden, und mit so viel Vieh, als ihnen der Vater von seinen Heerden gibt, in die weite Welt hinaus ziehen. Der jüngste Sohn, welcher bei dem Vater im Hause bleibt, ist folglich der Erbe der ganzen Wirthschaft. Jn einigen kleinen Distrikten von England soll ebenfalls diese seltsame Erbfolge noch gelten. — Man fand sie auch noch vor der französischen Revolution in Bretagne, und zwar im Herzogthum Rohan, bei den untern Ständen des Volks. Sätze aus der Lebensweisheit. Es gibt keine wahren Güter als jene des Gei- stes; man theilt sie mit, ohne sie zu verlieren, ja sie vermehren sich, indem man sie verbreitet, und sie allein sind unsterblich. Nur, weil wir selbst Fehler besitzen, finden wir so viel Vergnügen daran, die Fehler Anderer zu belauschen. Ein Menschenfeind ist ein Mann, der die Kunst das Glück zu suchen nicht verstand, und ein Laster- hafter ist ein ähnlicher Unglücklicher. Die Weisheit siegt über die vergangenen, vielleicht auch über die gegenwärtigen Uebel, aber die künftigen bemeistern sie gewöhnlich. Das Museum für Alterthümer und Kunst - werke zu Berlin. Dieses edle und geschmackvolle Gebäude, welches auf Befehl des Königs von Preußen errichtet worden ist, um die königlichen Sammlungen von Gemählden und Antiken vereint in seine Räume aufzunehmen, wurde im Jahre 1825 nach Schinkels Zeichnungen begonnen, und am 3. 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Oberhalb des Frieses steht auf jeder Säule ein Adler, gleichsam durch den Fries hindurch die Säule ergänzend und abschließend; der Künstler wußte denselben eine schöne und bedeutsame Form zu geben, indem er sie mit oben ausgebreiteten, nach unten aber etwas geschlossenen Flügeln vorstellte, je zwei und zwei mit den Köpfen einander zugewandt. Auf dem viereckigen Oberbau, welcher die Kuppel der Rotunde bedeckt, und mit einem vergoldeten leicht geschwunge- nen Gitter umgeben ist, wurden auf den beiden vor- dern Ecken zwei Gruppen vou Rossebändigern aufge- stellt, nach den trefflichen Vorbildern von Phidias und Praxiteles, die sich in Rom auf dem Monte- Cavallo befinden, von Friedrich Tieck modellirt, und in der königlichen Eisengießerei im Jahre 1829 gegossen. Die männlichen Gestalten sind über der Stirne durch goldene Sterne als lichtbringende We- sen verkündet, und die ganzen Gruppen haben ein besonders schönes Profil ( Seitenansicht ) , worauf es zum Schmuck dieses Gebäudes großentheils ankam. Für die beiden hintern Ecken des Ueberbaues waren Kämpfergruppen bestimmt, sie sind aber bis jetzt noch unbesetzt geblieben. Das untere, als Souterrain ( Kellergeschoß ) behandelte Stockwerk enthält nebst der Wohnung des Kastellans die Gewölbe für alle nöthi- gen Geräthschaften und die 4 Heitzkammern, welche erwärmte Luft in alle Theile des Gebäudes leiten. Rückwärts aber und zur Linken der Halle ist eine Reihe niedriger, flach überwölbter Gemächer und ein großer Saal der Aufstellung der prächtigen Samm- lung von antiken Vasen, Glasgeschirren und Terra- cotten ( alterthümliche Gefäße von gebrannter Erde ) und dem Münzkabinet gewidmet. Die Rotunde hat 67 Fuß im Durchmesser, und mißt bis zur Höhe der Kuppel, die über beide Stock- werke empor ragt, und durch welche allein die Ro- tunde ihre Beleuchtung erhält, 72 Fuß. Ein Kranz von 20 korinthischen Säulen, welche das Ansehen von gelbem Marmor ( giallo antico genannt ) haben, trägt in der Höhe des ersten Stockwerkes eine Gal- lerie. Jn dieser Rotunde sind 18 Bildsäulen von 5 bis 7 Fuß Höhe aufgestellt, und die Gallerie enthält 18 kleinere Statuen von 2 bis 4 Fuß Höhe. Jn dem langen Mittelsaal findet man 130 Bildsäulen, Büsten, Urnen, und andere Denkmahle der alten Kunst von verschiedener Größe und Umfang, in zwei andern Sälen zur Rechten und Linken sind kleinere griechische Antiken aufgestellt, und in Gemächern von geringerem Umfange werden die Broncearbeiten, Va- sen u. s. w. bewahrt. Von den erwähnten 166 Kunst- werken verdankt Berlin 40 den Erwerbungen König

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Zitationshilfe: Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 9. Prag, 1834, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_panorama09_1834/7>, abgerufen am 24.11.2024.